Die World Endurance Championship geht in ihre zweite Saison und startet diesmal in Silverstone – im Schlepptau: die umgemodelte ELMS
Fast 60 Le Mans-Sportwagen werden am Wochenende auf dem Silverstone Circuit am Start sein – doch während gut die Hälfte von ihnen am Sonntag in einem 6-Stunden-Rennen um die berühmte Tourist Trophy fährt, die seit 1905 (mit Unterbrechungen) durch den Royal Automobile Club vergeben wird, wurden die Teilnehmer der European Le Mans Series mit einem 3-Stunden-Lauf ins Rahmenprogramm „degradiert“. Dieses neue Konzept der „regionalen“ Zubringer-Serie spiegelt sich auch im Starterfeld wieder, das in weiten Teilen aus Gentleman- und Nachwuchs-Fahrern besteht. Die WEC dagegen schien – nachdem die Off-Season von wechselhaften Zukunftsaussichten dominiert worden war – gegenüber ihrem Debütjahr in Qualität und Quantität erstarkt. Doch nachdem auch hier in den vergangenen Tagen Nennungen zurückgezogen wurden, ist es umso trauriger, dass wir kein kombiniertes Starterfeld sehen.
WEC
Mit der WEC geht auch das Duell Audi vs. Toyota in die zweite Saison. Außerdem werden sich die beiden Hersteller um die RAC Tourist Trophy streiten, die der Gesamtsieger des Rennens bekommt. Beide treten mit Weiterentwicklungen ihrer Vorjahres-Modelle – TS030 und R18 e-tron quattro – an, da sich im letzten Jahr des aktuellen Reglements eine komplette Neuentwicklung selbstverständlich nicht lohnt. Toyota hat das Monocoque, das im Vorjahr noch die Vorkehrungen für einen eventuellen Front-Hybridantrieb besaß, inzwischen voll auf die Heck-Variante ausgerichtet; neu bei Audi sind vor allem die Heckflügel-Verbreiterungen (die offiziell Kotflügel-Erweiterungen und damit erlaubt sind) sowie im Cockpit Bildschirme, die dem Fahrer die Sicht schräg nach vorn (!) ermöglichen.
Bei den Fahrer-Besetzungen gibt es wenig Neues: die Titelverteidiger Lotterer/Fässler/Treluyer bleiben zusammen, in der #2 werden Kristensen/McNish nun wieder von Loic Duval unterstützt und nicht von Lucas di Grassi, wie in Sebring. Wurz/Lapierre steuern die #7 für Toyota, Davidson/Buemi/Sarrazin die #8. Sollte sich die Formkurve aus dem Vorjahr fortsetzen, dürfte Toyota dieses Jahr alle Chancen auf zahlreiche Siege und die WM-Titel haben, zumal aus dem noch relativ jungen TS030 mehr herauszuholen sein dürfte als aus dem Audi R18, der schon in sein drittes Jahr geht.
Das LMP1-Privatiers-Feld ist leider noch weiter ausgedünnt: JRM hat die WEC in Richtung GT3/Blancpain Endurance Series verlassen, so bleibt der einsame Strakka-HPD (die neue Variante mit der Bezeichnung ARX-03c) gegen die zwei Rebellion-Lola-Toyota, die auch die breiteren Heckflügel vom japanischen Werksteam kopiert haben und damit beim Test in Paul Ricard Bestzeiten fuhren. Prost/Jani/Heidfeld dürften als Top-Trio einzuschätzen sein, der zweite Wagen mit Belicchi/Cheng/Beche einen Tick schwächer. Der Zwei-Wagen-Vorteil sollte die Chancen auf die Privatiers-Trophy für Rebellion weiter erhöhen.
Breiter aufgestellt ist die LMP2 mit zehn Fahrzeugen, darunter in diesem Jahr: vier Morgan-Chassis, drei Orecas, ein Zytek – und zwei Lotus T128. Letztere sind brandneu vom Kolles/Kodewa-Team entwickelt worden und sollen im kommenden Jahr auch in der LMP1 eingesetzt werden. Zunächst muss aber erst einmal der Start in die zweite LMP2-Saison glattlaufen. Auch hier gilt: die steigende Formkurve muss fortgesetzt werden. Mit Christophe Bouchut, Dominik Kraihamer und Jan Charouz hat man sich Verstärkung geholt, weiter dabei ist auch Ex-F1-Mann Vitantonio Liuzzi.
Schmerzlich vermisst wird der Titelverteidiger Starworks Motorsport. Nach der Abspaltung Enzo Potolicchios fehlte den Amerikanern um Peter Barron das Geld für die WEC – und für die Teilnahme in Le Mans, sodass sie auch dort ihren Sieg nicht verteidigen können. Außerdem ist somit kein einziges HPD-Chassis im LMP2-Feld der WEC zu finden.
Stark aufgestellt ist Oak Racing mit drei Morgan (also Oak)-Nissan, vor allem die #24 mit Olivier Pla, Alex Brundle und dem schnellen Quereinsteiger David Heinemeier Hansson sollte zu den Titelfavoriten gehören, wenn der Wagen sich als zuverlässiger erweist als in den Vorjahren. Antonio Pizzonia und James Walker haben bei Delta-ADR angedockt, dem Vizemeister-Team 2012. Deren Ex-Pilot John Martin wechselt zu Roman Rusinov ins G-Drive-Team, wo auch IndyCar-Pilot Mike Conway hinzustößt, der nach seinem schweren Unfall in Indianapolis vor einigen Jahren keine Ovalrennen mehr bestreiten möchte.
Greaves Motorsport ist mit Rückkehrer Tom Kimber-Smith und den amerikanischen Gaststartern Chris Dyson und Michael Marsal im einzigen Zytek in Silverstone auch gut aufgestellt und sollte Chancen auf ein Podium beim Heimrennen haben. Weniger dürfte von den Chinesen des KCMG-Teams zu erwarten sein, die sich bei den Europa-Rennen der WEC auf ihr Le-Mans-Debüt vorbereiten wollen. Dagegen dürfte mit Pecom Racing, die sich seit dem Abgang von Soheil Ayari zur Mitte der vergangenen Saison im Aufstieg befinden, zu rechnen sein: Nicolas Minassian unterstützt das Dup Perez-Companc/Kaffer offensichtlich besser als sein Landsmann zuvor.
Kurzum: meine Favoriten sind die #24 von Oak Racing, Greaves, Pecom und Delta-ADR. Aber wie so oft wird es auf saubere Rennen ohne lange Garagenaufenthalte und konstante Performances der Nicht-Vollprofis ankommen, was gern auch mal Underdogs gelingen kann.
Drei Pärchen werden wir in der GTE-Pro in der Saison 2013 sehen, was das angeht, herrscht also Waffengleichheit zwischen Ferrari, Porsche und Aston Martin. Das trifft leider nicht auf die Balance of Performance zu: trotz technischem Reglement haben FIA und ACO gleich zu Saisonbeginn kräftig zugeschlagen: der Ferrari muss als Strafe für den effizienten Direkteinspritzer-Motor weiterhin mit kleinerem Tank antreten; außerdem bleibt der Heckflügel 10cm tiefer, wo er weniger Wirkung entfalten kann. Als Ausgleich dürfen 10kg vom Basisgewicht ausgeladen werden. Aston Martin behält seine massiven Vorteile mit 40kg weniger Gewicht, 1,4mm größerem Restriktor, kleinerem Gurney Flap auf dem Heckflügel und sogar einem um 5 Liter größeren Tank. Und sogar der brandneue Porsche 991 darf direkt, ohne dass er ein Rennen gefahren hat, 35kg Ballast ausladen und die Luftmengenbegrenzer um 0,7mm vergrößern; im Gegenzug muss der Heckflügel wie beim Ferrari tiefer angeschraubt werden.
Mit diesen Zugeständnissen muss der neue Porsche-Werkseinsatz eigentlich ein Erfolg werden: Manthey Racing ist bekanntlich das Einsatzteam und der 911 RSR, der auf dem Standard-911 der neuen Baureihe 991 basiert (nicht auf der noch nicht erschienenen GT3-Variante), stellt hoffentlich einen Fortschritt gegenüber dem schwierigen 2012er-Modell dar. Über jeden Zweifel erhaben sind zumindest die Fahrer-Lineups: Bergmeister/Pilet/Bernhard in der #91 und Lieb/Lietz/Dumas in der #92.
Für Ferrari ist wie gewohnt das Quasi-Werksteam AF Corse am Start, mit den bekannten Größen Bruni/Fisichella in der #51 und Toni Vilander in der #71. Neu dabei: Kamui Kobayashi als Teamkollege Vilanders, nachdem in der Formel 1 kein Platz mehr für ihn frei war. Wenn er im GT-Ferrari ähnlich aggressiv zu Werke geht wie im F1-Sauber-Ferrari, wird er den Fans sicher viel Freude bereiten – vorausgesetzt die beiden AF Corse-F458 dominieren nicht so wie über weite Strecken der Vorsaison.
Um einige Fahrzeuge aufgestockt hat Aston Martin Racing mit seinem vier Vanatages insgesamt, von denen zwei in der GTE-Pro antreten. In der #97 von Stammduo Mücke/Turner ist mit Bruno Senna der nächste namhafte Formel-1-Flüchtling untergekommen. In Sebring schlug er sich achtbar, bis technische Probleme den Wagen zurückwarfen. Vielleicht kann Senna in einem GT-Boliden mehr Erfolg haben als in der Formel 1 und zuvor im Le-Mans-Prototypen.
Der zweite Vantage V8 könnte sich etwas schwerer tun: Der kanadische Gentleman Driver Paul Dalla Lana ist mit einigen Grand-Am-GT-Klassensiegen sicherlich kein schlechter, aber in einem rein aus Profis bestehenden Feld in der GTE-Pro der WEC dürfte er schon der schwächste Pilot sein. Anscheinend brauchte Aston Martin aber wohl doch Geld, um so viele Wagen an den Start zu bringen. Mit Pedro Lamy und Frederic Makowiecki sitzen ein alter Hase und einer der aktuell schnellsten GT-Piloten mit in der #99, sodass auch mit Dalla Lana ein gutes Ergebnis drin sein könnte.
Sogar vier verschiedene Marken sind in der GTE-Am vertreten, wo nur Vorjahres-Wagen bzw. Wagen der Vorjahres-Spezifikation antreten dürfen. Die amtierenden Meister aus dem Hause Larbre Competition bleiben dem Feld mit einer Corvette erhalten (Bornhauser(Canal/Rees). Bei den Porsche-Teams IMSA Performance (Narac/Bourret/Vernay) und Proton Competition (Roda/Ried/Ruberti) wird man vermutlich beim 2011er-Modell bleiben statt auf das schwierig abzustimmende, temperaturempfindliche und Topspeed-schwache 2012er-Modell zu wechseln.
Auf Ferrari-Seite sind die alten Bekannten AF Corse (Gerber/Griffin/Cioci) und Krohn Racing (Krohn/Jönsson/Mediani) dabei, außerdem noch 8star Motorsport, das Team von Enzo Potolicchio, dem nach der Abspaltung von Starworks das venezuelanische Öl-Geld ausging, sodass er nun mit einem sponsorlosen orangefarbenen F458 in der GTE-Am antreten muss; seine Co-Piloten Rui Aguas und Philipp Peter haben beide ausreichend GT-Erfahrung, um solide Rennen zu fahren.
Neben den zwei Profi-Aston Martin Vantage sind auch zwei Pro-Am-Fahrzeuge am Start, ebenso in Gulf-Farben: Goethe/Hall/Campbell-Walter in der #96 und das starke skandinavische Trio Nygaard/Poulsen/Simonsen in der vom Young-Driver-AMR-Team betreuten #95.
Die Klasse bietet fast durchweg recht ausgeglichene Pro-Am-Besatzungen, nur Jack Gerber für AF Corse und Maurizio Mediani sind etwas schwerer einzuschätzen. Letzerer ist allerdings schon lange Jahre für verschiedene Ferrari-Partnerteams in GT-Rennen angetreten, war Testfahrer und ist aktuell Instruktor auf Ferrari-Lehrgängen, während Gerber und auch Roald Goethe „echte“ Gentleman Driver mit etwas weniger Erfahrung sind. Müsste ich wetten (was ich in dieser Klasse lieber nicht tun würde), würde ich mein Geld auf die beiden Porsche-Teams oder die Larbre-Corvette setzen.
ELMS
Die Struktur der ELMS ist leicht verändert im Vergleich zum Vorjahr: Man versucht nicht mehr, als Headliner eigene Rennwochenenden auf die Beine zu stellen, sondern dockt bei verschiedenen anderen Serien an – ein meiner Meinung nach richtiger Schritt, denn im Schatten der WEC kann einfach nicht mehr genug Aufmerksamkeit generiert und kein so starkes Fahrerfeld wie früher geboten werden. Die Rennen werden über drei Stunden gehen; das macht die Rennen etwas kostengünstiger, einfacher für neu einsteigende Zuschauer und ergibt sich aus dem Support-Gedanken, da einfach nicht mehr der ganze Sonntag zur Verfügung steht.
Top-Klasse ist weiterhin die LMP2, in der Thiriet by TDS Racing seinen Titel zu verteidigen versucht. Allerdings verliert Pierre Thiriet seinen langjährigen Kollegen Mathias Beche an Rebellion und die LMP1, ersetzt wird er durch den Schweizer Jonathan Hirschi. Ob diese Kombo genauso auftrumpfen kann, bleibt abzuwarten. Dyson/Marsal treten auch hier für Greaves an, wie auch in der WEC, allerdings ohne Tom Kimber-Smith. Murphy Prototypes aus Irland ist nach starkem, aber erfolglosem Debütjahr wieder dabei, verliert allerdings das Duo Hughes/Firth. Brendon Hartley bleibt an Bord, sein neuer Co-Pilot wird Mark Patterson, bisher bekannt von United Autosport in diversen GT3-Serien. Einen Wechsel gab es auch bei Jota Sport, in deren Zytek sich nun Oliver Turvey mit Feldgeber Simon Dolan abwechseln wird – mit diesen beiden dürfte allerdings zu rechnen sein, Dolan ist inzwischen sehr schnell und sicher unterwegs.
Neu dabei ist Renaults Sport-Marke Alpine, jedoch nur mit einem neuen Namensschildchen auf einem der allgegenwärtigen Oreca-03-Chassis mit Nissan-Motor (Fahrer: Panciatici/Ragues), hier ist das Total-Geld hingeflossen, das Sebastien Loeb möglicherweise fehlte…
Außerdem dabei: die alten Bekannten Boutsen Ginion Motorsport und Race Performance sowie als Neueinsteiger die Eidgenossen von Morand Racing (Morgan-Judd) mit Natacha Gachnang und Frank Mailleux; und zu guter Letzt: DKR Racing aus Luxemburg (bekannt aus diversen GT-Serien) mit dem alten offenen Lola-Judd von 2011 und den Fahrern Porta/Brandela. Gachnang/Mailleux dürfte im Gegensatz zu diesen durchaus ein erfolgreiches Debütjahr zuzutrauen sein.
Auf eine Trennung von GTE-Pro und Am wird verzichtet, wobei sowieso keines der Teams eine reine Pro-Besatzung (also nur Gold- und Platin-Fahrer) aufbieten kann – in der ELMS werden schlichtweg mehr Paydriver gebracht. Wie in besten GT2-Zeiten duellieren sich hier Porsche und Ferrari. Neu dabei ist das britische Ram-Racing-Team mit den Duos Mowlem/Griffin und den US-Jungs Montecalvo/Jeanette. Vor allem die Paarung aus Johnny Mowlem und Matt Griffin im Ferrari mit der #52 hat einiges Potential zu bieten und dürfte bald vorn mitfahren, wenn das neu zusammengestellte Team sich schnell zusammenfindet und die Autos gut in den Griff bekommt.
Hinzu kommen alte Bekannte: AF Corse mit zwei F458 (Perazzini/Cioci/Leo dürften stark sein), JMW Motorsport (leider nicht mehr mit dem starken und bewährten Duo Walker/Cocker) und die Porsche-Fraktion, bestehend aus IMSA Performance Matmut (mit Werksfahrer Wolf Henzler), Prospeed Competition aus Belgien (mit Veteran Emmanuel Collard) und Proton Competition mit dem starken Trio Roda/Ried/Tandy, wobei Roda und Ried die einzigen Doppelstarter des Wochenendes sein dürften.
Diesmal ist auch die GTC-Klasse für GT3-Autos besetzt, die auch im Vorjahr theoretisch schon vorhanden war. Hier ist auch die Markenvielfakt größer als in der GTE: AF Corse bringt einen F458 GT3, Autorlando zwei Porsche (u.a. mit Jeroen Bleekemolen in der #84), Momo Megatron aus den USA einen Audi R8 LMS und das vor einigen Jahren wiederbelebte schottische Traditionsteam Ecurie Ecosse einen BMW Z4 mir rein britische Besatzung.
Wenig Vielfalt bietet wie gewohnt die LMPC, die in diesem Jahr nicht nur mit Einheitsautos (Oreca-Chevrolet, wie gewohnt) antritt, sondern diese werden auch noch zentral eingesetzt. Nominell dürfte das Duo Pons/Ayari das stärkste unter den dreien sein, doch diese „Nachwuchs“-Klasse wird vermutlich nicht allzu viel Beachtung finden.
Wann und wo?
Zum Silverstone Circuit gibt es nicht mehr viel zu sagen. Ich bin ein großer Fan des neuen Layouts, mal abgesehen von einigen Haken, die die neue Boxengasse bzw. die Verlagerung des Paddocks mit sich bringt. Das neue Streckenlayout allerdings hat sich in meinen Augen bewährt, die „Arena“-Sektion bietet Überholmöglichkeiten und gibt Vor-Ort-Zuschauern viel zu sehen.
Das ELMS-Rennen startet am Samstag um 16 Uhr deutscher Zeit, die WEC am Sonntag um 13 Uhr – beide Rennen werden auf den jeweiligen Webseiten der Serien live gestreamt, außerdem überträgt MotorsTV beide Rennen in voller Länge live. Eurosport verteilt wie gewohnt Schnipsel des WEC-Rennens auf seine beiden Sender, im FreeTV wird nur die letzte Stunde am Sonntag ab 18 Uhr zu sehen sein.
Livestream
FIA WEC – LIVE von fiawec
(Bilder: Audi, WEC)
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