Nach kurzer Pause steht der traditionsreiche Grand Prix in Silverstone auf dem Programm. Die Lage in der F1 ist schwer einzuschätzen.
Le Mans ist vorbei und die Motorsportwelt wendet sich wieder anderen Serien zu. Die Formel Eins kommt aus einer dreiwöchigen Pause zurück, in der es wegen der Mercedes-Affäre aber nicht langweilig wurde. Der Richterspruch aus Paris beschäftigt die Szene immer noch. Wir werden uns darüber im später erscheinenden Podcast ausführlich unterhalten, eine kurze Einschätzung dazu hatte ich bereits letzte Woche im Forum abgegeben. Versuchen wir uns also wieder dem Sport zuzuwenden.
Eine Einschätzung, wer in Silverstone die Nase vorne haben wird, ist wie immer etwas schwer. Drei Wochen sind in der F1 eine lange Zeit, die die Teams selbstverständlich zur Weiterentwicklung der Wagen genutzt haben. Da die letzten beiden Strecken im Rennkalender, Monaco und Montreal, nicht wirklich repräsentativ waren, könnte es in Silverstone die eine oder andere Überraschung geben.
Denn nimmt man das Rennen aus Spanien als Grundlage, dürfte Ferrari in England zu den Top-Favoriten gehören. Die Italiener müssen sich auch verbessert haben, denn sonst wird es in der WM schwer. Sicher ist, dass der F138 auf fast allen Strecken gut klarkommt. Das Problem von Ferrari ist aber die Quali. Bisher musste man sich hier entweder Mercedes oder Red Bull geschlagen geben, manchmal quetschte sich auch noch Kimi Räikkönen vor Alonso. Die schlechten Startpositionen machten Ferrari das Leben im Rennen schwer und das wird Silverstone, wo das Überholen nicht immer ganz so leicht ist, auch nicht anders sein. Alonso fehlen 36 Punkte auf Vettel, vor der langen Sommerpause gibt es aber nur noch drei Rennen. Ferrari muss jetzt aufholen, sonst wird es ein sehr schwerer Herbst, denn da folgen Strecken, auf denen der Red Bull bekanntermaßen gut geht.
Die Österreicher wiederum haben sich in den letzten zwei Monaten von ihrer starken Seite gezeigt. Der Sieg in Kanada war ebenso wichtig wie der zweite Platz in Monaco. Ob dem RB9 aber die Strecke in Silverstone schmeckt, ist dann wieder eine andere Frage. In Malaysia, wo es etliche schnelle Passagen gibt, konnte Vettel gewinnen, in Spanien, dem Referenzkurs der F1, reichte es aber nur zu Platz 3. Man sagt dem Red Bull nach, dass er in diesem Jahr mit schnellen Kurven nicht gut klarkommt, und dass andere Teams da besser sind. Aber auch hier gilt, dass Red Bull nachgelegt hat.
Mercedes hat den Anschluss an Red Bull bisher noch nicht so ganz gefunden. Silverstone könnte auch zeigen, wo man mit der Entwicklung des Wagens steht. Dass man auf eine Runde schnell ist, weiß man, aber es fehlte weiterhin die Konstanz. Die Konkurrenz wird auch den Reifenverschleiß des W04 kritisch beäugen, obwohl das in England schwer werden könnte. Pirelli schleppt „Hard/Medium“ an die Strecke, dazu kommt vermutlich eher kühles Wetter, was den Reifen sicher hilft. Eine Aufwärtstendenz ist beim deutschen Team aber auf jeden Fall zu beobachten, ich bin daher sehr gespannt, wie Rosberg und Hamilton in Silverstone klarkommen. Sollten sie vorne landen, dürfte das auch eine gute Ausgangsposition für den Nürburgring bedeuten.
Lotus hat in den letzten Rennen etwas an Boden verloren. In Montreal sah man sogar richtig schlecht aus und musste sich den Force India beugen. Ob es daran liegt, dass dem Team das Geld für die Entwicklung fehlt? Ein bisschen was sollte die Tage aber wieder reingekommen sein, denn Genii hat 35% der Anteile des Teams an ein arabisches Konsortium verkauft. Auch Räikkönen muss schauen, dass er in den nächsten drei Rennen die Nase vor Vettel hat. Sein Abstand beträgt 44 Punkte, was schon recht viel ist. Dass Lotus im Wettrüsten zwischen Red Bull, Ferrari und Mercedes bestehen kann, ist eher unwahrscheinlich, aber sollte der Finne den Abstand vor der Sommerpause verkürzen können, wird das sicher noch mal Sponsoren anlocken.
Im Mittelfeld scheinen sich Force India und Toro Rosso etwas abgesetzt zu haben. Die Inder haben eine starke Saison und haben McLaren in der Konstrukteurs-WM schon hinter sich gelassen. Eine erstaunliche Sache, die man so zu Beginn der Saison sicher nicht erwartet hatte. McLaren hat zwar in den letzten Rennen etwas besser ausgesehen, aber zwingend waren die Vorstellungen nie. Zudem nähert sich von hinten Toro Rosso, die in den letzten drei Rennen jeweils Punkte holen konnten.
