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NASCAR: Analyse Pocono Juni 2012

von KristianStooss
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Eines der besten NASCAR-Rennen der bisherigen Saison fand ausgerechnet in Pocono statt und bot neben einer Menge Unterhaltung am Ende mit Polesitter Joey Logano auch einen verdienten Sieger. Sein Schlusskampf gegen Mark Martin endete mit einem sensationellen Bump-&-Run-Manöver und auch sonst herrschte in Pocono eigentlich kaum Langeweile.

Pocono stellte sich am Wochenende als das spannendste Rennen seit Jahren auf dieser eigentlich sehr umstrittenen Strecke heraus. Die Neuasphaltierung brachte ein schnelles Oval hervor, auf dem sich das Feld nicht so sehr auseinander zog wie sonst, außerdem konnte man tatsächlich überholen. Zusätzlich hat man auch die letzten Rasenflächen auf den Geraden entfernt und damit der Sicherheit endlich Genüge getan. Dazu kam ein recht guter Kommentar seitens TNT, denn Larry McReynolds wurde auffallend oft in die Übertragung integriert und wertete diese sichtlich auf. Doch auch der richtige Mix aus Cautions (die vielleicht jeweils etwas zu lang dauerten), unterschiedlichen Strategien sowie eine Rekordanzahl an Strafen für Speeding in der Boxengasse sorgten für viel Aufregung und die ging direkt in Runde 1 los:

Gleich zwei separate Vorfälle bescherten einen turbulenten Start, als sich zunächst Denny Hamlin und Carl Edwards völlig unnötig in der ersten Runde beharkten, während weiter hinten im Feld dann Landon Cassill mit einem Dreher die drohende Gelbphase auslöste. Dabei räumte er auch unter anderem Martin Truex Jr ab, dessen #56 bei dem Treffer auf der Beifahrerseite den energieabsorbierenden Schaum unter der Blechverkleidung verlor. Aus Sicherheitsgründen musste der Mangel zunächst behoben werden, bevor NASCAR Truex seine Fahrt fortsetzen ließ.

Nach dem Restart in Runde 6 hielt die Freude dieses Mal immerhin sieben Umläufe, bis es im Hinterfeld zwischen JJ Yeley, Reed Sorenson und Tony Raines den nächsten Unfall gab. Nach den Aufräumarbeiten schaltete NASCAR schnell und zog die geplante Competition-Caution wegen der nächtlichen Regenfälle spontan um drei Umläufe auf Runde 17 vor. An dieser Stelle kam es dann auch zu den ersten Strategiespielen, denn Jamie McMurray, Denny Hamlin und Brad Keselowski entschieden sich bei dem gehäuften Auftreten von Gelbphasen gegen ihren ersten Boxenstopp und waren fortan auf einer anderen Sequenz unterwegs.

Ob die Entscheidung für alle beteiligten Teams so gut war, möchte ich bezweifeln, denn immerhin waren zumindest McMurray und Hamlin ohnehin in den Top10, was ihnen nicht viel lohnenswerte Track-Position für viel Risiko einbrachte. Keselowski kam von außerhalb der Top30 und machte hier schon eher einen guten Fang. Zum Unmut der Strategieausreißer ließ die nächste Caution dann allerdings bis Runde 66 auf sich warten, was für alle drei Piloten Green-Flag-Pitstops bedeutete. Brad Keselowski (18.) wurde dabei zu schnell in der Boxengasse erwischt, weshalb sein Rennen gelaufen war, da er den Anschluss an die Spitze nicht mehr so recht zurückgewinnen konnte.

Glücklicherweise kommt man in Pocono aufgrund der langen Strecke bei Green-Flag-Pitstops für gewöhnlich um einen Rundenverlust herum, was die Crews außerdem dazu veranlasste, auf dem (R)Oval eine Rundkursstrategie auszupacken: Man begann schon früh damit, die Zeitpunkte der Boxenstopps vom Ende des Rennens her zu berechnen. Richtig deutlich wurde das aber erst später, als man einen Fuelrun quer durch das Feld sogar absichtlich verkürzte.

Weil Hamlin zum Tanken musste, übernahm Dale Earnhardt Jr die Führung, der bis zur Schlussphase ein sehr gutes Rennen fuhr und durchaus eine Chance auf den Sieg besaß. Momentan ist es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis bei ihm der Knoten platzt. Als im Ping-Pong-Spiel der verschobenen Strategien dann wieder der Rest des Feldes an der Reihe war, unter Grün zum Tanken zu kommen, gab es für das halbe Feld richtig Ärger, was zuvor ja schon Keselowski und auch Clint Bowyer andeuteten:

