Tony Stewart folgte am Wochenende Brad Keselowski in den „Club der 3 Saisonsiege“, indem er einer total dominierenden Roush-Fenway-Fraktion um Matt Kenseth und Greg Biffle quasi in letzter Sekunde den eigentlich schon sicher geglaubten Erfolg entriss. Den Aufreger der Woche lieferte jedoch abseits der Strecke AJ Allmendinger in Form eines positiven Drogentests.
Wer im Tippspiel sein „Geld“ wie auch ich auf Matt Kenseth und Greg Biffle gesetzt hatte, rieb sich die ersten 120 Runden vermutlich durchgehend die Hände. Die beiden Piloten von Roush-Fenway Racing bestimmten nicht weniger als drei Viertel des Rennens in extrem dominanter Manier, was auf einem Superspeedway wie Daytona ja nun nicht gerade zum Alltag gehört. Doch während das Gespann beim Daytona 500 am Ende über das notwendige Quäntchen Glück verfügte, sah es in der gerade absolvierten Sommer-Ausgabe anders aus: Tony Stewart trat nach der – für das Führungs-Duo unglücklich gefallenen – Gelbphase zu Beginn des letzten Rennviertels eine durchaus würdige Nachfolge an, da er sich zuvor vom Ende des Feldes nach vorne arbeiten musste.
Smoke ging nämlich nur von Startplatz 42 ins Rennen, weil NASCAR ihm aufgrund eines illegalen Kühlschlauchs die Qualifying-Zeit aberkannte. Ja gut, bei einem Restrictor-Plate-Rennen ist ein Start von ganz hinten natürlich kein Beinbruch und so war Stewart auch bereits vor Rennhälfte in den Top10 angelangt. Bis zur Halbzeitmarke in Umlauf 80 passierte dann erstmal gar nichts und „BiffSeth“ drehte vorne boxenstoppbereinigt sowie unangefochten seine Runden.
Erste Bewegung brachte dann der kurzfristig einberufene Allmendinger-Ersatzmann Sam Hornish Jr (33.) ins Spiel, der sich mit einem geplatzten Reifen in einen Dreher verabschiedete – pünktlich zum Ende des Fuelruns von gut 40 Runden. (Zur Allmendinger-Sache komme ich später in diesem Artikel noch!) Nur zehn Umläufe später gerieten Kurt Busch (35.) und Trevor Bayne (27.) aneinander und sorgten für ein wenig Chaos bei nachfolgenden Fahrern wie Bobby Labonte (10.) sowie Denny Hamlin (25.). Letzterer setzte mit dem Frontsplitter auf dem Apron auf und sorgte dabei für einen sehenswerten Funkenflug.
Bis zum Beginn des letzten Rennviertels blieb es aber ansonsten ungewöhnlich ruhig, nur Ryan Newman (5.) unterlag beim Flipper in der Boxengasse während der ersten Caution und wurde durch Kontakte mit Jeff Gordon (12.) sowie Kasey Kahne (7.) unglücklich in den gerade sehr belebten Pitstall von Brad Keselowski (8.) gedreht. Die #2 fing zum Glück Schlimmeres ab und auch der NASCAR-Offizielle brachte sich mit einem beherzten Sprung über die Boxenmauer in Sicherheit. Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken, dass dort ansonsten eher diese unbeweglichen 200-Kilo-Monster im weißen Overall stehen.
Die finale Phase wurde in Runde 125 eingeleitet, als etwas weiter hinten im Feld Jimmie Johnson (36.) die Luft vom Heckspoiler genommen wurde, was sein Rennen mit einem harten Einschlag in der inneren Mauer auf der Frontstretch schlagartig beendete. Immerhin kam er dieses Mal anders als noch beim Daytona 500 zu Saisonbeginn wenigstens weiter als nur zwei Runden. In Folge der Kettenreaktion kamen auch die Wagen von Regan Smith (34.), Joey Logano (4.) und Michael Waltrip (9.) zu Schaden, außerdem torpedierte Bill Elliott (37.) ziemlich rabiat einen wohl sehr überraschten Jeff Gordon.
