Nach der Kurvenorgie von Monaco folgt die Höchstgeschwindigkeitsstrecke von Montreal. Hier geht es nicht nur um den Topspeed, sondern auch um den mechanischen Grip.
Dass man in Kanada eine gute Höchstgeschwindigkeit benötigt, ist klar, aber genau so wichtig ist der mechanische Grip, den man braucht, um sauber aus den Kurven herauszukommen. Dabei ist aber in diesem Jahr nicht nur der Abtrieb auf der Hinterachse gefordert, sondern auch der Motor. Je weicher der Turbo und beide Hybridsysteme ihre Leistung abgeben, desto besser beschleunigt man aus den vielen langsamen Kurven heraus. Und man schont dabei die Hinterräder, die in Montreal besonders viel leiden werden. Bisher scheint Mercedes auch in diesen beiden Bereichen das beste Konzept zu haben. Red Bull hat sicher nicht weniger Grip, die Frage ist aber, wie gut der Renault-Motor in Sachen Leistungsentwicklung ist. Monaco kann dabei aber nicht als Gradmesser dienen. Auch wenn man hier oft aus langsamen Kurven herausbeschleunigt, der Vollgasanteil nach den Kurven ist deutlich geringer als in Montreal. Je besser man raus kommt, desto besser ist auch der Topspeed.
Mercedes schien, vor allem bei Hamilton, in Monaco eher Probleme mit den Hinterreifen zu haben. Wie in Monaco bringt Pirelli die Mischungen „Soft“ und „Supersoft“ an die Strecke, was angesichts des nicht ganz so einfachen Asphalts für gewisse Probleme sorgen könnte. Die „Supersoft“ sind in diesem Jahr zwar auch härter geworden, bauen aber am Ende ihres Lebenszyklus massiv ab. Mercedes wird hier aufpassen müssen.
Doch die größeren Probleme liegen wohl weiter im Team selbst, genauer gesagt zwischen Hamilton und Rosberg. Brav verkündete die PR-Abteilung, die beiden seien nun doch wieder Freunde, und Hamilton selber unterstrich dies mit einem Tweet:
We've been friends a long time&as friends we have our ups&downs. Today we spoke&we're cool, still friends #noproblem pic.twitter.com/xhZlf4qMv9
— Lewis Hamilton (@LewisHamilton) 30. Mai 2014
Tatsächlich sind die beiden ja seit mehr als 15 Jahren eng befreundet, vielleicht stimmt das also alles. Die Frage wird sein, wie lange der freundliche Waffenstillstand hält. Hamilton selbst schickte per Twitter dann ein paar Tage metaphorische Kampfansagen („Never give up“ und „Kanada passt zu meinen aggressiven Stil“) hinterher. Das Eis ist also eher dünn.
Dass irgendjemand in den Kampf der beiden eingreifen wird, kann man getrost als unwahrscheinlich betrachten. In Kanada fehlen dem Red Bull die schnellen Kurven und man wird mit flacherem Flügel unterwegs sein, was dann wieder mehr auf die Reifen geht. Interessant dürfte allerdings zu beobachten sein, ob es Vettel dann mal gelingt, Ricciardo in der Quali zu schlagen, was sich dieses Jahr (natürlich auch wegen der vielen Defekte) als eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe herausgestellt hat. Außerdem wird man ein Auge auf die Ferrari werfen müssen, die laut eigener Aussage mit einem sehr großen Update-Paket in Sachen Chassis und Motor aufwarten werden. Nun muss man aber bei Ferrari in Sachen Updates immer etwas vorsichtig sein. Die Windkanalprobleme scheinen immer noch nicht zu 100% ausgemerzt zu sein. Oder wie Rob Smedley neulich süffisant anmerkte: „Ich bin froh, mal mit einem Windkanal zu arbeiten, dessen Ergebnisse auch auf der Strecke funktionieren.“
Weitere Kandidaten für vordere Plätze sollten Force India und Williams sein, die die Vorteile des Mercedes-Motors ausspielen können. Williams läuft der Form weiter ein wenig hinterher, auch weil man einfach viel Pech hat. Siehe Massa in Monaco. Man hat das Gefühl, dass sie immer noch nicht so richtig ihre Möglichkeiten umsetzen können. Dagegen operiert Force India eher am oberen Rand dessen, was sie können. Kanada sollte Hülkenberg und Perez auf jeden Fall liegen und ein fünfter Platz ist für beide Teams nicht unmöglich.
