Es war ein interessantes Rennen in Montreal, das nach einem etwas verhaltenen Start richtig Fahrt aufnehmen konnte und am Ende von der Strategie entschieden wurde.
Sieben unterschiedliche Sieger in sieben Rennen – so langsam hat jeder der Topfavoriten schon mal gewonnen und die Liste bietet ja durchaus noch einige Namen. Und in Kanada hätte es durchaus auch wieder einen Überraschungssieger geben können, denn mit Grosjean und Perez waren zwei Piloten knapp dran. Das Rennen zeigte auch, dass es an der Spitze im Moment extrem eng ist. Ferrari, Red Bull, McLaren und, mit der richtigen Strategie, Lotus, Sauber und Mercedes liegen im Renntrimm sehr nahe beieinander. Für zwei Fahrer war es allerdings auch mal wieder ein Wochenende zum Vergessen. Schumacher fiel zum fünften Mal mit einem technischen Defekt aus, Jenson Button kämpfte mit einem vermurksten Setup, sich und der Welt. Seine WM-Chancen kann er vermutlich abhaken.
Das Red Bull in allen Freien Trainings und in der Quall so weit vorne zu sehen war, hat mich schwer überrascht. Zwar lag ich am Ende mit meinem Tipp aus der Vorschau, dass Red Bull um P4 wieder finden würde, goldrichtig, allerdings lag das eher an der Strategie von des Teams, weniger an der Performance. Wo Vettel die sensationelle Zeit in der Quali gefunden hat, ist ein wenig rätselhaft, wenn sich den Topspeed des RB8 ansieht. Zwei Dinge gibt es aber, die interessant zu beobachten waren. Zu einen verfügt man über eine sehr gute Traktion, was einen Teil des Geschwindigkeitsnachteil kompensiert, zum anderen bekommt Red Bull die Reifen sehr schnell auf Temperatur. Das kann an den neuartigen Bremsbelüftungen liegen, die eher, wie bei anderen Teams, dazu dienen, die Reifen zu wärmen, dass kann aber auch am gefahrenen Luftdruck oder den Sturzwerten liegen. Auffallend war, dass im ersten Renndrittel Hamilton zunächst an Boden verlor, dann aber nach drei bis Runden die Zeiten von Vettel halten konnte um ihm am Ende wieder auf die Pelle zu rücken.
Vettel verlor die Führung nach dem ersten Stint, weil er eine Runde früher an die Box kam. Auf der Outlap musste er die Soft erst auf Temperatur bringen, während Hamilton die mit noch brauchbaren Supersoft eine sehr schnelle Inlap fuhr. Danach kam Vettel auch nicht mehr in Reichweite des Sieges. Denn Ferrari blieb noch länger draussen und versuchte Alonso auf P1 zu schieben, was auch beinahe gelungen wäre. Am Ende fehlte dem Spanier vielleicht eine Sekunde, aber er kam so knapp vor Hamilton raus, dass dieser wenig Probleme hatte, vorbei zu gehen.
Von den Rundenzeiten her war Ferrari, wie man schon vermutet hatte, vorne mit dabei. Dass sie gut mit den Reifen umgehen ist bekannt, aber es war doch überraschend, wie lange Alonso die roten Reifen fahren konnte. Während Vettels Zeiten einbrachen, konnte der Ferrari weiter konstant sehr schnelle Rundenzeiten hinlegen. Das könnte vor allem bei den folgenden Rennen in Valencia interessant werden, auch wenn man da wieder die Medium/Soft Reifen zur Wahl hat.
