Eine späte Safety-Car-Phase, Regen und die richtigen Reifenwahl waren die Zutaten zu einem der dramatischsten Finishes in der Geschichte der Super Formula. Kazuki Nakajima hatte dabei den besten Riecher und behielt einen kühlen Kopf. Ryo Hirakawa und Yuji Kunimoto komplettierten das Podium.
Mit 22 Grad Außentemperatur präsentierte sich die Shizuoka-Präfektur vergangenen Sonntag von der eher kühleren Seite, obgleich die hohe Luftfeuchtigkeit die Fahrer ins Schwitzen brachte. Hinzu gesellten sich einige grübelnde Stirnfalten, da sich über dem Fuji Speedway bedrohliche Regenwolken aufbauten. Tatsächlich fing es wenige Sekunden vor der Einführungsrunde im dritten Streckenabschnitt an zu regnen, hörte aber rechtzeitig zum Start wieder auf. Den Beteiligten wie auch Fans vor Ort war jedoch klar, dass es bis zum Ende des Rennens durchaus noch mal anfangen könnte. Und so kam es letztlich auch: Zehn Runden vor Schluss prallten die Tropfen erneut auf die Strecke. Zunächst abermals nur im dritten Sektor, später über den gesamten Kurs verteilt. Den tragischen Helden spielte bei diesen Bedingungen ausgerechnet Joao Paulo de Oliveira. Der Brasilianer führte bis sechs Runden vor Schluss dominant das Rennen an, drehte sich jedoch auf nasser Piste. Da der Motor des Impul-Piloten nicht mehr ansprang, musste das Safety Car das Feld neutralisieren. Was anschließend folgte, war ein eher aus dem US-Racing bekannter, packender Drei-Runden-Sprint.
Doch der Reihe nach. Am Samstag in der Qualifikation war es zunächst ausgerechnet Andrea Caldarelli, der sich seine erste Pole-Position in der Super Formula sicherte. Der Italiener sprang als Ersatz für den bei den 24 Stunden von Le Mans schwer verunfallten Loic Duval ein, der für Fuji noch keine Freigabe der Ärzte erhielt, im August in Motegi aber wieder ins Cockpit klettern wird. Eine bessere Vertretung hätte sich der Franzose nicht wünschen können. Caldarelli selbst fuhr bereits 2011 für Kondo Racing in der damals noch Formula Nippon genannten Rennserie und ersetzte Duval vergangenes Jahr gleich zweimal in Suzuka, als dieser wegen Terminüberschneidungen mit der WEC nicht in Japan fahren konnte. Zusätzlich pilotierte der auch in der Super GT bei KeePer Tom’s fahrende Italiener den neuen SF14-Boliden von Dallara vor einigen Wochen bei Testfahrten in Sugo, bei denen keine Stammpiloten zugelassen waren. Die Erfahrung münzte er sofort in Taten um. Die Top-5 wurden von Joao Paulo de Oliveira, James Rossiter, Kazuki Nakajima und Hiroaki Ishiura komplettiert. Schnellster Honda war erneut Titelverteidiger Naoki Yamamoto auf Rang sieben. Interessanterweise bewegten sich die ersten sieben Piloten innerhalb einer halben Sekunde, was zumindest am Samstag noch für einen gewissen Optimismus bei Honda gesorgt haben dürfte.
Direkt am Start setzte sich Joao Paulo de Oliveira gegen Andrea Caldarelli durch, als dieser etwas besser als der Italiener vom Fleck kam. Anstatt zu kontern, musste dieser sich nach hinten orientieren, als ein erneut bärenstarker James Rossiter am gelben Toyota-Boliden von Caldarelli vorbeiging. Nach der Eröffnungsrunde versuchte auch Kazuki Nakajima sein Glück auf der langen Start- und Zielgeraden, überschoss jedoch die erste Kurve. Der Champion von 2012 fiel dadurch bis auf die sechste Position zurück, von der er sich bis zur Safety-Car-Phase auch nicht mehr befreien konnte. Im Startgetümmel der ersten Runde kamen sich die beiden Real-Racing-Kollegen Koudai Tsukakoshi und Vitantonio Liuzzi in die Quere. Dabei wurde auch Yuhki Nakayama im zweiten Mugen-Honda in Mitleidenschaft gezogen. Er konnte nach einem Nasenwechsel jedoch weiterfahren, während für Liuzzi und Tsukakoshi das Rennen beendet war. Der Japaner kam nach einem Reparaturstopp zwar nochmals auf die Strecke zurück, absolvierte dabei aber selbstredend nur einige wichtige Testkilometer. Für Liuzzi war es der erste Ausfall in dieser Saison, während das Pech an Tsukakoshi förmlich zu kleben scheint, obgleich es dieses Mal ein Unfall und nicht die verteufelte Defekthexe war.