Wirklich gleichzeitig und in Sekundenbruchteilen ereignete sich an der Spitze des Feldes die wohl mit-rennentscheidende Szene, da die Führenden Matt Kenseth und Greg Biffle sowie weitere Fahrer gerade in diesem Moment zum folgerichtig letzten Pitstop kommen wollten. Bevor jedoch auch nur ein Auto die Commitment-Cone passieren konnte, flackerte bereits das rote Sperrlicht am Eingang der Boxengasse. Bei Kenseth erkannte man die Situation richtig und ließ den Fahrer nicht anhalten, während sich Biffles Crew-Chief für einen – jetzt natürlich illegalen – Stopp entschied. Das Resultat: Zum einen musste die #16 zur Strafe ans Ende der Führungsrunde zurück und zum anderen verlor auch die #17 viel Track-Position, da bei der Anfahrt zur Pitcrew natürlich schon etliche Fahrzeuge unter Rennspeed am dominanten Duo vorbeigezogen waren.
Als lachender Dritter übernahm jetzt erstmals Tony Stewart zum Restart die Führung gefolgt von Kyle Busch (24.), Brad Keselowski, Denny Hamlin und Kasey Kahne. Die Freude hielt jedoch nur wenige Runden, denn in Umlauf 144 verlor Keselowski seinen bereits arg ondulierten Dodge in Turn 2 aus der Kontrolle und drehte sich auf der Gegengerade glücklicherweise ohne Mauereinschlag, was Caution #4 auslöste.
Nach dem Restart in Runde 148 dauerte es nur drei Umläufe bis „BiffSeth“ erneut zu Stelle war, auf der Außenbahn innerhalb kürzester Zeit den selbst eingebrockten Rückstand wettmachen konnte und gegen Smoke zum Angriff blies! Direkt nach dem Überholmanöver an der Spitze des Feldes geriet jedoch plötzlich Denny Hamlin in Schwierigkeiten, als er nach einem Push von Kasey Kahne auf die untere Spur wechseln wollte. Dort schloss ausgerechnet Teamkollege Kyle Busch ähnlich schnell auf und schickte die #11 in einen Dreher. Der folgende Big-One nahm viele Fahrer aus dem Rennen, insgesamt waren 14 Wagen involviert, neben den bereits erwähnten unter anderem noch Jeff Gordon, Trevor Bayne, David Gilliland (31.), Juan Pablo Montoya (28.), Marcos Ambrose (30.), Dave Blaney (22.) und Clint Bowyer (29.).
Die Aufräumarbeiten waren allerdings ungewöhnlich schnell erledigt, so dass NASCAR auf eine Green-White-Checkered-Verlängerung gerade eben verzichten konnte. Bei noch zwei zu fahrenden Runden präsentierte sich die Ausgangssituation für den Finalsprint folgendermaßen: Auf der Innenseite arbeiteten Matt Kenseth und Greg Biffle wie schon den gesamten Abend über eng zusammen und traten zum gemeinsamen Kampf gegen Tony Stewart an, welcher seinerseits auf der Außenbahn durch Kasey Kahne unterstützt wurde. Einen Umlauf später geriet das drittplatzierte Tandem aus Kevin Harvick (23.) und Jeff Burton (2.) in Schwierigkeiten, was seine Dynamik bis an die Spitze entfaltete.
Kahne musste den Kontakt zu Stewart abreißen lassen, um nicht von Burton abgeräumt zu werden. Smoke brachte gleichzeitig mit einem Sidedraft Biffle und Kenseth auseinander, was bei Letzterem zu einer völligen Neubewertung der Situation führte – dazu eine kurze Rückblende: Im Daytona 500 gewann „BiffSeth“ das Rennen, während in Talladega die beiden Teamkollegen jedoch ebenfalls den Stoßstangen-Kontakt verloren und sich daher Brad Keselowski und Kyle Busch geschlagen geben mussten. Bei der jetzigen Rückkehr nach Daytona wollte Kenseth dann wohl gegen den allein auf weiter Flur zurückgelassenen Stewart auf Nummer sicher gehen und wartete auf den Teamkollegen Biffle. Die #14 jedoch behielt das Momentum und setzte sich direkt vor die beiden Ford-Piloten.
