Die Nachwirkungen des abgebrochenenen Regen-Rennens in Mid-Ohio sind noch nicht ausdiskutiert, schon folgt das 4 Stunden-Rennen auf der berühmten Road America.
Heftiger Regen sorgte für ein großes Tohuwabohu beim vergangenen Rennen auf dem Mid-Ohio Sports Car Course: nach einem Restart 20 Minuten vor Schluss rutschten innerhalb einer Runde mehrere Wagen aus der GT-Spitze von der Strecke, sodass Wolf Henzler den Falken Tires-Porsche vorsichtig und gekonnt innerhalb dieser einen Runde von Rang 5 auf den ersten Platz manövrierte – dann entschied sich die Rennleitung wegen der Nässe und mindestens eines gestrandeten Wagens zum Abbruch, zehn Minuten vor dem regulären Ende. Doch neben dem verdienten ersten Sieg für Henzler/Sellers hatte der Abbruch noch eine zweite, weit weniger schöne Auswirkung.
Einige Teams hatten erst spät ihren Fahrerwechsel durchgeführt, u.a. BMW und die beiden Top-Prototypenteams – die jeweils zuletzt eingestiegenen Piloten kamen durch den Abbruch jedoch nicht auf die vorgeschriebene Minimaldistanz von 30 Runden. Die Folge: keine Meisterschaftspunkte für Hand, Auberlen, Graf und Dyson. Gestern erklärte die IMSA dann: auch die Minimaldistanz muss in Relation zur verkürzten Renndauer nachträglich verringert werden: Hand und Auberlen sind damit drin, Graf und Dyson jedoch weiterhin nicht, da sie auch diese Rundenzahl nicht erreicht haben. Eine „Krisensitzung“ zu diesem Thema ist jedoch für das anstehende Rennwochenende anberaumt.
Der Stand in der Fahrerwertung ist nun: Smith 98, Dyson 82, Luhr 76, Graf 56. Die von dem Problem unbeeinflusste Teamwertung entspricht den Werten von Guy Smith und Lucas Luhr, mit Dyson Racing bei 98 und MuscleMilk bei 76 Punkten. Ob die Krisensitzung noch etwas an der Regelauslegung ändern wird, bleibt abzuwarten – es scheint ja soweit alles mit rechten Dingen zugegangen zu sein, alles weitere wäre reine Kulanz.
So oder so, auch wenn die Abstände zunächst groß scheinen, es kann noch viel passieren: denn von den verbleibenden vier Rennen finden drei über Langstrecken-Distanzen statt, angefangen an diesem Wochenende mit dem vierstündigen „Road Race Showcase“ auf der Road America in Wisconsin. Und ein Vorzeige-Rennen, wie der Name sagt, ist es allemal, denn die auch als Elkhart Lake bekannte Strecke (nach dem nahe gelegenen Dorf, wo der frühere Straßenkurs seine Start/Ziel-Linie hatte) ist eine der großen Strecken Nordamerikas.
Mit 6,5km Streckenlänge, davon drei über einen Kilometer langen Geraden, einigen sehr schnellen Kurven, technischen langsamen Ecken sowie großen Höhenunterschieden hat die Bahn alles, was sich das durchschnittliche Rennfahrer-Herz wünscht. Das langgezogene „Carousel“, der Vollgas-“Kink“ und die massive Steigung auf dem Weg zur Ziellinie sind die markantesten Streckenteile, gute Überholmöglichkeiten bieten die Kurven 1 und 5 sowie Canada Corner, alle jeweils am Ende der langen Vollgasstücke. Das sollte für tolle Duelle bei den GTs und in den Challenge-Klassen sorgen.
Aber auch ein Rennen mit wenigen großen Prototypen kann spannend sein, das zeigte sich hier vor einem Jahr, als Jonny Cocker im Drayson-Lola in den letzten Runden nach einem kurzen Tankstopp noch dem Sieg hinterher jagte… und belohnt wurde, als er zwei Kurven vor Schluss Klaus Graf abfangen konnte:
Drayson und Cocker sind ausgestiegen, und damit steht zumindest eins schon fest: es wird in fünf Jahren das fünfte Team das Rennen gewinnen, denn Penske, Audi, Highcroft und eben Drayson sind allesamt nicht mehr dabei – die schwierige Situation der ALMS ist ja schon mehrfach diskutiert worden, einen weiteren Beitrag dazu gibt es hier (ich würde dem dort unter Pesudonym schreibenden „motorsports executive“ allerdings nicht in allen Punkten zustimmen.
