„4 to go“ heißt das Motto am Wochenende, wenn der Chase auf dem Martinsville Speedway tief in seine zweite Hälfte eintaucht. Langsam aber sicher dünnt sich das Aspirantenfeld aus und der Shorttrack könnte am Sonntag für ein weiteres Favoritensterben sorgen. Zwar gibt es keinen neuen Asphalt wie in Kansas, aber den braucht man bei dem Ausmaß an „Beatin‘ & Bangin‘“ auch nicht, um Unruhe in ein Rennen zu bringen.
Der Martinsville Speedway ist mit seinen 847 m die kürzeste Strecke im Cup-Kalender noch vor Bristol und bei einer Wagenlänge von 5,23 m pro CoT kann man sich plastisch vorstellen, dass nicht viel Platz auf dem Shorttrack sein wird. Gut ein Viertel des „Supermarktparkplatzes mit 2 Pylonen“ ist somit durchgehend unter heißen Reifen, wenn man mal den Sicherheitsabstand vernachlässigt – und den hält auf einem Halbmeiler sowieso niemand ein. Auch wenn die Wagen Seite an Seite durch die nur mit 12° Banking ausgestatteten U-Turns düsen, passt zwischen die beiden Fahrspuren mit Glück noch ein Blatt Papier. Die innere Lane ist dabei kriegsentscheidend, denn außenherum kann man quasi nicht oder nur sehr schwer überholen. Wer im dichten Gedränge an der mauernden Konkurrenz vorbei will, der hat nur zwei Möglichkeiten:
Einerseits kann man die äußerst wichtige Track-Position an der Boxengasse gewinnen, allerdings benötigt man dazu eine perfekt agierende Crew und gerade im Meisterschaftskampf sind alle noch viel angespannter als ohnehin schon. Da könnte es dann auch passieren, dass man bei Hendrick Motorsports wieder während des Rennens die Mannschaften austauscht, ein Fahrer in der engen Pitlane seinen Parkplatz verpasst bzw. nicht anfahren kann oder einige Speeding-Strafen vergeben werden. Dann kommt noch dazu, dass die NASCAR ja auch immer so ihre Problemchen mit der Positionierung der Timing-Lines unter der Boxengassen-Fahrbahn hat, um Geschwindigkeitssünder juristisch einwandfrei überführen zu können.
Andererseits besteht die Möglichkeit, durch – zwar rabiate, aber erlaubte und durchaus übliche – Fahrweise den Gegner aus dem Weg zu schieben, „Bump & Run“ nennt sich das Ganze dann. Bremst ein Fahrer einfach etwas später als der vor ihm fahrende Pilot kann er dessen Wagen mit der Masse seines Boliden kurzerhand nervös machen und somit auf die obere Spur verbannen, wo dieser dann sein Fahrzeug wieder unter Kontrolle bekommen muss. Die Jungs aus den guten alten Tagen waren berühmt für sowas, niemand wollte in Martinsville in den letzten Runden z. B. eine schwarze #3 in seinem Rückspiegel sehen. Doch auch im vergangenen Jahr zeigten Matt Kenseth und vor allem Brian Vickers, dass heutzutage ebenfalls noch sehr verbissen gefahren wird.
Apropos später bremsen: Die Verzögerungsvorrichtung sollte man in der ersten Hälfte des Rennens möglichst zaghaft verwenden, weil das Material unglücklicherweise nicht auf 500 Runden unter voller Beanspruchung ausgelegt ist. Das gibt den Rennen in Martinsville eine gewisse Dynamik, deren Takt im Finale dann ganz besonders zunimmt, weil alle das volle Rest-Potenzial abrufen. Wer jedoch von hinten starten muss und somit früh beim Ausbremsen der Kontrahenten auf dem Weg nach vorne die Beläge aufgeraucht hat, der ist am Ende möglicherweise die sprichwörtliche „sitzende Ente“. Außerdem ist nichts blöder, als wenn dir plötzlich bei über 250 km/h das Bremspedal aufs Bodenblech fällt. Dann kannst du nur noch den Schumacher machen und den Gegner als Prellbock nutzen.
Einen Strich durch die Spannungs-Rechnung kann dann eigentlich nur noch der allseits beliebte Goodyear-Holzreifen machen, aber hoffen wir mal, dass die Strecke das irgendwie ausgleichen kann. In der Meisterschaft steckt aber so auch schon eine Menge Aufregung, geht es doch langsam aber sicher in Richtung Homestead und Saisonfinale. Ganz vorne in der Tabelle balgt sich dabei das Trio bestehend aus Brad Keselowski, Jimmie Johnson (-7) und Denny Hamlin (-20) und der Spitzenreiter sollte durchaus Angst bekommen, wenn er sich die Martinsville-Statistik der beiden Konkurrenten anschaut:
Zwischen Ende 2006 und 2010 haben Jimmie Johnson (5) und Denny Hamlin (4) neun Ausgaben in Folge nur unter sich aufgeteilt. Danach riss die Serie ab und es reichte in den letzten drei Martinsville-Rennen gerade mal zu jeweils einem Top5-Ergebnis, die Strecke ist also nicht mehr das unangefochtene Wohnzimmer von Lokalmatador und Kalifornier.
