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NASCAR: Analyse Michigan Juni 2012

von KristianStooss
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Es war das Wochenende der großen Rs in Michigan: Nach den anfänglichen Problemen mit den Reifen kam am Sonntag zunächst der Regen und nach einer Verzögerung von fast zwei Stunden gab es dann endlich auch ein Rennen. Letzteres hatte es in sich, denn in der Victory-Lane stand am Ende [‚dʒu:njRRRRRR], der eine lange sieglose Serie beenden konnte.

Exakt vier Jahre ist es her, dass man Dale Earnhardt Jr zuletzt in einer Sprint-Cup-Victory-Lane gesehen hat. 2008 holte er im Benzinkrimi von Michigan seinen ersten (nicht unumstrittenen) Sieg für Hendrick Motorsports nur kurz nach dem Wechsel vom damaligen Familienteam Dale Earnhardt Inc. Doch dann brach Junior massiv ein: Er bestritt 2009 seine schlechteste Cup-Saison überhaupt und konnte auch 2010 nicht in die Top20 der Fahrerwertung vordringen. Ein vorsichtiger Aufschwung erfolgte bereits 2011, als er sich nach der Notbremse von Rick Hendrick mit neuem Crew-Chief erstmals seit drei Jahren wieder für den Chase qualifizierte. Die Früchte der Zusammenarbeit mit Steve Letarte und HMS kann Earnhardt allerdings erst jetzt im Jahr 2012 ernten: Bis Michigan holte das Team mit der #88 erstaunliche elf Top10-Ergebnisse in nur 14 Rennen, mehr als alle anderen Konkurrenten! Nur ein Sieg fehlte noch… bis zum vergangenen Wochenende:

Doch hübsch der Reihe nach: Das besagte Wochenende begann zunächst mit einem Aufschrei in der NASCAR-Welt, denn nach der Neuasphaltierung des Michigan International Speedway fuhr die Spitze im ersten großangelegten Test plötzlich Rundenschnitte knapp oberhalb der 200-mph-Schallmauer. Ein typisches „disaster waiting to happen“ wie man so schön sagt, da bei solchen Geschwindigkeiten der Sicherheitsaspekt an eine gefährliche Grenze gerät und ein Abheben der Wagen bei einem Dreher nicht mehr garantiert verhindert werden kann.

Geschwindigkeiten in diesem Bereich sind natürlich auch eine enorme Belastung für die Reifen und dieser Aspekt war es schließlich, welcher in den Freien Trainings den Goodyear-Technikern den Angstschweiß auf die Stirn trieb: Nach bereits 15 Runden kam es bei den Pneus auf der linken Seite zu Blasenbildung, was schmerzliche Erinnerungen an das berühmte Competition-Caution 400 in Indianapolis weckte. Ein erster Workaround von Goodyear bestand dann darin, alle Reifensätze für das gesamte Rennwochenende freizugeben, damit die Teams das Gummi in einem ersten kurzen Hitzezyklus für die erwarteten Longruns des Rennens abhärten konnten.

Anscheinend bekam Goodyear dann aber doch kalte Füße und griff sehr tief in die Logistikkiste: Zum Samstagnachmittag ließ man eine neue Reifenmischung für die linke Fahrzeugseite in „43 Wagen x komplette Renndistanz“-Stärke ankarren, welche man zuletzt 2005-2007 in Charlotte einsetzte, als dort nach der Neuasphaltierung ähnliche Probleme auftauchten. Zusätzlich ordnete NASCAR nach der Qualifikation ein zusätzliches Freies Training an, um den Teams die Möglichkeit zu geben, das Rennsetup auf die neuen Verhältnisse abstimmen zu können. Viele Runden konnte man dort aber nicht drehen, da bei einigen Mannschaften der Motor sonst inklusive der noch folgenden 400 Meilen gefährlich nahe an seine maximale Lebensdauer während eines Rennwochenendes gekommen wäre.