Einen ausgezeichneten Start erwischte Daisuke Nakajima. Von Platz 13 aus kommend arbeitete sich der Nakajima-Racing-Pilot bis auf Rang acht vor, verlor im Laufe des Rennens jedoch den Anschluss an die etwas leistungsstärkeren Toyota. Am Ende verfehlte der ältere Bruder von Kazuki Nakajima mit Position neun nur knapp die Punkteränge, sah im Gegensatz zu Teamkollege Takashi Kogure jedoch die Zielflagge. Während vorne im zehnten Umlauf Joao Paulo de Olveira langsam aber stetig seine Führung auf knapp drei Sekunden ausbaute, duellierten sich dahinter James Rossiter, Andrea Caldarelli, André Lotterer sowie etwas abgeschlagen Hiroaki Ishiura. Der Deutsche schien anfangs nicht ganz die Pace von Caldarelli gehen zu können, holte aber immer mal wieder auf ihn auf, weil Caldarelli keinen Weg an James Rossiter vorbeifand. Interessant zu beobachten war der Zweikampf um Platz elf zwischen Narain Karthikeyan und Tomoki Nojiri. Letzterer schien in den Kurven deutlich schneller als der Inder gewesen zu sein. Zudem gewann der junge Japaner einige Meter beim Bremsen auf den Teamkollegen von Joao Paulo de Oliveira. Auf der langen Zielgeraden konnte Karthikeyan jedoch den Leistungsvorteil seines Toyota-Aggregats voll ausschöpfen, wodurch Nojiri keine Chance hatte. Davor tobte ein Duell zwischen Naoki Yamamoto sowie Yuji Kunimoto, welches der Cerumo-Fahrer letztlich für sich entschied. Für Titelverteidiger Yamamoto ging es mit stumpfen Waffen hingegen wieder nach hinten.
In der 28. Runde eröffnete Hiroaki Ishiura die Boxenstopps der Spitzengruppe, nachdem bereits sechs Umläufe zuvor Takashi Kogure seine Nakajima-Racing-Crew zum Service ansteuerte. Sein Stopp ging dabei komplett in die Hose, als sich die Radmutter des linken Vorderreifen nicht festziehen lies. Die Cerumo-Crew hatte derweil keine Probleme und schickte Ishiura mit vier frischen Bridgestone-Pneus sowie einem aufgefüllten Tank nach 15,1 Sekunden wieder auf die Reise. Zum gleichen Zeitpunkt kam auch Tomoki Nojiri herein, vermutlich um mit frischeren Reifen einen Vorteil gegenüber Karthikeyan herauszufahren. Erneute würgte der Japaner mit der fummeligen Kupplung den Wagen ab. Am Ende kam Nojiri mit einer Runde Rückstand nur auf Position zwölf ins Ziel. Eine Runde später reagierte Kazuki Nakajima auf den Stopp von Hiroaki Ishiura und holte sich ebenfalls vier frische Reifen. Der Tom’s-Crew gelang es mit einer Zeit von 14,8 Sekunden, ihren Piloten noch vor Ishiura auf die Strecke zu schicken. Doch dieser profitierte von seinen bereits wärmeren Reifen – Reifenwärmer sind bekanntlich in der Super Formula verboten – und krallte sich noch vor der Coca-Cola-Kurve Nakajima.
