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ALMS/ILMC: Analyse Petit Le Mans

von StefanTegethoff
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Ein wirklich schönes Rennen war es nicht, auch wenn es an der Spitze der meisten Klassen zumindest zeitweise eng zuging. Am Ende setzte Peugeot seine Siegesserie bei Rennen abseits der 24h von Le Mans fort.

Das große Rennen an der Sarthe ging 2010 und 2011 an Audi – alles andere gewann in den letzten Jahren Peugeot. Das ist schon kurios, zumal in diesem Jahr beide Werke mit ihren neuen Autos erstmals vom Grundspeed und vom Entwicklungsstand her auf Augenhöhe sind. War der Audi R15 dem alten 908 Hdi-FAP noch klar unterlegen, waren in diesem Jahr alle Rennen sehr ausgeglichen, und so auch das Petit Le Mans. Beide hätten das Rennen gewinnen können, doch irgendwann kam es, wie es kommen musste: der Überrundungsverkehr beendete das Duell jäh – und verhalf Peugeot zur – wohlverdienten! – vorzeitigen Meisterschaft in der ILMC.

Das Petit Le Mans wurde geprägt vom für die kurze Strecke zu großen Feld: diese Kombination brachte massive Verkehrsprobleme, viele kleine Hakler und Zwischenfälle, Reifenschäden durch Teile auf der Strecke und ähnliches mit sich. Glücklicherweise blieben schwerere Unfälle, wie im Freien Training zwischen David Murry und David Ducote (der zur Vorsicht ins Krankenhaus eingeliefert wurde, aber soweit okay ist), dabei aus.

Überrundungen gehören zum Handwerk eines Prototypen-Piloten, aber bei einem so großen Feld wie diesem und den hohen Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen den sechs Klassen sowie der geringeren Beschleunigung der neuen LMP1-Generation hat sich dieses Handwerk verändert. War es bisher meist Allan McNish, der mit kompromisslosen Manövern überzeugen konnte, scheinen die neuen Bedingungen eine etwas behutsamere Fahrweise, mehr Vor- und Rücksicht zu erfordern. Hinzu kommt die schlechte Sicht in den geschlossenen LMPs, die vermutlich maßgeblich zur Rennentscheidung beigetragen hat.

Doch schon das erste Renndrittel wurde von fünf Gelbphasen zerrissen; ein brennener Jaguar, Zwischenfälle mit Challenge-Fahrzeugen, aber auch Ausrutscher von Rebellion und Dyson waren die Gründe. Überhaupt gab es auch für einige frühe Probleme für Top-Teams: nicht nur der MuscleMilk-Lola-Aston Martin und einer der Werks-Corvettes erwischte es, sondern auch den #7-Peugeot, bei dem mit Sebastien Bourdais am Steuer das Getriebe versagte, und den Audi mit der #2, der nach diversen Berührungen mit langsameren Fahrzeugen mehrfach im Paddock repariert werden musste.

Die vielen Cautions führten zu unterschiedlichen Stopp-Strategien, so führten einige Zeit lang der Oreca-Peugeot und der Werks-Aston Martin, doch das war im Endeffekt bedeutungslos. Erst nach dem fünften Restart in Runde 127 konnte dieses Petit Le Mans so etwas wie Endurance-Charakter entwickeln. In der folgenden, gut 100 Runden langen Grünphase ging es dann richtig zur Sache, auch wenn es dem verbliebenen Audi nie gelang, dem #8-Peugeot die Führung abzuluchsen, der einen Vierfachstint auf einem Reifensatz fuhr. Die Zweikämpfe, soweit der Verkehr sie zuließ, waren sehenswert, z.B. dieser zwischen Montagny und Dumas:

Doch irgendwann kam es zur bereits angesprochenen überrundungs-bedingten Rennentscheidung: ausgangs der Kurve 7, der langsamsten Ecke der Strecke, liefen die beiden auf einen GTC-Porsche des TRG-Teams auf. Franck Montagny scherte weit nach rechts aus, um vorbeizugehen, richtete den Wagen aber danach wieder auf die Rückkehr zur Ideallinie für den folgenden Linksknick aus. Was er nicht ahnte: Romain Dumas versuchte auf deutlich engerer Linie am Porsche vorbeizugehen und sah anscheinend eine Chance, auch noch den Peugeot zu schnappen, der durch die weitere Linie die Tür für ihn geöffnet zu haben schien und der wegen des Überrundungsmanövers nicht voll hatte beschleunigen können.

