Home LMS WEC/ELMS: Vorschau zum Saisonauftakt in Silverstone

WEC/ELMS: Vorschau zum Saisonauftakt in Silverstone

von StefanTegethoff
0 Kommentare

FIA WEC PrologueStatic Photoshoot - All CarsAuch wenn in der Woche vor dem Saisonauftakt der World Endurace Championship bisher die schlechten Neuigkeiten (in Form von Absagen) in den Vordergrund drängten, so überwiegt doch die Vorfreude, dass es nun endlich losgehen kann mit dem Dreikampf zwischen Audi, Toyota und Porsche. Im Rahmenprogramm fährt die European Le Mans Series mit einem erstaunlich starken Feld, doch dazu später mehr.

WEC

Seit der Ankündigung von Porsche, mit einem neuen Le-Mans-Prototypen in den Langstreckensport zurückzukehren, ist die Vorfreude auf das anstehende Wochenende stetig gewachsen. Das erste Kräftemessen wird auf dem traditionsreichen, wenn auch vielfach umgebauten Silverstone Circuit ausgetragen, bevor es nach Spa und schließlich nach Le Mans geht, wo Porsche nach wie vor den Rekord für die meisten Siege eines Herstellers hält. Zwar robbt sich Audi (12) langsam aber sicher an Porsches 16 Siege heran, doch die Zuffenhausener werden in den nächsten Jahren alles daran setzen, den Vorsprung nicht noch weiter schrumpfen zu lassen. Toyota jagt weiterhin dem ersten Sieg hinterher.

Das Wunderbare an Le Mans und den anhängigen Serien (insbesondere der WEC, wo die LMP1-Klasse ausschließlich antritt) ist die technische Vielfalt. Alle drei Hersteller mussten für das stark überarbeitete Reglement neue Fahrzeuge konstruieren; herausgekommen sind drei völlig unterschiedliche Antriebskonzepte.

Audi setzt weiterhin auf einen V6-Turbodiesel, hat diesen allerdings mit 4,0l Hubraum neu konstruiert, um die Effizienz zu steigern. Der über die Radhäuser angeblasene Diffusor des Vorjahres wurde verboten. Audi hat – etwas überraschend – nur für die Hybrid-Klasse bis 2 MJ gemeldet, da man sich auf ein Hybrid-System, das die kinetische Energie der Vorderachse über einen Motor-Generator in einem Schwungrad speichert, entschieden hat. So hält man am aus dem Vorjahr bekannten Konzept fest, da es mit dem zweiten System beim Testen Probleme gab.

Auch Toyota bleibt seinem technische Konzept im Grundsatz treu: Der TS040 wird wie das Vorgängermodell von einem 3,7l-V8-Saugmotor angetrieben, Benzin bleibt der Kraftstoff der Wahl. Allerdings setzt Toyota nun auf elektrischen Antrieb an beiden Achsen; wie bisher wird die Energie in einem Kondensator gespeichert. Diese in den letzten beiden Jahren erprobte Technologie bietet ihnen die Möglichkeit, in der 6 MJ-Klasse anzutreten (diese Zahl ist auf den Circuit de la Sarthe bezogen – in Silverstone dürften 4,02 MJ pro Runde abgerufen werden gegenüber 1,34 MJ bei Audi).

FIA WEC PrologueAuch Porsche setzt – wenig überraschend – auf einen Benzinmotor, allerdings mit Turboaufladung. Hier hat man sich, wie schon länger gerüchtelt wurde, für einen V4-Motor mit 2,0 Litern Hubraum entschieden. Die V-Anordnung ermöglicht es, den Motor als tragendes Element in den Wagen einzubauen; anders als beispielsweise Aston Martin mit dem defektanfälligen Reihen-Sechszylinder vor einigen Jahren spart man sich so den zusätzlichen Stahlrohrrahmen. Dennoch hatte auch Porsche Vibrationsprobleme mit dem Motor, sodass bereits eine Überarbeitung fällig war. Porsche setzt wie Toyota auf zwei Hybrid-Systeme: ein KERS an der Vorderachse und einen die Motor—Abwärme umwandelnden Generator. Beide füttern einen Batterie-Speicher, der wiederum die Vorderachse antreibt. Wie Toyota tritt Porsche damit in der 6 MJ-Kategorie an.