Insgesamt 13 Mal legten sich bis dahin einzelne Fahrer mit der NASCAR-Radarpistole an und kassierten ein Speeding-Ticket. Ganz übel erwischte es Jimmie Johnson, der sogar zwei Mal geblitzt wurde und daher seinen Platz in der Führungsrunde verlor. Bei den Teams vermutete man den Fehler natürlich bei der NASCAR und versuchte herauszubekommen, ob sich die Kontaktschleifen unter der Fahrbahn mit den sichtbaren Markierungen deckten. NASCAR konterte und wies die Mannschaften auf einen Aushang hin, welcher die Änderungen der Timing-Loops im Zuge der Neuasphaltierung bekanntgab. Autsch, da waren offensichtlich einige Teams mit alten Daten unterwegs! Insgesamt landete man bei 22 Strafen wegen Geschwindigkeitsüberschreitung, was einen neuen Rekord seit Aufzeichnung dieser Daten im Jahr 2006 (14x) zur Folge hatte.

Wieder zurück beim Ping-Pong verspielte Hamlins Crew wenige Runden später die Führung, indem sie ihren Fahrer fast 33 Umläufe auf der Strecke beließ, was für ihn in einem trockenen Tank resultierte. Man hatte das Benzinfenster wohl ein wenig zu optimistisch berechnet, doch Hamlin verlor immerhin nicht komplett den Anschluss: Während er an die Box humpelte, musste AJ Allmendinger in Runde 66 im gefürchteten Tunnel-Turn einen schweren Einschlag hinnehmen. Er wirkte nach dem Unfall auch sichtlich mitgenommen und stützte sich erstmal auf der Mauer auf. Später verriet Allmendinger, dass dies einer seiner härtesten Unfälle war und vermutlich durch einen geplatzten Reifen ausgelöst wurde. TNT konnte die Szene leider nicht zufriedenstellend auflösen.

Dann wurde es etwas unübersichtlich, denn von den nächsten 17 Runden wurden nur zwei unter Grün absolviert, da David Ragan nach dem Restart direkt die nächste Caution auslöste. In jener Gelbphase ging Kyle Busch übrigens am zweiten Wochenende in Folge der Motor hoch, was zum einen sein Rennen beendete und zum anderen eine nicht unerhebliche Ölspur auf der Strecke hinterließ. Während dieser beiden kurz aufeinander folgenden Cautions vereinigten sich dann auch die beiden unterschiedlichen Strategien wieder.

Doch es sollte nicht einfach bleiben, denn Jimmie Johnson machte direkt die nächste alternative Sequenz auf: Johnson gelang mittels des Wavearounds wieder in die Führungsrunde zurück, doch um diesen Vorteil überhaupt nutzen zu können, musste er nach dem Restart der ersten von jenen zwei Cautions dann unter Grün zum Tanken kommen. Zu seinem Glück folgte aber gleich die nächste Gelbphase und weil er sich dann ohnehin am Ende der Lead-Lap befand, kam er unter Gelb in jeder Runde zum Nachtanken an die Box, um mit möglichst vollem Tank durchstarten zu können. Jimmie Johnson (4.) fuhr anschließen noch in die Top5 nach vorne und kann daher mindestens von Schadensbegrenzung sprechen.

Das sehr turbulente Pocono-Rennen ging damit in seine entscheidende zweite Hälfte und die Hauptprotagonisten waren zum Restart in Runde 83 auch direkt in den Top5 versammelt: Greg Biffle, Mark Martin, Dale Earnhardt Jr, Joey Logano sowie Matt Kenseth. Die beiden Ford-Piloten lieferten bis in Runde 102 ein gutes Rennen ab und wechselten sich an der Spitze ab. Später verlor dann Biffle (24.) leider einen Zylinder und kam nur am Ende der Führungsrunde ins Ziel, während Kenseth immerhin Siebter wurde.

Die Runde 102 habe ich ja weiter oben im Artikel schon kurz angesprochen, denn es war der Zeitpunkt ab dem man rückwärts gerechnet mit zwei Tankstopps würde durchfahren können. Ein Massenexodus war somit die Folge und als sich der Staub des Cycle-Through lichtete, sah man plötzlich wieder Dale Earnhardt Jr in Führung, gefolgt von Matt Kenseth. Letzterer machte zwar ordentlich Druck, kam aber auf der Strecke nicht an Junior vorbei.

Ein letztes Mal sollte sich das spannende Pocono-Rennen noch wenden, denn es war dank unterschiedlicher Strategien natürlich nicht unübersichtlich genug: Kaum waren alle Piloten wieder in derselben Sequenz unterwegs, kam ein Benzinpoker ins Spiel, denn NASCAR fand in Runde 124 Debris. Ein Schelm wer Böses dahinter vermutet, zumal noch 36 Runden bei einem Spritfenster von vielleicht maximal 32 oder auch 33 Umläufen zu fahren waren. Wieder ging der Spaß von vorne los, als unter anderem Tony Stewart und Jamie McMurray kurz vor dem Restart noch einmal nachfüllen ließen und dafür ihre Track-Position hergaben. Für beide war das Fenster damit prinzipiell geschlossen und bei Smoke reichte es am Ende noch für Rang 3, während McMurray „nur“ die Top10 abschließen konnte.

