Beim Rennen in Mid-Ohio war ziemlich wenig los. Dafür ist sonst vieles neu: Der Wagen für 2012, ein TV-Vertrag mit ABC – und Sonntags die Strecke in Loudon.
Wobei: Ganz neu ist das Oval in New Hampshire für die IndyCar Series ja nicht. In den 1990er-Jahren war die CART und nach dem Split die IRL schon mehrfach auf der Strecke unterwegs. Fun Fact: Der Rundenrekord auf der Bahn wird immer noch von Andre Ribeiro gehalten wird – gefahren beim letzten CART Rennen 1995. Ob der Kurs der aktuellen Generation Indy-Rennwagen besonders liegt, darf bezweifelt werden – vielleicht muss man angesichts der Streckencharakteristik eher mit einem etwas „statischen“ Rennen rechnen. Sollte es so kommen, würde sich die Veranstaltung recht nahtlos an den Lauf in Mid-Ohio reihen, der ebenfalls nicht gerade durch große Action zu bestechen wusste. Trösten darf man sich mit der einen oder anderen spannenden Entwicklung abseits der Rennen: So wurde am Montag erstmals ein Modell des mit Spannung erwarteten Wagens für 2012 getestet. Und das Indy 500 wird etwas überraschend bis 2018 bei ABC bleiben.
Analyse: Mid-Ohio
Schon zur Vorschau auf das Rennen in Mid-Ohio ist mir nicht viel eingefallen – und auch die Ereignisse vom Sonntag geben nicht unbedingt Anlass zu ellenlangen Analysen. Das Rennen, vermutlich das bisher action-ärmste der Saison, erlebte in der ersten Hälfte kurz so etwas wie einen Anflug von Spannung, als sich James Hinchcliffe aufgrund einer glücklichen Tankstrategie nach einer Gelbphase in Führung setzte, und diesen Platz auch zunächst gegen Scott Dixon verteidigen konnte. Als allerdings dann in der zweiten und letzten Tankphase die Verfolger wieder mehr Glück hatten, war es mit der Spannung vorbei: Scott Dixon holte sich beim Restart die Führung, und gab diese bis zum Ziel nicht mehr ab. Auch in den Verfolgerrängen (Franchitti, Hunter-Reay) gab es keine nennenswerten Positionsverschiebungen mehr.
In wenig guter Erinnerung wird Will Power das Rennen behalten: Der Australier hatte den Boxenstopps gleich zweimal Pech. Bei der ersten Gelbphase fuhr er zwar unter Grün an die Box – als er aber den Eingang der Boxengasse erreicht hatte, war nach einem Crash von Sebastian Saavedra bereits der gelbe Flagge gefallen. Power musste damit unverrichteter Dinge durch die Boxengasse fahren, und danach hinter den Safety Car noch einmal zum Tanken kommen – eine mögliche Spitzenplatzierung war damit weg. Zu allem Überfluss wählte er auch den Zeitpunkt für den zweiten Boxenstopp so, dass er wieder in einer Gelbphase an die Box musste – während die meisten seiner Konkurrenten schon zuvor beim Service gewesen waren. Folge des verpatzten Wochenendes: Rang 14, und nun schon 62 Punkte Rückstand in der Meisterschaft.
Und damit war Power noch nichtmal der größte Pechvogel des Wochenendes. Diese zweifelhafte Auszeichnung geht an Justin Wilson, der sich bei einem eher harmlos aussehenden Ausritt im Freien Training einen Rückenwirbel angebrochen hat, und nun vermutlich für den Rest der Saison ausfallen wird. In Mid-Ohio wurde der Brite von Simon Pagenaud ersetzt, am kommenden Wochenende wird Tomas Scheckter sein Auto pilotieren.
Einer von wenigen Lichtblicken an einem insgesamt ziemlich blassen Renntag: Die Performance von KV-Racing. Takuma Sato auf Rang vier und Tony Kanaan auf Platz fünf brachten endlich verdiente Punkte (und die damit verbundenen Einkünfte) in die Kassen des Teams. Einen klaren Aufwärtstrend gab es auch in der Performance des Ganassi-Farmteams zu verzeichnen: Im Training nährten sich Graham Rahal und zum Teil auch Charlie Kimball langsam aber sicher den Zeiten an der Spitze an. Im Rennen fehlten dem Juniorteam aber noch zwei Zutaten: Das nötige Glück, und kühle Köpfe. Einen soliden ersten Auftritt in der Serie zeigte schließlich auch der frühere Indy Lights-Pilot Martin Plowman.
Wie oben schon angedeutet, ist die Meisterschaft durch das Rennen nicht unbedingt spannender geworden. Dario Franchitti führt nun mit fast eineinhalb Siegen (= 62 Punkten) Vorsprung auf Will Power, Scott Dixon (-93 Zähler) konnte seinen Abstand auf die Führung auf unter 100 drücken. Dahinter liegen Tony Kanaan und Oriol Servia (-145 bzw. -160 Punkte), die bei drei Ausfällen von Franchitti alle drei Läufe gewinnen müssten, um der Meisterschaftsspitze gefährlich werden zu können. Davon ist nicht unbedingt auszugehen, ihre Chancen sind daher eher akademischer Natur.
