Teil 3 unserer Halbzeitanalyse. Wir werfen einen Blick auf die Politik und auf das, was uns in der zweiten Saisonhälfte erwartet.
Die Politik hat in der Formel Eins schon immer eine große Rolle gespielt. In den 80er Jahren kämpften die FIA unter Jean-Marie Balestre und Bernie Ecclestone um die Vormachtstellung, ab Mitte der 90er dann die Hersteller gegen das Dikatoren-Duo bestehend aus Ecclestone und Mosley. Danach wurde die Sachlage unübersichtlich. Mal waren sich die Teams einig, mal waren sie es nicht. In den letzten Jahren zersplitterte die F1 immer mehr in einzelne Interessensinseln, klug gesteuert von Ecclestone, der mal dem einen, mal dem anderen Team zur Seite sprang. Es war klar, dass mit den neuen Regeln auch neue Probleme auftauchen würden, was die Politik angeht. Nachdem die Team-Vereinigung „FOTA“ das Zeitliche gesegnet hatte, gab es keine gemeinsame Politik mehr. Jeder kämpft gegen jeden, alle irgendwie zusammen gegen Bernie und die Verteilung des Geldes, und die FIA wirft aus ihrem Bürokratie-Rachen eine unsinnige Idee nach der nächsten aus.
In diesem Jahr haben offenbar die Trolle die Oberhand gewonnen. Das „Nasen-Desaster“ wäre schon im letzten Jahr zu vermeiden gewesen. Craig Scarborough wies schon Mitte 2013 darauf hin, dass da eventuell ein Problem auf alle zukommen würde. Unternommen wurde nichts. Auch die Sache mit dem Sound war früh klar.
Natürlich kann man in Sachen Motorgeräusch geteilter Meinung sein. Die kreischenden V8 waren meine Sache nicht, aber ein bisschen lauter dürfte es schon sein. Ja, die Hybridsysteme schlucken etwas, aber es geht auch anders, wie Porsche in der WEC zeigt.
Das wäre alles zu ertragen, auch die Jammerei von Red Bull, aber dann kam die Idee mit den doppelten Punkten im letzten Saisonrennen. Nicht dass man das nicht machen könnte. Warum zum Beispiel bestimmte Rennen über die Saison so bewerten? Man könnte die Klassiker nehmen: Monaco, Spa/Monza, Suzuka. Vielleicht sogar einen eigenen, zugegebenermaßen etwas wertlosen Pokal. Eine Art „Triple Crown“. Wer in Monaco, Monza und Suzuka gewinnt, bekommt einmalig 25 Punkte gutgeschrieben und eine hübsche Blumenvase.
Aber im letzten Rennen? Bei so einer ausgeglichenen WM? Gut, man soll nicht zu früh urteilen, aber es ist durchaus ähnlich wie im neuen Chase-System der NASCAR. Ein geplatzter Reifen im letzten Rennen – und man verliert den vielleicht schon sicher geglaubten Titel. Ist das gerecht? Sicher nicht. Schafft es Spannung. Vielleicht. Doppelte Punkte hätten in den letzten Jahren, abgesehen von 2010, wenn ich das richtig im Kopf habe, nicht gebracht. Vettel wäre so oder so Weltmeister geworden.
Auch andere Dummheiten zeichnen sich am Horizont ab. Stehender Start nach einer Safety-Car-Phase – das traut sich nicht mal der US-Sport. Noch längere Laufzeiten der genutzten Teile. Das soll Geld sparen. Aber das Gegenteil wird der Fall sein. Denn damit die Motoren und Aggregate bei mindestens gleicher Leistung mehr Laufleistung erbringen, muss man tief in die Tasche greifen.
Überhaupt ist vielen, darunter auch mir, das technische Reglement der F1 viel zu unübersichtlich und gleichzeitig langweilig geworden. Die WEC macht vor, wie es anders gehen kann. Eine Hubraumbeschränkung, eine maximale Leistungsabgabe bzw. Verbrauch. Fertig. Im Detail ist das Reglement zwar wieder hochkomplex, auf der anderen Seite führt es dazu, dass man faszinierende Technik zu sehen und zu hören bekommt. Hinzufügen muss man der Fairness halber aber auch, dass sich das Reglement der LMP1-H nur Hersteller mit dickem Geldbeuteln leisten können. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Toyota nur einen Bruchteil der Summe in den Motorsport steckt, die Mercedes, Ferrari und Red Bull aufwenden. Nicht wenige behaupten, dass die WEC im Moment die bessere F1 ist.
