Die 60. Ausgabe der 12 Stunden von Sebring war ein durchwachsenes, mal zähes, mal spannendes und mal kurioses Rennen. Einzig der Audi-Sieg war wenig überraschend.
Es begann mit Favoritensterben in der GT-Klasse, schleppte sich dann stundenlang von einer langen Gelbphase in die nächste, nur um am Ende doch noch die Spannung und die Dramen zu bieten, die zu einem guten Langstrecken-Rennen gehören. Einige Teams überraschten zum Saisonstart positiv, andere enttäuschten – und am Ende fanden sich doch verdiente Sieger in den meisten der neun Klassen.
Das besagte GT-Favoritensterben traf vor allem die Ferraris, aber nicht ausschließlich: schon vor dem Start, gegen Ende der Einführungsrunde, kam es zwischen Dominik Farnbacher, der den Amateur-Ferrari des Luxury Racing-Team mit einer tollen Runde auf die Klassen-Pole gestellt hatte, und dem Flying Lizard-Porsche, zu einem Kontakt, der das Rennen beider schon vor der grünen Flagge beendete.
Nach dem Start ziehen vorn die Audis wie erwartet leicht davon. In der GT-Klasse gelang dasselbe dem hoch gehandelten #51 AF Corse-Ferrari – bis der schon nach wenigen Runden in die Box und sogar hinter die Mauer abbog: Elektronikprobleme. Kurz darauf war der AF Corse-Waltrip-Ferrari langsam unterwegs, was zum einzigen Safety Car in der Anfangsphase des Rennens führte. Der Waltrip-Ferrari konnte weiterfahren, sollte jedoch noch mehrfach in technische Probleme kommen und am Ende das Klassen-Podium kn app verpassen.
Danach fand das Rennen zunächst erstmal in seinen Rhythmus. Die Audi fuhren 1-2 Sekunden pro Runde schneller als die neuen HPDs, die wie erwartet die schnellsten Konkurrenten waren. Bei Bedarf hätten die drei Ingolstädter wahrscheinlich schneller gekonnt – maßgeblich für die Saison ist das jedoch nicht, da es sich um den letzten Einsatz des Vorjahresmodells handelte.
Nach der ob der großen Fahrzeugzahl erstaunlich ruhigen und flüssigen Anfangsphase folgte dann jedoch der befürchtete Gelbphasen-Marathon: zwischen Runde 76 und Runde 256 gab es nur eine einzige Grünphase, die länger als 20 Runden andauerte. Jede der zehn Full Course Cautions dauerte mindestens um die 20 Minuten, einige aufgrund von Reparaturen noch länger, so summieren sie sich zu etwa 4 hinter dem Safety Car verbrachten Stunden – ein Drittel des gesamten Rennens!
Alle Auslöser aufzuzählen, wäre müßig – einen heftigeren Unfall hatte der LMPC von Henri Richard (der unverletzt bleib), zweimal rollte das Conquest-LMP2-Auto aus, der GT-Aston Martin verlor ein Rad, wenige Stunden vor Schluss platzte dem OAK-Pescarolo der Judd-Motor, um nur einige Beispiele zu nennen. Nichts Ungewöhnliches also, aber ob der großen Teilnehmerzahl war die Summe schlichtweg zu groß, um ein flüssiges Rennen zu ermöglichen.
Jedoch haben Safety Car-Phasen den Vorteil, dass sie das Feld eng beieinander halten. So gab es insbesondere in der GT-Klasse spannende Zwei- und Mehrkämpfe zu bewundern, sowie in der LMP1 um den Platz hinter den Audis, die um die #1 dezimiert wurden, bei der es Reparaturbedarf an einer elektronischen Getriebe-Schalteinheit gab. Die HPDs von JRM und Muscle Milk Racing sowie der Rebellion-Lola mit Nick Heidfeld an Bord waren die ersten Verfolger der Werks-Diesel, vor allem Simon Pagenaud im Muscle Milk-HPD fuhr rasante Rundenzeiten. Ernsthaft gefährden konnte jedoch auch er die verbliebenen zwei an der Spitze nicht.
