Was für ein Grand Prix. Ein Überraschungssieger und ein Feld, dass trotz der unterschiedlichen Strategien sehr eng zusammen lag und sich ein Überholmanöver nach dem andere lieferte.
Die Erleichterung war Norbert Haug richtig anzusehen. Nach dem zähen Start in die Saison und der mageren Punkteausbeute, gab es schon Stimmen, die das F1-Engagement von Mercedes in Frage stellten. Zu teuer, zu sinnlos und selbst der Großeinkauf in Sachen Designer und Techniker im letzten Jahr schien wieder nur gut für Platz 3 zu sein. Wenn überhaupt. Doch in China passte endlich alles zusammen. Das erstaunlich daran war nicht nur, dass Mercedes es gelungen war, den „Sweet Spot“ der Reifen in der Quali zu finden, sondern auch im Rennen. Die Geschwindigkeit von Rosberg im Rennen war fast über die gesamte Zeit auf dem höchsten Niveau, er konnte im rechten Moment zulegen und am Ende kam auch noch ein wenig Glück dazu. Wie schwer es in diesem Jahr ist, die Reifentemperatur richtig zu treffen, zeigten andere Teams, darunter Renault und Red Bull. Das führte aber insgesamt zu einem sehr spannenden Grand Prix.
Das Rennen von Rosberg war, bis auf einen kleinen Verbremser in der ersten Haarnadel, fehlerlos und der Deutsche konnte zum ersten Mal an der Spitze zeigen, dass er tatsächlich den Erwartungen erfüllen kann, die man seit Jahren in ihn setzt. Das erstaunliche war aber nicht nur, dass der Mercedes so schnell war, sondern dass er den Speed auch über die Renndistanz halten konnte. Er profitierte allerdings von ein paar Dingen. Da war zunächst die Strafe für einen Getriebewechsel für Hamilton in der Startaufstellung, der eigentlich hätte auf P2 starten sollen. So rutschte er 5 Plätze nach hinten und steckte dementsprechend im Verkehr fest. Im ersten Stint sorgte dann Teamkollege Schumacher dafür, dass die McLaren etwas an Zeit verloren. Button und Hamilton waren nicht in der Lage am schnellen Mercedes vorbei zu kommen, gleichzeitig konnte Schumacher die Rundenzeiten von Rosberg nicht halten. Das sorgte für einen bequemen Abstand von Rosberg, den er weiter ausbauen konnte.
Das war insofern wichtig, als hinter ihm die Post abging. Weil das Feld auf sehr unterschiedliche Stintlängen und Stopps setzte, und weil die Wagen im Renntrimm in diesem Jahr sehr eng zusammen liegen, steckte jeder der möglichen Verfolger im Verkehr. Egal ob Button, Hamilton, Perez, Kobayashi, Räikkönen, Webber oder Vettel – alle verloren Zeit im Verkehr, während Rosberg fast unbehelligt seine Runden drehen konnte.
Die entscheidende Szene war dann der verpatzte Boxenstopp bei Button. Weil hinten links der Schlagschrauber sttreikte, fiel Button in eine Kampfgruppe zurück und musste sich daraus erst wieder lösen, was dann eben etwas dauerte. Da Rosberg nur zwei Stopps machte, hatte er dann eine bequeme Führung. Die Überraschung war dabei, dass der bisher als „Reifenfresser“ bekannte MGP W03 mit nur zwei Stopps auskam, während McLaren beide Fahrer auf drei Stopps setzte. Das war im Nachhinein vielleicht ein Fehler, auf der anderen Seite wären Button oder Hamilton mit einem Stopp weniger vermutlich stärker im Verkehr hängen geblieben. Nur Mercedes hatte den Vorteil, dass man ungestört unterwegs war und so mit der Strategie spielen konnte. Das Rennen wäre vielleicht anderes gelaufen, wenn Button einen sauberen Stopps gehabt hätte. Rosberg fuhr zwar auch gegen Ende seines Stint noch gute Zeiten, vermutlich wäre Button mit den frischeren Reifen rund 0,8 bis 1,2 Sekunden schneller gewesen. Ob es gereicht hätte, ist dann wieder eine andere Frage.