In Turn 3 machte Greg Biffle dann in der Hitze des Gefechts den einen Fehler, welchen man auf Superspeedways besser vermeiden sollte und schob die #17 auf der linken hinteren Fahrzeugseite an. Matt Kenseth wurde kurzzeitig außer Form gebracht und verlor ganz leicht an Geschwindigkeit, was im nachfolgenden Feld quasi einen Ziehharmonika-Effekt auslöste und die Wagen auf eine Breite von drei Spuren aus- bzw. nebeneinander drückte. Das konnte in einer letzten Runde natürlich nicht funktionieren und so wurde Biffle von hinten umgedreht, was den zweiten Big-One auslöste.
Tony Stewart konnte vorne gemeinsam mit Jeff Burton sowie Matt Kenseth entkommen und sich auf den letzten Metern trotz sofort ausgerufener Gelbphase auch aus eigener Kraft gegen die Konkurrenz wehren, während es für Greg Biffle bis auf Rang 21 zurück ging! Der zuletzt eher als Restrictor-Plate-Muffel aufgefallene Smoke feierte nach Las Vegas und Fontana ausgerechnet in Daytona bereits seine dritte Fahrt in die Victory-Lane und zog daher mit Brad Keselowski gleich, welchem der dritte Sieg in der Vorwoche in Kentucky gelang. Stewart dürfte sein Ticket für den Chase damit ebenso sicher gelöst haben wie der Penske-Pilot.
Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung (Achtung: Alles PDF-Dateien!).
Die Übertragung von TNT war überraschend gut, zumindest was die Annehmlichkeit der quasi nicht vorhandenen Werbeunterbrechung anging. In puncto Regie besteht nach wie vor Aufholbedarf bei der zufriedenstellenden Auflösung von Unfallhergängen. Außerdem habe ich das Gefühl, dass Wally Dallenbach und Kyle Petty einfach zu viel spekulieren: Da wird dann lieber erstmal losgelabert, ohne vorher mal nachzudenken oder genauer zu überprüfen. Die Anzahl der TV-Zuschauer entwickelte sich in Daytona übrigens sehr positiv, da man im Vergleich zum Vorjahr gut 150.000 Amerikaner mehr vor den Bildschirm locken konnte (Rating: 3,4 -> 3,8).
Wie zu Beginn des Artikels angekündigt, noch kurz einige Worte zu einer eher unerfreulichen Situation: AJ Allmendinger, der zweite Stammfahrer von Roger Penske, durfte gar nicht erst starten, weil eine im Rahmen des Kentucky-Rennens abgegebene Urinprobe den routinemäßigen NASCAR-Drogentest nicht bestand. Ersetzt wurde er in Daytona durch Sam Hornish Jr, den man in einer Nacht-und-Nebel-Aktion extra einfliegen ließ. Der regelmäßige Nationwide-Pilot des Teams wird vorerst auch in New Hampshire am Steuer der #22 sitzen, während die Lage von Allmendinger nach wie vor unklar ist.
Das weitere Vorgehen: Allmendinger hat nun die Möglichkeit, seine parallel abgegebene B-Probe öffnen und untersuchen zu lassen, muss dies allerdings bis zum Dienstagabend beantragen. Ob es eine kluge Idee ist, sich damit erneut in die Nesseln zu setzen, muss er nach seinem besten Wissen und Gewissen selbst entscheiden. Falls er tatsächlich eine verbotene Substanz konsumiert hat, sollte er sich jetzt dazu bekennen und der NASCAR-Gemeinde einen Schritt entgegengehen. Bei Jeremy Mayfield hat man ja gesehen, wohin es führen kann, unter völligem Realitätsverlust das Ergebnis eines Drogentests zu bestreiten und sogar noch dagegen zu klagen.
Falls er tatsächlich unschuldig ist – und von dieser Vermutung muss man zunächst weiterhin ausgehen – hat er hoffentlich nichts zu befürchten, bei der NASCAR weiß man das aber immer nicht so genau. Leider kam er 2009 während seiner Zeit bei Richard Petty Motorsports schon einmal in Berührung mit dem Gesetz und musste sich wegen einer Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr verantworten, wobei er (nicht nur beim Alkohol ablehnenden Richard Petty) bereits viel Kredit verspielt hat. Hoffen wir erstmal das Beste für AJ Allmendinger, der eigentlich immer als sehr sympathischer Fahrer in Erscheinung getreten ist.