Erstaunliches tat sich dann in Sachen Strategie. Vorne hatten sich Hamilton, Alonso und Vettel schnell so weit vom Feld abgesetzt, dass man schon denken konnte, die würden den Sieg unter sich ausmachen. Webber lag schnell weit zurück, der Rest nach dem ersten Dritttel teilweise über 20 Sekunden. Doch dann zogen Lotus, Sauber und Mercedes die Strategiekarte. Vor allem Lotus überraschte mit zwei sehr ausgefallenen Calls. Räikkönen ließ man 40 Runden auf den Soft absolvieren, bevor man ihn zum Stopp holte. 30 Runden auf den Supersoft waren zwar auch die Grenze, aber mit leichter werdenden Fahrzeug kein Problem. Lange sah es auch so aus, als ob der Finnen P4 würde anvisieren können, aber dann verlor er den direkten Kampf gegen Rosberg. Den hatte Mercedes in Runde 19 reingeholt um ihn nach einem ungewöhnlich kurzen Mittelstint in Runde 38 zum letzten Mal an die Box zu holen. Grund dafür war, dass Rosberg Gefahr lief aufgehalten zu werden, also holte man ihn früher rein, damit er freie Fahrt hatte. Aber auch diese Strategie, um auf P4 u kommen, ging nicht auf.
Denn da waren noch Perez und vor allem Grosjean. Perez war eine Runde nach Räikkönen an die Box gekommen und kam knapp vor diesem wieder raus. Erstaunlich war dann allerdings das Rennen der beiden in den letzten 30 Runden. Während Perez sich nach vorne arbeitete, fiel Räikkönen weiter zurück. Perez wurde Dritter, Räikkönen nur achter. Das klingt danach, dass Sauber über die Distanz die besseren Zeiten aus den Reifen rausholen kann, aber das stimmt nicht.
Denn der zweite, extrem mutige Strategiecall kam auch von Lotus. Die hatten Grosjean 21 Runden lang auf den Supersoft draussen gelassen um ihn dann auf die Soften zu setzen. Klare Zwei-Stopp-Strategie, doch tatsächlich kam Grosjean nicht mehr an die Box und fuhr 49 Runden (!) mit den soften Mischung. Alonso war in Runde 19 an der Box, fuhr also nur zwei Runden mehr, aber seine Reifen waren am Ende komplett hinüber. Erstaunlich, wie unterschiedlich die Chassis mit den Reifen umgehen. Auch muss man Grosjean und Perez unbedingt für ihre fahrerische Leistung loben. Vor allem Perez hat zum zweiten Mal gezeigt, dass er selbst mit einem unterlegenen Wagen in die Punkte fahren kann. Er hat sich damit einmal mehr für ein Ferrari-Cockpit im Jahr 2013 empfohlen.
Der Call von Ferrari und Red Bull ihre Fahrer auf eine Ein-Stopp-Strategie zu setzen war mutig und etwas überraschend. Auf der anderen Seite mag es zu wagemutig gewesen sein, denn beide verloren ihre Podiumspositionen. Man hatte wohl damit gerechnet, dass Hamilton nach seinem zweiten Stopp um Verkehr stecken bleiben würde, um die nötigen Sekunden schinden zu können. Nicht gerechnet hatte man aber mit Grosjean und Perez, die die beiden halt einholen konnten. James Allen wird die Strategie in seiner Kolumne die Woche sicher näher beleuchten.
Vettel holte man mit einem Notstopp sechs Runden vor Schluss rein. Was erst wie ein Harakiri-Manöver aussah, entpuppte sich als kluger Schachzug in der Not. Der Sieg war eh weg, aber wenn Vettel draussen geblieben wäre, hätte er gegen Rosberg den Kürzeren gezogen. So konnte er immerhin noch Alonso hinter sich halten, was in WM ja nicht unwichtig ist. Hätte Vettel das Rennen gewinnen können? Bei gleicher Strategie wie Hamilton wäre es zumindest enger geworden. Allerdings bleibt die Tatsache, dass sein Wagen am Ende eines Stints langsamer war, als der des Briten. Vermutlich hätte Vettel P2 erreichen können, aber hinterher ist man ja immer klüger.
Wie schnell eine Strategie auch nach hinten los gehen kann, wenn man nicht das richtige Auto hat, konnte man an Paul di Resta sehen. Im ersten Stint lag er auf einem sehr guten fünften Platz, aber sein Reifenverschleiss war zu hoch. Weil er vor allem immer am Ende seiner Stints viel Zeit verlor, musste sechs Fahrer passieren lassen und kam nur auf P11 ins Ziel.