Unbeantwortet bleibt dann auch die Frage, ob Schumacher den zweiten Platz hätte einfahren können. Der Fehler an der Box war mehr als ärgerlich, ein nicht angezogenes Rad darf einfach nicht passieren. Denn so verlor man wichtige Punkte in der Team-WM auf die Konkurrenz. Ich bin skeptisch, ob Mercedes Schumacher auf P2 bekommen hätte, aber vor den Red Bull wäre er auf jeden Fall gelandet.
Wie schnell man sich mit der Strategie verhauen kann, zeigten Renault und Sauber. Kobayashi, den einige als möglichen Sieger auf dem Zettel hatten, verhaute den Start etwas und fiel dann noch weiter zurück, weil Sauber seine Piloten zu lange draussen ließ. Man landete im umkämpften Mittelfeld und blieb dort dann stecken. Auch bei Lotus versemmelte man die Strategie, und dies auch noch ohne Not. Räikkönen war im Rennen konkurrenzfähig, aber im Gegensatz zu McLaren setzte man auf zwei Stopps und zog den letzten Stopp auch noch vor. So musste Räikkönen gegen Ende mit Reifen kämpfen, die nichts mehr hergaben, und er fiel in wenigen Runden von P2 auf P14 (!). Der Hals des Finnen dürfte nach dem Rennen dementsprechend dick gewesen sein. Wäre er Hamilton und Button, mit denen er am Start zusammen lag, in der Strategie gefolgt, wäre vielleicht ein Podium drin gewesen.
Wie schwierig die Reifen des Jahres 2012 sind, zeigte Red Bull. Vettel hatte zwar einen miserablen Start aber eine gute Strategie und die sehr gute Rennperformance spülten ihn aber sogar auf P2. Doch er kämpfte dann mit dem gleichen Problem wie Räikkönen, denn seine Reifen waren ebenfalls fertig. Immerhin waren die Pneus nicht ganz so fertig bei beim Lotus, er musste aber Button, Hamilton und Webber ziehen lassen. Immerhin wurde in China deutlich, dass der Red Bull in diesem Jahr bisher nicht der Wagen ist, den zu schlagen gilt. Die Unsicherheit im Team wird auch durch die Tatsache dokumentiert, dass Webber und Vettel unterschiedliche Heckkonfigurationen fuhren. Man weiß offenbar nicht so recht, wo man steht und wie man die Probleme in den Griff bekommt. Dazu kommt, dass der Top-Speed des RB8 „lächerlich“ ist (O-Ton Vettel). Die Probleme beim Weltmeister-Team sind also deutlich größer, als man zu Beginn der Saison noch gedacht hat. Schuld daran sind vermutlich zwei Dinge: Der Verbot des angeblasenen Diffusor und die neuen Regeln, was die niedrigere Flexibilität der Bauteile am Frontflügel und am Kiel des Unterbodens angeht, scheinen dem RB8 nicht zu helfen. Offenbar sind die aerodynamischen Lösungen bei McLaren und Mercedes auch etwas besser, vor allem was den Spagat zwischen Abtrieb und Top-Speed angeht.
Ferrari blieb im Rennen wie erwartet schwach. Alonso kämpfte mit einem in allen Belangen unterlegenen Ferrari, von Massa war, bis auf die kurze Führung, als er einen extrem langen ersten Stint fuhr, nichts zu sehen. Deprimierend dürfte die Tatsache sein, dass Alonso hinter beiden Williams landete. Die waren auf einer 2-Stoppp-Strategie unterwegs und im Rennen auch noch die meiste Zeit mit sich und dem Feld beschäftigt, hatten also keine freie Fahrt. Anders gesagt: Im Renntrimm ist der F2012 mit Alonso langsamer, als die Williams in der Besetzung Maldonado/Senna. Beide Williams Piloten muss nachdrücklich loben. Sie fuhren ein sehr gutes Rennen, hatten viele, sehr enge Zweikämpfe und blieben doch fehlerlos. Das waren, mal wieder, wichtige Punkte für Williams, denen allerdings etwas der Speed in der Quali fehlt.
