Pocono hat exakt gehalten was es im Vorfeld versprach, nur das Wetter hat dem Rennen am Wochenende einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. Fünf Stunden dauerte deshalb die Sprint-Cup-Veranstaltung und am Ende gewann ein verletzter Brad Keselowski – der Fahrer, von dem man es wohl am wenigsten erwartet hätte.
Das sage ich nicht etwa, weil Keselowski nicht fahren könnte. Viel mehr geht es darum, dass es sich mit einem gebrochenen (Ja, er ist doch gebrochen!) Knöchel wirklich schwerlich Auto fahren lässt. Bei Tests in Road Atlanta hatte der Penske-Pilot einen schweren Unfall, nachdem die Bremsen an seinem Dodge versagten. Mit 160 km/h schlug er in eine mit Reifenstapeln „gesicherte“ Betonwand ein und verletzte sich dabei wie durch ein Wunder „nur“ an seinem Knöchel. Die zugehörigen Bilder hatte ich ja bereits in der Vorschau gepostet und selbst Keselowski gab später zu, dass er da wohl eine ganze Menge Glück gehabt hatte! Erschwerend kam am Sonntag in Pocono die Tatsache hinzu, dass seit einer Veränderung der Gear-Rule seitens NASCAR in diesem Jahr auf dem Trioval wieder geschaltet wird, um das beste Drehmoment für die langen Geraden zu erwischen.
Die 500 Meilen dürften für Brad Keselowski also nicht schmerzfrei über die Bühne gegangen sein, was seinen Erfolg natürlich noch weiter aufwertet. Da kann man von dem Burschen halten, was man will, aber das ist schon eine Hausnummer, bei 200mph 200 Runden lang die Zähne zusammenzubeißen und dann noch den Sieg mit nach Hause zu nehmen. Die Ausgangsposition für seinen Sieg legte Keselowski gemeinsam mit dem Teamkollegen Kurt Busch kurz vor der gut 100-minütigen Regenunterbrechung. Die beiden Penske-Piloten kamen gemeinsam vor dem Rest des Feldes zum Tankstopp und sahen sich danach die Spitze vorerst von den hinteren Plätzen an. Dann fiel allerdings der Regen und es sah nach dem Rennen eines anderen Fahrers aus:
Nach 124 Runden lag Joey Logano in Front, als es nass wurde. Logano hatte das Rennen vorher schon für über 40 Umläufe angeführt und gemeinsam mit seinen Teamkollegen Kyle Busch und Denny Hamlin einen Anspruch auf den Rennsieg angemeldet. Die drei Fahrer von Joe Gibbs Racing lagen unter roter Flagge auf den Plätzen 1,3 und 4, nur getrennt durch Jimmie Johnson auf Rang 2. Im ersten Moment dachte ich nach einem Blick auf das Radar, dass die nächste Regenfront einfach zu schnell nachziehen würde, um eine Wiederaufnahme des Rennens ermöglichen zu können. Wäre es so gewesen, wäre dieser Artikel vermutlich jetzt zu Ende. Doch irgendwie gab es eine Veränderung in der Macht und der Regen blieb aus, noch dazu konnte man das 2,5-Meilen-Oval in weniger als den üblichen zwei Stunden wieder abtrocknen. Das Rennen wurde fortgesetzt…
Da zu diesem Zeitpunkt alle Piloten bis auf die Penske-Teamkollegen am Ende ihres Spritfensters angelangt waren, mussten sie nachfassen. Brad Keselowski und Kurt Busch wurden daher sofort nach den Boxenstopps an die Spitze des Feldes gespült und waren auch durch weitere Green-Flag-Pitstops und eine letzte Caution nicht mehr aus den Top5 zu vertreiben. Hier zeigte sich wieder ganz klar, was in Pocono am wichtigsten ist, nämlich Track-Position. Wie in der Vorschau beschrieben, zog sich das Feld nach maximal fünf Runden massiv auseinander und verteilte sich auf dem riesigen Trioval. Während der Restarts war es aber wie erwartet durchaus spaßig und es ging teilweise five-wide zu Sache. Eigentlich müsste man in Pocono das Rennen auf 300 Meilen verkürzen und alle 10-20 Runden eine Competition-Caution werfen, dann hätte man eine Menge Spaß!
Nachdem die Penske-Piloten ihre Führung in Folge der letzten Boxenstopps unter grüner Flagge an Kyle Busch verloren hatten, gerieten 20 Umläufe vor Schluss Juan Pablo Montoya und Kasey Kahne aneinander. Der Kolumbianer „übersah“ Kahnes Red-Bull-Toyota auf der Außenseite bei der Ausfahrt aus Turn 1, weil sein Spotter kurzzeitig am Funk gestört wurde. Das „Outside“-Kommando kam anscheinend nie bei der #42 an, weshalb der Tag für beide Fahrer nach dem folgenden Mauerkontakt gelaufen war. Für Montoya ist der Chase damit außerhalb seiner eigenen Reichweite, denn selbst ein Rennsieg nützt ihm jetzt kaum noch etwas: Erstens haben bereits zu viele Piloten vor ihm eine Fahrt in die Victory-Lane vorzuweisen und zweitens bleiben die Wildcard-Plätze außerhalb der Top20 unerreichbar und dort befindet Montoya sich nun!
