Bei den IndyCars geht es jetzt Schlag auf Schlag: Letzter Rundkurs, letzter Stadtkurs, Finale im Oval. Zum „Tri-nale“-Beginn in Sonoma haben noch 15 Fahrer Titelchancen. Leider gibt es hinter dem Kulissen schon wieder Ärger ums liebe Geld.
Zugegeben: Diese Zahl ist nicht ganz realistisch, und obendrein einer PR-Meldung der Serie entnommen. Rein rechnerisch stimmt es aber. Bis hin zu Marco Andretti auf Platz 15 der Tabelle können alle Piloten noch den Meistertitel erringen. In der Praxis wird es sich wohl zwischen vier Fahrern entscheiden: Will Power, Ryan-Hunter Reay, Helio Castroneves und Scott Dixon liegen nur 28 Punkte voneinander entfernt (für einen Sieg bekommt man 50). Gemeinsam mit den soliden bis spannenden Rennen der letzten Zeit könnte man also vermuten, dass sich nun die ganze Aufmerksamkeit auf das Titelrennen richtet. Das ist aber vielleicht trotzdem nicht der Fall – denn einmal mehr scheinen die Ränkespiele hinter den Kulissen der Serie die Aufmerksamkeit auf die unerfreulicheren Aspekte des IndyCar-Konkurrenzkampfes ziehen. Angeblich wollen nämlich einige Teamchefs CEO Randy Bernard und dem IMS zugleich entmachten, und die Serie selbst kaufen und künftig betreiben.
Doch zunächst zum Rennen am kommenden Wochenende. Das findet am gewohnt schönen Raceway von Sonoma (ehemals Infineon Raceway) statt, und zu gewohnt unschöner Westküstenzeit (grüne Flagge um 22:30 Uhr). Ungewohnt soll dagegen angeblich sein, dass die Zuschauer nach leichten Umbauten an der Strecke jetzt endlich nicht mehr nur die Umgebung der Strecke schön finden werden, sondern auch die Zweikämpfe auf dem Asphalt. Den „traditionellen“ Verlauf der Strecke habe ich ja schon in der Vorschau für die vergangene Saison geschildert, und außerdem hat Kollege Kristian Stooss auch eine seiner wunderbaren Streckenbeschreibungen für die NASCAR der Bahn in Sonoma gewidmet. Weil er dabei netterweise auch ein paar Zeilen zur IndyCar Serie geschreiben hat, kann ich in diesem Artikel also getrost auf eine genauere Beschreibung verzichten, und gleich zu den Umbauten übergehen.
Diese beziehen sich auf lediglich drei Kurven rund um die Strecke. Glaubt man den Aussagen der Fahrer nach den Testfahrten der vergangenen Woche, scheinen sie aber den Charakter des Kurses trotzdem recht deutlich zu verändern. Zunächst gibt es eine neue Kurve 7 (das ist die Kehre, an der die Fahrer ankommen, nachdem sie den ersten „Berg“ nach Start und Ziel einmal hinauf, und dann wieder hinuntergefahren sind). Diese wurde nach bestem Tielke-Vorbild in eine enge 180-Grad Kurve umgewandelt, und soll nun angeblich die beste Überholmöglichkeit des Kurses darstellen. Außerdem gibt es eine kleine Änderung am Layout der Schikane (Turn 9) auf der geschwungenen Gegengerade – das soll einerseits der Sicherheit dienen, und außerdem ein Stop-and-Go Element in den Kurs einbauen, das die Autos wieder etwas stärker zusammenzieht. Schließlich wurde auch die Zielkurve etwas weiter nach hinten (in die Nähe der NASCAR-Variante) verlegt, und mit einem spitzeren Layout versehen. Nach den Tests waren die Piloten zuversichtlich, dass man nun auch hier überholen kann. Ein Video davon gibt es hier – bitte aber nicht zu viel erwarten, es handelt sich leider nicht um große Filmkunst.
Außerdem hat man die Push-to-Pass Regeln abermals geändert. In Mid Ohio gab es erstmals fünf Sekunden Wartezeit von Drücken des Boost-Knopfes bis zum Einsetzen der Zusatz-Power, um das Verteidigen für den Vordermann schwieriger zu machen – was augenscheinlich auch gut funktioniert hat. In Sonoma hat man diese Zeit wegen der kürzeren Geraden auf dreieinhalb Sekunden verkürzt.
Rundkurs-Spezialist Will Power, der dank zweitem Platz in Mid Ohio wieder die Führung in der Meisterschaft übernommen hat, wird sich auch in Sonoma bemühen müssen, diese weiter auszubauen. Denn gemeinsam mit dem Rennen in Baltimore muss der Australier versuchen, sich einen „Ruhepolster“ für das Abschlussrennen in Fontana zu schaffen, wo die hinter ihm liegenden Castroneves und Dixon – und wahrscheinlich auch Hunter-Reay – sich als bessere und erfahrenere Oval-Piloten bessere Chancen ausrechnen dürfen. Schafft er es, vor seinen drei Konkurrenten sowie Simon Pagenaud ins Ziel zu kommen, hat er sich zumindest schon – wie schon in den vergangenen zwei Jahren – die „Mario Andretti Road Course Trophy“ gesichert.