Brad Keselowski kann da mit seinen 2 Top10-Resultaten aus 5 Ausgaben nicht gegenanstinken. Bei ihm muss man aber fairerweise sagen, dass diese Saison seine ausnahmslos beste im Sprint Cup ist. Die komplette zweite Saisonhälfte bzw. schon ab Rennen #16 in Sonoma beendete er mit einer Ausnahme in den Top12, dabei fuhr er in diesen 17 Meisterschaftsläufen auch nur 3 Mal nicht in die Top9 – so werden Titelträger geboren!
Hinter diesem Trio hat sich Clint Bowyer (-25) wieder herangerobbt und wartet nur darauf, ihnen die Show zu stehlen. Dieses Jahr konnte er für Michael Waltrip schon sagenhafte 3 Mal in die Victory-Lane fahren und besitzt bei seinem Rückstand noch durchaus gute Chancen auf die Meisterschaft. Ich bin mal gespannt, ob er in Martinsville seine maue Top5-Quote (1 aus 13 Rennen) aus alten Tagen ein wenig aufpolieren kann.
Kasey Kahne (-30) liegt derzeit auf Platz 5 in der Fahrerwertung, doch ich denke, dass er sich schon an diesem Wochenende aus der Entscheidung verabschieden wird. Martinsville ist einfach nicht seine Strecke, denn aus 17 Starts resultierten für Kahne nur mickrige 2 Top12-Ergebnisse. Vielleicht kann er seinen Top10-Run nach Charlotte und Kansas ja in die dritte Woche retten, das wäre für ihn dann schon eine gute Leistung auf diesem Shorttrack.
Aber Achtung: Mit einem Auge sollte man an diesem Wochenende auch auf Jeff Gordon schielen, da Martinsville eine seiner bekannten Top5-Rennstrecken darstellt. Seit 2005 fuhr Gordon seine #24 nämlich nur 2 Mal in den 15 Rennen nicht in die Top5! Das macht ihn zu einer guten Option für das Tippspiel, wobei man aber nicht unbedingt auf einen Sieg wetten sollte, der gelang Gordon in dieser Zeit nämlich nur 2 Mal.
Eine Ford-Strecke ist Martinsville übrigens nicht, denn der letzte Ausflug dieses Herstellers in die Victory-Lane liegt schon einige Jahre zurück. Man muss mit dem DeLorean tatsächlich bis in die Saison 2002 reisen, um dort Kurt Busch für Jack Roush siegen zu sehen. Seit 2003 heimste stattdessen Chevrolet das Gros aller Erfolge ein, denn die Marke stand nicht weniger als 14 Mal ganz oben auf dem Siegerpodest. Betrachtet man dazu, dass es in Martinsville seit 2003 „nur“ 19 Rennen gab, überwältigt einen das schon. Toyota (4) und Dodge (1) teilten sich unterdessen die restlichen Siege auf.
Was ist sonst noch so zu erwähnen? Richtig, Dale Earnhardt Jr fährt wieder mit, nachdem er seine Gehirnerschütterung hoffentlich vollständig auskurieren konnte. Sein Ersatzmann Regan Smith kommt an diesem Wochenende leider nicht zum Einsatz, da man sich bei Phoenix Racing schon vor der ärztlichen Freigabe von Junior auf einen Fahrer festlegen musste. Da fiel die Wahl natürlich auf den überragenden AJ Allmendinger, welcher zuletzt auf Rang 6 liegend unglücklich ausschied. Für Smith gibt es dennoch ein Happyend:
Für die letzten beiden Saisonrennen in Phoenix und Homestead wird er in der #51 platznehmen, was damit allerdings Allmendinger nach Texas arbeitslos macht. Die nächste Saison wird für Regan Smith sicherlich eine ganz besondere, denn 2013 pilotiert er in der Nationwide Series die #5 von JR Motorsports – offensichtlich hat er bei Junior einen guten Eindruck hinterlassen, was mich sehr für ihn freut. Bleibt nur noch die Frage, wo wir AJ Allmendinger im nächsten Jahr sehen oder einen Brian Vickers, den man derzeit schon als Nachfolger von Aric Almirola bei Richard Petty Motorsports gerüchtet. Abwarten und Tee trinken heißt es da, denn die Silly-Season hält mit Sicherheit noch einige Überraschungen bereit.
Zum Abschluss folgen an dieser Stelle wie gewohnt noch die Links (PDF) zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie die Entry-List und ein Zeitplan für das TV-Programm vom Wochenende:
Bevor ich es vergesse: In Deutschland werden in der Nacht von Samstag auf Sonntag die Uhren eine Stunde zurückgestellt, in den USA allerdings erst eine Woche später. Als Folge ergibt sich für das Rennen (nur das Rennen, nicht das Rahmenprogramm) in Martinsville und das Rahmenprogramm von Texas eine Zeitdifferenz von nur fünf Stunden. Das Rennen aus Texas erreicht uns dann wieder mit dem üblichen Abstand von sechs Stunden. Die Zeitumstellung ist in der nachstehenden Auflistung bereits berücksichtigt und zudem fett markiert.
Freitag, 26.10.
17:00 Uhr, Truck Series Practice, SPEED
18:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
20:00 Uhr, Truck Series Final Practice, SPEED
21:30 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, SPEED
Samstag, 27.10.
15:30 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
16:30 Uhr, Truck Series Qualifying, SPEED
18:00 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, SPEED
19:30 Uhr, Truck Series Rennen (Kroger 200), SPEED / RaceBuddy
Sonntag, 28.10.
18:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Tums Fast Relief 500), Motorvision TV / ESPN / RaceBuddy