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NASCAR: Analyse Richmond September 2011

von KristianStooss
5 Kommentare

Vor Richmond = Nach Richmond, denn an der Liste der Chase-Teilnehmer hat sich am Wochenende nichts mehr geändert. Sowohl Tony Stewart als auch Dale Earnhardt Jr und Denny Hamlin schafften als letzte Fahrer den Cut für die Playoffs. Gewonnen hat unterdessen Kevin Harvick, obwohl kurz vor Schluss Jeff Gordon wie der sichere Sieger aussah!

Ein ganz simpler Faktor bestimmte in der Nacht von Samstag auf Sonntag das Renngeschehen maßgeblich und sorgte am Ende dafür, dass Kevin Harvick anstatt Jeff Gordon in die Victory-Lane fuhr: Cautions – und zwar ohne Ende! Für ganze 15 Gelbphasen reichte es in bester Shorttrack-Manier auf dem Richmond International Raceway, was sogar den bisherigen Rekord egalisierte. Doch während der Löwenanteil dieser Hausnummer kurioserweise in den ersten drei Vierteln des Rennens aufaddiert wurde, ging die Schlussphase relativ ruhig und unfallfrei über die Bühne. Lediglich zwei weitere Cautions in den letzten 100 Runden sorgten nicht zuletzt durch ihr Timing für eine Vorentscheidung im Rennen.

Drei Gelbphasen im 12-Runden-Takt leiteten das letzte Viertel der Nacht ein und zu diesem Zeitpunkt führte mit Carl Edwards der dritte Favorit auf den Sieg. Im Verlauf des Rennens kam der Ford-Pilot insgesamt auf 113 Führungsrunden und nur Harvick konnte mit seinen 202 Umläufen in Front am Ende dagegen anstinken. Caution #14 sah David Reutimann nach einem Kontakt mit Clint Bowyer in der Mauer und es waren noch knappe 90 Runden bis zur schwarz-weiß-karierten Flagge zu absolvieren, was die Teams das Benzinfenster – zumindest mit Ausnahme einer durchaus möglichen Verlängerung – schließen ließ. Etliche Fahrer kamen somit zum errechnet letzten Tankstopp in die Boxengasse, doch ausgerechnet Leader Edwards pokerte und blieb auf der Strecke.

Dieses Verhalten muss man schon als grandiose Fehlentscheidung bewerten, denn frische Reifen entpuppten sich trotz der häufigen Gelbphasen und Pitstops als überlebenswichtig! Zwar gewannen viele Piloten im Verlauf des Renngeschehens mit einem Two- oder No-Tire-Boxenbesuch eine gute Portion Track-Position, konnten diese aber auf alten Reifen nicht lange halten. Warum Edwards hier draußen blieb, war mir ein Rätsel, entweder hatte Crew-Chief Bob Osborne gepennt oder sich schlicht und ergreifend verzockt. Vielleicht spekulierte er auf zehn weitere Cautions in einem wilden Finish, doch trotzdem müsste er eigentlich um den Vorteil der neuen Pneus gewusst haben, immerhin wurde es dem Team mit der #99 den gesamten Abend über vorgelebt.

Nächster Auftritt Kevin Harvick: Mit frischen Reifen pflügte er innerhalb von nicht mal zehn Runden von außerhalb der Top5 an die Spitze vor, während Edwards in besagte Gefilde zurückfiel. Harvick konnte sich also zu einem Short-Run-Auto im Rennfinale beglückwünschen, welches für die zu erwartende, kurzatmige Caution-Schlacht top-gerüstet erschien. Zur selben Zeit allerdings machte Jeff Gordon nun massiv Druck und brachte sich in der immer länger werdenden Grünphase mit seinem Harvick-entgegengesetzten Long-Run-Wagen an die Verfolgung der Spitze. Gordon war auf Platz 5 in den Restart gegangen und benötigte gut 25 Runden, um Greg Biffle den zweiten Rang streitig zu machen. In Runde 378, gut 47 Umläufe später hatte der seit Atlanta alleinige Drittplatzierte in der Cup-Sieges-Historie den Führenden Harvick abgefangen und war auf dem Weg zu Erfolg #86.