Vorne setzte sich derweil Joey Logano an die Spitze, welcher wie die meisten anderen Piloten nur zwei neue Reifen genommen hatte. Dies war sicherlich die richtige Entscheidung, zumal man über das gesamte Rennen sehen konnte, dass Reifenverschleiß an diesem Wochenende auf der neuasphaltierten Bahn kaum eine Rolle spielte. Den Restart hatte Logano voll im Griff und verteidigte seine Führung bis zu Caution #6, die Kasey Kahne mit einem Mauereinschlag auslöste. Für Kahne endete damit eine lange Top10-Serie, hoffentlich verliert er jetzt nicht sein Momentum auf dem Weg zum Chase.

Bei noch 22 zu fahrenden Runden wollten einige Teams jetzt auf Nummer sicher gehen und kamen noch ein letztes Mal zum Auftanken an die Box, was sich aber als Fehlgriff des Rennens entpuppen sollte. Mit Dale Earnhardt Jr (8.) und Jeff Gordon (19.) setzten sich hier gleich zwei Hendrick-Fahrer massiv in die Nesseln. Im Nachhinein zu kritisieren ist natürlich einfach, denn zu diesem Zeitpunkt konnte keiner wissen, dass mit Caution #7 noch eine letzte anstand. In dieser hätte man dann zum einen weiteres Benzin sparen können und zum anderen stellte sich die Gelbphase als viel zu lang heraus: In acht verbleibenden Runden konnte man unmöglich vom Ende der Top20 wieder an die Spitze fahren. Junior schaffte es im Gegensatz zum Teamkollegen immerhin noch zurück in die Top10.

Beim letzten Restart ging es ganz vorne aber vor allem um den Sieg und zunächst konnte Mark Martin von Platz 2 kontern und sich vor Logano schieben. Dann sah es vier Runden lang danach aus, als ob Martin endlich sein erstes Pocono-Rennen würde gewinnen können, doch er machte einen Fehler und büßte seine herausgefahrene Führung wieder ein. Direkt hinter dem Waltrip-Piloten angelangt, setzte sich Joey Logano mit einem unglaublichen Manöver in Szene: Er schob Martin mit einem Bump-&-Run (in Pocono!) in Turn 3 an, brachte ihn rutschend auf die schlechtere obere Linie und konnte somit unten Kurs auf die Victory-Lane nehmen. Unglaublich… und wäre Mark Martin noch einmal rangekommen, hätte er sich mit Sicherheit revanchiert.

Ob man sowas nun mit einem respektierten Fahrer wie Altstar Mark Martin machen sollte, ist natürlich die Frage. Doch es war meiner Meinung nach eine jederzeit faire Aktion, Joey Logano hat die #55 nicht abgeschossen, sondern nur leicht zum Übersteuern gebracht. Dazu muss man im Hinterkopf behalten, dass Logano derzeit massiv unter dem Druck steht, mit seinen Teamkollegen bei Joe Gibbs Racing mitzuhalten. Während es in der Nationwide Series durchaus gut für ihn läuft, droht er im Sprint Cup zum ewigen Talent zu werden. Sein erster und einziger Sieg bis dato entstammte dazu noch einem Regenabbruch in New Hampshire, was sicherlich nicht die beste Statistik ist. Pocono war aber ein Schritt in die richtige Richtung, zumal die #20 in der Schlussphase auch klar das schnellste Auto war.

Dieser Artikel zum ungewöhnlich spannenden Pocono-Rennen ist jetzt doch ziemlich lang geworden, daher bitte ich alle Leser für weitere Ergebnisse und die Meisterschaftsstände in die unten verlinkten PDF-Dateien zu schauen. Vielleicht noch so viel: Greg Biffle ist nach seinem Motorenproblem die Führung in der Fahrerwertung los und wird dort vom Teamkollegen Matt Kenseth abgelöst. Außerdem schob sich auch Dale Earnhardt Jr, der nach wie vor über die meisten Top10-Resultate aller Piloten (11x) verfügt, an Biffle vorbei.

Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung (Achtung: Alles PDF-Dateien!).

Außerdem habe ich noch das Interview des Tages aufgetrieben, die schlechte Qualität bitte ich zu entschuldigen:
http://www.youtube.com/watch?v=16Ivej85Tlo

George Russell, Mercedes F1 W15, leads Lando Norris, McLaren MCL38 during the Brazilian GP at Autódromo José Carlos Pace
Oliver Bearman, Haas VF-24, leads Sergio Perez, Red Bull Racing RB20 during the Brazilian GP at Autódromo José Carlos Pace

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