Die American Le Mans Series und die Grand Am fahren an diesem Wochenende in einem gemeinsamen Event – allerdings in getrennten Rennen – auf der Road America. Da bietet sich ein Überblick über den Stand der Dinge bezüglich #thefuture an, also der Vereinigung beider Serien in der United Sports Car Series (kurz USCR) im kommenden Jahr. Nach längerer Funkstille wurden im Juli nach und nach Teile des Reglements vorgestellt – endlich, denn die Zeit drängt: Hersteller, Teams, Sponsoren und Fahrer brauchen Planungssicherheit, um ihre Pakete für 2014 zu schnüren. Eines der wichtigsten Teile im Puzzle allerdings, der Kalender, fehlt weiterhin…
Als Fixpunkt haben sich die Regelmacher der neuen Serie die heutige GTE-Klasse ausgewählt, die in der ALMS aktuell „GT“ heißt und in der USCR zukünftig „GTLM“ heißen wird. Hier bleibt alles beim Alten, denn – das „LM“ gibt den Hinweis – diese Klasse stellt die wichtige Verbindung zu den 24 Stunden von Le Mans dar, die man beibehalten möchte. Die aktuelle ALMS-GT-Klasse funktioniert gut, bietet bei ordentlicher Markenvielfalt meist schönen Motorsport und entsendet Jahr für Jahr Teams an die Sarthe, allen voran das Corvette-Werksteam, das die USCR-Macher sicherlich nicht an die WEC verlieren wollen. Wichtigste Neuerung: Die Fahrzeuge bekommen die US-typischen „window nets“; ob die jedoch wirklich einen Sicherheitsmehrwert über die Hightech-Sitze hinaus bieten, bezweifle ich.
Die GT-Klasse der heutigen Grand Am Rolex-Serie wird bekanntermaßen „GTD“ für „GT Daytona“ heißen. Diese Fahrzeuge werden eingebremst, einerseits um die Kosten zu reduzieren, andererseits um sie deutlich von der GTLM abzusetzen. Ein Einheits-Heckflügel und ein Luftmengenbegrenzer werden hierzu vorgeschrieben.
Gleichzeitig hat man sich aber auch entschieden, FIA-homologierte GT3-Fahrzeuge in dieser Klasse zuzulassen, ohne dass wie bisher größere Modifikationen zur Bedingung gemacht werden. Das bedeutet einerseits großes Wachstumspotential für diese Klasse, birgt aber auch das Risiko, dass sie die GTLM in den Schatten stellt und dass die „traditionellen“ Grand Am-GT-Fahrzeuge (z.B. BMW M3, Chevrolet Camaro) durch die teuren GT3s verdrängt werden. Doch diese Verdrängung hat bereits mit der Zulassung modifizierter GT3 bereits begonnen; außerdem wird ein Auslaufen-Lassen der genannten „traditionellen“ Grand Am-GTs angestrebt, wie Scott Elkins im Interview mit John Dagys im Juli erklärte.
Über kurz oder lang wird die GTD also eine amerikanische GT3-Klasse; eine eigenständige Serie, wie sie Stephane Ratel einst plante, ist damit überflüssig und für den Fall, dass das Ende des GTE-Reglements in einigen Jahren kommen sollte, hätte die USCR weiterhin eine sichere GT-Basis. So unklug scheint die Entscheidung alles in allem also nicht zu sein.
Und damit zur „spannendsten“ Klasse, was das Austüfteln des technischen Reglements angeht: Langsam aber sicher tasten sich die Experten an die Ausbalancierung von Daytona Prototypes, LMP2-Boliden und Delta Wing heran, doch eine fertige Lösung steht noch nicht. Bisher steht fest, dass alle diese Wagen Sechsgang-Getriebe mit Schaltwippen erhalten und dass Luftmengenbegrenzer zur Regulierung eingesetzt werden. Außerdem nennt die Pressemitteilung folgendes: „Cars considered P2 in origin will follow current technical specs of the ACO”. Dies scheint so gemeint zu sein, dass die LMP2-Fahrzeuge (abgesehen von der Regulierung der Größe des Luftmengenbegrenzers) unverändert starten und alle weiteren Anpassungen lediglich an den Daytona Prototypen vorgenommen werden. Das wäre zumindest eine sinnvollere Lösung, als die LMP2s auf DP-Niveau zu verlangsamen.
Doch gerade die Details zur Einstufung, die in dieser Pressemitteilung fehlen, sind die Herausforderung. In dieser Hinsicht wird das anstehende Rennwochenende (das bereits gestern, am Donnerstag begonnen hat) für die Regelmacher von großer Bedeutung sein, denn sie werden (hoffentlich) Massen an Vergleichsdaten sammeln und auswerten können. Die Road America (nahe Elkhart Lake in Wisconsin gelegen) sollte dafür gut geeignet sein, denn sie vereinigt auf 6,5 Kilometern Länge viele verschiedene Typen von Kurven (von engen Ecken wie Turn 5 und der Canada Corner bis hin zum schnellen, langgezogenen Carousel sowie dem berüchtigten „Kink“ danach) und sehr lange Geraden (bis zu 1,2km); außerdem kommen Steigungen und Gefälle hinzu. So sollte sich ein gutes Gesamtbild erzeugen lassen können, wo welche Fahrzeuge ihre Stärken und Schwächen haben, was hoffentlich zu einem baldigen Ergebnis führt.
Wie von vielen erwartet wurde außerdem bekanntgegeben, dass der deutsche Hersteller Continental drei der vier Klassen der USCR mit Einheitsreifen versorgen wird. Lediglich in der GTLM wird es – aus oben genanntem Grund – weiterhin offenen Wettbewerb zwischen allen interessierten Reifenherstellern geben. Für GT3-Teams, die an einen Gaststart, etwa bei den 24h von Daytona, denken, bedeutet dies, dass sie sich auf einen weiteren Reifentyp einstellen müssten (in Europa sind GT3s je nach Serie auf Gummis von z.B. Michelin, Dunlop, Yokohama oder Avon unterwegs).
Umstellen müssen sich aber vor allem die Teams, die einen LMP2-Boliden in der neuen Serie einsetzen möchten, denn Continental hat bisher keine Teams dieser Klasse beliefert. Die Frage ist, ob Teams dann auch mit Continental-Reifen in Le Mans antreten würden oder ob diese sich aufgrund des Charakters nicht für den Wettbewerb dort eignen (schließlich müssen sie auch den Daytona Prototypes „passen“ und sollen einen gleichmäßigen Wettbewerb zwischen beiden ermöglichen); in diesem Fall müssten LMP2-Teams für Le Mans einen anderen Reifen testen und auswählen und das Auto auf diesen abstimmen, was erhöhte Kosten und damit eine große Hürde für die Le Mans-Teilnahme amerikanischer LMP2-Teams darstellt.
Auch für den Delta Wing wird Continental gesonderte Reifen herstellen müssen, wenn dieses Projekt nicht mangels eines funktionsfähigen Motors über den Winter eingestellt wird. Details zum Continental-Deal gibt es bei SpeedTV.
Auch zum sportlichen Reglement gab es erste Veröffentlichungs-Häppchen (Pressemitteilung hier): Während in der Prototyp- und in der GTLM-Klasse die Fahrerwahl frei sein wird (min. 2, max. 3, bei 12h-Rennen max. 4, bei 24h-Rennen max. 5 Fahrer), darf in der Prototype Challenge und GT Daytona höchstens ein als Platin oder Gold eingestufter Pilot pro Wagen starten. Die IMSA stellt hierzu eine eigene Fahrer-Einstufung auf Basis der FIA-Regeln zusammen. Bei Boxenstopps dürfen sechs Personen am Auto arbeiten; zwei Schlagschrauber sind erlaubt und es darf gleichzeitig getankt und ein Reifenwechsel vorgenommen werden, was aktuell in den Le Mans-Serien verboten ist.
ALMS
Im Vorjahr boten Dyson und Muscle Milk Racing auf dieser Strecke das knappste Finish der ALMS-Geschichte: Um 0.083 Sekunden schlugen Chris Dyson und Guy Smith damals Lucas Luhr und Klaus Graf. Ein solcher Ausgang ist in diesem Jahr unwahrscheinlich, denn mit Chris McMurry und Tony Burgess ist der Dyson-Lola-Mazda chancenlos gegen den Muscle Milk-HPD, wenn dieser hält (was in diesem Jahr bisher immer der Fall war). Mit technischen Problemen kämpft weiterhin der Delta Wing. Die LMP1 dürfte also leider für wenig Spannung sorgen.
Anders die LMP2: Die vier HPDs – je zwei von Level 5 und Extreme Speed Motorsports – sind inzwischen gleichermaßen siegfähig. Dreieinhalb von fünf Siegen gingen bisher an Level 5: In Lime Rock wurden den Siegern Tucker/Briscoe nachträglich zu Recht die Punkte aberkannt, weil Briscoe im Kampf um den Klassensieg den Extreme Speed-Wagen abschoss; doch wie in Amerika leider üblich, dürfen sie den unrechtmäßig erfahrenen Sieg trotzdem behalten. Jedenfalls steht es in der Meisterschaft nach fünf von zehn Rennen 95:88 für Level 5 in der Team-Wertung.
