Rebellion hat endlich einen Sieg in einem großen Rennen, der Delta Wing und Extreme Speed Motorsports überraschten positiv.
Ein Klassiker war das 15. Petit Le Mans nicht gerade, aber trotz der Abwesenheit jeglicher Werks-Prototypen war es ein über weite Strecken recht unterhaltsames Rennen, was wie so oft in der American Le Mans Series vor allem dem Kampf in der GT-Klasse zu verdanken war, der auch durch die insgesamt sieben Cautions (es gab schon Petit Le Mans mit deutlich mehr Unterbrechungen, sodass dieses recht flüssig war) lange eng blieb. Leider fiel die Entscheidung an der Spitze schon nach einer Stunde zugunsten von Rebellion Racing mit Neil Jani, Andrea Belicchi und Nicolas Prost, doch immerhin blieb es in der GT-Klasse lange spannend. Das LMP2-Rennen schien lange spannend, bis Conquest Racing durch eigene Fehler erst den Sieg und nach dem Rennen auch noch den zweiten Platz verlor.
Der Rennverlauf in der LMP1 ist schnell erzählt: Anfangs setzten sich der Rebellion-Toyota und der Muscle Milk-HPD schnell vom Rest des Feldes ab und schnitten sich bald gemeinsam einen Weg durch den Verkehr. Dann wagte Lucas Luhr ein sehr optimistisches Überrundungsmanöver innen in Turn 1 gegen den GTC-Porsche von Green Hornet, der in der Mitte der Fahrbahn fuhr, da sich neben ihm noch ein anderes Fahrzeug befand. Luhr drehte sich und schlug in die Mauer ein und war entsprechend wütend, doch meiner Ansicht nach ist er nicht schuldlos an diesem Zwischenfall. Gerade in der frühen Rennphase, nach ca. einer Stunde und wenn der direkte Konkurrent in der Meisterschaft bereits weit zurück liegt, muss er etwas mehr Geduld walten lassen.
Die Meisterschaft konnte Muscle Milk jedoch retten, da die Vorderradaufhängung rechtzeitig repariert werden konnte, um die notwendigen 70% der Distanz des Siegers zu absolvieren. Das Rennen war danach jedoch gegessen, da keiner der Dysons jemals schnell genug war und die #16 mit Dyson/Smith auch Probleme mit der Elektrik bzw. dem Gaspedal hatten. Jani/Prost/Belicchi siegten überzeugend und ohne Probleme. Nach dem Privatiers-Titel in der WEC hat sich das Schweizer Team nun auch endlich einen Sieg in einem großen Rennen gesichert.
In der LMP2 ging es dramatischer zu, leider aber nicht im positiven Sinne: Lange stritten sich die US-Teams Level 5 und Conquest Racing um die Verteilung der Podiumsplätze und Conquest schien am Ende die Nase vorn zu haben – bis Martin Plowman mit einem schleichenden Plattfuß in der Schikane durchs Gras rodelte. Er kam sofort zum Reifenwechsel und vor dem #95-HPD wieder zurück auf die Strecke. Doch Plowman hatte das Tempolimit in der Boxengasse überschritten und die folgende Strafe warf in auf Rang 2 zurück. Das jedoch war am Ende eh hinfällig, denn der Conquest-Morgan-Nissan wurde disqualifiziert, weil er gegen die Vorschrift, dass ein Fahrer innerhalb von 6 Stunden maximal 4 Stunden am Steuer sitzen darf, verstoßen hatte. Scott Tucker und sein Level 5-Team räumen somit sämtliche Titel in der Klasse ab.
Die Gaststarter aus der ELMS taten sich im Rennen etwas schwerer. Eventuell fehlte ihnen die Erfahrung auf der Strecke, doch das sollte genauso für Conquest gelten… zumindest konnte keines der europäischen Teams wirklich mit Level 5 und Conquest mithalten. Murphy Prototypes schien auf einem guten Weg, bestes ELMS-Team zu werden, bis Warren Hughes nach einer Gelbphase einen Ausritt in Turn 1 hatte und in der letzten Rennstunde zudem technische Probleme am Oreca-Nissan auftraten. Ein Erfolg blieb dem irischen Team mit dem schneller Brendon Hartley also leider in der Debütsaison verwehrt, auch in Le Mans schieden sie bereits in Führung liegend mit Defekt aus.
