Auch der letzte Rest des Schwungs von tollen Indy 500 ist nach dem Chaos-Rennen von Detroit wohl verflogen. Schade, denn im Grunde gab es dort gleich zwei gute Rennen.
Am Ende stand immerhin ein spannender Sprint. Neben einem etwas langatmigen ersten Teil ein versöhnliches Ende für die Fans, die an der Strecke und vor dem TV ausgehalten hatten. Die überlange Pause dazwischen resultierte aus beträchtlichen Fahrbahnschäden, die zur Hälfte des regulären Rennens (also nach 45 von 90 Runden) für eine rote Flagge gesorgt hatten. Nach zweistündiger Reparatur spielte TV-Partner ESPN nicht mehr so richtig mit, weshalb man sich entschied, die Distanz auf 15 Runden zu verkürzen. Immerhin: Das Warten sollte sich lohnen, der Zielsprint hatte es noch einmal in sich. Am Ende gewann völlig verdient Scott Dixon, der das Rennen seit der ersten Runde dominiert hatte. Trotzdem: Für das Ansehen von Serie und Rennleiter Beaux Barfield war die Episode von Nachteil. Und das gerade in einem Moment, als man nach heftigem Führungsstreit ein wenig Schwung vom tollen Indy 500 retten wollte. Am kommenden Wochenende steht dann auch noch das hochriskante Texas 550 auf dem Plan – eine kurze „Nicht-Vorschau“ dazu am Ende dieses Artikels.
Das Rennen
Gleich vom Start weg zeigte Scott Dixon der versammelten Konkurrenz, wer dieses Rennen dominieren würde. Von der Pole Position aus fuhr er dem Feld gleich deutlich davon – einzig Will Power konnte nach einigen Übungsrunden sein Tempo halbwegs halten, Simon Pagenaud hatte auf Rang drei bereits deutlichen Rückstand. Dahinter formierte der überraschend viertplatzierte EJ Viso einen massiven „Train“, der zu seinen besten Zeiten gut und gerne das halbe Feld umfasste. Überholen konnte den Venezolaner allerdings niemand, was im aufgestauten Pulk für einige riskante Blocking- und Überholversuche sorgte, bei denen sich etwa Dario Franchitti und Helio Castroneves Teile ihrer Frontflügel runierten – interessanterweise ohne merkliche Folgen für die Performance ihrer Autos. Auch die Boxenstops um Runde 30 änderten die Reihenfolge nicht maßgeblich – außer, dass EJ Viso vom vierten Rang ins Hinterfeld zurückfiel.
In Runde 40 dann der zunächst verblüffende Ausfall von James Hinchcliffe, und die langwierigen Reparaturarbeiten an der Strecke – mehr dazu weiter unten.
Der Restart sorgte dann noch einmal für Spannung – und zwar auf und abseits der Strecke: Zunächst wurde verkündet, dass das verbleibende Rennen verkürzt werde – von 45 auf 15 Runden. Weil Firestone Sorgen hatte, die Fahrer könnten sich beim Queren der kaputten Bahn die Reifen beschädigt haben, musten alle Autos neue Gummis aufziehen – ein massiver Vorteil für jene Piloten, die auf den schnelleren, aber auch schneller abbauenden „roten“ Reifen unterwegs waren.
So etwa auch für Dario Franchitti, der sich bei zwei Restarts in den verbleibenden 15 Runden von Rang sechs bis auf Platz zwei verbessern konnte, und damit in der Spitzengruppe für die größten Verschiebungen des zweiten Rennteils sorgte. Weitere Zweikämpfe gab es noch im Mittelfeld, wo sich vor allem Josef Newgarden mit neuen Reifen ein wenig in den Vordergrund fahren konnte – für mehr als Platz 15 sollte es trotzdem am Ende nicht reichen.
Beachtlich die Leistung von Simona de Silvestro, die mit dem einzig verbliebenen Lotus-Motor immerhin Newgarden, Briscoe, Castroneves und Rahal hinter sich halten konnte. Auch, wenn die genannten Piloten zugegebenermaßen alle ein paar Probleme hatten, zumindest ein kleiner Lichtblick für die Schweizerin.
Auch das Rennen in Detroit schien am Ende die Honda-Piloten zu bevorzugen. Die Dominanz auf den vorderen Rängen war aber lange nicht so eindeutig wie noch in Indianapolis. Wenn man davon ausgeht, dass Ganassi schön langsam herausgefunden hat, wie man den neuen Wagen abstimmt, hat sich im Grunde sonst nicht viel verändert. Pagenaud war bereits in Long Beach mit Honda gut unterwegs – und dahinter folgten mit Will Power und Oriol Servia ohnehin schon die ersten Chevys. Schafft Ganassi mal kein perfektes Setup, könnte es gut sein, dass Chevrolet auf den Straßenkursen die Nase wieder vorn hat. Einziger, wenn auch nicht unwesentlicher Vorteil des Honda scheint momentan ein etwas besserer Verbrauch zu sein.
Das Chaos
begann, als in Runde 40 plötzlich zwei Autos gleichzeitig an unterschiedlichen Stellen der Strecke in der Mauer landeten. Während sich Takuma Satos Ausrutscher schnell als Fahrfehler entpuppte, wirkte James Hinchcliffes Einschlag in die Mauer deutlich mysteriöser. Eine Auflösung gab es, als kurz darauf ein wütend fluchender Hinchcliffe sich darüber aufregte, dass er abgeflogen sei, weil sich die Strecke in der Kurve aufgelöst hatte. Und tatsächlich: Ein Schwenk der Kamera in Richtung Strecke zeigte Marshalls, die breites, schwarzes Füllmaterial aus tiefen Rillen im Asphalt zogen. Offenbar hatte der Belag den Beanspruchungen der Downforce-starken Wagen nicht mehr standgehalten. (An dieser Stelle mal ein dickes Danke an Mattzel89 für Video und Bilder!)