Nach Giorgio Pantanos Gastspiel für Ganassis B-Team in Mid Ohio kehrt der an der Hand verletzte Charlie Kimball in Sonoma wieder ins Cockpit zurück. Auch bei Dragon Racing gibt es eine Rückkehrerin: Neben Sebastien Bourdais wird Katherine Legge erstmals seit dem Wechsel des Teams von Lotus zu Chevrolet ein zweites Auto des Teams bekommen. Außerdem wird Sebastian Saavedra unter dem Banner des AFS-Teams wieder einmal ein Rennen in einem vierten Auto von Andretti Autosport bestreiten.
Gerüchteküche
Eine erstaunliche Meldung hat sich in der vergangenen Woche in IndyCar-Kreisen breitgemacht. Angeblich wollen „4 bis 5“ nicht näher benannte Teamchefs die Serie kaufen, und unter eigenem Management weiterführen. Abgesehen von der Frage, was ein solcher Schritt für die restlichen IndyCar-Teams bedeuten würde, bleibt in der Meldung auch unklar, welche Teamchefs das denn sein sollen. Brennend interessant wäre etwa, ob Teamchef Ed Carpenter (der das ehemalige Vision-Racing-Team seine Stiefvaters Tony George unter seinen Nahmen führt) zu diesem Personenkreis gehört.
Insgesamt sollte man aber mit der Meldung vielleicht etwas vorsichtig umgehen. Dafür spricht auch der Urheber des Gerüchtes, Journalist Robin Miller, der in der Vergangenheit schon mehrfach durch das Lancieren von (meist im Kern richtigen) Geschichten zu Zeitpunkten aufgefallen ist, die für die IndyCar Series zumindest äußerst unpassend waren. So war es etwa auch Miller, der nach dem spannenden und auch quotentechnisch erfolgreichen Indy 500 die Geschichte über einen angeblichen Putschversuch zweier Teamchefs gegen Randy Bernard an die Öffentlichkeit brachte.
Derweil laufen in der (noch?) amtierenden Führungsetage der IndyCars die Planungen für die kommende Saison nun auf Hochtouren – und kommen doch nicht so wirklich vorwärts. Mindestes 19 Saisonrennen möchte Bernard in der Saison 2013 austragen, bis Mitte September soll es einen fertigen Kalender geben. Das Problem: Es ist immer noch völlig unklar, wo die dafür nötigen vier zusätzlichen Austragungsorte herkommen sollen. Umso mehr, als die Antrittsgelder der IndyCar Series sich offenbar weiterhin in einem Bereich bewegen, der für viele Streckenbetreiber nicht machbar ist – und die INDYCAR ihrerseits bei dieser Summe kaum zu Kompromissen bereit ist.
Bei den Ovalrennen ist immer wieder von möglichen Auftritten in Phoenix, Michigan und Pocono die Rede – gleichzeitig gibt es die begründete Sorge, dass das Rennen in Texas künftig wegfallen könnte. Der Texas Motor Speedway hat außerdem kürzlichen den Vertrag verlängert. Die Gespräche mit Phoenix scheinen in letzter Zeit etwas eingeschlafen zu sein. Michigans Streckenpräsident bezifferte die Chancen auf ein IndyCar-Rennen auf seiner Strecke im Jahr 2013 kürzlich mit unter 50 Prozent, deutlich wahrscheinlicher sei aber ein Rennen dann 2014. Bleibt Pocono, das zwar eine reiche IndyCar-Tradition hat, und ersthaft an einem Rennen interessiert scheint – das aber wohl einiges in Umbauten zu Gunsten der Sicherheit investieren müsste, bevor die IndyCars dort ernsthaft einen Lauf veranstalten können.
Auch bei den Rundstrecken sind die Aussichten eher blass: Einziges bisher bestätigtes neues Rennen für 2013 ist ein Lauf im Reliant Park der texanischen Stadt Houston. Möglich ist auch weiterhin ein Rennen auf der neuen Formel 1-Strecke von Austin, Texas – davon war allerdings nach einer Meldung über ein Angebot der Strecke an die IndyCars vor einigen Monaten nichts neues mehr zu hören. Die Pläne für einen Stadtkurs in Fort Lauderdale, Florida scheinen ebenfalls ein wenig eingeschlafen zu sein. Im Zuge der Kanada-Rennen sprach Bernard davon, dass die Serie einen weiteren Lauf nördlich der US-Grenzen abhalten könnte – wo das sein könnte, ist allerdings unklar. Zuletzt war gelegentlich von einem Wiederaufleben des CART-Rennens von Vancouver oder von einem Stadtkurs in Quebec City die Rede. Möglich ist weiterhin auch ein zweites Brasilien-Rennen in der Stadt Porto Alegre. In den vergangenen Woche wurde zudem die Idee an die Öffentlichkeit gebracht, auf dem neu gebauten NOLA Motorsports-Park in der Nähe von New Orleans zu fahren – Bernard schwebt dafür ein Termin im Frühjahr vor, um vom Superbowl-Hype rund um die Stadt zu profitieren. Ob die eigentlich für Motorräder gebaute, enge, und im Übrigen ziemlich kurze Strecke für die IndyCars wirklich geeignet ist, wird von Beobachtern allerdings in Zweifel gezogen.