So kam am Ende wieder einmal Thiriet by TDS Racing als erstes ELMS-Auto ins Ziel (Gesamtrang 6, LMP2-Rang 4, die Abstände sind dank Wave-bys am Ende enger gewesen, als das Rennen eigentlich war) und sicherte sich auch verdientermaßen den Titel in der Team- und der Fahrerwertung der European Le Mans Series, die im kommenden Jahr mit verändertem Konzept einen Neustart versuchen wird: Zwar behält man die Klassenstruktur mit der LMP2 als Top-Kategorie bei, jedoch werden in Zukunft Dreistunden-Rennen gefahren, und zwar dreimal zusammen mit der World Series by Renault (Hungaroring, Red Bull Ring, Paul Ricard), einmal mit der WEC (Silverstone) und einmal mit der französischen FFSA GT Tour (Imola). Das klingt allemal erfolgversprechender als der Versuch, eine schwächelnde Serie als Headliner antreten zu lassen und wird sich hoffentlich als richtiger Schritt erweisen. Die Serie wird allerdings auch dringend einige GTE-Teams benötigen, sonst sieht das Feld wieder düster aus.
Eine positive Überraschung in diesem Rennen war der Delta Wing. Ohne jegliches Problem, ohne auch nur einen verlängerten Boxenaufenthalt konnte der von Highcroft Racing und Nissan betreute Leichtbau-Wagen beim zweiten Versuch ein Ausdauerrennen beenden. Offiziell werden Jeanette/Ordonez, die das „Batmobil“ über die Distanz sicher pilotierten, auf Gesamtrang 5 gewertet.
Der Argumentation von John Hindhaugh, dass dieser fünfte Platz dem Delta Wing nicht zustünde (ebenso wenig wie es ein eventuelles Podium getan hätte), weil er nicht am Rennen teilgenommen habe, kann ich nicht folgen. Zwar ist er als „unclassified“ gemeldet, doch ist das meiner Meinung nach eher als „kann nicht in eine der Klassen eingeordnet werden“ zu verstehen denn als „wird nicht im Rennen gewertet“, wie es Hindhaugh sieht. Selbstverständlich hat der Delta Wing keine gleichwertigen Gegner, gegen die er verglichen werden kann, doch auch bei anderen Gelegenheiten werden Einladungs-Fahrzeuge und Einzelstarter normal im Gesamtklassement gewertet. Auch, dass der Wagen in den offiziellen ALMS-Dokumenten auf Platz 5 gewertet wird und nicht als ranglose Randnotiz am Ende des Klassements, spricht dafür.
Da dies aber sowieso nur für den Fall eines Top3-Finishes interessant gewesen wäre, kann die Frage nicht abschließend beantwortet werden. Was aber allemal klar geworden ist, ist das Potential des Delta Wings: er fuhr über die gesamte Distanz Rundenzeiten, die nur einige Zehntel langsamer waren als die LMP2-Frontrunner, benötigte aber mit dem etwa halb so großen Tank nur ebenso viele Boxenstopps. Das Ziel, mit halber Leistung und halbem Verbrauch ein ähnliches Ergebnis zustande zu bringen, wurde also eindrucksvoll erreicht.
Wo ich aber ganz bei Hindhaugh bin, das ist der Wunsch nach einer – wie er es nennt – „Voiturette“-Klasse, in der Fahrzeuge bis 500kg starten dürfen. Leichtbau ist in der näheren Zukunft ein entscheidendes Thema in der Automobilindustrie und vermutlich die am einfachsten zu verwirklichende „grüne“ Technologie. Es würde sich sicherlich der ein oder andere Wettbewerber für Nissan finden, der einen getunten Serienmotor mit 1-2l Hubraum in einer solcher Klasse einsetzen würde. Doch für den großen Reglementswechsel 2014 ist leider nur eine Verringerung des LMP1-Mindestgewichts auf 850kg vorgesehen, hier wurde eine große Chance verpasst…
In der GTE-Pro war das Rennen vor allem zwischen den beiden Corvettes, dem #55-BMW und dem #01-Extreme Speed-Ferrari lange spannend, auch wenn zwischenzeitlich sogar eine der SRT Viper kurz führte. Dann verabschiedete sich die Corvette mit der #4 für einige Zeit hinter die Boxenmauer und der BMW bekam eine sehr harte Strafe, da für einen kurzen Moment der Wagen gleichzeitig zum Reifenwechsel aufgebockt war und betankt wurde – doch leider muss diese Linie gezogen werden, wenn man die Regel durchsetzen will, dass während des Betankens nicht am Auto gearbeitet wird…
So blieben im Kampf um die Spitze der ESM-Ferrari und die #3-Corvette von Magnussen/Garcia/Taylor, die einen Stop mehr einlegen musste. Da der F458 nach der Balance of Performance der ALMS anders als in der WEC weiterhin einen Tank mit Standard-Fassungsvermögen verwenden darf, konnte der dank Direkteinspritzung verbraucheffiziente Wagen diesen Vorteil ausspielen und so das Rennen trotz Spritsparmodus am Ende mit 40 Sekunden Vorsprung gewinnen – ein toller Erfolg für das Extreme Speed Motorsports-Team von Scott Sharp, die damit in der zweiten Hälfte der Saison 2012 endlich den Durchbruch geschafft haben.
