Das Rennen im Sambadrom von São Paulo ist schon im dritten Jahr ein Klassiker: Die Duelle sind spannend, und das Publikum meist begeistert. Leider ist es auch ziemlich gefährlich.
Samba, Strand und Sonnenschein – das gab es in São Paulo bisher nur zum Teil. Zwar fährt die Serie durch das berühmte Sambadrom – die Sonne musste in den vergangenen zwei Jahren allerdings meist dunklen Regenwolken weichen. Die Premiere 2010 wurde deswegen unterbrochen, das Rennen 2011 gar auf den Montag verschoben. (Von Strand ist in São Paulo ohnehin keine Rede, denn die Stadt liegt fast 50km vom Meer entfernt). Immerhin: Die Begeisterung der brasilianischen Fans ist ungebrochen. Nicht so toll ist leider die Sicherheit auf dem Stadtkurs. Besonders an der schnellsten Stelle der Strecke, dem Ende der langen Gegengeraden, mangelt es an Auslauf. Gute Nachrichten gab es am Dienstag dagegen für alle Fans im deutschen Sprachraum: Servus TV wird das Indy 500 live übertragen.
Auch in São Paulo ist wieder ein volles Feld von 26 Autos am Start – allerdings mit einer kleinen Änderung. Bryan Herta Autosport und Fahrer Alex Tagliani lassen das Rennen nach der Trennung von Motorenpartner Lotus (siehe unten) aus. Dafür wird Andretti Autosport einen vierten Wagen einsetzen, der von Lokalmatadorin Ana Beatriz pilotiert wird. Der Auftritt hat neben dem Heimspiel-Aspekt noch einen weiteren Grund: Beatriz wird auch das Indy 500 in etwas mehr als einem Monat für Andretti Autosport in Angriff nehmen.
Wie fast schon gewohnt, könnte das Rennen auch heuer wieder unter nassen Bedingungen stattfinden – laut aktueller Wettervorhersage für den Sonntag sind 24 Grad und anhaltende Regenschauer prognostiziert. Für das Rennen könnte das letztlich aber sogar förderlich sein – denn stetige Schauer setzen die Strecke vermutlich weniger heftig unter Wasser, als dies plötzliche Wolkenbrüche tun würden. Zudem haben die Betreiber im vergangenen Jahr noch einmal an der Kanalisation rund um die Strecke gearbeitet – das Wasser sollte nun also leichter abfließen können als noch im Vorjahr.
An der Spitze werden nach dem starken Auftritt in Long Beach auch diesmal wieder die Chevrolet-Teams erwartet. Könnte man zumindest meinen. In der Praxis wird die Sache aber womöglich ganz anders aussehen: Die INDYCAR hat Honda nämlich erlaubt, kleinere Verbesserungen am Turbolader vorzunehmen, um den Nachteil, den man durch die andere Konstruktionsweise des Turbos hat ausgleichen zu können.
Eigentlich folgt dieser Vorgang einem Muster, auf das sich die Motorenhersteller vor Saisonbeginn geeinigt hatten. Wenig überraschend ist Chevrolet dennoch über die Entscheidung verärgert, und hat schon vor dem Rennen in Long Beach Einspruch eingelegt. Damals wurde GM vorläufig Recht gegeben, und Honda musste wieder zurückbauen. Am kommenden Freitag soll nun eine endgültige Entscheidung darüber fallen, ob Honda die Modifikationen einsetzen darf.
Die Strecke
Bereits ein flüchtiger Blick auf das Streckenlayout in São Paulo zeigt, wieso das Motoren-Thema auch hier von entscheidender Bedeutung sein könnte: Die Strecke verfügt über zahlreiche 90-Grad-Kurven, aus denen schnell beschleunigt werden muss – und zudem noch über mehrere schnelle und lange (leider auch recht enge) Geraden.
Etwas aus der Reihe fällt einzig die Start- und Zielgerade, die weder besonders lang, noch besonders schnell ist. Dafür ist sie aber ziemlich eng, und überrascht die Fahrer mit einem ungewöhnlich glatten Straßenbelag aus Beton. Grund: Wenn die Straße nicht gerade für die IndyCars genutzt wird, befindet sich hier das Sambadrom, wo im Karneval Wagen durch die Straße gezogen werden – und dafür muss der Untergrund natürlich möglichst glatt sein. Für das IndyCar-Rennen wird der Beton zwar aufgeraut, besonders im Nassen muss man aber dennoch sorgsam mit Gas und Bremse umgehen.
Eine doppelte Schikane, deren beide Teile „Samba-S“ und „Air Base“ (nach dem benachbarten Militärstützpunkt) benannt sind, beendet den Betonstreifen, und sorgt beim Rennstart regelmäßig für Kollisionen.
Darauf folgt die erste lange Gerade des Rennens (die „Mars Straight“ oder „Reta de Marte“), die mit einer Besonderheit aufwartet: Statt bei Start- und Ziel (wo links und rechts Tribünen sind) befindet sich nämlich hier erst die Einfahrt in die Boxengasse.
