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NASCAR: Analyse Daytona 500 2013

von KristianStooss
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Dieses Daytona 500 war vielleicht nicht das beste, welches wir in den letzten Jahren gesehen haben, doch es wusste ganz sicher seine eigene Geschichte zu erzählen. Nach dem schlimmen Unfall vom Samstag gingen alle Fahrer lieber auf Nummer sicher und riskierten so wenig wie möglich, trotzdem blieb es bis zum Ende spannend. Schauen wir uns an, warum!

Daytona 500 2013Im Vorfeld des Daytona 500 wartete die NASCAR mit einem neuen Wagen auf, der wieder Schwung in das Feld bringen sollte. Das sogenannte Gen6 zeigte dann neben seiner Schokoladenseite auch schnell, dass auf den Superspeedways wieder Pack-Racing angesagt ist. Zudem lenkte Danica Patrick mit ihrer Pole-Position für das „Great American Race“ auch außerhalb der USA viel willkommene Aufmerksamkeit zum Stock-Car-Racing herüber. Man hatte eine tolle Story für das größte Rennen des Jahres, die Fans waren zufrieden und die Fahrer ebenso. Aufgrund eines schlimmen Unfalls am Samstag änderte sich der Lauf der Dinge dann leider. Vermutlich hätten wir ohne die Vorkommnisse im Nationwide-Rennen ein ganz anderes Daytona 500 gesehen. Bevor wir uns aber damit beschäftigen können, muss ich zunächst mit der teilweise beschissenen – ich bitte um Entschuldigung für meine Wortwahl – Berichterstattung in den deutschen Medien abrechnen.

Kurz zum Hintergrund: Das ansonsten grandiose Zweitliga-Event ging mit einem ziemlich unerfreulichen Knall zu Ende. Der Wagen von Kyle Larson wurde in den Fangzaun geschleudert und schlug ausgerechnet mit der Frontpartie voran in einer Schwachstelle ein. Der Motorblock und ein Teil der Vorderachse verfingen sich dort im Zaun, wo sonst während der Rennpausen das Trioval per Treppe für die Fans zugänglich gemacht werden kann. Der andere Part der Frontaufhängung landete im hohen Bogen inmitten der Zuschauerränge und verletzte dort zwei Menschen schwer, welche allerdings Gott sei Dank außer Lebensgefahr sind.

Diesen Vorfall nahmen dann einige deutsche „Journalisten“ zum Anlass, ihre „Fachkenntnis“ im Bereich des amerikanischen Motorsports ausgiebig zur Schau zu stellen, nachdem sie schon im Rahmen der Danica-Mania damit „glänzen“ konnten. Geradezu sensationslüstern überschlug man sich bei einigen Publikationen ähnlich häufig wie der Wagen von Kyle Larson, als es darum ging, ungeprüfte und nicht korrekte Opferzahlen zu veröffentlichen – Hauptsache es klingt/ist reißerisch genug. Die BILD schlug dann gestern Abend NACH dem Daytona 500 dem Fass den Boden aus und wärmte die Geschichte vom Samstag erneut auf, um am Ende des „Artikels“ in knappen zwei Sätzen den Sieger Jimmie Johnson und das Ergebnis von „Bleifuß-Königin“ Danica Patrick unterzubringen. Hier wurden die Absichten und Prioritäten dieser sogenannten „Journaille“ klar erkenntlich.

Welch eine Schande für den Journalismus, der sich heutzutage zudem leider sehr selten abseits der vorgefertigten Agenturmeldungen aufhält und sich damit nur noch zu einem geringen Prozentsatz von den selbst gerügten Copy-&-Paste-Politikern unterscheidet. Immerhin hat man in den Redaktionen noch den Anstand, die entsprechende Agentur als Quelle unter den Text zu setzen. Ich hoffe, ihr könnt nachvollziehen, warum ich kurz etwas abgeschweift bin. Eigentlich sollte ich das ja ignorieren – was mir bei dieser peinlichen Danica-Mania-Kopie auch ganz gut gelang – aber manchmal wird es einfach zu viel! Also zurück zum eigentlichen Thema:

Das Daytona 500 blieb ein überwiegend ruhiges Rennen, vermutlich weil der Schock vom Samstag noch zu tief im Gedächtnis der Piloten saß und man auf keinen Fall ein ähnliches Ereignis provozieren wollte. Spannung war über längere Zeit daher nur latent vorhanden – man wusste eigentlich nur, dass es irgendwann zur Sache gehen musste. Die Periode bis zum Eintreten dieser Situation überbrückten die Fahrer mit Single-File-Racing. Zu den Restarts versuchte man immer mal kurz, was auf zwei oder drei Reihen nebeneinander ging, um sich dann aber recht schnell wieder in die Perlenschnur-Formation zu begeben.

