Zur ungewohnten Unzeit beginnt in der Nacht von Freitag auf Samstag die neue Saison der GP2 Serie. Neu ist 2012 die noch internationalere Ausrichtung.
Die GP2 Asia ist nicht mehr, dennoch wird die GP2 heuer öfter in Asien unterwegs sein als noch 2011. Neben dem Rennen in Sepang werden zwei Wochenende in Bahrain und eines im Rahmen des F1 Grand Prix von Singapur die bisher Europa-exklusive Serie erweitern. Weil trotzdem alle Europa-Rennen im Kalender bleiben, sind es heuer insgesamt zwölf Veranstaltungen – im vergangenen Jahr waren es noch neun. Das bleibt nicht ohne Folgen: Piloten ohne große Sponsoren können sich die Serie kaum noch leisten – sehr zum Vorteil der (billigeren) Formel Renault 3.5. Allerdings: Seit der Gründung im Jahr 2005 sind noch alle GP2-Champions (außer Giorgio Pantano) in die F1 aufgestiegen – und bis heute dort unterwegs.
Insgesamt fünf Testtage hat die GP2-Serie heuer in Jerez und Barcelona absolviert. Über die Kräfteverhältnisse lässt sich dennoch wenig sagen, denn einen klaren Frontrunner gab es dabei nicht. Bleibt also nur, Piloten und Teams anhand ihrer bisherigen Ergebnisse einzuschätzen – hier eine kurze Übersicht in der Reihenfolge der Startnummern für 2012.
Teams und Piloten
Barwa Addax
Nach dem Teamtitel im vergangenen Jahr steht das Team des spansichen Millionärs Alejandro Agag (der auch in der F1 ziemlich aktiv ist) heuer womöglich vor einem ruhigeren Jahr. Als Piloten hat man diesmal Johnny Cecotto, Jr. und Josef Kral engagiert – weder von Venezolaner noch vom Tschechen sind vermutlich Wunderdinge zu erwarten. Cecotto steht vor dem dritten vollen Jahr in der Serie, in seinen bisherigen Saisons war er meist eher im Mittelfeld unterwegs – gelegentlich (bei Regen oder 2011 in Monaco) kann er allerdings ein wenig über sich hinauswachsen. Josef Kral galt während seiner Zeit in der International Formula Master als großes Talent, hat seither aber (außer einem schweren Unfall in Valencia) nicht allzu viel gezeigt.
DAMS
2011 holte man den Fahrertitel mit Romain Grosjean, und auch in der aktuellen Saison hat man mit Davide Valsecchi und Felipe Nasr einen sehr soliden und einen äußerst vielversprechenden Piloten im Talon. Valsecchi steht vor seinem fünften Jahr in der Seriee, 2008 konnte er den Meistertitel in der GP2 Asia erringen. Sein Problem liegt weniger im Speed, sondern in der Konstanz. Gelegentlichen Rennsiegen standen bisher meist Wochenenden gegenüber, in denen er im Mittelfeld versank. Felipe Nasr war 2011 mit deutlichem Abstand Meister der britischen Formel 3. Als Rookie wird wohl auch er ein wenig Zeit brauchen, sich an die komplizierten GP2-Wagen zu gewöhnen – für die eine oder andere gute Überraschung könnte er aber durchaus gut sein.
Racing Engineering
Ähnliches wie zu Davide Valsecchi kann man wohl auch über Fabio Leimer sagen: Der Schweizer, 2009 Meister der International Formula Master, gehört sicher zu den besseren Piloten in der GP2 – zumindest was den Speed betrifft. In Punkto Konstanz sieht es leider nicht ganz so gut aus. Man darf gespannt sein, was er 2012 bei Racing Engineering ausrichten kann. Sein Teamkollege ist Nathanael Berthon, im vergangenen Jahr eher unauffällig in der Formel Renault 3.5 unterwegs.
iSport
Das ehemalige Siegerteam, das zuletzt allerdings den einen oder anderen Durchhänger hatte, hofft auf eine Rückkehr an die Tabellenspitze. Als Fahrerpaarung hat man dafür Marcus Ericsson und F2-Vizemeister 2010 Jolyon Palmer unter Vertrag genommen. Ohne eintönig werden zu wollen: Auch für Ericsson gilt ähnliches wie für Valsecchi und Leimer – an guten Tagen ist er durchaus ein Siegkandidat, an schlechteren Tagen irgendwo im Mittelfeld unterwegs. Jolyon Palmer hat das Image eines langsamen Lerners: In seiner ersten F2-Saison war er meist im Hinterfeld unterwegs, in seiner zweiten Saison vorne dabei. Glaubt man den Testergebnissen, könnte er das nach einer sehr mäßigen Saison 2011 heuer auch in der GP2 schaffen.