Als Montagny also wieder in Richtung Ideallinie herüberzog, reagierte Dumas, vor dem sich die Lücke plötzlich schloss, und zuckte ebenfalls nach links – doch da er noch nicht ganz am Porsche vorbei war traf er dessen Front mit seinem hinteren linken Kotflügel und bog abrupt in die Mauer ab. Dumas passierte nichts, doch der R18 war dahin. Und sofort wurde über die Schuldfrage gestritten…

Dumas meldete sofort an die Box, Montagny habe ihn abgedrängt; die TV-Kommentatoren von Eurosport sahen einen Fehler des Franzosen in Audi-Diensten. Meiner Meinung nach ist das Ganze ein Rennunfall, wie er nunmal leider passieren kann, wenn eifrig kämpfenden Fahrern an einer ungünstigen Streckenpassage ein Überrundeter im Weg steht: Dumas Überholversuch war sehr gewagt, aber auch Montagny weite Linie und das folgende Zurücksteuern auf die Ideallinie waren nicht ganz astrein. Bei letzterem stellt sich auch die Frage, ob er den Audi wegen der schlechten Übersichtlichkeit der geschlossenen Prototypen nicht sehen konnte oder ob er nicht in den Spiegel schaute, weil er nicht mit ihm rechnete.

Außerdem zeigt sich wieder einmal die Problematik der kleinere Motoren: den LMPs fehlt die massive Beschleunigung der letzten Jahre, entsprechend werden Überrundungsmanöver schwieriger und dauern länger, vor allem, wenn sie – wie hier – nach einer langsamen Kurve stattfinden. Ändern wird sich an diesen Rahmenbedingungen so schnell nichts, also müssen die Piloten ihre Fahrweise anpassen. Und das trifft eben in diesem Fall auf Montagny wie auch auf Dumas zu.

Das Rennen war damit entschieden, der Peugeot mit Montagny/Sarrazin/Wurz gewann 100 Runden später als einzig verbliebener Werk-Diesel mit fünf Runden Vorsprung vor dem 2010er-Oreca-Peugeot. Eine weitere Runde zurück folgten Klien/Fernandez/Primat, die zeigten, dass der Lola-Aston Martin immer noch ein toller Langstrecken-Prototyp ist. Dass Aston Martin das radikale Projekt AMR-One wagte, anstatt auf einer guten Basis wie diesem Wagen aufzubauen, scheint im Nachhinein noch absurder, als es das vorher schon tat.

Der Audi-Totalausfall jedenfalls beschert Peugeot schon vor dem ILMC-Saisonfinale in Zhuhai sowohl mit dem Titelgewinn sowohl in der Hersteller- als auch in der Teamwertung. Verdient ist die Titelverteidigung allemal, doch ist und bleibt sie nur ein schwacher Trost für die verlorenen 24h von Le Mans. Mit dem offiziellen FIA-WM-Status dürfte die Bedeutung der Meisterschaft 2012 etwas steigen, doch das große Ziel von Peugeot wird es sein, nach 2009 noch einmal das „große“ Le Mans zu gewinnen, nicht nur das „kleine“ in Georgia.

Die LMP2 war wie seit Einführung des Kostenbegrenzungs- und Pro/Am-Reglements gewohnt von technischen Problemen geprägt und wurde, wie erwartet, zugunsten des Teams entschieden, das mit den wenigsten davon über die Distanz kommt. Dass das am Ende Level 5 mit Scott Tucker, Joao Barbosa und Christophe Bouchut ist, ist ebenso überraschend wie erfreulich. Überraschend, weil der HPD ARX-01g erst sein zweites Rennen überhaupt bestritt und die 1000 Meilen zuverlässig abspulte, erfreulich, weil der Sieg bei einem großen Rennen vor heimischem Publikum schön für Tucker und sein US-Team ist und all den Aufwand des Aufstiegs in die LMP2 und des Chassis-Wechsels während der Saison rechtfertigt.