Im Rennen zeigte sich dann auch, was ich schon seit längerer Zeit vermutete: Kommt Goodyear mal mit der Reifenmischung ins Schleudern oder muss improvisieren, dann werden die Autos wieder schwerer zu fahren sein. Die extra angelieferte Variante war Marke „Super-Hart“ und ließ die Speeds im Übrigen um knappe 10 mph purzeln. Zu allem Überfluss hatte es vor dem Rennen auch noch geregnet, weshalb es zu Beginn etliche Runden dauerte, um die Strecke mit dem nötigen Gummi zu belegen. Die Niederschläge gefährdeten das Rennen aber zu keinem Zeitpunkt ernsthaft, denn pünktlich zum geplanten Rennstart verzog sich bereits der letzte Regen. Die Jetdryer benötigten allerdings noch einmal knapp zwei Stunden, um das weitläufige Oval abzutrocknen.

Aufgrund der umfangreichen Thematik beraumten die NASCAR-Offiziellen dann gleich zwei Competition-Cautions in den Runden 25 sowie 50 an, wobei der Weg dorthin ähnlich wie zuletzt in Pocono ziemlich steinig war: Kurt Busch (30.) verlor im ersten Einsatz nach seiner kurzen Sperre gleich mal in Runde 2 den Wagen und machte als erster Pilot Bekanntschaft mit der Mischung aus harten Reifen und grüner Strecke. Busch löste 120 Runden später übrigens eine weitere Gelbphase aus und leitete mit seinem erneuten Dreher die Schlussphase ein, wobei sein Rennen allerdings gelaufen war.

Caution #2 ließ auch nicht lange auf sich warten und wurde in Runde 10 durch den explodierten Motor von Josh Wise ausgelöst. Dabei ist ein wenig untergegangen, dass Wise nicht der einzige Ford-Fahrer mit Motorenproblemen war: Auch Trevor Bayne musste sich bereits nach sieben Umläufen in die Garage verabschieden und ich denke nicht, dass dies ein Start-&-Park-Einsatz war, denn die Wood Brothers haben sich immer entschieden gegen ein solches Vorgehen gestellt. Zudem tritt man in dieser erneuten Teilzeitsaison ohnehin nur an, wenn das Auto voll finanziert ist und kann daher auf die Owner-Punkte pfeifen.

Irgendwie war das erste Rennviertel sogar bis Runde 70 generell eine reine Ford-Veranstaltung, da sich mit Ausnahme von JJ Yeley während der zweiten Competition-Caution ausschließlich Ford-Piloten auf der Spitzenplatzierung ablösten: Zunächst konnte Polesitter Marcos Ambrose (9.) zu Rennbeginn glänzen, nur um dann abzufallen. Dieses Mal sprang am Ende aber immerhin ein Top10-Ergebnis für den Australier dabei heraus. Schon besser stellten sich über die Distanz die momentan stärksten Piloten von Roush-Fenway Racing an: Greg Biffle (4.) und Matt Kenseth (3.) verfügten unter den schwierigen Bedingungen kurz nach dem Start über die schnellsten Autos und holten sich 38 bzw. 17 Führungsrunden ab.

Dann brach der Tag von Dale Earnhardt Jr an, der sich mit einem guten Call von Crew-Chief Steve Letarte auf nur zwei neuen Reifen in der zweiten Competition-Caution einige Track-Position sichern und nach lediglich einem halben Fuelrun auf der Strecke die Führung übernehmen konnte. Pünktlich zum Ende des Stints sichtete NASCAR dann Debris, vermutlich um den Teams eine letzte inoffizielle Competition-Caution anzubieten. Beim Restart tat sich dann in Form von Tony Stewart der einzige ernsthafte Konkurrent für Junior hervor und übernahm kurzzeitig die Führung. Ähnlich wie im Stint zuvor konnte Earnhardt aber auf dem Longrun punkten und Smoke den Platz an der Sonne recht schnell wieder entreißen.

Dann begann die entscheidende Phase des Rennens, als Kurt Busch wie erwähnt in Runde 121 erneut das Querfahren übte und dabei blöderweise genau das Ende der gerade laufenden Green-Flag-Pitstop-Sequenz anvisierte. Juan Pablo Montoya (8.) war einer von zwei Piloten, welche noch nicht an der Box waren und lag prompt in Führung. Weil durch das Cycle-Through nur noch sechs oder sieben Piloten in der Führungsrunde waren, brachte Montoya dies immerhin unter Gelb einen soliden Platz innerhalb der Top10 frei Haus. Schön, dass der Kolumbianer auch endlich mal wieder etwas Glück hatte.

