Ein durchaus ansehnliches, aber nicht gerade spektakuläres Rennen war das in diesem Jahr. Immerhin sorgte eine Szene für (un-)nötige Aufregung. Spannende Dinge tun sich aber hinter den Kulissen.
Es hätte eigentlich das Rennen von Nico Rosberg sein müssen. Pole-Sitter Hamilton hat einen schlechten Start, Rosberg geht bequem in Führung und hat damit auch das Recht, seine Boxenstrategie so zu bestimmen, wie es für den Sieg nötig ist. Doch das Rennen nahm dann eine andere Wendung. Schon nach dem Start konnte sich Rosberg nicht so freifahren, wie man das erwartet hätte. Der langsamere Magnussen hielt Massa und Hamilton eine ganze Zeit auf. Knapp zehn Runden dauerte es, bis Hamilton an beiden vorbei kam und der Abstand betrug dann etwas mehr als sechs Sekunden. Erstaunlich wenig, wenn man bedenkt, dass der Mercedes rund eine Sekunde pro Runde schneller sein sollte.
Bei den Deutschen hatte man allerdings Angst um die Hinterreifen. Man wollte den Stopp so spät wie möglich machen, um nicht am Ende, wie man zum Beispiel bei Vettel sehen konnte, in Probleme zu kommen. Hamilton fuhr den Rückstand dann zu, kam aber auch nicht näher ran. Sei es, weil er auf den Stopp wartete, sei es, weil es tatsächlich nicht ging. Nach dem Reifenwechsel gab er, gegen den Rat seines Teams, wieder Gas und setze Rosberg unter Druck.
Der kleine Fehler von Rosberg am Ende der langen Geraden sorgte dann für den Führungswechsel – aber auch für jede Menge Gerüchte. Es sei eine Stallorder gewesen, die Bestrafung von Rosberg für den Unfall in Spa. Das Team habe daher eine elegante Lösung gesucht, um den Briten am Teamkollegen vorbeizulotsen, ohne dass es allzu auffällig gewesen wäre. Alle Beteiligten dementieren das, also ist die Sache damit erledigt. Auf der anderen Seite war es schon auffällig, dass Rosberg zweimal der gleiche Fehler unterlief. Ausgerechnet Rosberg, der sonst so perfekt unterwegs ist. Abgesehen von Kyvat, der ohne Bremsen durch die Schikane segelte, machte kein Pilot (soweit man das im TV sehen konnte) diesen Fehler. Warum also Rosberg? Zweimal? Er habe die Bremsbalance nach vorne gestellt, sagte Toto Wolff. Ein Fehler, meinte Rosberg, ohne auf Details einzugehen.
So oder so: Hamilton war am gesamten Wochenende der schnellere Pilot. Er war ca. 1,5 Zehntel schneller als Rosberg, was man auch im Rennen sehen konnte. Der Sieg geht in jedem Fall völlig in Ordnung.
Immerhin lief das Rennen ab Platz 5 dann recht spannend. Was Ricciardo, Magnussen, Button und Perez ablieferten, war Unterhaltung der allerersten Güte. Auch der durchs Feld schneidende Bottas und der mit einer guten Strategie ausgestattete Ricciardo sorgten für beste Action. Vor allem die Überholmanöver des Australiers waren sensationell. Überhaupt Red Bull – irgendwas läuft da gerade nicht so richtig gut zwischen dem Team und Vettel. Der frühe Boxenstopp in Runde 19 war dem Umstand geschuldet, dass man eine durchaus machbare Strategie gewählt hatte. Früh rein, eine Lücke im Verkehr finden, um dann mit guten Rundenzeiten einen Undercut zu versuchen. Das passte auch und Vettel rutschte auf P4 nach vorne. Bei Ricciardo musste man eine andere Strategie versuchen, weil er zu weit hinten stand. Hätte man ihn früher reingeholt, wäre er zu weit zurück gefallen. So musste er seine Reifen lange durchschleppen, um dann am Ende angreifen zu können. Bei Vettel hätte diese Strategie nicht geklappt. Dennoch war Vettel sauer, dass er wieder hinter seinem Teamkollegen gelandet ist.