Etwa 130 Minuten vor Schluss wurde – wieder einmal – die grüne Flagge zum Restart geschwenkt. Kaum jemand hätte wohl damit gerechnet, dass es das letzte Mal sein würde, doch es sollte so sein. Und diese letzten gut zwei Stunden entschädigten für die extrem zähe Rennmitte. Denn in der GT-Klasse wurde über zwei Stunden lang auf der Strecke und in der Boxengasse hart gekämpft: Olivier Beretta im verbliebenen AF Corse-Ferrari versuchte, sich gegen die je zwei BMWs und Corvettes zu behaupten.
RLL setzte seine zwei M3 auf unterschiedliche Strategien, und das sollte sich auszahlen: eine halbe Stunde vor Schluss kam Joey Hand (off sequence im Vergleich zu allen Konkurrenten) zu seinem letzten Stopp, tankte kurz – und kehrte knapp vor Beretta auf die Strecke zurück. Der versuchte alles, um Hand die Führung streitig zu machen, doch alle Manöver misslangen. Am Ende sollte Beretta sogar noch von Magnussen in der Corvette geschnappt werden.
Kurios war die letzte Runde: Hand stritt sich plötzlich mit einem AF Corse-Ferrari – er selbst wie auch die Zuschauer glaubten, es handele sich um Beretta, der plötzlich einige Sekunden Rückstand aufgeholt habe – doch es war der weit zurückliegende Schwesterwagen mit der #51. Als dessen Pilot Gianmaria Bruni dann plötzlich in Kurve 4/5 den BMW ins Gras abdrängte, war die Verwirrung perfekt. Doch Hand kehrte zurück auf die Strecke und beendete die Runde und das Rennen als Erster – und wetterte im Siegerinterview gegen den vermeintlich Schuldigen Beretta, der jedoch hinter der besten Corvette nur als Dritter ins Ziel kam. Der eigentliche Übeltäter Bruni bekam eine Geldstrafe von 15.000€ aufgebrummt.
Da beide Serien getrennt gewertet werden, sind dies die Klassen-Podien, die sich aus dem Gesamtresultat ergeben haben:
ALMS – GT:
1. RLL-BMW #56 (Hand/Müller/Summerton); gesamt: 18.
2. Corvette #03 (Magnussen/Garcia/Taylor); gesamt: 19.
3. Corvette #4 (Gavin/Milner/Westbrook); gesamt: 21.
Die ALMS-Teams haben insgesamt die Oberhand behalten, da die wenigen WEC-Profi-Starter teils von Problemen geplagt wurden (AF Corse #51, Luxury Racing, Aston Martin). Die Porsches jedoch enttäuschten – leider fehlt der vor dem Start verunfallte Flying Lizard-Porsche als weiterer Gradmesser, doch der #77 Felbermayr Proton-997 RSR hatte zu keiner Zeit ernsthafte Siegchancen. Kein gutes Zeichen für die Saison, vor allem wenn die Ferrari ihre Zuverlässigkeit verbessern…
WEC – GTE-Pro:
1. AF Corse-Ferrari #71 (Bertolini/Beretta/Cioci); gesamt: 20.
2. Felbermayr Proton-Porsche #77 (Lieb/Lietz/Pilet); gesamt: 23.
3. AMR-Aston Martin #97 (Mücke/Fernandez/Turner); gesamt: 34.
Ganz anders lief die Schlussphase an der Spitze des Feldes ab – die LMP1 fielen plötzlich wie die Fliegen: JRM erlitt einen Aufhängungsbruch, der verbliebene Rebellion-Lola rollte mit technischem Defekt aus. Und dann standen plötzlich sowohl der zweitplatzierte #3-Audi als auch der Muscle Milk-HPD an der Box: Aufhängungsprobleme wurden bei ersterem als Grund genannt, doch die waren bald behoben.