Wohlgemerkt geschah dies alles in einer ungewöhnlich langen Grünphase, welche sich zu diesem Zeitpunkt bereits über 72 Runden erstreckte. Gordon trennten also nur noch 22 Umläufe bzw. knappe zehn Minuten von der Victory-Lane, denn sein Wagen war nun klar der schnellste Bolide auf dem Shorttrack. Dass er dort nicht als Erster ankam, hatte er dann der letzten Caution in Runde 384 zu verdanken, für die Paul Menard aufgrund eines Drehers verantwortlich war.

Natürlich war es nun an der Zeit, für den Endspurt noch ein letztes Mal neue Reifen abzuholen und hier arbeitete dann die Crew von Kevin Harvick am schnellsten. Carl Edwards und Jeff Gordon mussten sich beim Restart mit den Platzierungen begnügen und hatten zudem Harvicks Short-Run-Flitzer mit der #29 nicht viel entgegenzusetzen. Gordon fiel zunächst aus den Top5 heraus und schien komplett geschlagen, holte aber kurz vor dem Ende die Ränge zurück, da sein Chevrolet später im Run über zwölf Runden wieder auf Touren kam. Mehr als Platz 3 war am Ende für den Atlanta-Sieger aber nicht drin. Etwas besser kam Carl Edwards (2.) zurecht, welcher seinen Ford bis zur Zielflagge noch auf 0,2 Sekunden an den Sieger Kevin Harvick heranbringen konnte.

Die Top5 komplettierten ein unauffälliger und starker David Ragan sowie Kurt Busch. Dahinter liefen Kurts Bruder Kyle Busch, Tony Stewart, Ryan Newman, Denny Hamlin und Mark Martin ein. Alle diese Piloten haben sich während des Rennens aus nahezu allen Scharmützeln herausgehalten und konnten somit in einem hart umkämpften Saisonlauf weiter vorne die Ziellinie überqueren. Interessant sind vielleicht noch die Positionen 11-16, die AJ Allmendinger, Brad Keselowski, Greg Biffle, Jamie McMurray, Juan Pablo Montoya und Dale Earnhardt Jr belegten.

Stewart und Hamlin nutzten ihre Top10-Resultate, um den Chase aus eigener Kraft zu erreichen, selbiges gelang auch Junior mit seinem Top16-Ergebnis! Für alle drei Piloten ist diese Playoff-Teilnahme ein Muss und gerade Earnhardts Qualifikation könnte eine Besserung der diesjährigen TV-Quoten gegen die Playoffs der NFL bringen, denn ohne den Publikumsliebling in der Meisterschaftsendscheidung flaute das Interesse in den vergangenen Jahren stets ab. Somit ist dieser bestimmte Teilnehmer auch für die NASCAR an sich eine wichtige Größe im Hinblick auf die nächsten zehn Wochen.

Brad Keselowski kam teilweise dicht an eine reguläre Qualifikation innerhalb der Top10 der Meisterschaft heran, weil Earnhardt über weite Strecken außerhalb der Top20 im Rennen unterwegs war. Keselowski darf nun als erster Wildcard-Teilnehmer die Bonuspunkte für seine drei Saisonsiege nicht nutzen. Juan Pablo Montoya war längere Zeit gut unterwegs und bewegte sich in der Nähe der Top5, bis nachlassende Bremsen ihn zum Verlangsamen zwangen. Mehr als die Top15 waren somit am Ende nicht drin, in der Meisterschaft brachte ihn das wieder auf Platz 18 voran – sicherlich nicht das angestrebte Ziel in dieser Saison.

Aber auch andere Piloten gerieten in Probleme, sei es nun selbst verschuldet oder unschuldig. Die 15 Cautions lösten sich schließlich nicht von selbst aus:

– Bowyer und Reutimann waren sich nicht erst am Ende des Rennens alles andere als Grün, denn schon nach 8(!) Runden lösten die beiden eine Massenkarambolage aus, der unter anderem Denny Hamlin und Dale Earnhardt Jr zum Opfer fielen. Die Crew der #88 hatte dann einen verdammt langen Abend vor sich und brachte den Chevrolet von Junior am Ende nach Reparaturarbeiten trotz teils extremer Kaltverformungen in Position für den Chase. Dafür möchte ich an dieser Stelle meinen Respekt aussprechen, denn die Möhre war doch arg demoliert und das selbst noch am Schluss.