Obwohl man versuchte, sich ruhig zu verhalten, kam es dennoch zu ungünstigen Situationen im Feld: In Runde 34 schob Kyle Busch ausgangs des Triovals Kasey Kahne (36.) leicht links versetzt an. Dies musste aufgrund der ungünstigen Luftströmung natürlich zu einem wilden Ritt der #5 führen. Weil es in direkter Folge dahinter zu Unruhe im Feld kam, gerieten auch weitere Piloten aneinander und so war das Daytona 500 für Kevin Harvick (42.), Tony Stewart (41.) und Juan Pablo Montoya (39.) sehr früh gelaufen. Kurios: Smoke legte in der Garage dann selbst Hand an die Flex und half dabei mit, seinen Wagen später wieder auf die Strecke zu bringen. An einer desaströsen Platzierung führte aber – wie beim ebenfalls zurückgekehrten Montoya – kein Weg vorbei.

Der zweite Big-One ereignete sich kurz vor Beginn des letzten Rennviertels in Runde 139, als Trevor Bayne (27.) im Hinterfeld einen Ziehharmonika-Effekt zu spät bemerkte und Brad Keselowski auf eine Umlaufbahn schickte. Carl Edwards (33.) konnte zwar noch bremsen, aber Bayne nicht mehr ausweichen, erlebte seinen fünften Crash während der Speedweeks und war anschließend verständlicherweise ziemlich geknickt. Bayne und Edwards drehten sich in die Mauer und nahmen dabei unter anderem noch die gesamte Truppe von Front Row Motorsports aus dem Rennen. Keselowski konnte dagegen weiterhin auf sein Glück aus dem Vorjahr setzen und das Rennen nach einem Ausflug durchs Gras wie durch ein Wunder fortsetzen – wenn auch nicht komplett unbeschädigt.

Die entscheidende Phase des Rennens startete direkt zu Beginn des letzten Rennviertels in Runde 150: Seit dem Restart nach Big-One #2 trumpften die Toyota-Mannschaften von Joe Gibbs Racing und Michael Waltrip Racing enorm auf und platzierten ihre sechs Piloten geschlossen in den Top6. Vorjahressieger und Gibbs-Neuzugang Matt Kenseth (37.) zeigte sich dabei als der logische Siegkandidat, nachdem er zu diesem Zeitpunkt bereits die Hälfte des Rennens angeführt hatte. Sehr plötzlich und unerwartet bekam er allerdings Probleme mit seinem Getriebe und musste den Toyota in der Garage abstellen. Direkt danach kam es für Joe Gibbs ganz knüppelhart, denn die #18 von Kyle Busch (34.) gab nur zwei Umläufe später eindeutige Rauchzeichen von sich. Ganz bitter…

Die letzte Phase der Green-Flag-Pitstops wurde in Runde 178 gegen Ende durch einen Unfall von Jeff Burton (30.) unterbrochen, was Scott Speed (23.) kurzzeitig in Führung spülte. Am besten aufgelegt zeigten sich unter Grün die Boxencrews von Jimmie Johnson und Brad Keselowski, welche ihre Schützlinge für das Finale an die Spitze brachten. Einige Runden lang probierten es die beiden Kampfhähne dann in zwei parallelen Linien gegeneinander, bis eine allerletzte Debris-Caution die Action auf der Strecke noch einmal kurz unterbrach. Während des gesamten Rennens war eigentlich klar, dass die stark genutzte Außenbahn der Schlüssel zum Erfolg sein würde und die sicherte sich Johnson zum verbleibenden Restart.

