Nur noch vier Rennen verbleiben den letzten Mohikanern im Titelrennen, um die Meisterschaft dingfest zu machen und dazu begibt sich der Sprint Cup von der längsten Strecke in Talladega direkt auf die kürzeste Bahn in Martinsville. In den letzten Jahren war dies das Territorium von Denny Hamlin und Jimmie Johnson, jedoch hat keiner dieser beiden Fahrer im Chase 2012 noch einen passablen Anschluss an die Tabellenspitze!
An diesem Wochenende macht der NASCAR-Tross auf dem Martinsville Speedway Station, seines Zeichens das kleinste Oval im Kalender. Mit 0,526 Meilen und 12° Banking bewegt sich Martinsville eindeutig in der Kategorie der Shorttracks. Die Strecke verfügt über eine Menge Tradition und wird schon seit den Anfängen des Sports regelmäßig befahren. Zuletzt sicherten sich Denny Hamlin und Jimmie Johnson seit Ende 2006 neun Rennen in Folge zu zweit alle Siege auf der „Büroklammer“, bevor Kevin Harvick im Frühjahr endlich ihre Serie durchbrechen konnte. Doch nicht nur in Martinsville sind die beiden Piloten derzeit abgeschlagen, auch in der Meisterschaft haben Hamlin und Johnson viele Punkte verloren. Bevor wir aber zur Entscheidung in der Meisterschaft kommen, sei zunächst der wichtigste Faktor für das Rennen am Sonntag genannt:
Da man das Thema Bremsen in Martinsville nicht oft genug erwähnen kann, zitiere ich an dieser Stelle auch noch einmal aus der Streckenbeschreibung. Dort steht folgende Bewertung:
Wichtig sind in Martinsville vor allem die Bremsen, die man in den ersten 300-400 Runden doch extrem schonen sollte. 500 Runden unter Volllast halten die später rot-glühenden Scheiben nicht durch, denn es sind immerhin 1000 Bremsmanöver zu absolvieren. Wer nicht nach 400 Runden ins Leere treten will, sollte die richtige Strategie für eine Fahrt durch die engen Turns wählen: Früh vom Gas gehen, den Wagen mit möglichst viel mitgebrachter Geschwindigkeit durch die Kurve rollen lassen ohne dass man auf dem Gas steht und dann kurz nach dem Scheitelpunkt das Gaspedal, soweit es der Grip zulässt, voll auf das Bodenblech drücken. Diese Strategie heißt im Allgemeinen „roll through the center“ und bei den TV-Übertragungen bekommt man diesen Ausdruck auch besonders oft zu hören. All das impliziert erstens die Notwendigkeit von viel mechanischem Grip, um in den Kurven beim Rollen nicht aus der Bahn geworfen zu werden und im Kurvenausgang kein Übersteuern zu erleiden. Zweitens muss der Motor über ein hohes Drehmoment verfügen, um im Kurvenausgang viel Speed mit auf die Geraden zu nehmen; am besten mal auf den Splitter achten, der sich beim Beschleunigen und Bremsen viel hoch und runter bewegt. Die restliche Aerodynamik spielt anders als z.B. in Charlotte in Martinsville keine größere Rolle.
Anders als in den Jahren zuvor rechne ich an diesem Wochenende übrigens nicht so stark mit Jimmie Johnson oder Denny Hamlin, auch wenn ihre Martinsville-Statistik natürlich nahezu makellos ist. Johnson liegt derzeit nicht auf einer Wellenlänge mit seinem Wunder-Crew-Chief Chad Knaus und das Team trägt gerade noch etwas Ballast aus Talladega auf den Schultern. Dort trat Knaus kurz vor dem Beginn der Einführungsrunden noch einmal an das Fahrerfenster der #48 heran und befahl seinem Schützling, im Falle eines Sieges doch bitte bei den obligatorischen Donuts das Heck des Wagens etwas zu demolieren.
Da NASCAR recht unnachgiebig bei den Toleranzen im Bereich vieler Abmessungen ist, wollte man nach dem Fender-Banging beim Two-Car-Draft wohl ganz sicher gehen und die Maße für die Templates der Offiziellen unbrauchbar machen. Somit hätte man eine mögliche Strafe umgangen, falls das Auto nach den regulären Torturen vielleicht nicht mehr im Rahmen gelegen hätte. Wer kann bei einem Heck nach Mauerkuss schon sagen, wie genau es direkt vorher ausgesehen hat? Super Idee Chad Knaus, doch bitte das nächste Mal darauf achten, dass die Kollegen von ESPN nicht schon mit ihrer Inboard-Kamera drauf sind und alles mithören können. NASCAR ermittelt derweil und lädt wohl zum Gespräch…
Dagegen stand Denny Hamlin das ganze Jahr über nicht gut dar und qualifizierte sich nur mühsam als zwölfter und letzter Pilot für den Chase. Nach einem schleppenden Start steigerte sich Hamlin allerdings kontinuierlich und legte in den letzten beiden Wochen erstmals wieder Top10-Resultate auf den Asphalt. An einen Gewinn der Meisterschaft braucht der Lokalmatador des Wochenendes natürlich nicht mehr zu denken, doch vielleicht gelingt ihm in Martinsville ja ein kleines Comeback und damit die Anhäufung von dringend benötigtem Momentum für 2012.
Um noch einmal die beeindruckende Statistik der beiden Fahrer vom Stapel zu lassen: In ihrer gesamten Sprint-Cup-Karriere fuhren Hamlin und Johnson in 12 bzw. 19 Martinsville-Ausgaben nur zwei (!!!) Mal nicht in die Top9. Eine Platzierung außerhalb der Top30 haben beide schon auf ihrem Konto und das zweitschlechteste Resultat kam für die Ausnahmepiloten in diesem Frühjahr. Platz 11 und 12 zeugten davon, wie gut ihnen die Strecke liegt, auch wenn es mal gerade nicht so wirklich läuft. Wie gesagt, ich rechne nicht mit einem Sieg der #11 oder der #48, aber dagegen wetten will ich auch nicht.
Die wirklich interessanten Fahrer sind derzeit aus Meisterschaftssicht Carl Edwards, Matt Kenseth, Brad Keselowski, Tony Stewart und Kevin Harvick (Rückkehrsieger aus dem diesjährigen April): Alle fünf Chase-Contender bewegen sich nach Talladega innerhalb von 26 Punkten, was in vier Rennen eine durchaus überwindbare Hürde darstellt. Carl Edwards liegt dabei im Moment an der Spitze der Tabelle und das mit beeindruckenden Werten wie 16 Top5s und 22 Top10s in 32 Rennen, wo höchstens Kyle Busch und Jimmie Johnson in diesem Jahr rankommen. Anders als Letztere zeigte Edwards aber deutlich mehr Konstanz auch an den schlechten Tagen.
Es wäre schon außergewöhnlich, wenn der Ford-Pilot sich den Titel mit nur einem einzigen Saisonsieg (Las Vegas) holen würde. Damit wäre dann das gesamte Chase-System ad absurdum geführt, schließlich sollte es ebenso wie die neue Punkteverteilung ja eigentlich Rennsiege belohnen. Zurück zum Wochenende: Martinsville ist nicht unbedingt das Pflaster von Carl Edwards, doch was soll nach neun Top11-Resultaten in Folge über die letzten Saisonrennen schon groß schiefgehen? 2008 und 2010 konnte er in Martinsville in ähnliche Sphären vorstoßen und dürfte bei einem guten Resultat am Sonntag in greifbare Nähe der ganz großen Trophäe vorrücken.
Teamkollege Matt Kenseth ist ebenfalls kein großer Martinsville-Freund, aber das waren die Ford-Piloten – oder besser gesagt deren Autos – mindestens seit Einführung des CoT eh nicht. Gegenüber Edwards hat Kenseth zwar schon zwei kleinere Ausrutscher im Chase (21. in Chicagoland, 18. in Talladega) hinnehmen müssen, doch seine drei Saisonsiege lassen ihn weiterhin am Auspuff der #99 schnuppern. Hier kommt es ebenfalls drauf an, nicht zu viele Punkte in Martinsville liegenzulassen und dann auf den 1,5-Meilen-Ovalen von Texas und Homestead zurückzuschlagen, welche ja als Ford-Domäne gelten. Und Texas im Frühling gewann wer? Klar, Matt Kenseth!
Brad Keselowski legt seit dem Sommer einen unglaublichen Run hin, nachdem er sich zu Saisonbeginn eher jenseits der Top20 einsortierte. Der Nachwuchspilot hat dummerweise ebenso schon zwei schlechtere Chase-Resultate in Dover und Charlotte gesammelt. Jetzt muss er seine Allround-Stärke ausspielen und zeigen, dass er nach den Saisonsiegen in Kansas (Intermediate-Oval) und Bristol (Shorttrack) auch die verbleibenden vier Strecken bezwingen kann. In Martinsville hat Keselowski zwar nur ein Top10-Ergebnis aus dem letzten Chase, doch vielleicht ist Bristol als kurze Strecke an sich ein gutes Omen. Er besitzt jedenfalls nach wie vor eine gute Chance auf die Meisterschaft.
Sehr knapp dahinter befindet sich in der Punktetabelle Tony Stewart, der zwar ebenfalls schon zwei Ausrutscher im Chase hatte, jedoch auch die ersten beiden Playoff-Rennen gewann. In Charlotte und Talladega fuhr Smoke zuletzt wieder in die Top9 und muss diesen Trend in Martinsville fortsetzen, wenn er noch eine Chance auf die Meisterschaft haben will. Dort lief es allerdings in den letzten drei Ausgaben nicht so gut, favorisierte Ergebnisse sind eher Platz 3-9 aus dem vorletzten Jahr. Martinsville 1 in diesem Jahr war übrigens Stewarts zweitschlechtestes Saisonergebnis 2011!