– Marcos Ambrose räumte nach 50 Runden in seiner zweiten ausgelösten Caution die beiden Red-Bull-Fahrer Kasey Kahne und Brian Vickers ab. Kahne landete allerdings schon zu Gelbphase #3 hart in der Mauer. Vickers revanchierte sich mit einigen Schubsern und einem unfairen Blockade-Manöver an Ambrose, wofür NASCAR die #83 lange Zeit zum Abkühlen in die Garage schickte.

– Außerdem kamen sich auch Jimmie Johnson und Kurt Busch ordentlich ins Gehege, denn zunächst drehte Busch den Dauermeister in Runde 185 um, weil er mit Untersteuern die Strecke hochrutschte. Johnson wollte dies natürlich nicht auf sich sitzen lassen und zeigte eine seiner eher seltenen Revanchen. Vermutlich kam es dazu nur, weil die #48 eh schon für den Chase qualifiziert war. In Umlauf 246 versagten dann plötzlich Johnsons Bremsen kurzzeitig, so dass er die #22 in einen Dreher bugsierte. Dieser kleine Rammstoß verlief allerdings auch für Johnson nicht vorteilhaft, denn seinen Chevy versenkte er dabei mit gehöriger Hitze unterm Helm selbst in der Mauer.

Ich hoffe, dass ich an dieser Stelle kein wichtiges Ereignis unter den Tisch fallen lassen habe, immerhin war ja in den ziemlich genau vier Stunden einige Action geboten. Das Rennen habe ich über den Internet-Stream von ServusTV angeschaut, der in puncto Bildqualität wie immer kaum Wünsche übrig ließ. Was mir allerdings nur mit Abstrichen gefiel, war der Kommentar: Walter Zipser stellte zwar stets die richtigen Fragen an den Experten (oder wie ServusTV es ausdrückte: ehem. NASCAR-Team-Besitzer) Christian Kuhn, doch wenn er ewig Fahrernamen falsch ausspricht, tut es irgendwann weh. „Paul Menar“ war da ein schönes bzw. unschönes Beispiel, wann die Ohren anfangen zu klingeln.

Kuhn litt teilweise an derselben „Krankheit“, denn trotz mehrmaligen Vorsprechens des richtigen Namens durch Zipser, kam der eigentlich gut informierte Experte nicht über „Travis Kvofil“ hinaus. Christian Kuhn glänzte dafür jedoch an einer anderen Stelle, denn er gab wie gewohnt etliche Anekdoten und viel Insiderwissen an die Zuschauer weiter. Ob das Gerücht von Kevin Harvicks potentieller Scheidung auf wahren Tatsachen beruht, kann ich nicht bestätigen. Die Einstellung seines Truck- und Nationwide-Programms zugunsten der Cup-Karriere kann durchaus in dem Wunsch zum Gewinn der Meisterschaft ohne Ablenkungen begründet liegen. Warum man dafür aber mindestens 70 Leute auf die Straße setzen muss, hat sich mir nicht erschlossen.

Kuhn, der ehemalige NASCAR-Team-Besitzer – wobei ich mich Frage, ob man die Verantwortung für fünf Einsätze von Klaus Graf (3x 2004, 2x 2007) denn so bezeichnen kann –, machte insgesamt aber eine gute Figur, auch wenn er sichtliche Mühe hatte, die Funktion einer Trackbar zu erklären. Was er stattdessen erzählte war eine gute Beschreibung der Wedge-Einstellung, einer Art Feder-Vorspannung. Letzterer Begriff war sicherlich auch derjenige, den Kuhn in der Live-Übertragung suchte. Die Trackbar dagegen ist im hier verlinkten Wikipedia-Eintrag beschrieben. Ich muss zugeben, dass man beide Einstellungsmöglichkeiten für unter- und übersteuerndes Fahrverhalten aber bei den vielen Löchern in der Heckscheibe leicht verwechseln kann. Ich jammere hier sozusagen auf hohem Niveau und habe nichts gegen die beiden Kommentatoren, denn im Großen und Ganzen hat es mir trotzdem gut gefallen!

