Das erste Rennen der Saison 2012 war sehr abwechslungsreich, hatte Spannung und zeigte am Ende doch wieder die üblichen Verdächtigen vorne.
Das Gesicht, das Lewis Hamilton nach dem Rennen machte, sprach Bände. Missmutig, fast desinteressiert, so als ob ihm Nicole Scherzinger während des Rennens per Funk die Beziehung aufgekündigt habe. Und das, obwohl er seinen McLaren gerade auf den dritten Platz gefahren hatte. Eigentlich kein schlechtes Ergebnis für einen Saisonstart, wäre da nicht Jenson Button gewesen, der Hamilton über das gesamte Rennen nicht nur im Griff hatte, sondern regelrecht abkochen konnte. Hamilton war aber nicht der einzige, der nach dem Rennen sauer war. Aus dem sonst so gesprächigen Norbert Haug war kein Wort rauszuholen, bei Williams starrte man ungläubig auf die Monitore und bei Ferrari konnte ärgerte man sich ausnahmsweise mal weniger über das Auto, denn über einen Fahrer. Aber der Reihe nach.
Der Start ging, zumindest vorne, erstaunlicherweise gut, während im Hinterfeld leider ausgerechnet Nico Hülkenberg ein Opfer der ersten Kurve wurde. Button düpierte Hamilton schon vor der ersten Kurve. Von der nominell schlechteren, weil staubigen Seite gestartet, holte er sich P1 und zog seinem Teamkollegen schnell weg. Und das war das erstaunliche: Hamilton war während des gesamten Rennen nie in der Lage, das Tempo von Button zu gehen. Der fuhr vorne in den ersten Runden ein geradezu ruhiges Rennen, so wie man ihn halt kennt: Immer ruhig, immer kontrolliert, nie zu sehr den Wagen oder die Reifen fordernd. Nach dem Rennen meinte er, dass der neue MP4-27 seiner Fahrweise mehr liegen würde, als der alte Wagen. Wenn dem so ist, kann sich Hamilton vermutlich sehr warm anziehen, denn schon in der Quali wurde deutlich, dass Button nicht mehr den riesigen Abstand zu Lewis haben wird. Die knapp anderthalb Zehntel kamen laut Button zusammen, weil er einmal den Scheitelpunkt einer Kurve nicht richtig getroffen habe.
Button kontrollierte das Rennen auch nach der Safety Car Phase, als er plötzlich Sebastian Vettel hinter sich hatte. Aber auch diesem ließ er keine Chance und zog innerhalb zwei Runden so weit weg, dass Vettel auch mit DRS keine Chance mehr hatte. Ein klar verdienter Sieg von Button, der damit auch schon mal die erste Duftmarke gesetzt hat. Immerhin fuhr mit Abstand auch die schnellste Runde im Rennen. McLaren also ohne Schwäche?
Nicht ganz – etwas überraschend war, dass McLaren mit den weichen Reifen offenbar nicht so gut klar kam. Button kam überraschend früh an die Box und wechselte von „Soft“ auf „Medium“. Aber auch im letzten Stint nahm er lieber die „Medium“ Variante. Vettel setzte auf „Soft“, „Soft“ und „Medium“, was ein Indikator dafür sein kann, dass der RB8 mit den Reifen besser umgeht. Das könnte im Laufe der Saison noch interessant werden.
Red Bull sah im Rennen selber sehr gut aus. Der RB8 ist offenbar kein Fehlschlag, wie manche schon nach der Quali gehofft hatten. Aber es gibt noch eine Kluft zwischen dem Rennspeed und der Qualifikation. Eine Vermutung ist, dass Red Bull zumindest im Moment noch Probleme mit der Reifentemperatur hat, also zu wenig Hitze in die Reifen bekommt. Dafür spricht auch, dass Vettel und Webber im Rennen länger mit der weichen Mischung unterwegs sein konnten. Die Frage wird sein, ob Red Bull das für die Quali in den Griff bekommt. Man darf aber nicht vergessen, dass der RB8 in der neuen Konfiguration in Australien eigentlich seine ersten Runden fuhr, nachdem man bei den Tests Probleme hatte. Da wird man noch viel über die Abstimmung lernen können. Dass man Vettel auch mit einem etwas langsameren Wagen nicht abschreiben sollte, hat Australien gezeigt. Zwar resultierte der zweite Platz auch aus einer günstig fallenden Gelb-Phase, in der er Hamilton überholen konnte, aber er zeigte ein sehr beherztes Rennen, vor allem als er Rosberg außen vor Turn 9 wie einen Anfänger stehen ließ.