Der Preis für die Vielfalt ist leider auch in der WEC ein überaus komplexes technisches Reglement; beziehungsweise, es ist nicht das eigentliche Motoren-Reglement komplex (sondern wunderbar simpel), sondern die sogenannte Equivalency of Technology – ein Berechnungsmodell, das gleiche Chancen für unterschiedliche Antriebstechnologien gewährleisten soll. Dieses wurde von dem Endurance Committee der FIA auf Basis von Daten, die von den Herstellern abzuliefern waren, ausgeknobelt. Audi hat sich nach der Verkündung der Zahlen, die bis einschließlich Le Mans zunächst unverändert bleiben (um Sandbagging zu verhindern), wenig zurückhaltend über Benachteiligung beschwert. Bei den gemeinsamen Testfahrten in Le Castellet fehlten 0,8 Sekunden auf den schnellsten Porsche – doch diese Zeiten sollte man nicht für bare Münze nehmen.

Am Steuer sitzen für Audi: di Grassi/Duval/Kristensen und Fässler/Lotterer/Treluyer; für Toyota: Wurz/Sarrazin/Nakajima und Davidson/Lapierre/Buemi sowie für Porsche: Dumas/Jani/Lieb und Bernhard/Webber/Hartley.

Ohne Hybridantrieb unterwegs ist Rebellion Racing mit zwei Autos und den Fahrern Prost/Heidfeld/Beche und Kraihamer/Belicchi; da allerdings der von Oreca für das Team neu konstruierte R-One gerade erst seinen Rollout in Frankreich hinter sich hat, wird in Silverstone (und je nach Verlauf der Tests in Spa) noch einmal das altbekannte und bewährte Lola-Coupé B12/60 zum Einsatz kommen. Gegen die Werke wird allerdings nichts auszurichten sein, es sei denn, deren Wagen offenbaren große Zuverlässigkeitsprobleme.

IMG_8541.CR2Leider mussten drei Teams den Saisonauftakt ganz absagen, womit gleich vier Fahrzeuge weniger auf dem WEC-Grid stehen werden: Der neue Lotus-LMP1 (eine Weiterentwicklung des Vorjahres-LMP2-Modells, das schon im Hinblick auf das 2014er LMP1-Reglement konstruiert war) braucht noch mehr Entwicklungs- und Testzeit, ebenso leider auch das für die LMP2 neu aufgebaute Dome-Coupé des Strakka-Teams von Nick Leventis. Und schließlich fallen auch die beiden Millenium Racing-Oreca-Nissans aus, da dem Team aus den VAE kurzfristig die finanzielle Unterstützung flöten gegangen ist. Millenium Racing ist quasi die Verschmelzung von Fabien Giroix Gulf Racing Middle East und dem Delta Motorsport-Team, die 2014 auch kein eigenes Auto mehr an den Start gebracht hätten, sodass dieser Verlust gleich doppelt schmerzt.

Noch ein weiteres Team steckt in Problemen, die direkt aus der aktuellen politischen Krise um Russland herrühren: SMP Racing, ebenfalls mit zwei Fahrzeugen für die WEC gemeldet, hängt am finanziellen Tropf einer russischen Firma, der im Zuge der Sanktionen durch USA und EU die Konten gesperrt wurden. Man hat zum Anfang der Woche durch die Blume den Rückzug angedroht, indem man erklärte, die Projekte des SMP-Teams seien „at risk of failure“, wenn man als nicht-kommerzielles Unternehmen nicht von den Sanktionen ausgenommen werde.

Bleiben noch das – ebenfalls russische (!) – G-Drive-Team um Roman Rusinov, der aber bisher keine Probleme verlautbart hat, sowie das chinesische KCMG-Team mit Howson/Bradley/Matsuda am Steuer des Oreca-Nissan. Bis auf G-Drive, die auf das Morgan-Chassis des Herstellers Onroak umgestiegen sind, treten alle (potentiellen) Teams mit Oreca-Chassis an; ausnahmslos alle setzen auf Nissan-Motoren. In der WEC ist der LMP2 somit leider die Vielfalt abhanden gekommen.

2014-Prologue-Castellet--GABI9954.JPGZu den sechs Werksfahrzeugen von Porsche, Ferrari und Aston Martin in der GTE-Pro stößt in diesem Jahr erfreulicherweise ein privates Team hinzu: Ram Racing, das immer noch junge Team um Dan Shufflebottom, das in seinem Debütjahr 2013 direkt die GTE-Krone in der ELMS – überzeugend! – erringen konnte. Matt Griffin und Alvaro Parente werden gegen die Werke antreten; wie viel sie tatsächlich erreichen können, bleibt abzuwarten. Das eine oder andere Podium im Laufe der Saison würde den tollen Eindruck vom Team weiter bestärken.