Ebenso groß dürfte die Freude bei United Autosports gewesen sein, beim Debüt im Le Mans-Motorsport vor heimischem Publikum gleich Rang 2 in der Klasse einzufahren, wenn auch mit acht Runden Rückstand auf den Level5-HPD, da es während der zweiten SC-Phase zu einem Auffahrunfall kam und der Diffusor des Pescarolo ersetzt werden musste. Danach lief alles problemlos für Brown, Patterson und Johannson und sie schafften zehn Runden mehr als der von Problemen mit der Servolenkung geplagte Signatech-Oreca-Nissan, der das Podium komplettierte und damit den Titel ohne einen einzigen Rennsieg (!) holt.

Die GT-Klasse lieferte, was man mittlerweile seit einigen Jahren gewohnt ist: zahlreiche spannende Zweikämpfe. An der Spitze jedoch stellte sich im Laufe des Rennens der AF Corse-Ferrari mit Fisichella/Bruni/Kaffer als klar beste Kombination heraus, die schließlich auch gewann. In den knapp 80 Runden vor der späten letzten Gelbphase fuhr das Trio über 30 Sekunden Vorsprung auf die Verfolger heraus, und auch dieses letzte Safety Car brachte das Team nicht um den verdienten Sieg.

Die BMW-Konkurrenz litt wieder einmal unter den Reifenproblemen, diesmal waren es vor allem diverse Reifenschäden, die die beiden M3 GT zurückwarfen. Da dieses Schicksal auch noch einige andere Wagen traf, kann man die Schäden wohl auf Teile auf der Fahrbahn zurückführen. Jedenfalls konnte am Ende nur die #55 mit Auberlen/Werner/Farfus um Rang 2 kämpfen, wurde dann jedoch von Jörg Bergmeister im Flying Lizard-Porsche in der Doppelrechts Turn 6/7 außenherum im Überrundungsverkehr überholt – ein starkes Manöver vom Deutschen.

Damit gewinnt Michelin die Reifenhersteller-Wertung in der ALMS; aber ob dieses Manöver auf kalte Dunlop-Reifen beim BMW zurückzuführen ist, wie sie in den letzten Rennen immer wieder bemängelt wurden, oder ob es nur ein mutiges Manöver im dichten Verkehr war, mit dem Dirk Werner nicht rechnete, darauf will ich mich nicht festlegen. Die für das Team wichtigen Titel, Fahrer- und Teamwertung in der ALMS, waren eh schon sicher, die ILMC-Titel schon an Ferrari verloren.

Die Ferrari F458 waren auf der Road Atlanta jedoch nicht zu schlagen, auch die Extreme Speed-und Luxury Racing-Autos lagen zeitweise auf aussichtsreichen Plätze, wurden aber jeweils durch kleinere oder größere Probleme zurückgeworfen. Corvette schwächelte den ganzen Tag, konnte aber am Ende mit dem zweiten Wagen noch einen soliden vierten Platz einfahren.

Besser lief es für die Larbre-Corvette in der GTE-Am-Kategorie. Diese wurde mit Bornhauser/Canal/Gardel zwar „nur“ Zweiter, sicherte damit jedoch die Meisterschaft für das Larbre-Team. Es siegte der grüne Krohn-Ferrari F430 mit zwei Runden Vorsprung. Auch das wieder ein tolles Ergebnis für ein US-Team von Tracy Krohn und seinen Co-Piloten Jonsson und Rugolo.

Das Rennen in der LMP Challenge gewannen Dobson/Richard/Lewis (PR1 Mathiasen) nur um Zehntelsekunden vor Ducote/Drissi/Marcelli (Intersport). Die Meisterschaft wurde dahinter entschieden: lange stritten sich Genoa und CORE um den letzten Podiumsplatz, am Ende behielten Jeannette/Gonzalez/Junco im CORE-Oreca die Nase vorn, obwohl sie zu den Auslösern zweier Gelbphasen gehörten. Den Team-Titel gewannen sie damit um einen Punkt doch beim Fahrer-Titel führte das Rennergebnis zum Gleichstand: sowohl Gonzalez und Jeannette von CORE als auch Lux von Genoa haben 156 Zähler gesammelt und alle drei als Champions gekürt. Eric Lux wurde außerdem zum Rookie oft he Year ernannt.