Bei Sauber und Williams scheint man nicht recht vorwärtszukommen. Der Sauber hat gerade mal 5 WM-Punkte gesammelt, Williams noch gar keinen. Bisher hat man bei beiden Teams kaum Fortschritte feststellen können, das wird in Silverstone auch nicht anders sein. Schade für Williams, die in England ihren 600sten Grand Prix fahren.
Strategie
„Hard/Medium“ gibt es von Pirelli, was eine sehr konservative Wahl ist. Letztes Jahr wurden die „Soft“ aufgezogen. Pirelli reagiert wohl damit auch auf die Kritik in Sachen Haltbarkeit der Reifen und will sich auf keine Experimente einlassen. Im freien Training können die Teams erneut die neue „Hard“-Mischung testen, die irgendwann zum Einsatz kommen soll. Wenn es denn am Freitag nicht wieder regnet, und da sieht die Wettervorhersage bisher leichte Schauer voraus. Sonntag soll es aber trocken bleiben, bei britischen Hitzerekordzahlen von 22 Grad.
Für die Strategie bedeutet die Reifenwahl von Pirelli vermutlich bei den meisten eine Zwei-Stopp-Strategie. Es gibt eine leichte Tendenz für nur einen Stopp, wenn man mit der harten Mischung vernünftige Zeiten halten kann. Das Problem in Silverstone ist die lange Boxeneinfahrt, die einen Stopp auf rund 25 Sekunden verlängert. Das ist viel Zeit, die es aufzuholen gilt. Bei 52 Runden kann man sich gut vorstellen, dass man versucht, mit den Medium an die 20 Runden zu fahren, um danach die „Hard“ über die restlichen 32 Runden zu tragen. Problem dabei ist, dass man den Zeitverlust in den vielen schnellen Kurven von Silverstone nur schwer einkalkulieren kann. Die Medium sollten mindestens 0,7 Sek/Runde bringen, was bei zwei Stopps einen Vorteil von eben knapp etwas mehr als 25 Sekunden bringen sollte. Nicht eingerechnet natürlich der Zeitverlust durch den Drop-Off bei der harten Mischung. Die hat sich aber bisher als recht langlebig erwiesen.
Lotus ist mal wieder so ein Team, dass es mit einem Stopp versuchen könnte und so nach vorne kommt. Aber auch bei Red Bull ist ein Stopp nicht unrealistisch, da man den den Reifenverschleiß senken konnte.
Ich vermute, dass das Rennen eher etwas statisch wird, dass man vor allem vorne wenig Überholmanöver sehen wird. Stattdessen wird die Strategie eine entscheidende Rolle spielen.
Und sonst?
Silly Season Zeit!
– Kimi Räikkönen soll nach Meinung einiger finnischer Blätter schon bei Red Bull fest sein. Mark Webber soll wiederum gesagt haben, dass er einen Vertrag für 2014 von Red Bull vorliegen hat und nur unterschreiben müsste. Wenn er denn will. Es hält sich aber auch hartnäckig das Gerücht, dass Webber doch zu Porsche wechseln könnte. UPDATE 27.06.2013, 11:07 Uhr: Webber wechselt zu Porsche, das hat der Hersteller so eben bestätigt.
– Sollte Räikkönen bei Lotus gehen, soll angeblich Pastor Maldonado nebst seinem Geld nachrücken. Kann Lotus offenbar gut gebrauchen. Maldonado fiel die Woche mit der Aussage auf, dass der Williams seinem Teamkollegen Bottas besser liegen soll. Aber war er nicht derjenige, der im letzten Jahr als Nummer-1-Fahrer an der Entwicklung teilgenommen hat? Sollte Maldonado gehen, dürfte das ein erhebliches Loch ins eh schmale Williams-Budget reißen und Kandidaten mit Talent und Geld sind rar gesät. Guiterrez wäre so ein Fall, aber der wird sich hüten vom schlechten Sauber ins noch schlechtere Williams-Team zu wechseln.
– Massa scheint auch 2014 weiter bei Ferrari zu fahren. Wie im letzten Jahr gilt wohl auch, dass man bei Ferrari einfach keine bessere Alternative findet, Ferrari betonte zudem, dass es für 2014 extrem wichtig sei, Fahrer zu haben, deren technisches Feedback man einschätzen kann. Angesichts der vielen Regeländerungen ist das nachvollziehbar und rettet Massa eine weitere Saison. Ferrari dürfte Bianchi ein weiteres Jahr bei Marussia parken wollen, die 2014 ja mit Ferrari-Motoren unterwegs sind.
– Keine Änderungen wird es bei McLaren geben. Seit man Perez von der kurzen Leine genommen hat, muss sich Button echt anstrengen.
– Bei Toro Rosso könnte ein Cockpit am Ende des Jahres neu besetzt werden. Wer da allerdings aufrücken könnte, ist unklar, denn im Moment ist da keiner aus dem Red-Bull-Nachwuchskader, der sich zwingend aufdrängt.