Die Kostenexplosion in der F1 ist ein weiteres Problem. Caterham, Marussia, Lotus, Sauber – allein das sind vier Teams, die mit dem Rücken zur Wand stehen. Ja, Gene Haas kommt. Aber auch erst 2016. Selbst Teams wie McLaren sind mittlerweile auf Fahrer angewiesen, die auch Geld mitbringen.
Nichtsdestotrotz hat sich die Saison in meinen Augen sehr gut entwickelt. Wir sahen teilweise fantastische Rennen in Bahrain, Kanada, Silverstone und Ungarn. Selbst das Rennen am Hockenheimring war nicht schlecht. Es gibt massenhaft gute Zweikämpfe. Die Strategie spielt eine große Rolle. Die Technik sorgt hier und da für die nötige Dramatik.
Das wird in der zweiten Saisonhälfte nicht anders werden, schon gar nicht mit den Strecken, die da auf dem Programm stehen. Spa, Monza, Singapur, Suzuka, Austin, Interlagos – alleine dort sollte die Spannung sehr groß sein.
Und auch wenn die Mercedes weiterhin dominant erscheinen und der WM-Titel sich nur noch zwischen Rosberg und Hamilton entscheiden wird – ich erwarte einen epischen Kampf. Das Duell hat alle Zutaten für einen Klassiker. Zwei „Freunde“ im gleichen Team, mit gleichem Material, beide fahrerisch absolut auf Augenhöhe. Ein Kampf um Hundertstel, in jedem Rennen. Auch ein Kampf mit harten Bandagen. Es bahnt sich eine Auseinandersetzung an, die man seit Porst/Lauda und Prost/Senna nicht mehr gesehen hat. Zumindest nicht in einem Team. Der Zweikampf zwischen beiden Piloten wird die zweite Saisonhälfte dominieren, er wird nicht immer schön, aber sicher nie langweilig.
Interessant wird auch sein, wie stark Red Bull in den Kampf eingreifen kann. Daniel Ricciardo hat bewiesen, was er kann, Vettel läuft seiner Form und seinem Glück hinterher. Aber dennoch wird Red Bull ein Faktor in der WM bleiben und vielleicht das Pendel so für Rosberg oder Hamilton ausschlagen lassen können.
Ebenso spannend wird die Frage sein, wie sich Williams zeigen wird. Ist die gute Form ein Zwischenhoch? Hat man die Ressourcen, um bis zum Saisonende vorne dabei zu sein? Kommt noch der längst fällige Sieg? Spa wäre so eine Strecke…
Ganz anders Ferrari, die mehr oder weniger vor einem Scherbenhaufen stehen. Die Umstrukturierung ist schwer zu bewerten, nicht wenige Journalisten haben so ihre Zweifel, ob das Team personell gut ausgestattet ist. Eine deutlich gewichtigere Frage scheint die interne Kommunikation zu sein. Aldo Costa wurde bei Ferrari rausgeworfen, seine Entwürfe funktionierten nicht. Auch der Ex-Motorchef Marmoni beklagte in einem Interview, dass die Kommunikation bei Ferrari grauenhaft sei. Er habe seinen neuen Chef genau zweimal gesprochen: Einmal bei der Einstellung, das nächste Mal, als dieser ihn rauswarf. Die Unstimmigkeiten färben auch die Fahrer ab. Kimi wirkt noch genervter als sonst und Alonso nörgelt, vermutlich teilweise zurecht, schon seit einem Jahr rum. Das System Ferrari stimmt nicht. Aber auf der anderen Seite ist es Ferrari, da braucht es vermutlich immer etwas Chaos.
Ich freue mich auf die zweite Saisonhälfte und ich hoffe, dass wir bis zum Schluss einen fairen und spannenden Kampf um die WM sehen werden. Und dass die FIA erkennt, dass man die angedachten neuen Regeln besser schneller wieder vergisst.