Der folgende Wavearound für über 15 Fahrzeuge brachte dann immerhin etwas Ordnung ins angerichtete Chaos. Doch damit noch nicht genug, denn da Cautions bekanntlich oft weitere Cautions hervorbringen, erwischte es beim Restart Pocono-Sieger Joey Logano (35.), der im Hinterfeld mit David Gilliland (27.) aneinander geriet. Logano touchierte die Mauer und wurde danach von einem überraschten Kasey Kahne (33.) im Heck getroffen, dessen Tag ebenfalls beendet war. Für Kahne scheint nach einer soliden Phase jetzt wieder das Unheil außerhalb der Top20 zu lauern, was seinen letzten verbliebenen Chase-Hoffnungen überhaupt nicht gut bekommt.

Logano setzte einen absoluten Horror-Tag für Joe Gibbs Racing lediglich fort, nachdem zuvor schon Kyle Busch (32.) mit dem dritten (!) Motorenproblem beim dritten (!) Rennen in Folge zwischenzeitlich aufgeben musste und viele Runden verlor. Weil das noch nicht genug des Guten für JGR war, holte auch Denny Hamlin (34.) das Pech ein: Beim Restart direkt nach dem Logano-Crash drehte Hamlin die #11 auf das Infield-Gras in Turn 4 und zerschoss sich dabei die Verkleidung sowie eine Bremsscheibe. Letztere begann zu allem Überfluss bei der Rückfahrt in die Box zu brennen und löste ein RTL-aktuell-würdiges Inferno aus, dem Hamlin jedoch unverletzt entkommen konnte.

Dann war das Rennen im Prinzip gelaufen, denn bei noch 60 zu fahrenden Runden nach dieser letzten Caution würden alle Teams mit einem weiteren Stop unter Grün bis ins Ziel kommen. Dale Earnhardt Jr machte in der Folge keinen Fehler, gewann alle drei der letzten Restarts und brachte auch die Green-Flag-Pitstops etwas mehr als 30 Umläufe vor Schluss sauber über die Bühne. So eine dominante Vorstellung hatte man von ihm schon lange nicht mehr gesehen. Junior verfügte über das schnellste Auto auf der Strecke und konnte auch von einem nicht ungefährlichen Tony Stewart (2.) nicht mehr eingefangen werden. Die Margin-of-Victory betrug am Schluss sogar über fünf Sekunden, wobei ich aber denke, dass Stewart mit dem Sprit auf Nummer sicher gehen wollte und das schnellere Auto davonfahren ließ.

Bisher ist 2012 die beste Saison in der Karriere von Dale Earnhardt Jr und steht derzeit auf einer Stufe mit den beiden Fabel-Jahren 2003 (Dritter in der Meisterschaft) und 2004 (6 Saisonsiege). Schaut man auf die durchschnittliche Zielankunft, so fährt Junior in diesem Jahr besser und konstanter als er es jemals bei DEI tat und so war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis bei ihm der Knoten platzen würde. Earnhardt hat in seiner jetzigen Form tatsächlich eine Chance auf die Meisterschaft, wer hätte das vor 1-2 Jahren noch ernsthaft gedacht. Seine Junior-Nation, welche ihm auch in den düsteren Tagen im Tal der Tränen jederzeit die Treue gehalten hat, wurde natürlich ebenso verdient belohnt.

Hendrick Motorsports fuhr mit Ausnahme von Kasey Kahne ein solides Mannschaftsergebnis ein, da das Team Jimmie Johnson (5.) und Jeff Gordon (6.) noch in die Top6 brachte. Während Gordon eher unauffällig unterwegs war, hatte Johnson auch bei der neuen Reifenmischung mit Blasenbildung zu kämpfen.

Clint Bowyer (7.) lieferte unterdessen den Funkspruch des Rennens: „Damn it, the car is just LOOSE LOOSE LOOSE!“ Da war die Intensität bei rund 200 mph schon zu spüren.

Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung (Achtung: Alles PDF-Dateien!).

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