Zurück zum Rennen: Die letzte Caution wurde noch einmal zum Tanken und Reifenwechseln genutzt und brachte die erste Reihe unverändert zum Restart: Kyle Busch vor Brad Keselowski und Jimmie Johnson. Letzterer witterte seine Chance und scherte nach der Ziellinie unten aus, um beiden Autos auf einmal zu schnappen. Da Busch jedoch konterte, konnte Keselowski die Führung übernehmen. Sofort zog sich das Feld wieder auseinander und die Clean-Air an der Spitze rettete der blauen #2 die Spitzenposition bis ins Ziel. Kyle Busch konnte kämpfen wie er wollte und das tat er auch, doch trotz Quersteher in der letzten Kurve der letzten Runde blieb Keselowski für ihn unerreichbar. Trotzdem sollte Buschs Leistung in einem guten Licht gesehen werden:
Bereits früh im Rennen warf der jüngere Busch-Bruder fast alle Chancen auf ein solides Ergebnis weg, als er sich ausgangs von Turn 3 drehte und fast in der Boxenmauer landete. Um keinen Reifenschaden mit den entstandenen Bremsplatten auf einer Extrarunde zu riskieren, musste er direkt in der noch gesperrten Boxengasse zum Reifenwechsel kommen. Weil NASCAR sowas natürlich nicht erlaubt, musste er beim Restart zurück ans Ende der längsten Schlange. Doch Busch kämpfte sich wie gesehen zurück.
Ebenfalls im Pech aber ohne Rebound fanden sich folgende Piloten wieder:
– David Ragan löste die zweite Gelbphase in Runde 20 aus und beschädigte sich seinen Wagen fast irreparabel. Somit verlor er am Schluss 51 Umläufe und kam nur als 34. ins Ziel.
– Joey Logano sah zunächst wie der sichere Rainout-Sieger aus, kam dann aber nach dem Neustart ganz schön unter die Räder: Ein Reifenschaden spät im Rennen zwang ihn zu einem unplanmäßigen Boxenstopp unter Grün und bedeutete am Ende nur Platz 26.
– Was für Joe Gibbs Racing so gut begann, endete schließlich nur für Kyle Busch mit einem (fast) Happy-End. Denny Hamlin, der dritte Fahrer im Bunde, musste aufgrund einer abgefallenen Radmutter beim letzten Pitstop auf eine bessere Platzierung verzichten. Immerhin sprang noch Rang 15 raus, auch wenn im Kampf um eine Chase-Teilnahme natürlich weitere Rennsiege her müssen!
Außerdem gerieten noch Kurt Busch und Jimmie Johnson in den letzten Runden beim Kampf um Platz 3 teilweise heftig aneinander. Während Johnson der Meinung war, dass Busch nicht fair gegen ihn gefahren sei, forderte Letzterer natürlich sein Recht auf Positionsverteidigung ein. Man konnte nicht genau sehen, ob Busch wirklich zu hart im Zweikampf unterwegs war, doch den Auslöser der Anklopf-Orgie startete Johnson mit einem echt überflüssigen Fast-Rempler. Dass Busch sich sowas nicht bieten lassen würde, war klar und so rempelte er die #48 einmal heftig an, was Johnson auch gleich an die #22 zurückgab. Nach der Zieldurchfahrt unterhielten sich die beiden Piloten noch einmal ausführlichst in der Boxengasse über den Vorfall und konnten sich nicht wirklich einig werden. Eine körperliche Auseinandersetzung blieb aber aus, auch wenn es zwischenzeitlich doch danach aussah.
Für Brad Keselowski bedeutet sein zweiter Saisonsieg außer dem Vorstoß in die Top20 der Fahrerwertung – damit verbunden – natürlich auch das derzeitige Anrecht auf den ersten Wildcard-Platz. Zwei Erfolge sind an dieser Stelle zwar schon eine gute Leistung, doch innerhalb von zwei Rennen könnte sich mit Rennsiegen der falschen Fahrer das Blatt ganz schnell wieder drehen. In den Top10 der Meisterschaft hat sich dagegen kaum etwas geändert: Carl Edwards führt weiterhin vor Jimmie Johnson, dahinter stehen jetzt Kyle Busch, Kurt Busch, Kevin Harvick und Matt Kenseth in veränderter Reihenfolge.
Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung.
Am nächsten Wochenende geht es wieder spektakulärer weiter, denn Sprint Cup und Nationwide Series besuchen zum zweiten Mal in diesem Jahr einen Rundkurs: In Watkins Glen werden die Vorzeichen erneut komplett umgedreht und man darf gespannt sein, ob z.B. Brad Keselowski mit seiner Verletzung überhaupt die zahlreichen Schaltvorgänge auf die Reihe bekommt. Außerdem gilt es weiterhin, sich mit Rennsiegen einen Wildcard-Platz im Chase zu sichern!
Noch zwei Hinweise in eigener Sache:
Da ich mich heute Abend in den Festival-„Sommer“ verabschiede, fällt Watkins Glen für mich am Sonntag vermutlich aus. Zum einen gibt es ja aber noch die Zusammenfassung auf ServusTV und zum anderen muss hier niemand auf NASCAR-Berichterstattung verzichten: RacingBlog-Kollege Chaos hat sich freundlicherweise bereit erklärt, das Rundkursrennen mit Vorschau und Analyse zu begleiten. Vielen Dank an dieser Stelle dafür!
Wer sich im Laufe der Woche zufällig auf dem Open Flair Festival in Eschwege, Nordhessen befindet und mit mir ein Bierchen zischen will, der kann sich noch bis Mittwochmorgen per E-Mail verabreden. Ansonsten einfach auf dem Auto-Zeltplatz nach dem roten VW Polo 6N mit Ratzeburger Nummernschild und dem NASCAR-Decal auf der Kofferraumklappe Ausschau halten. Wir sehen uns… :D