Diese Ehre wurde in der GT Challenge Timothy Pappas allein zuteil, denn der Driver/Owner bestritt die Saison mit wechselnden Teamkollegen. Das Petit Le Mans gewann er als krönenden Saisonabschluss mit Jeroen und Sebastiaan Bleekemolen als Unterstützung mit acht Sekunden Vorsprung vor Alex Job Racing. Die Meisterschaftszweiten von TRG wurden Dritte. Auch der Mannschafts-Titel ging klar an Pappas‘ Black Swan Racing-Team.

Besser als das von langen Gelbphasen, Reifenschäden und Überrundungsproblemen geprägte Rennen waren die Nachrichten, die schon am Freitag im Zuge der „State oft he Series“-Pressekonferenz von CEO Scott Atherton bekannt gegeben wurden. Entgegen aller Gerüchte wird die ALMS auch im nächsten Jahr die ALMS bleiben, soll heißen: die Kooperation mit dem ACO wird für mehrere Jahre erneuert. Die Regeln aus dieser Saison werden beibehalten, ebenso wird der TV-Deal fortgeführt, allerdings werden vier Rennen live auf ABC oder ESPN2 übertragen, also eine deutliche Verbesserung gegenüber diesem Jahr. Ganz so tot, wie sie manchmal schon gesagt wurde, ist die ALMS also doch noch nicht.

Das erste Saisonrennen werden die 12h von Sebring am 17. März sein, die gemeinsam mit der FIA WEC ausgetragen werden. Saisonabschluss wird das Petit Le Mans am 20. Oktober sein; ob dort auch das WEC-Feld hinzustoßen wird, ist noch unklar. Dazwischen wird es elf weitere Läufe geben, zwei mehr als in diesem Jahr. Noch konnte Atherton nicht verraten, um welche Strecken es dabei geht, aber es soll drei Bewerber für die zwei Termine geben. Es war schon letztes Jahr ein Stadtkurs in Oklahoma City in Erwägung gezogen worden, ob das eines der neuen Rennen sein wird, muss man abwarten. Detroit dürfte auch unter den Kandidaten sein, denn das die IndyCar dorthin zurückkehrt, steht bereits fest. Der Termin Anfang Juni ist allerdings wegen Le Mans nicht der günstigste…

Die ALMS geht damit in die Winterpause und wird auf zusätzliche prototypen-Entries für nächstes Jahr hoffen. Die ILMC zieht allein nach China weiter und wird dort Mitte November mit vermutlich um die 25 Fahrzeugen antreten. Da werden dann wenigstens die Überrundungen weniger problematisch…

George Russell, Mercedes F1 W15, leads Lando Norris, McLaren MCL38 during the Brazilian GP at Autódromo José Carlos Pace
Oliver Bearman, Haas VF-24, leads Sergio Perez, Red Bull Racing RB20 during the Brazilian GP at Autódromo José Carlos Pace

(Bilder: Audi, Ferrari, Porsche) 

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1 Kommentare

nona 5 Oktober, 2011 - 16:54

Naja, die Eurosportler hatten es IIRC zuerst quasi als optimistischen Überholversuch verortet, und dann nach der harschen Kritik von Dumas und Dr. Ulrich in den ESPN-Interviews hinzugefügt dass man das durchaus auch so sehen kann wie sie – also in der Summe dann „Rennunfall“ (Ulrich sagte ja sowas wie man sehe mal wieder sehr deutlich, warum „der Herr Montagny“ nicht für Audi fahre und auch nie für Audi fahren wird…). Das Dumme ist halt, dass man an der Stelle nicht zwingend auf die Ideallinie fahren muss, man kann Montagny also durchaus unterstellen, dass er zwar nicht direkt die Tür zugeschmissen hat, aber schon in dem Wissen dass da ein Audi kommt versucht hat, dem Überholenden das Moment etwas zu nehmen. Schwer zu sagen.

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