Das wahre Drama spielte sich an der Box von Greg Picketts Team ab: auf der Strecke war ein Sicherheitsbolzen des Tankverschlusses verloren gegangen – der Wagen ließ sich schlichtweg nicht betanken! Runde um Runde verging, die offiziellen erlaubten aus Sicherheitsgründen keine hastige Improvisation – und so zog schließlich der einzige ALMS-LMP1-Konkurrent vorbei. Dyson Racing, vor denen man einen eigentlich einen großen Vorsprung hatte…
Drittbester LMP1 wurde dadurch das Pescarolo-Team mit dem alten, aber zuverlässigen Auto – doch nur hinter den Top 3 der LMP2-Klasse, die auch über die letzten Rennstunden extrem hart umkämpft war. Am Ende siegte Neuling Starworks dank einem grandiosen Stephane Sarrazin – zwar hatte ich das Team zu den Favoriten für die WEC-Saison gezählt, doch ein Sieg beim ersten Lauf ist allemal überraschend!
Tucker/Bouchut/Barbosa für Level5 wurden Zweite, der OAK-Morgan kam – auch etwas überraschend – als dritter Wagen ins Ziel. Ehrenhalber seien noch das ADR/Delta-Team und der Kolles-Lotus auf den Klassenrängen 6 und 7 genannt, die auch erstaunlich solide Debüts ablieferten – anders als etwa das Gulf Middle East-Team, das sich in der ganzen Sebring-Woche regelrecht blamierte…
Ganz vorn jedoch siegte – unbeeindruckt von all den Dramen und ohne jegliche Probleme über die gesamten 12 Stunden – der Audi mit der #2 und den Altstars Allan McNish, Tom Kristensen und Dindo Capello. Für Audi ist das der neunte Gesamtsieg in Sebring, ein würdiger Abschied für den alten Audi R18 und ein guter Start in die Debüt-Saison der WEC.
WEC – LMP1:
1. Audi R18 #2 (Kristensen/McNish/Capello); gesamt: 1.
2. Audi R18 #3 (Bernhard/Dumas/Duval); gesamt: 2.
3. Pescarolo #16 (Collard/Boullion/Jousse); gesamt: 6.
Das Team Pescarolo führt damit auch die Trophy-Wertung für die LMP1-Privatiers nach dem ersten Lauf an.
ALMS – P1:
1. Dyson-Lola-Mazda #016 (Dyson/Kane/Smith); gesamt: 8.
2. Muscle Milk-HPD #6 (Graf/Luhr/Pagenaud); gesamt: 28.
Das neueste Modell aus dem Hause Honda Performance Development ist auf jeden Fall ein schneller Wagen – doch auf den Audi fehlten stets um die 2 Sekunden pro Runde. Bedenkt man, dass die 2012er Audis schneller sein werden, wird HPD dieses Jahr keine Siege aus eigener Kraft einfahren können – doch das hat auch kaum jemand ernsthaft erwartet. Die Defekte, die eventuell auch auf die Buckelpiste von Sebring zurückzuführen sind, müssen jedoch auch ausgeschaltet werden. Bester LMP1-HPD wurde am Ende übrigens Strakka, die früh Probleme hatten, danach jedoch konstant fuhren.
Zuverlässiger und ebenfalls schnell waren die LMP2-Varianten, für die es zum Doppelsieg reichte bzw. zum Sieg in beiden Rennserien, je nachdem, wie man das rechnen möchte:
WEC – LMP2:
1. Starworks-HPD #44 (Sarrazin/Dalziel/Potolicchio); gesamt: 3.
2. OAK-Morgan-Judd #24 (Nicolet/Pla/Lahaye); gesamt: 5.
3. Pecom-Oreca-Nissan #49 (Perez-Companc/Kaffer/Ayari); gesamt: 7.
ALMS – P2:
1. Level 5-HPD #055 (Tucker/Bouchut/Barbosa); gesamt: 4.
2. Black Swan-Lola-Judd #54 (Pappas/Curtis/Fogarty); gesamt: 30.
3. Conquest-Morgan-Judd #37 (Plowman/Heinemeier-Hansson/Heylen); gesamt: 44.
In der anderen auf Gentlemen Drivers ausgerichteten Klasse, der GTE-Am, war das Rennen relativ offen, nachdem der favorisierte Luxury-Ferrari nicht starten konnte. Tracy Krohn setzte seinen Ferrari in einer Gelbphase in die Wand. Und als kurz vor Rennende die führende Larbre-Corvette liegen blieb, erbte der Felbermayr Proton-Porsche den Klassensieg. Konstanz und Zuverlässigkeit siegten über den höheren Speed der Konkurrenz.