Während der noch verbleibenden sechs Runden realisierten die Fahrer schnell, dass unten herum ohne konkretes Anschieben bzw. eine ernsthafte Drafting-Partnerschaft kein Blumentopf zu gewinnen war. So versammelte sich die Top10 nach drei Umläufen dann auch wieder geschlossen auf der oberen Linie. Erst in der letzten Runde und damit eindeutig zu spät traute sich das Duo aus Dale Earnhardt Jr (2.) und Mark Martin (3.) doch noch, einen Angriff auf Johnson zu setzen. Leider verloren die beiden sich wieder, was Junior den entscheidenden Schwung kostete. Brad Keselowski (4.) und Ryan Newman (5.) konnten bei diesem Angriff ebenfalls keine Rückendeckung mehr geben, was Jimmie Johnson zu seinem zweiten Daytona-500-Sieg verhalf.

Nun mag man denken „Och, der Johnson wieder!“, denn die #48 führte insgesamt nur 17 Runden an. Als es darauf ankam, bot man beim Top-Team vom Hendrick Motorsports aber alles Verfügbare auf und brachte Johnson beim Boxenstopp unter grüner Flagge an die Spitze. Der Fahrer musste daraufhin nur noch bei den Restarts auf der Hut sein, verwalten und den Schlussangriff erfolgreich abwehren. Alles in allem war die Fahrt in die wichtigste Victory-Lane des Jahres daher durchaus verdient, auch wenn andere Piloten gefühlt mehr aufgeboten haben.

Die Top10 komplettierten auf den Plätzen 6-10 Greg Biffle, Regan Smith, Danica Patrick, Michael McDowell und JJ Yeley. Hier machte sich vor allem die harte Arbeit der unterfinanzierten Teams sowie die Fahrweise deren Piloten bezahlt. Das sind eigentlich immer die schönen und emotionalen Geschichten beim Daytona 500. Frau Patrick bot uns eine solide – und an sich selbst gemessen sogar überragende – Vorstellung. So richtig glauben wollte man es dann doch nicht, dass sie ihrer Pole-Position noch ein Top10-Resultat würde aufsetzen können. Dabei hielt sie sich den gesamten Nachmittag über innerhalb der schnellsten Zehn auf und lag beim letzten Restart sogar noch auf Rang 3. Ein Sieg war also durchaus im Bereich des Möglichen. Außerhalb der Restrictor-Plates sollte man deswegen nun aber keine Wunderdinge von Danica Patrick erwarten. Ein Lob hat sie sich dennoch allemal verdient!

Der Rest vom Schützenfest:
Denny Hamlin (14.) und Jeff Gordon (20.) führten jeweils mehr als 30 Runden und lagen aussichtsreich im Rennen. Gordon kämpfte im allerersten Fuelrun mit einem Stück Papier vor seinem Grill, konnte aber seine Kühlwassertemperatur wieder in den Griff bekommen und lange in den Top10 mitschwimmen. Seine Spur verlor sich aber wie die von Hamlin im Positionswechsel während der letzten beiden Cautions.
– Auch für Clint Bowyer (11.) reichte es knapp nicht zu einem Top10-Ergebnis. Sein Teamkollege Martin Truex Jr (24.) hatte ebenfalls mit Toyota-Motor-Problemen zu kämpfen.
Michael Waltrip (22.) gab im unterfinanzierten Toyota von Swan Racing eine sehr gute Figur ab und verlor dann in Finale irgendwie den Anschluss. Davor hat man ihn öfter in den Top10 gesehen, am Schluss blieb es nur bei einer Zielankunft am Ende der Führungsrunde.

Das Rennen war definitiv kein schlechtes, auch wenn es nicht sonderlich spektakulär war. Es lebte wie eingangs erwähnt von seinen vielen Geschichten (u. a. Patrick, Gordon, Gibbs) und der latenten Spannung durch die Gewissheit, dass irgendwann etwas passieren musste – und sei es im Finale. Somit war das Daytona 500 2013 für mich ein recht unterhaltsames Rennen. In der nächsten Woche geht es nach Phoenix, wo auf dem 1-Meilen-Oval dann wieder normale PS-Gesetze gelten. Wir dürfen gespannt sein, wie sich das Kräfteverhältnis im Gen6 unter diesen Umständen darstellt.

Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung (Achtung: Alles PDF-Dateien!).

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