Da Ryan Briscoe sich beim IndyCar-Rennen in Toronto das Handgelenk gebrochen hat, hat Scott Tucker als Ersatz Simon Pagenaud engagiert, der mit seiner großen LMP-Erfahrung den Australier adäquat ersetzen können sollte. Er wird sich in der #552 mit Ricardo Gonzalez abwechseln, Tucker konzentriert sich ausnahmsweise auf die #551, anstatt beide Fahrzeuge zu pilotieren. Ich könnte mir vorstellen, dass auch taktische Erwägungen dahinterstecken, da es die Strategie des Teams oft einschränkt, dass Tucker in beiden Fahrzeugen die vorgeschriebene minimale Fahrzeit absolviert.
Was die GT-Klasse angeht, ist die Road America in den vergangenen Jahren BMW-Land gewesen: 2010 und 2012 siegte das Rahal Letterman-Team mit dem M3 GT2, 2011 wurden die beiden Wagen durch den Risi-Ferrari knapp auf die Plätze 2 und 3 verdrängt. Der neue Z4 GTE hat sich in diesem Jahr bisher gut gemacht und konnte sowohl auf dem hakeligen Stadtkurs von Long Beach als auch auf der flüssigeren Strecke von Lime Rock siegen. Die Road America ist allerdings ein recht eigener Streckentyp, da sie lange Geraden mit relativ engen Kurven verbindet.
Großer Konkurrent von BMW ist Corvette Racing, die die anderen vier Saisonrennen gewonnen haben. Corvette führt die Team-Wertung mit 92:80 an; in der Fahrerwertung liegt jedoch BMW-Pilot Dirk Müller weiterhin knapp vor dem Corvette-Duo Gavin/Milner (70:65). Zwar ist es für die ALMS erst das sechste von zehn Rennwochenenden und damit gerade einmal Saisonhalbzeit, doch zwischen diesen beiden Teams geht es um jeden einzelnen Punkt im Kampf um die Meisterschaft.
Mit etwas Glück könnten auch die beiden SRT Viper an die starke Leistung aus Mosport anknüpfen, als sie die Pole holten und den Sieg knapp verpassten, aber beide Wagen aufs Podium zu stellen vermochten.
In der Prototype Challenge (die im kommenden Jahr in der USCR weiterleben wird) liegt wieder einmal CORE Autosport vorn, allerdings hat auch PR1 Mathiasen noch Titelchancen; beide haben zwei Siege auf dem Konto. In der GTC liegen Alex Job Racing (Bleekemolen/MacNeil) und Flying Lizard (Canache/Pumpelly) gleichauf bei 77 Zählern, ebenfalls mit je zwei Siegen.
Das Rennen der ALMS startet am Sonntag um 21 Uhr deutscher Zeit, Stream und Übertragung auf MotorsTV beginnen 15 Minuten vorher. Stream, Live Timing, Spotter Guide und alles weitere gibt es auf der Webseite der ALMS.
Grand-Am
Schon am Samstag tragen die beiden Serien der Grand Am ihre Rennen aus: Erst die Continental Tire Sports Car Challenge Series am frühen, dann die Rolex Sports Car Series am späten Nachmittag, genauer gesagt um 23 Uhr deutscher Zeit. Für sie ist das wunderbar unpassend betitelte „VisitFlorida.com Sports Car 250“ bereits das neunte Saisonrennen von insgesamt zwölf, die Saison wird bereits Ende September enden.
14 Daytona Prototypes, 13 GT- und zwei GX-Boliden sind gemeldet. Das DP-Feld ist mit dem modifizierten Reglement, das seit Anfang 2012 in Kraft ist, also stabil geblieben und wird aller Voraussicht nach auch im kommenden Jahr den größeren Teil des Prototypen-Feldes der USCR stellen. Die Punktwertungen werden ausnahmsweise einmal nicht vom Ganassi-Team angeführt: Rojas/Pruett haben zwar zweimal gewonnen (unter anderem die 24h von Daytona), doch sie haben auch zwei Ergebnisse außerhalb der Top Ten in ihrer bisherigen Saisonbilanz. Dennoch gehören die beiden stets zu den Top-Favoriten.
Aktuell Meisterschaftsführende sind nach ihrem Sieg beim letzten Rennen in Indianapolis Ryan Dalziel und Alex Popow für Starworks, die wie das Ganassi-Team einen Riley-BMW einsetzen. Ebenfalls sehr gut positioniert sind Gurney/Fogarty für GAINSCO/Bob Stallings, ebenfalls eines der langjährigen Top-Teams der Serie und in dieser Saison mit bisher einem Sieg. Je zwei Siege können Angelelli/Taylor (Wayne Taylor Racing) und Fittipaldi/Barbosa (Action Express) aufweisen, beide setzen auf den Corvette DP.