WEC – GTE-Am:
1. Felbermayr Proton-Porsche #88 (Ried/Roda/Ruberti); gesamt: 29.
2. Larbre-Corvette #70 (Bourret/Gibon/Belloc); gesamt: 31.
3. Larbre-Corvette #50 (Bornhauser/Canal/Lamy); gesamt: 39.
Lange spannend waren auch die Challenge-Klassen, vor allem die GTC. Hier siegte die #023 von Alex Job Racing mit Sweedler/von Moltke/Bell, obwohl von Moltke zwei Stunden vor Schluss von seinem Verfolger Nicki Thiim umgedreht wurde, was jedoch Thiim mehr schadete als dem schlussendlich siegreichen Wagen.
ALMS – GTC:
1. Alex Job Racing #023 (Sweedler/Bell/von Moltke); gesamt: 33.
2. Alex Job Racing #022 (MacNeil/Keen/Dumoulin); gesamt: 35.
3. Green Hornet #34 (LeSaffre/Faulkner/Bleekemolen); gesamt: 37.
In der Prototypen-Challenge-Klasse holte das CORE-Autosport-Team, das im Vorjahr beide Meisterschaften gewann, die Plätze 1 und 3 und legt damit den Grundstein für die Titelverteidigung.
ALMS – PC:
1. CORE #06 (Popow/Viso/Friselle); gesamt: 12.
2. PR1 Mathiasen #52 (Leitzinger/Dobson/Junco); gesamt: 13.
3. CORE #05 (Bennett/Braun/Lux); gesamt: 15.
Für die ALMS stellen die genannten Podien auch die aktuellen Meisterschaftsstände dar – in der WEC ist das Ganze leider etwas komplizierter: Audi führt selbstverständlich die Konstrukteurswertung der LMP1 an, Pescarolo die „Endurance Trophy“ für die LMP1-Privatiers. Für die Trophy-Wertungen der LMP2, GTE-Pro und GTE-Am sind die Podien maßgeblich. In der GTE-Konstrukteursmeisterschaft (die die Pro- und Am-Klassen vereint) liegen Porsche und Ferrari gleichauf vor Chevrolet Corvette, Aston Martin ist für diese Wertung nicht gemeldet. Und schließlich gibt es noch die Fahrer-Weltmeisterschaft, die gar nicht zwischen Klassen unterscheidet – sodass die GTE-Erstplatzierten in diesem Fall auf WEC-Gesamtrang 15 mit 0,5 Punkten abgespeist werden… kann noch jemand folgen?
Der nächste WEC-Lauf findet erst Anfang Mai in Spa statt, dann mit dem Debüt der Toyotas und einiger anderer heiß erwarteter 2012er-Autos. Die ALMS wird zuvor schon am 14. April in Long Beach antreten – auch mit einigen neuen Teams!
Ein Wort noch zur Übertragung: wenn man eine neue Meisterschaft promoten will, kann man wohl nicht viel mehr falsch machen als es in diesem Fall gemacht wurde. Vor allem den Rennstart haben sämtliche in Europa legal empfangbaren Übertragungswege versemmelt: die ALMS-Webseite inkl. Stream und Timing war pünktlich zum Rennstart völlig überlastet; der WEC-Stream überraschte mit schwacher Bild- und grausamer Tonqualität; MotorsTV zeigte die erste Dreiviertelstunde in wechselnden falschen Bildformaten. Im Free TV gab es erst am 1 Uhr Bilder zu sehen, doch anstatt spannender und rennentscheidender Szenen konnte man dort eine halbe Stunde vor Schluss noch Highlights vom Tage und Fahrerportraits bewundern. Wenn ACO und FIA die WEC wirklich nach vorn bringen wollen, können sie sich solche amateurhaften Vorstellungen nicht erlauben.
Außerdem haben es weder ALMS noch ACO geschafft, ihre Pressedatenbanken mit hochauflösenden Fotos zu füllen. Für Bilder verweise ich darum auf die Fotogalerien der beiden (ALMS, ACO). Die folgenden Bilder stammen darum von Audi, Ferrari und Porsche: