Die kurze Osterpause ist überstanden und ab sofort zieht die NASCAR bis Mitte Juli jedes Wochenende durch. Der Marathon beginnt am Sonntag mit dem Short-Track-Klassiker in Martinsville. Im Fokus stehen die Rivalitäten der letzten Rennen, das Gen6 und die Fahrerwertung, welche so langsam aber sicher auch eine interessante Gestalt annimmt.
Nachdem die Fahrer-Gemüter über eine Woche Zeit hatten, sich ein wenig zu beruhigen, steht den Piloten nun ausgerechnet jene Strecke in Haus, auf welcher gerne mal herzlich zugelangt wird: Der Martinsville Speedway ist zwar klein, allerdings wird das Wort „Payback“ hier richtig groß geschrieben. Der „Walmart-Parkplatz mit zwei Pylonen als Wendemarken“ erinnert mich immer etwas an Autoscooter auf dem Hamburger Dom, denn ungefähr so hart fahren sich die Konkurrenten hier traditionell gegenseitig in die Karren. In den letzten Jahren kam es auf dem Short-Track gleich zu einigen bunten Duelle mit Vor- und Nachwirkung. Das jüngste Beispiel dafür ist wohl die Fehde zwischen Jeff Gordon und Clint Bowyer, welche im vergangenen Chase überkochte. Aber auch für Vergeltungsmaßnahmen aller Art bietet sich Martinsville perfekt an und aktuell hat Joey Logano ausgerechnet den schnaubenden Bullen in Form von Tony Stewart im Nacken sitzen.
Zunächst ein kurzer „Track-Check“: Der Martinsville Speedway ist mit nur 847 Metern Länge noch einmal 11 m kürzer als Bristol und verfügt über ein Banking von 12 Grad. Das ist für einen Shorttrack jetzt zwar nicht unbedingt wenig, aber trotzdem muss man das Auto in den beiden 180-Grad-Turns erstmal zum Einlenken bekommen. Da die Strecke im Verhältnis zu den engen Kurven über sehr lange Geraden verfügt, werden am Wochenende erneut die Bremsen eine Hauptrolle im V8-Orchester der NASCAR-Autoteile spielen. Die Fahrer müssen sich ihre Beläge gut auf die langen 500 Runden aufteilen und dürfen nicht schon in der ersten Rennhälfte zu aggressiv auf der Bremse stehen, damit die Backen auch am Ende noch kraftvoll zubeißen können.
Wie wir in Bristol gesehen haben, bekommt unter Umständen auch die hohe Temperatur der Scheiben den Reifenwülsten nicht sonderlich gut. Hoffentlich hat Goodyear dieses Problem in der Zwischenzeit angepackt. Zum Glück gab es in Martinsville 2012 schon einen Short-Track-Test mit dem neuen Arbeitsgerät, also sollte der Alleinausrüster bereits genügend Daten mit dem Gen6 gesammelt haben. Allerdings kann man nie wissen, wie sich die Situation dann in einem hart fahrenden Feld aus 43 Wagen multipliziert. Ich rechne mit zahlreichen Two-Tire-Pitstops, bei welchen es auch wieder die mutigen „Left side only“-Calls geben wird, um die wuchtigen Wagen durch die resultierenden unterschiedlichen Grip-Niveaus auf beiden Fahrzeugseiten zum Einlenken zu bewegen. Genau hier könnte dann das angesprochene Hitzeproblem bei den alten und abgefahrenen Pneus wieder auftreten.
Die Aerodynamik wird am Sonntag immerhin mal keine Rolle spielen, dafür sind die Geschwindigkeiten einfach zu „gering“. Zwar sollte man sich trotzdem jeden Fender-Bender ersparen, doch in Martinsville standen auch schon ordentlich ondulierte Mühlen in der Victory-Lane. Ein weiterer Schlüssel zum Rennen ist neben den Bremsen eher die perfekte Abstimmungsarbeit am Fahrwerk, da niemand in den engen Kurven 500 Runden lang an Untersteuern laborieren möchte. Beim Einlenken kann auch die Wahl der richtigen Reifenstrategie helfen, aber wo das hinführen kann, habe ich im letzten Absatz schon beschrieben. Im schlimmsten Fall bremst die Mauer die Ambitionen eines Piloten.
Dort wird sich ein Fahrer am Sonntag nach Meinung vieler Beobachter auf jeden Fall wiederfinden. Am besten bringt Joey Logano am Wochenende direkt das Backup-Auto an den Start, um nicht ein Primärchassis zu ruinieren. Denny Hamlin wird jedoch nicht der Auslöser sein, denn seine Wirbelverletzung zwingt ihn zu einer wohl sechswöchigen Heilungspause. Zur Erinnerung: Vor zwei Wochen schlug Hamlins Gibbs-Toyota in der letzten Runde auf dem Auto Club Speedway nach einem Kontakt mit Loganos #22 hart in die innere Begrenzungsmauer ein. An dieser Stelle war zu allem Übel keine SAFER-Barrier vorhanden, welche den Aufprall hätte abmildern können. Den Platz in der #11 übernimmt einmalig Mark Martin, welcher in Martinsville ansonsten pausiert hätte, da Brian Vickers dessen Einsatzauto bei Michael Waltrip Racing pilotiert.