In der 31. Runde bogen Andrea Caldarelli sowie André Lotterer zum Service ab. Der dreifache Le-Mans-Champion machte wertvolle Meter bei der Einfahrt auf den Italiener gut. Den Rest erledigte die etwas schnellere Tom’s-Crew, wodurch Lotterer und Caldarelli die Plätze in der Box tauschten. Auffallend war der sehr hohe Bremsstaub-Ausstoß der beiden Tom’s-Toyota bei ihren jeweiligen Boxenstopps, der deutlich kräftiger als bei den anderen Teams war. Dies könnte insbesondere für das nächste Rennen in Motegi ein entscheidender Faktor sein, da der „Zwillingsring“ aufgrund seiner Stop-and-Go-Charakteristik als besonders belastend für die Bremsen gilt. Tom’s-Chef-Ingenieur Tsutomu Tojo hatte nach den Testfahrten in Sugo bereits erste Bedenken geäußert. Vergangene Woche wurde direkt nach dem Rennen am Fuji Speedway ein zweitägiger Test absolviert, bei dem die Bremsen ebenfalls groß auf der Agenda standen.
Bereits eine Runde später taten es Joao Paulo de Oliveira wie auch James Rossiter ihren Verfolgern gleich. Obwohl Kondo Racing mit 13,5 Sekunden den Briten schneller abfertigte, gelang es ihm aufgrund des größeren Abstandes nicht, an de Oliveira vorbeizuziehen. Direkt nach den Stopps lieferten sich der Brasilianer und André Lotterer ein Fernduell um die schnellste Rennrunde. Dadurch gelang es de Oliveira auch bis zur 40. Runde seinen Abstand zu Rossiter auf rund acht Sekunden zu vergrößern. Besagte 40. Runde sollte auch den großen Umbruch im Rennen bringen, als es wieder anfing leicht zu regnen. Auf der nun immer feuchter werdenden Piste eilte Lotterer mit großen Schritten an seine beiden Vordermänner heran. Bereits vor zwei Jahren bewies der Duisburger, dass er zu den besten Fahrern bei diesen Bedingungen gehört, als er auf nasser Piste und mit Slick-Reifen kurz vor Schluss Kazuki Nakajima noch den Sieg abnahm. Vier Runden später demonstrierte Hideki Mutoh mit seinem Ausritt die Schwierigkeit dieser Bedingungen, was letztlich Hiroaki Ishiura zum Pokerwechsel auf Regenreifen veranlasste, obgleich die Strecke dafür noch nicht nass genug war. Lotterer ließ sich von all dem nicht beeindrucken und krallte sich in Runde 46 den Silberrang von James Rossiter. Anschließend nahm er die Verfolgung des nun rund fünf Sekunden langsameren Joao Paulo de Oliveira auf. Alle Zeichen deuteten auf einen packenden Schlusskampf zwischen dem Deutschen und dem Brasilianer, bis dieser im 49. Umlauf letztlich die Kontrolle über seinen Wagen verlor und dadurch die entscheidende Safety-Car-Phase auslöste. Die Bedingungen wurden immer schlechter, weshalb Kazuki Nakajima, Ryo Hirakawa sowie Yuji Kunimoto blitzschnell reagierten und sich wie auch bereits einige Runden zuvor Ishiura Regenreifen holten. Wie schwierig die Bedingungen mittlerweile waren, demonstrierte unter anderem Koki Saga, der bis dahin ein gutes Rennen fuhr, hinter dem Safety Car jedoch aufgrund von Aquaplaning in die Streckenbegrenzung rutschte. Das gleiche Malheur passierte auch Pole-Setter Andrea Caldarelli, wodurch der Italiener enttäuscht aufgeben musste.
Bei immer stärkerem Regen wurde schnell klar, dass alle Slick-bereiften Fahrer beim Restart die so genannten „sitting ducks“ sein würden. Zwar führte nun André Lotterer vor James Rossiter und Narain Karthikeyan wie auch Hideku Mutoh das Feld an, dahinter befanden sich aber direkt die Regenreifenwechsler Kazuki Nakajima, Ryo Hirakawa, Yuji Kunimoto sowie Hiroaki Ishiura. Unbeobachtet von den Kameras ließ sich zudem Naoki Yamamoto die Regen-Pneus aufziehen, was sich als goldrichtige Entscheidung herausstellen sollte. Als das Rennen in der drittletzten Runde zum Schlussspurt wieder eröffnet wurde, fielen die Fahrer mit Regenreifen sofort über diejenigen mit den Slicks her. Kazuki Nakajima sowie Ryo Hirakawa arbeiteten sich dabei direkt auf die ersten beiden Positionen vor. In der Dunlop-Kurve kam der Tom’s-Pilot allerdings leicht von der Strecke ab, wodurch Hirakawa auf die erste Position durchschlüpfte. Hirakawa, der seit seiner letztjährigen Rookie-Saison bereits häufiger am Podium kratzte, hatte nun die beste Möglichkeit zu gewinnen. Aber auch ihm gelang in der vorletzten Runde gleich in der ersten Kurve ein Missgeschick, worauf Nakajima wieder in Führung ging. Zwar versuchte Ryo Hirakawa in den letzten beiden Umläufen noch zu kontern. Nakajima wehrte jedoch jeden Angriffsversuch des jungen Talents ab.
Am Ende feierte somit Kazuki Nakajima mit seinem sechsten Karrieresieg seinen ersten Saisonerfolg. Für Petronas Tom’s war es der bereits 23. Triumph in der höchsten japanischen Formel-Serie. Den allerersten Sieg vor Augen war Ryo Hirakawa über den Silberrang selbstredend ein wenig enttäuscht, konnte sich letztlich dann aber doch noch über seine erste Podiumsplatzierung freuen. Der letztjährige JAF Grand Prix Fuji Sprint Cup-Sieger Yuji Kunimoto belegte den Bronzerang und verwies damit seinen Cerumo-Kollegen Hiroaki Ishiura auf den vierten Platz. Beim Sieger-Interview gab sich Kazuki Nakajima ehrlich: Ohne den Fahrfehler von Ryo Hirakawa, hätte er das Rennen wohl nicht gewonnen. Letztlich half der Regen sowie die goldrichtige Entscheidung, in der Safety-Car-Phase auf die den Bedingungen entsprechende Bereifung zu setzen. Sein Chef Nobuhide Tachi fand ebenfalls nur lobende Worte für die Leistung, fühlte gleichzeitig aber auch mit seinem zweiten Fahrer André Lotterer mit. Der Deutsche blieb wie auch Rossiter trotz sehr guter Leistung am Ende unbelohnt, die beiden landeten auf den Plätzen sechs und acht. Dazwischen quetschte sich noch Narain Karthikeyan. Rossiter sprach am Ende davon, dass das Wetter ihn um einen möglichen Sieg betrogen habe, wobei er sich aufgrund der Fehlentscheidung auf Slicks zu bleiben wohl selbst an die Nase fassen muss. Goldrichtig lag derweil Naoki Yamamoto, der dank seinem Wechsel noch den fünften Platz herausfuhr. Zwar schönt dies das Resultat für Honda ein wenig. Es ist allerdings auch kein Geheimnis, dass unter normalen Umständen keiner der Honda-Piloten die Punkteränge erreicht hätte. Rettung scheint aber in Sicht zu sein. Beim kommenden Rennen in Motegi wird Honda laut Aussagen aus dem Fahrerlager einen verbesserten Motor benutzen. Dieser wurde bereits in der Super GT bei Testfahrten in Suzuka sowie beim vierten Saisonlauf im Sportsland Sugo erprobt und soll das Leistungsdefizit sowie die Kühlprobleme lindern. Eine Wiederauferstehung der Marke beim Heimrennen wäre ihnen, auch im Hinblick auf einen ausgeglichenen Wettkampf, sehr zu gönnen.
Durch seinen Triumph führt nun Kazuki Nakajima die Meisterschaft mit 20 Punkten vor seinem Teamkollegen André Lotterer (16,5 Punkte) an. Zwar verlor Loic Duval die Tabellenführung, befindet sich mit 15,5 Zählern aber direkt hinter Lotterer auf Rang drei. Neuer vierter ist Ryo Hirakawa (13,5 Punkte), der Joao Paulo de Oliveira auf Platz fünf (12 Punkte) verdrängte. Das nächste Rennen findet am 24. August am Twin Ring Motegi statt. Eventuell sehen wir nach Loic Duval, Joao Paulo de Oliveira, André Lotterer (Saisonrennen zwei war bekanntlich in zwei Sprintläufe unterteilt) und nun Kazuki Nakajima dann sogar den fünften unterschiedlichen Sieger.
Copyright Photos: Japan Race Promotion
1 Kommentare
Wieder mal ein super Artikel, danke :)
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