Lotus ART
Das Juniorteam des gleichnamigen F1-Rennstalls verfügt womöglich über die interessanteste Fahrerpaarung der kommenden Saison: Sauber-Testpilot Esteban Gutierrez, Meister der Formel BMW (2008) und der GP3 (2010), zählt nach einem Lernjahr 2011 heuer zum engeren Favoritenkreis. Sein Teamkollege ist James Calado, der sich mit zwei Vizemeisterschaften in der Britischen F3 (2010) und der GP3 (2011) derzeit auf der Karriereleiter schnell nach oben bewegt. Könnte eine der Überraschungen der Saison werden.
Caterham Racing
Tony Fernandes‘ Jugendmannschaft setzt zwei Piloten ein, die eines gemeinsam haben: Potente Sponsoren. Rodolfo Gonzales gehört, so wie EJ Viso und Pastor Maldonado zu einer Reihe von Venezolanern, deren Karrieren der Regierung von Hugo Chavez beträchtliche Summen wert sind. Leider spiegel seine bisherigen Ergebnisse die finanziellen Aufwendungen nicht wieder. Giedo van der Garde steht ebenfalls im Ruf, den einen oder anderen Dollar mitbringen zu können, hat in den vergangenen Jahren aber meist gute Leistungen gezeigt. 2008 war der Niederländer Meister der Formel Renault 3.5, seit 2009 hat er in der GP2 wenige Siege und ein paar Podiumsplätze geholt. Im Auto kein Tier, aber ein sehr solider Fahrer, dessen Stunde schlagen könnte, wenn sich andere Meisterschaftsaspiranten gegenseitig eliminieren.
Scuderia Coloni
Die italienische Traditionsmannschaft setzt 2012 auf zwei eher unterschätzte Fahrer. Stefano Coletti aus Monaco hatte in seiner GP2-Karriere schon zweimal Verletzungspech (Spa 2009 und 2011). Ist er fit, dann kann man ihm aber durchaus zutrauen, Rennen im Spitzenfeld abzuschließen – Sprintläufe in der Türkei und in Ungarn konnte er 2011 sogar gewinnen. Nach Platzierungen in der vorderen Rängen diverser italienischer Meisterschaften holte sich Teamkollege Fabio Onidi im vergangenen Jahr den fünften Platz in der AutoGP. Als GP2-Rookie ist er wohl im Mittelfeld zu erwarten.
Trident Racing
Immerhin fünf Rennsiege konnte die Mannschaft in der GP2 bereits erzielen – den bisher letzten aber im Jahr 2008. Die Hoffnung, dass sich das 2012 mit dem Monegassen Stephane Richelmi und dem Italo-Kolumbianer Julian Leal ändert, ist – jedenfalls auf Basis der bisherigen Ergebnisse der beiden Fahrer – leider nicht groß.
Venezuela GP Lazarus
Das Team ist bisher aus der AutoGP bekannt, und hat in der Winterpause den ehemaligen Startplatz von Super Nova Racing erhalten. Wie der Name bereits vermuten lässt, greift auch für diese Mannschaft ein Eleve des venezolanischen Motorsport-Förderprogramms ins Lenkrad. Es handelt sich dabei um Giancarlo Serenelli, der zwar in Europa bisher unbekannt ist, allerdings zwischen 2008 bis 2011 dreimal Meister der mittelamerikanischen LATAM-Serie war (die mir auch nichts sagt, aber eine in Mexiko und den USA abgehaltene, kleinere Formelserie zu sein scheint). Beim ersten Lauf der AutoGP war er auch dabei – dort konnte er allerdings nicht glänzen. Fabio Crestani war zuletzt 2010 in der GP2 unterwegs und meist im Mittelfeld zu finden.
Rapax
Das, wie wir aus zahlreichen TV-Übertragungen wissen, nach einer römischen Legion benannte Team (früher Minardi bzw. Piquet) war 2010 Meister mit Pastor Maldonado, 2011 allerdings fast am anderen Ende der Tabelle (Rang 10) zu finden. Diesen Kontrast spiegeln auch die Fahrer wieder, die 2012 die Wagen der Mannschaft bewegen werden. Der Franzose Tom Dillmann, 2010 Meister der deutschen F3 (und 2011 mit einer eher charakterbildenden Saison in der GP3) könnte für die eine oder andere positive Überraschung sorgen. Ricardo Teixeira, der von einem Jahr als Testfahrer des Lotus F1-Teams in die GP2 zurückkehrt, wahrscheinlich nicht.
Arden
Das Top-Team aus der guten alten Formel 3000 war Vizemeister 2005, befindet sich seither aber leider auf einer fast stetigen Abwärtsbewegung. In diesem Jahr geht die Mannschaft von Christian Horner mit der Schweizer Simon Trummer an den Start, der in zwei Jahren GP3 insgesamt wenig gezeigt hat, bei den letzten Rennen 2011 aber einen deutlichen Aufwärtstrend zu verbuchen hatte. Luiz Razia war in drei Jahren GP2 meist im vorderen Mittelfeld unterwegs, konnte bisher aber erst einen Sieg (Monza-Sprintrennen 2009) erringen.
Ocean Racing
Hat womöglich die schönste Lackierung im Feld, und 2012 auch zwei solide Piloten unter Vertrag – ob es sich aber um Meisterschaftskandidaten handelt, ist eher fraglich. Jon Lancaster war 2009 und 2010 auf den hinteren Punkterängen der Formel Renault 3.5 unterwegs – 2012 bestritt er einzelne Rennen in der F2 und Auto GP. Nigel Melker fuhr 2010 in der GP3 meist schnelle Quali-Runden, war im Rennen dann aber zu ungestüm. 2011 hatte er sich besser im Griff. Als Lohn gab es Meisterschaftschancen bis zum letzten Rennen. Am Ende wurde er Dritter. Außerdem Vollzeit-Pilot in der F3 Euroseries, in der er den vierten Gesamtrang einfuhr.
Carlin Motorsport
Achtung bei der TV-Übertragung: Der Wagen sieht dem Arden-Auto ziemlich ähnlich. Und auch was die Teamwertung betrifft, war man sich 2011 nahe – leider am falschen Ende der Tabelle. Ob sich das in der zweiten vollen Saison des Teams ändert, bleibt abzuwarten. Wie schon 2011 hat man auch heuer Max Chilton unter Vertrag, der zwar ein paar gute Zeiten fuhr, am Ende aber meist nicht so gut platziert war. Möglich, dass er seine Probleme in den Griff bekommt, und vorne dabei ist – auch möglich, dass er weiter diskrete Rennen fährt. Ein interessanter Fahrer ist auch Ryo Haryanto: Der Indonesier war 2009 Meister der etwas belächelten Formula BMW Pacific – zur allgemeinen Überraschung gewann er dann aber 2010 auch in der GP3 ein Rennen, und wurde Fünfter der Tabelle. 2011 waren es zwei Laufsiege und ein siebter Tabellenrang. Gelegentliche Lichtblitze sind also auch in der GP2 nicht ausgeschlossen.
Sepang
Die GP2 Asia war schon 2008 und 2009 im Rahmen der F1 in Sepang unterwegs. Die Strecke, das vermutlich beste aller „Tilkodrome“, ermöglichte damals interessante Rennen und – dank Regen – auch eine gewisse Portion Chaos. Ob es mit den GP2-Autos der aktuellen Generation genauso spannend wird, muss sich noch erweisen. Gewinner bisher: Vitaly Petrov, Kamui Kobayashi (2008), Diego Nunes und nochmal Petrov (2009).
Im TV
Wie gewohnt sind die GP2-Läufe auch 2012 im F1-Rechtepaket von sky enthalten. Beide Rennen gibt es auch in HD. Wer heuer kommentieren wird, ist noch unbekannt – alles andere als die gewohnte Kombination Sascha Roos / Sven Heidfeld wäre aber zumindest eine Überraschung. Unschön ist die Startzeit des Hauptrennens in der Nacht von Freitag auf Samstag um 3:55 Uhr. Der sonntägliche Sprintlauf (7:10 Uhr) findet dann zu einer freundlicheren Zeit statt. Wer dennoch lieber ausschläft, kann die Rennen auch im Nachhinein auf Sky Go verfolgen.
Foto: GP2 Media Service