Passenderweise gibt es gerade eine Menge Gerüchte um Vettel. Sein Vertrag läuft offiziell bis Ende 2015, aber dabei scheint es sich um eine Option zu handeln, die Vettel ziehen kann. Angeblich hat McLaren Interesse gezeigt bzw. hätte Honda den Deutschen gerne im Team. Für Honda wäre das eine Win-Win-Situation. Man bekommt einen der besten Fahrer und luchst gleichzeitig der Konkurrenz von Infinity den Markenbotschafter weg. Ron Dennis wiederum will nicht noch eine Saison mit Jenson Button, der selbst schon angedeutet hat, dass die WEC ja auch eine interessante Serie sein.
Aber die atmosphärischen Störungen bei Red Bull sind nichts im Vergleich zu dem, was bei Ferrari los ist. Eine größere Demütigung als jene, die man am Wochenende in Monza erleben musste, hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Alonso fällt mit einem Defekt aus, Räikkönen krebst um P10 rum. Mag sein, dass Monza für den schwachbrüstigen Ferrari-Motor nicht die beste Strecke ist, aber das ist für Ferrari auch kein Trost. Es passt einfach nichts zusammen. Alonso schaut mittlerweile genauso demotiviert aus der Wäsche wie Räikkönen und die Aussagen beider laufen auf den Punkt „Das wird auch nichts mehr“ hinaus. Gleichzeitig ist Luca di Montezemolo angeschlagen. Die Kritik, dass die miserablen Ergebnisse von Ferrari etwas mit seinem Führungsstil zu tun haben, wird immer lauter. Auch die Einsetzung von Marco Mattiacci als Teamchef wird kritisch gesehen. Mattiacci mag jemand sein, der neue Managementstrukturen schafft, aber er hat keine Ahnung, wie ein Rennstall funktioniert. Seitdem Stefano Domenicalli (der am Wochenende zufälligerweise in Monza war) weg ist, geht es mit den Ergebnissen des Teams bergab. Williams ist vorbeigezogen, Red Bull hat sich ebenfalls wieder entfernt. Dafür drückt von hinten McLaren.
Was bei Ferrari passieren wird, ist unklar. Glaubt man italienischen Medien, so gibt es einen Riss zwischen Fiat-Chef Sergio Marchionne und Luca di Montezemolo. Zwar gehören Fiat 90% von Ferrari, aber einen Montezemolo tauscht man nicht einfach mal so aus. Die Frage ist auch: Wer kann die nicht gerade umkomplizierte Diva namens Ferrari übernehmen? Wer kann Ferrari sportlich auf Vordermann bringen und wer verfügt gleichzeitig über so viel Insider-Wissen wie Montezemolo? Ein Name taucht dabei immer wieder auf: Ross Brawn. Das „Wunschgerücht“ ist nun, dass Brawn den Rennstall übernimmt und einer der Enkel von Gianni Agnelli Montezemolo ablöst. Damit würde man auch wieder das Team mehr von Ferrari selber lösen. Genau das hat Montezemolo in den 90ern gemacht, als er mit Jean Todt einen starken Teamchef holte. Er selbst hielt sich in den Jahren im Hintergrund.
Immerhin geht Ferrari so schnell nicht das Geld aus. Das sieht bei anderen Teams deutlich anders aus. Williams hat gerade die Zahlen der ersten beiden Quartale veröffentlicht und weist einen Verlust von 20 Millionen Pfund aus. Grund dafür sind unter anderem die Leasingkosten für den neuen Motor. Und dabei steht Williams mit dem Hauptsponsor Martini und den sehr guten Ergebnissen noch vergleichsweise gut da.
Deutlich komplizierter scheint die Lage bei Marussia, Lotus und Caterham zu sein. Dem russischem Team geht klar das Geld aus, man braucht einen Paydriver. Was 2015 passiert, ist unklar. Bei Lotus ist bekannt, dass das Team tief in den roten Zahlen steckt und nur überlebt, weil man Pastor Maldonado an Bord hat. Man wollte angeblich Mercedes-Motoren haben, war aber Gerüchten zufolge nicht in der Lage, die geforderte Garantiesumme zu zahlen. Ob das Team 2015 an den Start gehen kann, ist völlig unklar, zumal man angeblich auch bei Renault in der Kreide steht.