Danach passieren die IndyCar Piloten eine eher einfallslose Passage aus insgesamt sechs (teils ziemlich welligen) 90-Grad-Kurven, in deren Mitte sich die Boxenausfahrt befindet. Dieser Teil der Strecke ist zwar nicht gerade fordernd, lädt aber zum Überholversuchen ein, die in den ersten beiden Ausgaben des Rennens mit schöner Regelmäßigkeit in der Mauer geendet sind.
Der letzte Sektor des „Circuito Anhembi“ besteht aus der längsten Gerade im IndyCar-Zirkus, der eineinhalb Kilometer langen „Reta dos Bandeirantes“ (die nach den brasilianischen Urwald-Erkundern benannt ist). Hier gab es in den vergangenen Jahren spannende Windschattenduelle (und unglaubliche Bilder der heftig arbeitenden Vorderradaufhängungen) zu sehen.
Durch die fast 180-Grad messende „Curva da Vitoria“ biegt das Feld danach wieder auf die Sambadrom-Gerade ein.
So spannend die Rennen bisher waren: Die Sicherheitsvorkehrungen in São Paulo sind leider nicht optimal. An einigen Kurven hat man zwar mittlerweile gearbeitet (unter anderem wurde der Auslauf nach dem Sambadrom vergrößert) – gerade die Reta dos Bandeirantes bleibt aber ein Gefahrenpol: Ein leichter Knick in der Mitte macht die „Gerade“ uneinsichtig – wenn also dort ein langsameres Auto unterwegs ist, kann es zu Auffahrunfällen kommen. Zudem ist der Auslauf in der Curva da Vitoria, wo die Autos von der schnellsten auf die langsamste Stelle der Strecke herunterbremsen müssen, reichlich eng bemessen.
Immerhin hat man vor dem Rennen in diesem Jahr noch einmal neuen Asphalt gelegt, so dass die Bodenwellen ein wenig entschärft werden. Ob das besser funktioniert hat als 2011, bleibt abzuwarten.
Trotz allem sind die brasilianischen Fans von der Strecke hellauf begeistert. Berichten zufolge wurden auch in diesem Jahr wieder alle zur Verfügung stehenden Tickets gekauft. Und das, obwohl heuer zusätzliche Tribünen errichtet wurden. Offiziell unbestätigte Meldungen besagen, dass das Rennen – abgesehen vom Indy 500 – das profitabelste im ganzen IndyCar Kalender sein soll.
Sonst neu?
Lotus teilt mit, dass man eine Entscheidung zur „strategischen Neuausrichtung“ gefällt hat, die es den Teams von Bryan Herta Autosport und Dreyer & Reinbold Racing erlauben wird, aus den laufenden Verträgen auszusteigen. Im Klartext: Die beiden Teams werden pünktlich zum Indy 500 auf die kräftigeren Aggregate von Honda und Chevrolet wechseln. Bryan Herta Autosport wird das Rennen in São Paulo deswegen auslassen, Dreyer & Reinbold setzt den Lotus-Motor dort noch ein letztes Mal ein.
Schlechte Nachrichten für GP2 Champion Luca Filippi: Sein Sponsor ist offenbar weniger verlässlich, als von Rahal Letterman Racing vermutet. Beim Indy 500 wird das bereits gemeldete Autos des Teams daher nicht vom Italiener pilotiert werden, sondern von Michel Jourdain, Jr. Bobby Rahal hat allerdings die Möglichkeit offen gelassen, Filippi ein weiteres Autos zur Verfügung zu stellen, sollte doch noch ausreichend Geld einlangen.
Und schließlich noch eine freudvolle Nachricht für Stream-geplagte Fans: Servus TV wird das Indy 500 live übertragen. Kommentieren soll Andi Gröbl (der früher auch bei Premiere die Champ Cars betreut hat), vor dem Rennstart gibt es eine halbe Stunde Vorberichte. Weitere IndyCar-Rennen plant man in dieser Saison aber wohl nicht zu zeigen.
Im TV
Für das Rennen am Sonntag hat sich somit wieder kein deutscher Sender interessiert. Auch diesmal werden Fans deswegen auf Übertragungen aus den Grauzonen des World Wide Web zurückgreifen müssen. In den USA wird das Rennen von NBC Sports ausgestrahlt. Ob die Übertragung aber mit der gewohnten Qualität mithalten kann, ist unklar. Denn für die Weltregie ist in Brasilien der Sender BandSports zuständig.
1 Kommentare
Kleiner Hinweis für Leute, die das Rennen nicht per Stream o.ä. sehen können/wollen: nach ein paar Tagen tauchen die kompletten Rennübertragungen neuerdings(?) auch gerne auf Youtube auf, z.T. sogar in mehr oder weniger HD. Lässt sich dann prima im Browser oder z.B. auch mit VLC anschauen.
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