Nach diesem Wochenende ist Halbzeit im Chase angesagt und bisher hat sich noch kein Pilot als herausragender Meisterschaftskandidat verkaufen können. Acht Fahrer haben weiterhin eine ziemlich realistische Chance auf den Titel und es kommt wieder einmal darauf an, das Rennen möglichst in den Top10 zu beenden.
Das fünfte von zehn Chase-Rennen wird in der Nacht von Samstag auf Sonntag auf dem Charlotte Motor Speedway ausgetragen, wobei die namensgebende Stadt und deren Umgebung auch gleichzeitig Heimat der meisten NASCAR-Teams ist. Das Bank of America 500 ist das einzige Flutlichtrennen in den Playoffs und damit glücklicherweise auch das letzte seiner Art in dieser Saison. Nach Charlotte ist in der Meisterschaftsentscheidung übrigens Halbzeit und noch immer hat sich kein Fahrer so richtig als Top-Favorit verkauft. Zwar gewann Tony Stewart die ersten beiden Playoff-Rennen, fiel dann aber ab und wurde von einem dominanten Jimmie Johnson abgelöst. Wer möchte zu diesem Zeitpunkt jedoch schon darauf wetten, dass ausgerechnet diese Serie nun hält?
Jimmie Johnson könnte sich nämlich genauso gut an diesem Wochenende aus der Entscheidung verkrümeln, zumindest wenn ihm wie beim Coca-Cola 600 im Mai in Charlotte erneut der Motor hochgeht. Eine Zeit lang war das 1,5-Meilen-Intermediate-Oval ja mal als Wohnzimmer von Jimmie Johnson bekannt, doch in den letzten Jahren schlug die Gaußsche Normalverteilung zu und bescherte ihm wieder schlechtere Ergebnisse. Zwischen 2003 und 2006 holte sich Johnson im Sprint Cup auf der ehemaligen Haus-Strecke seines Hauptsponsors so ziemlich alle Trophäen ab, die es zu gewinnen gab.
Seit 2007 erreichte er jedoch nur noch in 50% aller Ausgaben die Top10, allerdings gibt es immerhin einen Lichtblick für alle Johnson-Fans: Die schlechten Resultate – teilweise außerhalb der Top25 – entstammen ausnahmslos dem Mai-Rennen, während der Dauermeister in den Chase-Ausgaben immer hellwach blieb und nur Top6-Ergebnisse einstrich. Wenn Johnson sein Momentum mitschleifen kann und das Material hält, dann wird es ganz schwer, ihn in Charlotte zu schlagen. Dieses Jahr ist in der NASCAR aber bekanntlich alles möglich, weshalb ich mich an dieser Stelle nicht so wirklich festlegen möchte, was vermutlich auch aus den letzten beiden Absätzen auch deutlich wird.
Rechnen muss man am Wochenende auch mit den derzeitigen Spitzenreitern in der Punktetabelle, welche nur ein winziger Zähler trennt. Carl Edwards und Kevin Harvick legten in den letzten Wochen unglaublich viele Top10-Resultate in Serie auf den Asphalt, wobei Edwards sogar immer die Top8 traf, während Harvick einen Ausrutscher mit Platz 12 hinnehmen musste. Dass beide in den Punkten gleichauf liegen, hat Letzterer aber seinen zwölf Bonuszählern für die vier Rennsiege in der Regular-Season zu verdanken, während Edwards nur einmal zu Beginn des Jahres in Las Vegas die Victory-Lane besuchen konnte. Auch wenn Harvick ein sehr konstanter Top10-Pilot ist, würde ich derzeit am Ende immer Edwards vorne sehen, weil aktuell einfach eine bessere Tagesform beim Team mit der #99 vorliegt.
Dahinter hat sich heimlich, still und leise Brad Keselowski auf den vierten Platz in der Meisterschaft nach vorne gefahren. Zwar strauchelte er in der Regular-Season neben seinen drei Rennsiegen des Öfteren, doch sein Chase lief bisher bis auf Platz 20 in Dover einwandfrei. Auf dem Kansas Motor Speedway holte Keselowski zuletzt wieder ein Top5-Resultat – das dritte in vier Playoff-Rennen! Der Junge legt derzeit echt ein Wahnsinns-Jahr hin und auch wenn seine Charlotte-Bilanz bislang kein Top10-Ergebnis aufweist, muss das absolut nichts heißen.
Ein Geheimtipp könnte an diesem Wochenende Chase-Spätstarter Matt Kenseth sein, welcher sich nach Platz 21 im Auftakt von Chicagoland mit Platz 6,5 und 4 in New Hampshire, Dover sowie Kansas kontinuierlich steigerte. Bei den letzten sieben Charlotte-Ausgaben konnte Kenseth zudem recht erfolgreich abschneiden, denn immerhin stehen für ihn fünf Top10-Resultate seit 2008 zu Buche. Wenn Kenseth die Serie der vergangenen Saisonrennen fortzusetzen kann, wird er ein ernsthafter Kandidat auf die Meisterschaft und immerhin muss man ja nicht mit Rennsiegen glänzen. 2003 reichte ihm ebenfalls eine Menge Konstanz neben einem einzigen Saisonerfolg zum ersten Cup-Titel.
Bei Kurt Busch bin ich etwas ratlos, denn nachdem er in Dover vor zwei Wochen gewann, lief in Kansas für Busch nicht so viel. Zum Schluss verpokerte er sich bei der Reifenwahl und kam nur knapp außerhalb der Top10 ins Ziel. Charlotte könnte für ihn ein gutes Pflaster darstellen oder ihn den Titel kosten: 2010 siegte er dort im Coca-Cola 600, in den anderen Rennen brachte er aber auch zu 50% die goldene Ananas nach Hause.