Überhaupt Mercedes. Es ist kein Geheimnis, dass man sich mehr erwartet hat, aber offenbar waren die Hoffnungen etwas sehr weit gediehen. Als Hamilton im letzten Qualisegment seine erstaunliche Bestzeit hinknallte, fing die Kamera das Gesicht von Norbert Haug, der völlig verdattert auf den Bildschirm schaute und sich nur mit großer Mühe ein Lächeln abringen konnte. Ich hab ihn weder nach der Quali, noch nach dem Rennen irgendwo im Fernsehen gesehen, und in der PR-Mitteilung las man unter anderem:
„Wir konnten im Rennen die Reifen nicht so wie bei den Testfahrten und zuvor an diesem Wochenende nutzen. Das Team wird hart daran arbeiten, dieses Problem zu verstehen und sich am nächsten Wochenende in Malaysia zu steigern.“
Mich hat der hohe Reifenverschleiss nicht überrascht, das sah in Barcelona schon ähnlich aus, aber offenbar war man bei Mercedes sicher, dass man dieses Problem im Griff haben würde. Auch wenn Schumacher ausfiel und Rosberg ein eher zäher Rennen hatte, auch weil er sich mit der Abstimmung verhauen hatte, Mercedes hat einen Schritt nach vorne gemacht. Man hat den Rückstand von 1.5 auf ca. 0,5 Sekunden gegenüber McLaren drücken können, was schon ein Erfolg ist. Der Wagen hat zudem Potential und da kann man durchaus noch etwas erwarten. Das Problem mit dem Reifenverschleiss wird man aber schnell in den Griff bekommen müssen. Schumacher fuhr ein gutes Rennen, für seinen Ausfall konnte er nichts, das Getriebe streikte schon beim Anbremsen, also vor seinem Ausritt. Platz 3 wäre vermutlich nicht drin gewesen, aber P4 oder P5 auf jeden Fall.
Lotus und Red Bull haben sich auch ein wenig mit dem F/W-Duct System von Mercedes beschäftigt, aber keinen Protest eingelegt. Zum einen scheint der Vorteil nicht so groß wie befürchtet zu sein, zum anderen dürfte das System legal sein. Man behält sich aber offenbar weitere Schritte vor, sollte das System in Malaysia besser funktionieren.
Dabei sieht es so aus, als müsste Lotus die Mercedes nicht mal fürchten. Grosjean düpierte Schumacher in der Quali, im Rennen hatte er Pech. Er hatte einen eher schlechten Start, was vielleicht seiner Nervosität geschuldet war. Im Getümmel in der ersten Kurve steckte er klug zurück, auch wenn dadurch drei Plätze verlor. Der Unfall mit Maldonado war dann ein klassisches Zusammentreffen im Rennen. Vielleicht wäre es klüger gewesen, wenn nachgegeben hätte, auf der anderen Seite: Wohin sollte er auch ausweichen? Was der Lotus kann, zeigte ein wenig Kimi Räikkönen, der von Platz 18 auf P7 vorfuhr. Die vielen Ausfälle halfen dabei durchaus, doch der Finne zeigte ein interessantes Rennen. Sein Duell mit Kobayashi verlor er am Ende zwar, aber zumindest dürfte es ihm Spaß gemacht haben. Auffällig war, dass der Lotus auf den weichen Reifen sehr lange, sehr gute Zeiten hinlegen konnte. Räikkönen fuhr knapp 10 Runden mehr und lieferte am Ende des Stints immer noch Zeiten ab, die kaum langsamer waren, als die der Konkurrenz. Auch wenn man es in diesem Rennen nicht gesehen hat: Lotus dürfte an Mercedes und Ferrari dran sein. Wegen des besseren Reifenverschleiss, sind sie ein echtes „dark horse“.
Und damit dann zu Ferrari. Man kann sich bei Fernando Alonso bedanken, der den F2012 beherzt um den Kurs warf. Seine besten Rundenzeiten waren weit von McLaren und Red Bull entfernt (etwa eine Sekunde), dennoch war er am Ende „Best of the Rest“, was angesichts der Konkurrenz eine bemerkenswerte Leistung ist. Das Safety Car verzerrte zum Schluss aber die Abstände, so dass der wahre Abstand von Ferrari nicht zu sehen war. Eine geradezu indiskutable Leistung zeigte Felippe Massa, der allerdings meinte, dass sein schlechtes Auftreten mit einem „mysteriösen“ Reifenverschleiss zusammenhing. Egal, welche Mischung man gefahren sei, die Reifen seinen nach wenigen Runden auseinander gefallen. Ein schlechter Satz kann passieren, aber gleich drei? Und wieso war Alonso so viel besser? Dazu kam dann noch eine Kollision mit dem weit hinten fahrenden Bruno Senna. Das Gesicht von Stefano Domenicali sprach jedenfalls Bände.
Allerdings glaube ich nicht, dass man schon die echten Probleme bei Ferrari gesehen hat. Melbourne fordert wenig Abtrieb, Malaysia ist da ein anderes Kaliber. Alonso wurde auf Twitter mit den Worten zitiert, dass der F2012 zu wenig Abtrieb und zu wenig Top Speed habe. Keine gute Mischung, wenn ein Wagen langsam ist und zu wenig Bodenhaftung hat. Ich befürchte, dass Ferrari in Malaysia noch schlechter da stehen wird.
Besser lief es da für Williams. Alonso musste sich vor allem in der Schlussphase Maldonado vom Hals halten und man hatte den Eindruck, dass der Williams vom Ferrari sogar aufgehalten wurde. Der neue FW34 scheint ein guter Wurf zu sein, besser als erwartet. Mike Coughlin hat Williams endlich mal wieder einen Wagen erschaffen, der von Anfang an gut geht. Die Frage, was ein anderer Fahrer als Maldonado mit dem FW34 hätte anstellen können, darf man ruhig mal stellen, vor allem, wenn gleichzeitig sieht, wo Senna während des Wochenendes rumkrebste.
Maldonado war schon im letzten Jahr nicht der wirklich gute Racer und ausgerechnet in der letzten Runde stellte er das auch wieder unter Beweis. Er kam auf einen Curb und verlor den Wagen dann. Damit gingen Williams extrem wichtige Punkte durch die Lappen. Im engen Mittelfeld kann es am Ende der Saison, wie letztes Jahr bei Sauber gesehen, um jeden einzelnen Punkt gehen, der über einen vorderen Platz entscheidet. Der Unterschied zwischen P6 und P7 kann gerne mal knapp 10 Millionen Dollar ausmachen. Wenn Williams die Form halten kann, wird man sich vermutlich noch ärgern, nicht weiter auf Barrichello gesetzt zu haben.
Für Sauber war ein zähes Rennen, aber der C31 zeigte zumindest sein Potential. Sauber setzte Perez auf eine etwas merkwürdige Strategie und ließ ihn am Ende knapp 30 Runden auf den weichen Reifen fahren. Nur einen Stopp zu machen, war sicher keine schlechte Idee, aber vermutlich hätte man die Reifenstrategie verstauschen müssen. Kamui Kobayashi fuhr „Soft, Soft, Medium“, was am Ende die bessere Entscheidung war, weil er im Finale mehr zuzulegen hatte. Immerhin schnappte er sich noch Räikkönen und landete auf P6. Perez kam mit viel Glück noch auf P8 rein. Sauber hatte das Rennen aber schon in der Quali versaut, weil man mal wieder nur einen Versuch unternahm und dann halt in Verkehr kam. Dabei hätten beide Fahrer locker um P8 landen können. Zumindest ist auch bei Sauber, wie bei Williams, das Potential sichtbar.
Gar nicht gefallen haben mir Force India und Toro Rosso. Am Ende kamen zwar beide wegen der Ausfallorgie in die Punkte, aber das war dann eher Zufall. Wirklich gut gingen beide Wagen eher nicht, auch die der sonst im Rennen so starke Di Resta fiel nicht weiter auf. Dass Vergne und Ricciardo noch so ihre Probleme haben ist verständlich, bei Force India sah es aber, zumindest in Australien, grundsätzlich etwas zäh aus. Die gute Position von Hülkenberg macht aber Hoffnung.
In den Niederungen der Rangliste findet man dann erstaunlicherweise Marussia. Glock kam wegen der Ausfälle auf P14, was in der Wertung am Ende durchaus wertvoll sein kann. Dass Marussia beide neue Wagen ins Ziel bekommen hat, die vorher keinen Meter gefahren waren, ist schon eine gute Leistung.
Besser jedenfalls als Caterham, wo beide Wagen mit Hydraulik-Problemen ausfielen. In der Quali hat man einen kleinen Schritt nach vorne gemacht, aber man liegt immer noch 0,8 bis 1 Sekunde hinter dem Mittelfeld zurück. Im Rennen lief es besser, aber wenn man sich die Rundenzeiten anschaut, muss man schon sagen, dass das Mittelfeld noch sehr weit entfernt ist. Zur Verteidigung muss man aber auch sagen, dass der schnellere Mann Kovalainen das Rennen ohne DRS und KERS fuhr. Beides verabschiedete sich nach wenigen Runden. Es gibt also zumindest die Hoffnung, dass man den Anschluss finden kann.
Ein schöner, abwechslungsreicher Saisonstart ins Jahr 2012. Auch wenn vorne mal wieder die üblichen Verdächtigen landeten, merkt man schon, dass mit Lotus und Mercedes zwei Teams lauern und zu mehr in der Lage sind. Wenn Ferrari im Mai seine B-Variante ins Rennen schickt, wird man auch wieder vorne dabei sein. Klar ist – es wird wohl in diesem Jahr keinen Durchmarsch eines einzelnen Fahrers oder Teams geben. Allerdings hat McLaren auch noch Luft nach oben. Nach dem Rennen meinte Martin Whitmarsh, dass man etwas knapp mit dem Sprit gewesen sei und man deswegen etwas hätte aufpassen müssen. Die Konkurrenz wird es nicht gerne hören. Trotz all dieser Aussagen und Dinge – eine richtige Rangordnung wird man erst nach dem Rennen in Malaysia sehen.





Bildnachweis: Ferrari, Red Bull, Toro Rosso, Mercedes, McLaren, Lotus, Caterham, Sauber, Force India
2 Kommentare
Danke fuer die super Zusammenfassung!
Ich finde, ihr solltet hier oder per Twitter auch kurz auf das erstklassige sky-Review von dogfood verweisen: http://www.allesaussersport.de/archiv/2012/03/19/formel-1-am-sky-katzentisch/ !!
Schon heute in den Newshappen für morgen :)
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