Die beiden Unglücksraben des Wochenendes waren aber Jenson Button und Michael Schumacher. Der Deutsche hatte schon in Q3 Pech, als sein Team ihm nicht genügend Dampf machte, damit er rechtzeitig vor Ablauf der Zeit über die Startlinie fuhr. Er verpasste seinen letzten Run um wenige Hunderstelsekunden. Aber auch mit einem besseren Startplatz wäre sein Rennen vorbei gewesen, denn sein Heckflügel klappte am Ende der DRS-Zone nicht mehr zu und klemmte fest.
Jenson Button hatte ein noch bescheideneres Wochenende. Am Freitag musste man zweimal sein Getriebe wechseln, er verlor wichtige Zeit fürs Setup. Mit dem haderte er dann im Rennen, denn obwohl er auf der härteren Mischung startete und damit eigentlich wie Räikkönen und Perez hätte unterwegs sein müssen, bauten seine Reifen zu schnell ab. Am Ende kam er nur auf P16. Dem Weltmeister von 2009 klebt wirklich das Pech an den Händen.
Aber es war insgesamt ein sehr sehenswertes Rennen, auch wenn viel über die Strategie lief. Mit Valencia steht aber in 14 Tagen eine Strecke auf dem Programm, die Montreal sehr ähnlich ist, wo es aber noch heisser sein kann. Da bin ich sehr gespannt, was den Strategen da einfallen wird.
Erstaunliches gibt es auch vom WM-Stand zu berichten. Der Titel wird sich unter den Top 4 Fahrern entscheiden, mit leichten Chancen noch für Rosberg, der aber schon mehr Podien einfahren müsste. Die Chancen von Räikkönen sind gering, zu mal Lotus nicht das Budget hat, um am Ende der Saison mithalten zu können.
Fahrer:
Hamilton – 88
Alonso – 86
Vettel – 85
Webber – 79
Rosberg – 67
Räikkönen – 55
Grosjean – 53
Button – 45
Teams:
Red Bull – 164
McLaren – 133
Lotus – 108
Ferrari – 97
Mercedes – 69
Bilder: Ferrari, McLaren, Daimler AG, SauberF1, Red Bull/Gepa, Toro Rosso/Gepa, LotusF1, Sahara Force India, CaterhamF1
2 Kommentare
Vettels Quali-Zeit darf man getrost als „Vettel-Zeit“ ansehen. Er hat auch schon in früheren Jahren öfters mal auf eine Quali-Runde hin eine Zeit rausgehauen, die abnorm gut ist, und auch im Rennen ist er wie kaum ein anderer Fahrer sonst immer mal wieder für wirklich extreme Sprints auf Abruf zu haben (daher auch sein Lieblingshobby, die späte Jagd nach der schnellsten Rennrunde). Er fährt dann so ziemlich wie die Wildsau, mit sehr knapper Linienwahl, späten Bremspunkten, und absurden Scheitelpunktgeschwindigkeiten, die rechnerisch so eigentlich „garnicht“ gehen könn(t)en. Vergleichbar ist das IMO nur mit Schumacher in seinen besten Jahren und mit Häkkinen, die beide mitunter ihre Ingenieure damit verblüfften, dass sie ihre Autos „jenseits der Physik“ um die Kurven schmissen, und dadurch mehr rausholten, als eigentlich drinsteckte.
Das mit Hamiltons Steckenbleiben nach dem zweiten Stop hätte übrigens beinahe funktioniert. Er kam da ja tatsächlich im Verkehr raus und hat pro Runde mal eben an die vier Sekunden auf die Spitze verloren. Zum Glück für ihn kam er mit den frischen Reifen schnell vorbei und hat den Verlust dann nach und nach mit etwa einer Sekunde Vorteil pro Runde wieder ausgebügelt.
Ja, aber er hätte schon sehr festhängen müssen. Er ist, wenn ich das richtig im Kopf habe, neun Runden vor Schluss in Führung gegangen, hat 4 Sekunden Abstand hingelegt und dann Speed rausgenommen. Der Führende (ALO, GRO, wer auch immer dann) hätte 20 Sekunden + Vorsprung haben müssen. In so fern hat es so oder so funktioniert, weil er, im Gegensatz zu Button, kaum Reifenverschleiss hatte und pushen konnte. War trotzdem interessant zu sehen, wie die unterschiedlichen Strategien zusammen gekommen sind.
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