Was folgte, wirkte ein wenig konfus: Bis Runde 45 fuhren die Wagen unter gelb, danach ging es unter rot in die Box. Grund der kurzen Gelbphase vor dem Abbruch: Runde 45 markierte die Halbzeit des Rennens, ab hier hätte man also ohne größere Probleme auch endgültig abbrechen können.
Tat man aber nicht. Stattdessen waren in der wertvollen Sendezeit von ABC zwei Stunden lang Streckenposten zu sehen, die versuchten, die Rillen mit schnelltrocknendem Zement wieder aufzufüllen. Zwischendurch Interviews mit abwechselnd skeptischen oder etwas uninformierten Fahrern. Auch Rennleiter Beaux Barfield, der zweimal als Interviewpartner zur Verfügung stand, sorgte nicht für viel Klarheit – sondern im Gegenteil durch seine vagen Aussagen zum Restart und zur verbleibenden Rundenzahl eher für den Eindruck, dass in der Chefetage der Serie nicht nur Vollprofis zu Gange sind.
Auch, wenn auch andere Serien (bis hin zur Formel 1) schon mit aufbrechenden Strecken zu kämpfen hatten. Es vertiefte sich in Detroit ein Image, das gerade in einem Moment, als durch den Führungsstreit rund um Randy Bernard ohnehin schon Zweifel an der Professionalität der IndyCars aufkommen mussten alles andere als ideal ist.
Dass es am Ende doch nochmal weiterging, und sogar nochmal ein spannendes Rennen drin war, ist natürlich erfreulich. Schade nur, dass in den USA nur mehr wenige Zuschauer dabei waren – die Tribünen hatten sich schon deutlich geleert, und auch ABC hatte die Übertragung an den Sender ESPNews abgegeben.
Die Meisterschaft
Trotz seiner mageren Vorstellung beim Indy 500 und in Detroit liegt Will Power (232) noch immer mit einigem Abstand in Führung. Doch Detroit-Sieger Scott Dixon (206) ist dem Australier zunehmend auf den Fersen, der Abstand ist mittlerweile unter 30 Punkte geschmolzen – nimmt man den sonstigen Trend auf Ovalen als Beispiel, sollte sich dieser Abstand am kommenden Wochenende eher weiter verkleinern. Sehr spannend ist das Rennen um Platz drei der Meisterschaft, um den sich insgesamt fünf Piloten streiten (Castroneves 177, Franchitti und Hinchcliffe 176, der aktuell beste Rookie, Simon Pagenaud 171 und Hunter-Reay 169).
Das Texas 550 – keine Empfehlung
Etwas mehr als ein halbes Jahr ist es her, als sich die IndyCar Series 2011 für das letzte Saisonrennen in Las Vegas versammelte. Schon im Vorfeld sorgten das schnelle Oval, die 34 Starter und die ungewöhnliche 2,5 Millionen-Dollar-Challenge, an der Gaststarter Dan Wheldon teilnahm, für hochgezogene Augenbrauen. Den meisten Beteiligten war klar: Dieses Rennen wird gefährlich – aber zu sagen traute sich das niemand so richtig.
Der einzige Satz, den ich mir damals in der Vorschau abringen konnte war ein „Ob das alles noch sicher ablaufen kann? Das scheint mir doch leider etwas fraglich.“ Wenige Tage später musste ich einen Nachruf auf Dan Wheldon verfassen – und mich fragen, ob es richtig war, dieses Rennen trotz meiner Bedenken in der Vorschau zu bewerben. Hatte deswegen jemand zugesehen, der sich den Anblick eines tödlichen Unfalls sonst erspart hätte? Und, bei allem Wissen darüber, dass ein kleines deutschsprachiges Blog nicht die Meinung der IndyCar-Bosse beeinflusst: Sorgten viele Artikel wie meiner am Ende dafür, dass niemand wagte, seine Bedenken auch öffentlich zu äußern?
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das neue Auto ist (vermutlich, hoffentlich!) sicherer als das alte. Es sollte weniger gefährliches Pack-Racing aufkommen lassen. Es sind am Wochenende weniger Piloten am Start. Es wurde über den Winter hart an der Sicherheit gearbeitet. Rennsport ist nicht nur in Texas, sondern auch auf anderen Strecken riskant. Nicht jedes riskante Rennen endet tragisch. Wahrscheinlich wird Samstagnacht nichts passieren – außer vielleicht ein spannendes Rennen.
Ich will niemandem davon abraten, das Rennen zu sehen. Aber einen „Werbeartikel“ für ein Rennen, das ich nicht empfehlen kann, will ich auch nicht verfassen. Ich werde darauf verzichten, das Rennen live zu sehen. Folgerichtig wird es in den kommenden Woche hier auch keine Analyse von mir geben. Am 16. Juni fährt die IndyCar Series in Milwaukee – dann geht es hier im Blog wieder mit der „normalen“ Berichterstattung von mir weiter.
2 Kommentare
Schöner Artikel :)
Ich werde Texas wohl gucken, wenn auch mit einem etwas komischen Gefühl im Bauch….
Ich werde mir das Rennen, wenn es keine Zwischenfälle gibt, höchstens auf YouTube anschauen. Denn Texas ist eigentlich immer für ein nettes Rennen und gut.
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