Blass bleiben die Force India, was sich allerdings schon am ganzen Wochenende angekündigt hatte. Aber auch für die Inder gilt auch, dass sie Probleme mit den Pirelli in diesem Jahr haben, dass kann im nächsten Rennen schon wieder anders aussehen. Dennoch machte Force India nicht den Eindruck, als habe man einen Schritt nach vorne gemacht, vor allem im Vergleich zu Williams. Zur Zeit ist man eher auf einer Höhe mit Toro Rosso, die sich ebenfalls nicht in Szene setzen konnten.
Wie eng das Feld allerdings ist, sieht man am Endergebnis. Ricciardo auf P17 lag am Ende des 56 Runden langen Rennens gerade 1 Minute hinter dem Sieger Rosberg. Zwischen P2 und P17 waren es sogar nur 40 Sekunden. Das macht dann auch deutlich, wie eng es im Moment zugeht. Ricciardo hat pro Runde kaum mehr als 0,5 Sekunden auf Button verloren und trotzdem reicht es nur zu einen Platz weit von Punkten entfernt. Der GP von China war zumindest eines der besten Rennen, die man seit einiger Zeit sehen konnte, denn die engen Abstände sorgen auch für ein irrsinnig enges Feld. Teilweise langen zwischen P2 und P11 nur 5 Sekunden.
Der Sieg von Mercedes tut der F1 sicher gut. Ein weiteres Team an der Spitze kann nicht schaden, der Sieg von Rosberg war überfällig. Wir haben in drei Rennen, drei verschiedene Sieger aus drei verschiedenen Teams gesehen. Wenn man bedenkt, dass Red Bull sicher wieder noch vorne kommt und mit Renault ein weiteres Team auf der Lauer liegt, dass bei einem für sie günstigen Rennverlauf aufs Podium fahren kann, dürften die nächten Rennen sehr interessant werden.
Nächste Woche steht dann das umstrittene Rennen in Bahrain auf dem Programm. Die Temperaturen und die Strecke in Bahrain sind dann wieder völlig anders, also werden wir vermutlich auch wieder andere Teams vorne sehen. Was die Rangfolge in der F1 angeht, würde ich die im Moment so sehen:
1. McLaren
2. Mercedes
3. Red Bull
4. Lotus
5. Williams
Sauber
Ferrari
8. Force India
9. Toro Rosso
10. Caterham
11. Marussia
12. HRT
Bilder: MercedesF1, Daimler AG, Ferrari, McLaren, LotusF1, Sauber, Williams, Marussia, Caterham, Red Bull, Toro Rosso
3 Kommentare
Zu der Frage warum der Mercedes dieses Mal seine Reifen nicht verheitzt hat, hatte Alex Wurz im ORF eine interessante Theorie geäußert. Er meinte der besondere Asphalt auf der Strecke in Shanghai bevorzugt Autos, die die Reifen fordern und auf eine hohe Betriebstemerpatur bringen. Verstärkt wurde das noch durch die kühlen Temperaturen. Bleiben die Reifen zu kalt, entsteht auf dem besonderen Asphalt in Shanghai laut Wurz, nämlich dieses typische „Zerbröseln“ der Reifen, was ja sehr gut beobachtet werden konnte. Daher ist der Reifenverschleiß in Shanghai bei Autos, die sonst einen höheren Reifenverschleiß verursachen kleiner, als bei solchen, die auf den meisten anderen Strecken einen geringeren verursachen. Daher denke ich, dass das für Mercedes eher eine Eintagsfliege war. Es sei denn man bekommt das Problem irgendwie in den Griff.
Danke für die Info, das ist in der Tat interessant. Ich gehe auch davon aus, dass das in China ein wenig Glück für Mercedes war, vor allem was die Temperaturen anging. Das wird in Bahrain sehr anders aussehen. Vielleicht haben sie aber auch tatsächlich etwas gefunden. Die Abstimmungsfenster scheinen in diesem Jahr sehr klein zu sein, da braucht man wohl auch etwas Glück.
Wobei Norbert Haug bei RTL meinte, im Gegensatz zu Australien hätte Mercedes in Malaysia eher Probleme gehabt, Temperatur in die Reifen zu bekommen und deshalb nicht den Speed gehabt. So einfach ist es also offenbar nicht.
Im Moment scheint es für alle Teams noch mehr oder weniger ein Glückspiel zu sein, die richtige Abstimmung und das sehr schmale Reifenfenster über ein komplettes Rennwochenende zu treffen.
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