Ansonsten bleibt vieles beim Alten, doch es gibt auch neue Namen: AF Corse (Ferrari) setzt in der #51 auf die Veteranen Bruni/Vilander, bringt in der #71 jedoch mit James Calado und Davide Rigon zwei noch relativ junge Fahrer an den Start. Rigon hat im Vorjahr für 8Star Motorsports in einem Ferrari gute Leistungen in der WEC gezeigt; Calado kommt frisch aus der GP2, die er im Vorjahr als Dritter abschloss.

Aston Martin setzt auf das bewährte Duo Turner/Mücke in der #97 und das ungewöhnliche Trio Rees/O’Young/MacDowall in der #99. MacDowall gehört mit 23 auch noch zur Nachwuchsklasse, hat allerdings bereits zwei Jahre in der WTCC hinter sich und 2013 im Bamboo-Chevy Cruze drei Podiumsplätze errungen.

Bei Porsche ist Frederic Makowiecki neu dabei, der in den vergangenen Jahren bereits für Ferrari und für Aston Martin fuhr. Ansonsten gab es auch durch das LMP1-Programm Verschiebungen, so wurde da Marc Lieb in den 919 versetzt. Ersatzmann Makowiecki wird mit Holzer/Lietz die #92 pilotieren, während Pilet/Bergmeister/Tandy die #91 übernehmen.

FIA WEC PrologueBleibt noch die GTE-Am, die mit acht Fahrzeugen (derselben Marken) ausgewogen besetzt ist. Ram Racing versucht sich auch in dieser Klasse mit einem Ferrari; Johnny Mowlem wird auf eigenen Wunsch hier eingesetzt, da er um den Klassensieg in Le Mans streiten möchte. Er wechselt sich ab mit Mark Patterson und Ex-Stig Ben Collins. Das AF Corse-LMP2-Nebenprojekt Pecom Racing ist eingestampft, Luiz Perez Companc tritt für sein Team nun wieder in einem GTE-Ferrari an; in einem zweiten sitzt u.a. Youngster Sam Bird. Auch das 8Star-Team um Enzo Potolicchio bleibt dem 458 treu.

Auf die Kraft des Porsche-Boxermotors setzen zwei bekannte Teams: Prospeed Competition (u.a. mit Emmanuel Collard) und Proton Competition (um Christian Ried). Aston Martin Racing hat mit Poulsen/Heinemeier-Hansson/Thiim ein recht starkes, rein dänisches Team und mit Dalla Lana/Lamy/Nygaard ein ebenfalls nicht schlechtes zweites, aber bunteres Trio zusammengestellt. Die Klasse hat in den vergangenen Jahren häufig für unterhaltsame, lange spannende Rennen gesorgt – wenn auch meist im Schatten der anderen Kategorien. Auch in diesem Jahr droht ein ähnliches Schicksal (im Positiven wie im Negativen). Man sollte also gelegentlich einen Blick darauf werfen, was gerade in der GTE-Am vor sich geht.

Die 6h von Silverstone starten am Ostersonntag um 13 Uhr deutscher Zeit bei voraussichtlich bestem Frühlingswetter. MotorsTV überträgt durchgehend live, Eurosport die Start- und Schlussphase. Außerdem gibt es einen offiziellen Stream.

ELMS

Die European Le Mans Series startet in Silverstone in ihr zweites Jahr nach der Runderneuerung zur Saison 2013. Das überarbeitete Format hat sich bewährt und wurde für 2014 verfeinert: Die Formula Le Mans bzw. LMP Challenge, in der im Vorjahr maximal drei Wagen starteten, wurde endgültig aus dem Programm genommen; die Rennen werden in diesem Jahr über vier statt über drei Stunden gehen. Die Serie hat sich als Einstieg und Sprungbrett sowohl für frische Fahrer als auch neue Teams etabliert, wie etwa Ram Racing oder Brendon Hartley zeigen.

Auch 2014 ist wieder Nachwuchs hinzugekommen, die Entry List ist ein gesunder Mix aus Jung und Alt, bekannten und unbekannten Namen. Allen voran ist in der Top-Klasse, der LMP2, Matt McMurry zu nennen, der sich mit gerade einmal 16 Jahren anschickt, der jüngste Fahrer bei den 24h von Le Mans zu werden. Diesen Rekord hält bislang Ricardo Rodriguez, der bei seinem Start in Le Mans 1959 17 Jahre alt war. McMurry, der die Star Mazda-Serie und die IMSA-Lites (eine Protoptypen-Rennserie im Rahmen der ALMS) durchlief, wird erst im November 17. Greavey Motorsport hat ihn für die ELMS und Le Mans unter Vertrag genommen, er wird sich mit und gegen die erfahrenen Teamkollegen Tom Kimber-Smith und Chris Dyson beweisen müssen.