Großen Ärger gibt es hinter den Kulissen vor allem um die Kosten für einige Ersatzteile des neues Dallara-Chassis, wie die USA Today jüngst aufgedeckt hat. Der DW12 wurde den Teams unter anderem damit schmackhaft gemacht, dass er günstiger sein sollte als der alte Wagen. Was er auch ist – allerdings nur so lange, bis niemand damit an die Wand fährt. Denn Dallara hat mit der INDYCAR einen Vertrag abgeschlossen, der es den Teams nicht erlaubt, Ersatzteile von anderen Anbietern als Dallara zu kaufen. Und die findigen Italiener verlangen dafür angeblich Preise, die teils um ein Mehrfaches über jenen der Konkurrenz liegen. Teambesitzer fordern nun von der INDYCAR und dem dafür zuständigen Brian Barnhart (Ja, genau. Das ist der, der im vergangenen Jahr auch noch als Rennleiter tätig war, und diese Funktion nach heftiger Kritik zu Beginn des Jahres verlassen hat) eine deutliche Kostenreduzierung im Bereich von 40 Prozent. Das wiederum lehnt Dallara aber ab. Man habe für den neuen Wagen große Investitionen geleistet, und müsse daher nun mehr für die Ersatzteile verlangen, um selbst wirtschaftlich überleben zu können.
Klar ist jedenfalls: Geht es mit der Serie, ihren Einschaltquoten und Besuchszahlen so weiter wir bisher, ist wieder einmal Sparen angesagt. Entsprechende Pläne hat die Serie in der vergangenen Woche vorgestellt, man möchte vor allem mit einer Reduzierung der Testtage die Teams ein wenig entlasten.
Auch das Transfer-Karussel dreht sich in der IndyCar Serie bereits ein wenig. So ist nun klar, dass Graham Rahal in der kommenden Saison nicht mehr für Ganassi Racing fahren wird – Beobachter vermuten, dass er nach langem Selbstboycott nun doch in der Team seines Vaters wechseln könnte, was mit Takuma Sato einen potenziellen Top-Piloten mit beträchtlicher Honda-Finanzierung für andere Teams verfügbar machen könnte. Ein Teamwechsel könnte auch Rubens Barrichello bevorstehen. Der Brasilianer will dem Vernehmen nach in ein Honda-Team übersiedeln. Sofern er nicht doch noch das Angebot aus der Formel 1 erhält auf das er nun schon eine Monate lang vergeblich wartet. Endgültige Klarheit über die Cockpit-Besetzungen gibt es bei den IndyCars aber meistens erst gegen Ende der Winterpause.
Zunehmend fix scheinen – mangels anderslautender Verlautbarungen – zwei Ausstiege. Einerseits wird sich Lotus aller Wahrscheinlichkeit nach zum Ende der Saison aus der IndyCar Series zurückziehen. Andererseits macht auch die IndyCar selbst endgültig einen Rückzieher, und wird die für 2013 geplanten unterschiedlichen Aero-Kits nicht in der kommenden Saison einsetzen.
Im TV
…läuft die Serie abermals nicht im deutschsprachigen Raum. Wie alle andere Rennen in dieser Saison muss man also auf Bekannte und Familienmitglieder in den USA zurückgreifen, und sich bei einem Live-Telefonat über den aktuellen Stand des Rennens informieren lassen. Oder aber in den Tiefen des Internets nach einer komfortableren, aber nicht ganz offiziellen Lösung fahnden. Besserung könnte 2013 in Sicht sein, wenn man Andeutungen der beiden Motorvision-Kommentatoren Lenz Leberkern und Stefan Heinrich im Rahmen der NASCAR-Übertragung aus Watkins Glen glauben darf. Schön wäre es jedefalls.
In den USA werden alle drei verbleibenden Rennen dieses Jahres auf NBC Sports übertragen, was zwar weiterhin nicht auf besondere Einschaltquoten, aber zumindest auf eine brauchbare Qualität hoffen lässt. In der Nacht von Samstag auf Sonntag gibt es um 0:00 Uhr das Qualifying (live), am Sonntag ab 22:00 Uhr startet die Übertragung des Rennens (Green gegen 22:30 Uhr).