Der größte Gegner von Joey Logano heißt dagegen Tony Stewart, mit welchem er sich im Anschluss an das Fontana-Rennen fast eine Prügelei in der Boxengasse lieferte. Ein vorangegangenes Blockade-Manöver von Logano brachte Stewart so heftig zum Kochen, wie ich es schon lange nicht mehr erlebt habe. So wütend war Smoke nicht mal bei seinem legendären Helmwurf gegen die Motorhaube von Matt Kenseth in Bristol und einen Tony Stewart willst du einfach nicht gegen dich wissen. Logano wird in Martinsville Lehrgeld bezahlen müssen, zumal sich auch andere Piloten (z. B. Kasey Kahne) nach Fontana direkt in die Schlange der Gratulanten eingereiht haben. Der Youngster wird früher oder später in der Mauer landen und dass er alle 500 Runden absolvieren wird, ist eine gewagte Wette.
Ganz vorne sollte man am Ende eher Jimmie Johnson erwarten, welcher gemeinsam mit Denny Hamlin seinen Lagerbestand an Standuhren zwischen Ende 2006 und 2010 deutlich aufstocken konnte. Auch das letztjährige Chase-Rennen entschied Johnson für sich, während die verbleibenden Ausgaben auch einen (weiteren) Zeitmesser in die Trophäenschränke von Kevin Harvick, Tony Stewart (beide 2011) und Ryan Newman (2012) brachten. Ein guter Sieger-Tipp beinhaltet also immer einen Fahrer von Hendrick Motorsports bzw. deren Umfeld (Stewart-Haas Racing) sowie die beiden starken Toyota-Mannschaften von Joe Gibbs Racing und Michael Waltrip Racing. Einen Ford hat man dagegen schon seit 2002 nicht mehr in der Martinsville-Victory-Lane gesichtet, Beobachter gehen aber nicht davon aus, dass das Tier bereits ausgestorben ist.
So schlecht stehen die Ford-Fahrer in diesem Jahr nun auch wieder nicht da, denn immerhin findet man mit Brad Keselowski (2.), Carl Edwards (4.) und Greg Biffle (5.) gleich drei ihrer Piloten in den Top5 der Meisterschaft. Die absolute Messlatte an Konstanz ist in diesem Jahr allerdings Dale Earnhardt, Jr., welcher zu diesem frühen Zeitpunkt die Fahrerwertung mit durchaus respektablen 12 Punkten anführt. In den ersten fünf Saisonrennen konnte Junior eine bemerkenswerte Serie (2/5/7/6/2) hinlegen, aber leider noch keinen Sieg einfahren. Der Erfolg ist nun jedoch mehr als überfällig und könnte sogar in Martinsville kommen. Dort hat Earnhardt bisher zwar noch nie gewonnen, kann die Strecke aber bezüglich seiner durchschnittlichen Zielankunft immerhin direkt hinter Bristol (11,59) und Atlanta (12,52) auf Platz 3 (12,96) einordnen. Sein Teamkollege Jimmie Johnson (3.) füllt übrigens derzeit den noch nicht genannten Top5-Rang.
Die Top10 der Meisterschaft und damit die festen Chase-Plätze komplettieren im Moment Kyle Busch, Kasey Kahne, Paul Menard, Joey Logano und Denny Hamlin. Letztgenannter könnte sich nach seiner Verletzungspause aber mit ein paar Rennsiegen noch locker über die Wildcards in die Playoffs fahren. Diese Wildcard-Plätze belegen derzeit Matt Kenseth (1 Sieg, Rang 11) und Ricky Stenhouse, Jr. (0 Siege, Rang 12). In der Spitzengruppe vermisse ich derzeit noch Kevin Harvick (15.), Jeff Gordon (18.) und Tony Stewart (22.) sowie die beiden Vollzeit-Fahrer von MWR: Clint Bowyer (14.) und Martin Truex, Jr. (19.). Ob sich Stewart bei so einer Platzierung eine Privatfehde erlauben kann? Vielleicht sollte er lieber ernsthaft auf Punktejagd gehen, um wieder in Chase-Reichweite zu gelangen. Auch Teamkollege Ryan Newman (20.) ist davon derzeit weit entfernt.
Als positive Überraschungen betrachte ich neben Stenhouse auch Kurt Busch (13.) und AJ Allmendinger. Busch liegt für das eher kleine, aber mit gutem Material ausgestattete Team von Furniture Row Racing in Reichweite der Playoffs. Allmendingers Tabellenposition (27.) spielt eigentlich keine Rolle, da er bei Phoenix Racing nur eine Teilzeitsaison bestreitet, jedoch konnte er sich in drei Rennen mehr Punkte erfahren als beispielsweise Juan Pablo Montoya (30.) in seinen fünf. Gemeinsam mit den anderen Phoenix-Piloten gerechnet steht die #51 derzeit auch im Owner-Chase – nämlich auf Platz 9.
Zum Abschluss folgen an dieser Stelle wie gewohnt noch die Links (PDF) zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie die Entry-List und ein Zeitplan für das (etwas maue) TV-Programm vom Wochenende:
Die Zeitverschiebung zur US-Ostküste beträgt mittlerweile wieder 6 Stunden. Im Fernsehen gibt es leider nicht so viel von Martinsville zu sehen wie sonst, da SPEED mal wieder lieber diese Autoversteigerung für Hipster (Barrett-Jackson) zeigt. Dafür überträgt allerdings Motorvision TV am Sonntag das nächste Sprint-Cup-Rennen LIVE.
Freitag, 05.04.
15:00 Uhr, Truck Series Practice, nicht im TV
16:30 Uhr, Truck Series Final Practice, SPEED
18:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
21:30 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, SPEED (erst 2 Uhr nachts)
23:00 Uhr, Truck Series Qualifying, nicht im TV
Samstag, 06.04.
16:30 Uhr, Sprint Cup Series Practice, nicht im TV
17:45 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, SPEED (erst um 23:30 Uhr)
19:30 Uhr, Truck Series Rennen (Kroger 250), SPEED
Sonntag, 07.04.
18:30 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (STP Gas Booster 400), Motorvision TV / FOX
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