Der absolute Knüller der Übertragung war aber dann die – nicht vorhandene – Werbesituation, denn lediglich zwei oder drei eigene Programmvorschauen von ca. 30 Sekunden Länge unterbrachen das Rennen kurzzeitig. Durch diese quasi Wide-Open-Coverage kam mir das Rennen dann sogar zeitlich kürzer vor, obwohl es gut eine halbe Stunde länger war als vergleichbare Meisterschaftsläufe. Großes Kino, hoffentlich hält man für das letzte Nachtrennen in Charlotte in wenigen Wochen an der Übertragung an sich fest und gibt den Fans dann noch als kleinen Bonus das letzte Saisonrennen in Homestead oben drauf, bevor sich Red Bull vermutlich wegen des eigenen NASCAR-Ausstiegs aus der Berichterstattung zurückziehen wird.

Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung. Ausführliches zum Chase gibt es dann in der Vorschau auf das Rennen in Chicagoland, der Artikel dazu erscheint am Freitagmorgen.

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5 Kommentare

littleskill 13 September, 2011 - 09:34

Für mich war es nicht überraschend, dass Menard 17 Umläufe vor Schluss im Gras stand…leider war im TV nicht zu erkennen, was genau passiert ist, aber das war ganz sicher Absicht.

Zu den beiden Kommentatoren. Mir fiel auf, dass die beiden manche Einblendungen nicht verstanden haben :D Wie oft die erwähnt haben, dass Brad und Junior gleich viele Punkte hätten. Ich habe aufgehört zu zählen :D

Sonst hat mir das Rennen sehr gut gefallen. Schade um Bowyer, aber der hat diese Saison nunmal keine Bäume ausgerissen.

nona 13 September, 2011 - 16:10

Ist schön mal wieder Nascar im Fernsehen zu sehen, aber mir fällt auf, wie sehr mir diese ständige unsportliche Revanche-Kacke doch auf die Nerven geht. Es gibt definitiv sympathischere Rennserien, die Jungs haben echt ein Einstellungsproblem.

Niklas 13 September, 2011 - 16:40

nona schrieb:

Ist schön mal wieder Nascar im Fernsehen zu sehen, aber mir fällt auf, wie sehr mir diese ständige unsportliche Revanche-Kacke doch auf die Nerven geht. Es gibt definitiv sympathischere Rennserien, die Jungs haben echt ein Einstellungsproblem.

Das sind halt noch Rennfahrer!!

StefanTegethoff 13 September, 2011 - 16:54

Niklas schrieb:

Das sind halt noch Rennfahrer!!

Das hat doch nichts mit „noch Rennfahrer“ zu tun. Rennfahrer fahren Rennen gegeneinander. Revanche-Fouls gehören zum Verwerflichsten, was es im Sport gibt, egal ob auf dem Fußball-Platz oder auf der Rennstrecke. Ein leichter „vorwurfsvoller“ Stupser ist theoretisch okay, aber selbst das klappt ja schon oft nicht in der Praxis, siehe Patrick Long in der Baltimore-Quali (ALMS). Gute Rennfahrer sind imho die, die zwar hart kämpfen, aber auch Manieren haben und wissen, was sich gehört.

hsv45 14 September, 2011 - 22:03

littleskill schrieb:

Für mich war es nicht überraschend, dass Menard 17 Umläufe vor Schluss im Gras stand…leider war im TV nicht zu erkennen, was genau passiert ist, aber das war ganz sicher Absicht.
Zu den beiden Kommentatoren. Mir fiel auf, dass die beiden manche Einblendungen nicht verstanden haben :D Wie oft die erwähnt haben, dass Brad und Junior gleich viele Punkte hätten. Ich habe aufgehört zu zählen :D

Na ein Glück hab ichs mit Original Kommentar geguckt… Walter Zipser ist mir eh ein bischen zu laaaaaangsam….

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