Auch in der Mario-Andretti-Trophy (der Rundkurs-Wertung) hat Dario Franchitti die bisher knappe Führung ausgebaut. Der Schotte liegt nun auch hier 28 Zähler vor Will Power, der wiederum beruhigende 62 Punkte Vorsprung auf Scott Dixon hat.
Vorschau: Loudon
Für den Lauf am kommenden Wochenende am New Hampshire Motor Speedway gibt es, wie oben schon erwähnt, keine aktuellen Referenzpunkte. Am ehesten ist das ziemlich flache 1,058-Meilen Oval (ja, wirklich, Sven!) mit der Milwaukee-Mile zu vergleichen, die wir ja in diesem Jahr schon im Programm hatten.
Zur Erinnerung: Dort gewann zwar am Ende Dario Franchitti. Aber nicht, ohne sich zuvor ein paar spannende Duelle mit einigen Piloten aus kleineren Teams geliefert zu haben. KV Racing, Newman/Haas und auch das Ganassi-Farmteam könnten auch in Loudon wieder ein Wörtchen an der Spitze mitreden.
Mit 27 Piloten ist das Feld, vor allem für einen eher engen und kurzen Kurs ziemlich eng gedrängt. Im Rennen könnte das in der einen oder anderen knappen Situation beim Überrunden münden. Zusätzlich zu den gewohnten Piloten greifen in Neu-England Tomas Scheckter (wie oben erwähnt als Ersatz für den verletzten Justin Wilson) und Pippa Mann ins Volant. Auch Teilzeitstarter Ed Carpenter geht einmal mehr für die rührigen Außenseiter von Sarah Fisher Racing an den Start.
Der Grund für die Entscheidung, in Loudon zu fahren, liegt wohl nicht nur in der Tradition und dem Layout der Strecke. Denn der New Hampshire Speedway deckt vor allem eine finanzkräftige und sonst nur schwer zu erschließende Region der USA ab. Wie sehr die IndyCars vom großen Einzugsgebiet des Speedway profitieren können, wird sich am Sonntag zeigen. Zu befürchten ist aber doch, dass auf den mehr als 100.000 Zuseher fassenden Tribünen der eine oder andere leere Platz zu erblicken sein wird.
„The Indy 500 – on ABC“
Manchmal weiß man ja nicht so wirklich, ob man sich über eine Meldung freuen oder ärgern soll. So auch mit der etwas überraschend verlautbarten Verlängerung des IndyCar-Vertrages mit ABC bis 2018. Erfreulich: Der Deal, der ABC die Übertragung des Indy 500 plus vier „ausgewählter“ Rennen pro Saison zuschlägt, sichert der Serie die fortgesetzte Verbreitung im Free TV. Für mögliche und aktuelle Sponsoren ist diese Gewissheit von großer Bedeutung. Wenig erfreulich: Es ist nicht zu erwarten, dass ABC die Übertragungen abseits der Indy 500 nun wegen dieser Entscheidung mit größerem Einsatz betreiben wird, als bisher. Vielmehr muss man damit rechnen, dass es sich für den Sender dabei weiter um das lästige Abarbeiten einer wenig gewinnbringenden Pflicht handelt. Und davon, dass man das den Übertragungen auch in Zukunft anmerken wird.
Ein Beispiel werden geneigte Zuseher schon am kommenden Sonntag vorgeführt bekommen. Denn auch der Lauf aus Loudon wird von ABC/ESPN übertragen. Zu bewundern ab 21:30 Uhr in einem Stream Ihrer Wahl.
Der neue Wagen
Das spannendste Ereignis der vergangenen Woche war womöglich aber die Ausfahrt des neuen Autos, mit dem die IndyCar Series ab 2012 zu alter Relevanz zurückfinden will. In Mid-Ohio fuhr Dan Wheldon in einem von Bryan Herta Racing betreuten Wagen den ersten Test. Fotos von der Ausfahrt finden sich hier und hier, drei hochauflösende Bilder von der IndyCar PR gibt es außerdem in der Galerie unter diesem Blogeintrag.
Über die Leistung des neuen Wagens hielten sich INDYCAR, Dan Wheldon und Bryan Herta Racing bisher bedeckt. Zumindest gröbere Probleme scheint das Auto bei der ersten Ausfahrt aber nicht gemacht zu haben. In diversen Foren gibt es seit Montag heftige Diskussionen zum neuen Design – vor allem die weiter (für einen Turbo unnötig) hohe Airbox scheint nicht besonders zu gefallen. Neben der getesteten Rundstrecken-Version wurde am Rande der Veranstaltung auch eine Oval-Version präsentiert, die ebenfalls in den verlinkten Gallerien zu sehen ist.
Noch gibt es aber Raum für Änderungen. Denn bei den getesteten Komponenten handelt es sich nur um Prototypen jenes Aero-Kits, mit dem Dallara die Teams 2012 dann tatsächlich versorgen möchte. Interessant: Angetrieben wurde der Wagen bereits von einem Honda V6-Turbo, wie er im kommenden Jahr etwa bei Ganassi, AJ Foyt und Sam Schmidt zum Einsatz kommt. Die Konkurrenten von Chevrolet und Judd sollen derzeit angeblich noch kein betriebsfertiges Aggregat zur Verfügung haben. Mitte September folgt der erste Oval-Test in Fort Worth, Texas.
Fotos: INDYCAR