Einige weitere in Europa bekannte Namen sind außerdem dabei: 8 Star Motorsports setzt auf der Road America wieder einmal auf Sebastien Bourdais als Gaststarter; Stephane Sarrazin gehört in diesem Jahr bereits zur Stammbesetzung des Teams. Außerdem hat sich das zweite Starworks-Team mit Brendon Hartley und wechselnden Partnern (diesmal Scott Mayer) in den letzten zwei Rennen endlich aus dem Mittelfeld lösen können; bei den 6h von Watkins Glen reichte es mit dem dritten Fahrer Pierre Kaffer erstmals für einen Podiumsplatz. Richard Westbrook und Ricky Taylor sind die „dritten Männer“ für die GTE-Corvettes in Le Mans 2012 und 2013 gewesen.
Die DP-Kategorie ist aufgrund des Reglements von der Technik her sehr ausgeglichen ist, das Fahrerfeld ist bunt durchmischt. Mehrere der aufgezählten Teams sind an diesem Wochenende als Siegkandidaten zu nennen und auch die Meisterschaft ist noch lang nicht entschieden.
Auch die GT-Klasse ist breit aufgestellt: Andy Lally und John Potter im Magnus-Porsche führen trotz Sieglosigkeit, aber mit Konstanz, die Meisterschaftswertungen an, knapp gefolgt von Edwards/Liddell im Stevenson-Camaro mit vier Siegen (aus acht Rennen), aber auch zwei 15. Plätzen. Auch die Ferrari 458 von Scuderia Corsa (mit Alessandro Balzan und diesmal Leh Keen) und AIM Autosport (mit Assentato/Lazzaro) sind ohne Siege noch in Reichweite zur Tabellenspitze. Paul Dalla Lana und Bill Auberlen sind, wenn sie zusammen antreten, auch stets zu beachten (bereits zwei Siege in dieser Saison).
Außerdem dabei sind diesmal: Maxime Martin im zweiten Turner-BMW M3 und der zweite Mühlner Motorsport-Porsche mit Tim Bergmeister und Jeroen Bleekemolen. Einige Fahrer sind an diesem Wochenende doppelt beansprucht, unter anderem der bereits angesprochene Maxime Martin. Bill Auberlen, John Edwards und Spencer Pumpelly werden sogar in drei Serien (ALMS und beide Grand Am-Rennen) am Start stehen.
Das Rennen der Rolex Sports Car Series startet am Samstag um 23 Uhr deutscher Zeit und ist auf MotorsTV live zu sehen.
Rückblick: Asian Le Mans Series in Inje
Der Vollständigkeit halber ganz kurz ein Rückblick auf das erste Rennwochenende der Asian Le Mans Series im südkoreanischen Inje. Tatsächlich traten nur ganze acht Wagen das 3h-Rennen auf dem neuen Kurs namens „Inje Speedium“ an, davon zwei LMP2-Boliden und ein GTE-Ferrari. Der Sieg ging an das chinesische KCMG-Team mit Gary Thompson, James Winslow und dem sechzehnjährigen Akash Nandy. Die schnellste Runde, die dieses Team drehen konnte, war knapp drei Sekunden schneller als die des OAK Racing-Teams; beide starteten mit einem Morgan-Chassis, KCMG mit Nissan-Motor, OAK mit Judd-Aggregat. Bei OAK Racing kamen außerdem fünf Minuten mehr Boxenstandzeit zusammen, sodass sich insgesamt ein Abstand von fünf Runden akkumulierte, was am Ende nur Gesamtrang 3 bedeutete.
Gesamt-Zweiter wurde AF Corse mit dem GT3-Ferrari und Rugolo/Bertolini/Wyatt, ebenfalls fünf Runden vor dem nächsten Klassen-Konkurrenten. Der einsame GTE-Ferrari des Taisan Ken Endless-Teams erreichte Gesamtrang vier. Zwischen den beiden Ferrari 458-Varianten lagen in der schnellsten Rundenzeit nur drei Zehntel (zugunsten der GTE-Variante).
Das nächste Rennen der Asian Le Mans Series wird am 22. September in Fuji ausgetragen. Dann sollen 8 bis 10 Fahrzeuge mehr am Start stehen, allesamt Gaststarter aus der GT300-Klasse der beliebten Super GT-Serie. Doch was kommt danach?