Innerhalb der Top8 im Chase haben noch Tony Stewart und Kyle Busch größere Chancen auf den Titel, bevor der Punkteabstand von der Spitze zu Platz 9 schon beträchtlich anwächst. Smoke holte in Chicagoland und New Hampshire zwei Siege zum Playoff-Start, fiel danach aber massiv ab und kam nie innerhalb der Top10 ins Ziel. Das gleiche Schicksal ereilte ihn auch im großen Maßstab, wenn man die Ergebnisse der Charlotte-Rennen betrachtet: War Stewart zu Beginn seiner Karriere die meiste Zeit in den Top5 zu finden, so gelang ihm seit 2008 nicht ein einziges Top10-Resultat auf dem Charlotte Motor Speedway mehr!
Im Gegensatz dazu strauchelt Kyle Busch im Chase und bekommt ebenso wie sein Teamkollege Denny Hamlin derzeit kein Bein auf den Boden: Platz 6 und zwei elfte Ränge als Halbwegs-Konstanz-Resultat aus vier Playoff-Rennen halten ihn noch gerade so in der Entscheidung. In der Vergangenheit war Charlotte aber immer eine Bank für Busch, denn seit 2008 fuhr er mit Ausnahme des diesjährigen Coca-Cola 600 immer in die Top8. Lässt man 2009 aus, lassen sich in den verbleibenden vier Charlotte-Ausgaben vier Top4-Resultate in seiner Statistik finden. Im Mai beendete ein Unfall seine Siegeshoffnungen leider frühzeitig.
Dahinter rangieren auf den Plätzen 9-12 mit mehr als 43 Punkten Rückstand auf die Spitze noch Dale Earnhardt Jr., Jeff Gordon, Ryan Newman und Denny Hamlin, die sich in den ersten vier Chase-Rennen schon mehr als einen Ausrutscher geleistet haben. Für diese vier Piloten wird es sehr schwierig werden, 2011 noch den Titel zu gewinnen. Am ehesten habe ich am Wochenende noch Jeff Gordon auf der Rechnung, der eigentlich in den meisten Rennen mal mit einem Top5- oder Top10-Ergebnis aufblitzt. Von allen vier Fahrern hatte er bisher auch die beste Saison.
Außerhalb des Chase würde ich noch ein Auge auf Clint Bowyer, Greg Biffle und Kasey Kahne behalten. Bowyer hätte sich zum Beispiel die Playoff-Qualifikation eher als Denny Hamlin verdient gehabt, denn seine momentanen Leistungen lassen aufhorchen: Mit Ausnahme eines trockenen Tanks in New Hampshire fuhr Bowyer in den anderen drei Rennen jedes Mal in die Top8. Biffle zeigte in Loudon und Kansas, zu was er in dieser Saison noch im Stande ist und hielt recht gut mit seinem Teamkollegen Matt Kenseth im Chase mit. Kahne blitzte in den letzten beiden Saisonrennen in Dover und Kansas mächtig auf und holte zwei Top4-Ergebnisse in Folge für seinen scheidenden Rennstall Red Bull Racing. Vielleicht klappt es ja doch noch mit dem ersehnten Sieg für den zukünftigen Piloten von Hendrick Motorsports.
Zwei weitere Überraschungsmänner wären dann noch Marcos Ambrose und Joey Logano. Während Ambrose in den letzten beiden Saisonrennen mit zwei neunten Plätzen auf sich aufmerksam machen konnte und auch das Coca-Cola 600 in diesem Jahr als Sechster beendete, war Logano 2011 fast ausnahmslos vom Pech verfolgt. Betrachtet man allerdings seine Charlotte-Ergebnisse, dann gibt das Anlass zur Hoffnung: Fünf Rennen bestritt der Jungstar bereits auf dem Intermediate-Oval und holte dabei in vier Ausgaben Top9-Resultate. Sein einziger Ausrutscher war immerhin Platz 13 im letztjährigen Coca-Cola 600, was schon bemerkenswert ist. Damit Logano seine Serie fortsetzen kann, muss Joe Gibbs Racing aber zunächst insgesamt wieder einen Schritt nach vorne machen.
Wie gewohnt folgen an dieser Stelle noch die Links zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie ein Zeitplan für das Wochenende:
Da der Sprint Cup in Charlotte ein Nachtrennen fährt, begann das Rahmenprogramm schon am gestrigen Donnerstag, womit knapp die Hälfte des Fahrprogramms bereits absolviert ist. Unter anderem sind die beiden Trainingssitzungen der Nationwide Series durch und auch der Pole-Sitter im Cup steht fest. Für den Freitagabend verbleiben dann noch Nationwide-Qualifying und -Nachtrennen sowie die beiden Practices des Sprint Cups.
Der Samstag bietet das Truck-Rennen aus Las Vegas, wo die dritte NASCAR-Liga als Vorprogramm des IndyCar-Finales auftritt und das sogar zu einer schaubaren Uhrzeit. Alle Chase-Fans müssen danach noch tapfer wach bleiben, denn das Cup-Rennen beginnt erst um 01:30 Uhr in der Nacht auf Sonntag. Als kleiner Trostpreis sind die Jungs von ServusTV noch einmal LIVE auf Sendung, was einem dann zumindest die Suche nach einem Stream erspart.
Ausstrahlungsdaten
Freitag, 14.10.
21:00 Uhr, Nationwide Series Qualifying, ESPN2
22:30 Uhr, Sprint Cup Series Practice, ESPN2
00:00 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, ESPN2
01:30 Uhr, Nationwide Series Rennen (Dollar General 300 Miles of Courage), ESPN2
Samstag, 15.10.
21:30 Uhr, Truck Series Rennen (Smith’s 350), SPEED
01:30 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Bank of America 500), ABC / ServusTV