Noch in Reichweite der Top4 liegt Kevin Harvick, der Sieger der Frühjahrsausgabe von Martinsville sowie drei zusätzlicher Saisonrennen. Den Chase begann er wegen der zwölf Bonuspunkte als Erster und hielt sich mit regelmäßigen Top12-Resultaten lange an der Spitze in direkter Verfolgung von Carl Edwards. Sein 32. Platz in Talladega nach einem kaputten Ölkühler, einer schwarzen Flagge deswegen und der anschließenden Reparaturpause sorgte dafür, dass er in der Meisterschaft fast den Anschluss verlor. Ich sage es mal so: Harvick muss eigentlich schon das Wunder aus dem Frühling wiederholen, um nicht völlig abzudriften. Martinsville wird zeigen, ob er sein Momentum verloren hat oder nicht.
Als gute Kandidaten für die Top10 in Martinsville habe ich so kurz vor Saisonende noch Kyle Busch, Jeff Gordon, Dale Earnhardt Jr., sowie Ryan Newman und Clint Bowyer auf dem Radar. Bei Gordon kommt es aber darauf an, ob er seinen Schwung nach drei miserablen Ergebnissen in Folge wieder aufbauen kann. Viel vom so wichtigen Momentum hat unterdessen auch Kasey Kahne gesammelt, der in Martinsville zwar selten gut unterwegs war, die letzten vier Saisonrennen jedoch in den Top6 beendete. Das ist vermutlich die Vorfreude auf sein nächstes Jahr bei Hendrick Motorsports.
Kaum zu glauben, dass schon 32 Punkterennen in diesem Jahr ausgefahren wurden. Man hat irgendwie das Gefühl, die Saison hätte erst vor ein oder zwei Monaten ihren Premierensieger Trevor Bayne in Daytona gesehen. Doch eigentlich bin ich auch froh, dass das NASCAR-Jahr 2011 so langsam aber sicher zu Ende geht, denn mehr als 70 Artikel pro Jahr sind eindeutig kein Pappenstil und ab sofort kommen ja noch vereinzelte Podcasts dazu. An der allerersten Ausgabe konnte ich aus terminlichen Gründen leider nicht teilnehmen, werde jedoch in den nächsten Wochen auch zum Thema NASCAR etwas beitragen können.
In der Zwischenzeit freue ich mich auf einen spannenden letzten Monat in der Titelentscheidung, bevor wieder die Off-Season beginnt. Diese wird ab sofort fast drei Monate anstatt vorher gut zwei betragen, da die Offiziellen im neuen Kalender nur noch ganze sage und schreibe 2(!!!) Off-Weekends vorgesehen haben. Nur an Ostern und im Sommer vor dem Brickyard 400 in Indianapolis bekommen wir und natürlich auch die Akteure eine kleine Verschnaufpause. Kaum zu glauben, dass die Nummer stressfrei wird… Nun noch meine Frage an euch: Schafft ihr es eigentlich regelmäßig die meisten Rennen oder sogar alle anzuschauen? Mein Rekord liegt bei einer Unterbrechung 2007 und 2008, dieses Jahr habe ich dagegen schon vier oder fünf Veranstaltungen versäumt.
Wie gewohnt folgen an dieser Stelle noch die Links zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie ein Zeitplan für das Wochenende:
Sämtlicher Trainingsbetrieb geht in Martinsville am Freitagabend über die Bühne, Sprint Cup und Trucks immer schön im Wechsel. Die Nationwide Series macht ihre finale Pause in diesem Jahr, bevor es gemeinsam mit dem Cup zu den verbleibenden drei Stationen nach Texas, Phoenix und Homestead geht. Der Samstag steht im Zeichen der Qualifyings und wird durch das Truck-Rennen zur Prime-Time abgerundet.
ACHTUNG: In der Nacht von Samstag auf Sonntag werden bei uns die Uhren eine Stunde zurückgestellt, während die Amis damit noch eine Woche warten. Da Martinsville in den USA schon etwas eher läuft als gewohnt (1:30 pm ET), erwartet uns durch die zusätzliche einmalige Zeitverschiebung ein Rennstart um 18:30 Uhr!
Ausstrahlungsdaten
Freitag, 28.10.
17:00 Uhr, Truck Series Practice, nicht im TV
18:30 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
20:00 Uhr, Truck Series Final Practice, SPEED
21:30 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, SPEED
Samstag, 29.10.
16:30 Uhr, Truck Series Qualifying, SPEED
18:00 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, SPEED
20:00 Uhr, Truck Series Rennen (Kroger 200), SPEED
Sonntag, 30.10.
18:30 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Tums Fast Relief 500), ESPN
2 Kommentare
Ich hab seit dem ersten Rennen auf Premiere(Martinsville 2006)alle Rennen des SC NW und mit ein paar Ausnahmen fast alle Truckrennen gesehen.
Wenn mal ein SC-Rennen auf Montag oder Dienstag verschoben wurde und ich da arbeiten musste hab ich es mich aslive angesehen.
Ich habe als Premiere noch übertrug so 33 gesehen , mittlerweile bin ich bei so 26 pro Season + nen bisschen Nationwide und Trucks :)
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