Als Favoriten sehe ich in diesem Jahr MuscleMilk, denen der Sieg ja 2010 knapp verwehrt wurde. Das Herausbeschleunigen as den engen Kurven und die folgenden langen Geraden kommen dem großvolumigen, drehmomentstarken Aston Martin V12 sicher mehr entgegen als dem kleinen Mazda-Turbo, auch wenn der Wagen kürzlich voll auf LMP1-Standard umgerüstet wurde. Es besteht also eine gute Chance für Graf und Luhr, weitem am Vorsprung von Dyson/Smith zu knabbern; denen sollten allerdings konstante zweite Plätze zum Titelgewinn reichen, doch Ausfälle sind ja gerade in den längeren Rennen möglich… Die Besitzer beider Teams, Rob Dyson und Greg Pickett, arbeiten derweil an einer Teilnahme an den Daytona24 2012 – ob das eine Abwanderung aus der ALMS bedeuten wird, oder nur ein (eventuell einmaliges) Zusatz-Engagement, ist noch unklar.
In der GT-Klasse siegte in den letzten beiden Jahren BMW. An diesem Rennwochenende wird man allerdings erstmal sehen müssen, wie stark sich der kürzlich verordnete kleinere Restriktor auf einer „Motor-lastigen“ Rennstrecke und bei vermutlich trockenem Wetter auswirken wird. Es ist jedoch gut möglich, dass BMW weiter das Tempo vorgibt, so wie mit der Doppel-Pole in Mid-Ohio, wo man sich aber dann im Rennen wieder einmal selbst aus dem Rennen nahm.
Eine recht gute Nachricht gibt es auch abseits der Rennstrecke von den Münchnern: trotz Sportwagen-WM und DTM hält man es zumindest für möglich, dass auch im kommenden Jahr M3 GTs in der ALMS antreten werden. Die ALMS sei eine tolle Rennserie, die auf jeden Fall eine Option sei und man werde sondieren, ob man 2012 vom Reglement her noch konkurrenzfähig sei, so Jens Marquardt gegenüber speedtv.com. Fest ist also noch lange nichts, vor alle würde man wohl empfindlich auf weitere BoP-Neueinstufungen reagieren.
Für Robertson Racing greift wieder das Damen-Duo Andrea Robertson/Melanie Snow ins Lenkrad. Das einzige LMP2-Team, Scott Tuckers Level 5 Racing, ist auch ausnahmweise mal wieder dabei, vermutlich wird es die Abschiedvorstellung des Lola-Chassis sein, denn noch im Laufe der Saison wird man auf das neue HPD-Komplettpaket mit budget-beschränktem Motor und Chassis wechseln.
Und schließlich ist noch ein deutscher ALMS-Rückkehrer am Start: Dominik Farnbacher, der 2008 für Tafel Racing und 2009 für PTG einen Panoz fuhr, wird versuchen, die GTC-Klasse aufzumischen. Sein Teamkollege beim neuen Team Porsche Napleton Racing ist Gentleman Driver David Heinemeier Hansson, der computer-affinen Lesern als Programmierer bekannt sein könnte; die Software-Firma „37 signals“, deren Partner er heute ist, ist Hauptsponsor des Renneinsatzes. Dass er nicht ganz talentfrei ist, hat er mit einigen guten Ergebnissen in der Yokohama GT3 Challenge gezeigt, beim SPEED Euroseries-Rennen in Imola stoppte ihn auf der Jagd nach Platz 1 in der letzten Runde ein Motorschaden. Das Duo könnte also durchaus in der Lage sein, die GTC-Kategorie am Samstag aufzumischen.
Start ist am Samstagnachmittag um 15 Uhr Ortszeit, also 22 Uhr deutscher Zeit. Die Live-Übertragung startet auf MotorsTV (mit einer Stunde Unterbrechung für die Highlights der Rallye Deutschland!) und im Livestream eine Viertelstunde früher, der Stream zeigt auch die Quali am Freitag ab 22:10 Uhr. Alles weitere gibt es wie immer im ALMS Race Hub.
(Bilder: ALMS)