Sharp/van Overbeek haben sich sogar mit ihrem zweiten Saisonsieg noch auf Rang 2 der Fahrerwertung nach vorn gekämpft, hinter dem Meister-Duo Oliver Gavin/Tommy Milner. Auch der Rennsieg in der Effizienwertung Green Challenge ging an Extreme Speed Motorsports, den Titel hat sich jedoch auch hier Corvette Racing erkämpft, die Vorreiter in der Nutzung des aus Holzabfällen hergestellten E85 waren, das nun allerdings die meisten GT-Teams einsetzen.
In der nur für die ELMS relevanten GTE-Am siegten Pons/Narac/Armindo im IMSA Performance Matmut-Porsche und sicherten damit ihren Meisterschaftstitel ab; der AF Corse-Ferrari als einziger Konkurrent war mehrfach in Zwischenfälle verwickelt und schaffte es nicht ins Ziel.
Die Prototype Challenge-Kategorie wurde wieder einmal von CORE Autosport dominiert, Popow/Dalziel/Wilkins siegten mit über zwei Runden Vorsprung als Gesamt-Sechste, drei Runden hinter dem Delta Wing.
Länger spannend war es in der GT Challenge, jedoch war auch hier am Ende der Sieg für Cisneros/Farnbacher/Giermaziak für NGT Motorsport mehr als deutlich. Bis in die Dunkelheit hinein hatten sie mit dem Alex Job Racing-Porsche von MacNeil/Keen/von Moltke um die Spitze gekämpft, bis Keen schließlich die Schikane verpasste und Giermaziak vorbeiziehen konnte. Der AJR-Porsche geriet jedoch wenige Runden vor Schluss in noch größere Probleme, Keen musste den Wagen ohne Vortrieb abstellen, sie wurden jedoch noch auf Rang 5 gewertet. Platz 2 ging so mit fünf Runden Rückstand an Di Guida/Pumpelly/Canache für TRG, die Meisterschafts-Titel waren jedoch AJR und Cooper MacNeil schon vor dem Start sicher.
Die vorletzte ALMS-Saison ist damit beendet, der Counter auf der Webseite zählt schon zum Saisonstart 2013 herunter: „nur“ 114 Tage sind es bis zur 61. Ausgabe der 12 Stunden von Sebring! Rebellion Racing muss allerdings schon am nächsten Wochenende wieder zur Arbeit antreten, wenn die World Endurance Championship ihr Saisonfinale in Shanghai absolviert.
3 Kommentare
War es beim an der Box aufgebockten BMW beim letzten Stopp wirklich die Schuld vom Fahrer, dass die Bodenklappen aus dem Boden gingen? Der Deutsche Kommentator auf Motors TV Jan Lüdecke meinte dies. Ich dachte eigentlich dass das Team diese Technologie steuern kann. Wie sieht es denn da genau aus?
@ Paytv h3:
Das Aufbocken wird nicht vom Fahrer gesteuert, da hat sich der Kommentator vertan. Das System zum Anheben des Wagens ist pneumatisch und wird dadurch ausgelöst, dass von einem der Mechaniker eine Druckluftlanze in die entsprechende Öffnung gesteckt und nach dem Reifenwechsel wieder rausgezogen wird. Man kann das z.B. in diesem Video (bei 0:32 und 0:41) recht gut erkennen: http://www.youtube.com/watch?v=rKBdW6FMkJc
Danke für die Info!
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