Dagegen ist Harry Tincknell, der für Jota Sport starten wird, mit 22 Jahren bereits ein „alter Hase“. Der Vorjahres-Fünfte der FIA Formel 3-EM ist als Teamkollege von Jota-Stamfahrer Simon Dolan und Audi-Leihgabe Felipe Albuquerque im Zytek-Nissan gemeldet. Gerade 23 geworden ist Oliver Webb, dessen Karriere seit dem dritten Gesamtrang in der British F3 2010 stagniert. Nach einem Umweg über die Indy Lights tritt er nun in der ELMS für Signatech-Alpine mit Nelson Panciatici und Paul-Loup Chatin an (außerdem wird er 2014 einen zweiten Versuch in der Formel Renault 3.5 wagen).

Das LMP2-Feld bietet darüber hinaus bekannte Namen wie Karun Chandhok (Murphy Prototypes), Christian Klien (Newblood by Morand Racing), Tristan Gommendy (Thiriet by TDS) und Jan Charouz (Sebastien Loeb Racing) ebenso wie Veteranen vom Schlage eines Jacques Nicolet, der zwar in einem Morgan (aus seiner Onroad-Schmiede), aber unter dem Banner von Larbre Competition antritt. Favoriten sind schwer auszumachen, doch sollten die Youngster einschlagen (oder zumindest eine solide Performance abliefern), werden die eingangs genannten Teams Jota und Greaves sicherlich in Podiumsnähe zu finden sein.

Auch die GTE (die weiterhin nicht in Pro und Am gesplittet ist) weist ein buntes Fahrerfeld auf. Dagegen bleibt es bei den Autos beim alten Duell Porsche vs. Ferrari: Vier 911 GT3 RSR werden versuchen, den acht Ferrari 458 das Leben schwer zu machen – ein einsamer Aston Martin des Gulf Racing UK-Team wagt sich auf dieses Schlachtfeld (allerdings setzt das Team daneben auch noch einen Porsche, u.a. mit dem Iren Adam Carroll, ein).

AF Corse ist wie gewohnt dabei und bringt mit Perazzini/Cioci/Lyons und Cameron/Griffin/Rugolo zwei schlagkräftige Trios an den Start, wobei Rugolo, Cioci und Griffin auch in der WEC starten (Griffin für Ram Racing). Kessel Racing ist ebenfalls mit zwei 458 dabei; Pierre Kaffer steuert für das österreichische Team AT Racing einen Ferrari. Die Porsche-Speerspitze bildet IMSA Performance Matmut mit zwei 911ern und u.a. Nicolas Armindo an der Seite von Teamchef Raymond Narac. Ex-Nationaltorwart Fabien Barthez startet für das Team Sofrev-ASP mit Anthony Pons und Soheil Ayari (Ferrari).

Die GTC-Klasse für GT3-Fahrzeuge, ursprünglich als Feldfüller gedacht, aber schlecht angenommen, ist die quantitativ stärkste Klasse in der ELMS 2014. 15 Fahrzeugen sind gemeldet; auch hier sind die Ferrari 458 (in der GT3-Variante) mit neun Wagen in der Überzahl. Für SMP Racing aus Russland starten Mika Salo und Olivier Bereta (in zwei getrennten Wagen), für das dänische Formula Racing-Team Jan Magnussen. Alessandro Pier Giudi starte für das Team Ukraine. Alex Brundle, Kevin Korjus und Ricardo Gonzalez steuern die zwei McLaren MP4-12C für ART Grand Prix, Johnny Cocker (ehem. Drayson Racing und JMW) geht für Team Russia by Barwell im einzigen BMW Z4 an den Start. Prospeed setzt mit van Splunteren/Vannelet/Soulet auf ein bewährtes Trio für seinen Porsche GT3 R, Sebastien Loeb Racing bietet u.a. Mike Parisy und Oliver Lombard im Audi R8 LMS auf.

Das bunt durchmischte Feld sollte vor allem in den GT-Klassen für ein unterhaltsames Rennen sorgen, aber auch die LMP2 ist mit vielen neuen Namen und neu zusammengewürfelten Teams sowie der größeren Fahrzeugvielfalt (im Vergleich zur WEC) schwer einzuschätzen und könnte durchaus für Spannung sorgen. Start ist am Samstag um 15:30 deutscher Zeit; MotorsTV überträgt live, außerdem wird ein Stream bereitgestellt.

Bildquelle: WEC

Das könnte Dir auch gefallen