Schwierig einzuschätzen ist Lotus. Monaco war miserabel, das Auto braucht hohe Geschwindigkeiten, damit die eigentümliche Aerodynamik funktioniert. In Spanien lief es lange gar nicht so schlecht, also sollte Q3 für Grosjean auf jeden Fall drin sein. Auch Punkte sind möglich, aber das hängt auch ein wenig von der ebenfalls schlecht einschätzbaren Form der McLaren ab, die weiterhin jenseits von gut und böse unterwegs sind. Button sprach in Monaco von leichten Fortschritten, ob man die in Kanada sehen wird, ist fraglich. Erstaunlicherweise ist der McLaren ja weiter das langsamste Auto der Mercedes-Flotte. Viel wird Ron Dennis in diesem Jahr eh nicht mehr in den Wagen investieren.
Das „dark horse“ im Mittelfeld ist weiter Toro Rosso, die „Wundertüte“ der Saison. Mal läuft es sensationell gut, mal gehen beide Fahrer im hinteren Mittelfeld unter. Einen richtigen Trend nach oben oder unten kann man beim Team nicht feststellen. Aber der Wagen geht auf den Geraden gut, daher sollte Kanada passen. Was man für den Sauber vermutlich nicht sagen kann. So leid es einem ja tut, aber die Befürchtung ist dann doch sehr groß, dass Sauber dieses Jahr nicht mehr den Anschluss wird schaffen können. Das neue Chassis hat in Spanien nicht funktioniert, man laboriert mit mangelndem Abrieb und einem weiterhin etwas zu hohem Gewicht herum.
Gespannt darf man auf Marussia sein. Die zwei Punkte aus Monaco waren sicher ein Geschenk, aber das muss man sich auch erst mal erfahren. Im Fürstentum hatte man ein neues Update dabei, das offenbar gut funktionierte. In Kanada wird es mit Punkten vermutlich eher nichts, aber vielleicht wird es ja was mit Q2. Davon kann dann Caterham wiederum nur träumen. Zwar hat Tony Fernandes klargestellt, dass das Team nicht zum Verkauf steht, aber offenbar sucht er einen Partner oder zweiten Geldgeber.
Strategie:
Die Boxengasse in Kanada eignet sich bestens für eine Zwei- oder gar Drei-Stopp-Strategie. Bei der Ein- und Ausfahrt spart man gegenüber der Strecke sogar Zeit, weil es eine Abkürzung ist. Je nach Wetter (Sonntag sollen es 27 Grad sein) wird man sehen, wie lange man mit den „Supersoft“ vernünftige Zeiten fahren kann. Gerade in den ersten beiden Stints könnten die „Supersoft“ mehr als eine Sekunde im Schnitt bringen, was einen dritten Stopp sehr verlockend macht. Dafür benötigt man aber zwei saubere Sätze der „Supersoft“, das heißt, in Q2 hat man höchstens einen Versuch.
Die ganze Strategie wird aber hinfällig, wenn das Safety Car kommt, was in Kanada sehr wahrscheinlich ist. Wie in Monaco gilt: Ein an der Seite abgestelltes Auto sorgt für die nötige Unterbrechung. Dazu kommt, dass Unfälle durch ein Anschlagen an den Leitplanken nicht unwahrscheinlich sind. Es bleibt aber dabei zu hoffen, dass es wirklich nur leichte Unfälle sind. Die Strecke auf der Insel ist nicht gerade ein Vorbild in Sachen Sicherheit.
Wegen der unterschiedlichen Reifenstrategien und den beiden DRS-Zonen sollte das Rennen sehr abwechslungsreich werden. Es wird hinter den Mercedes vermutlich während des Rennens eng zugehen und große Verschiebungen geben. Langweilig wird der Sonntagabend jedenfalls nicht.
1 Kommentare
Vielleicht sollte sich Herr Hamilton einfach nur mal entscheiden. Er wurde ja früher schon nicht müde zu betonen, dass er den Herr Rosberg garnicht zu seinen Freunden zählt, nachdem er die Jahre vorher einigermassen regelmässig in irgendwelchen Feelgood-Homestories für diverse Medien zusammen mit Rosberg auftauchte. Wahrscheinlich ist das alles nur ein grosses Missverständnis, und er muss einfach nur mal Rat bei Herrn Sutil einholen…
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