Bei Caterham stehen die Anzeichen auf „Feierabend“. Christian Albers hat seinen Posten als Teamchef am Wochenende an den Nagel gehangen. Begründung: Er würde gerne mehr Zeit für sein Privatleben haben. Bis heute ist nicht klar, wer das Team überhaupt gekauft hat. Auffällig war in Monza nur, dass alle bisherigen Sponsoren vom Auto verschwunden waren.
Auch bei Sauber ist das Geld knapp, aber hier gibt es, nach dem wohl geplatzten Deal mit russischen Unternehmern, einen möglichen Übernahmekandidaten. Der kanadische Milliardär Lawrence Stroll soll angeblich vor einer Übernahme des gesamten Teams stehen. Es gab dazu in Monza wohl ein Meeting, auffallend war, dass Peter Sauber mal wieder vor Ort war.
Dazu passend sorgte ein Tweet des ehemaligen Geschäftsführers von Williams, Adam Parr, für Aufregung:
This is the last year of F1 as we know it. In 2015 eight teams will contest the championship, with several teams entering three cars.
— Adam Parr (@adam_s_parr) 7. September 2014
Angesichts der Gerüchtelage ist klar, dass Parr Caterham, Marussia und Lotus verschwinden sieht. Vier der fehlenden sechs Autos sollen von Ferrari, Mercedes, Red Bull und McLaren als drittes Auto kommen. Dabei sollen es sich um „Junior“-Fahrzeuge handeln, die mit Nachwuchsfahrern besetzt sind. Bei Ferrari wäre das Jules Bianchi, bei McLaren Stoffel Vandoorne, Red Bull könnte Kyvat befördern, nur bei Mercedes sind Sam Bird und Mitch Evans im Gespräch. Damit hätte man weiter 20 Autos am Start.
Ein Auge muss man auch auf den russischen Grand Prix haben, der wohl kurz vor der Absage steht. Das Problem dabei ist einerseits die politische Lage, andererseits sind es die Wirtschaftssanktionen, die manchem Sponsoren rechtliche Bauchschmerzen machen. Es hat in Monza dazu ein Meeting mit allen Teamchefs und Bernie Eccestone gegeben. Mercedes, McLaren, Williams, Force India und Caterham sollen dabei für eine Absage plädiert haben.
Die nächsten Wochen bleiben auf jeden Fall spannend, wir schieben aktuelle Berichte ein, wenn sich etwas tun sollte.
Bilder: Daimler AG, Ferrari, Williams F1, McLaren F1, Force India, Red Bull, Toro Rosso, Caterham
5 Kommentare
Ohne jetzt die (Verschwörungs-)Theorie zur möglicherweise diskreten Bestrafung von Rosberg kommentieren zu wollen: Für jemanden, der gerade ein Rennen durch zwei Fehler verloren hatte, kam er mir anschließend sehr aufgeräumt vor. Oder bilde ich mir das nur ein?
Zu Ferrari: Ross Brawn mag viele Talente haben, der viel wichtigere Faktor für die fünf Titel von Schumacher war aber meiner Meinung nach Rory Byrne. Ein Genie auf Augenhöhe mit Adrian Newey. Von dem war damals merkwürdigerweise immer viel zu wenig die Rede, wenigstens hierzulande.
Die Organisation bei Ferrari war ja: Jean Todt, mehr oder weniger CEO, der, der die Übersicht behält, der die Strategie-Calls entscheidet. Brawn: Chef-Entwickler, Designer. Byrne Designer. Dazu Schumacher, der wie ein Besessener das Auto testete, bis perfekt zu ihm passte. Das war schon einmalig. Vorher gab es nur Egomanen wie Brabham, Cooper, Chapman, Gardner, Postlethwaite, Banard usw. Später dann eben Newey, Brawn, Byrne. Aber da funktionierte die Arbeit als Egomane schon nicht mehr, dafür ist die F1 zu komplex geworden.
Und das ist heute glaube ich das Problem, dass einige Team haben. Ferrari funktioniert noch so, als würden drei gute Leute reichen. Bei McLaren dachte man das auch lange. Allein die Trennung zwischen Team-Chef und Chef an der Strecke ist so eine Auffälligkeit. McLaren hat das erst in diesem Jahr verstanden, in dem Ron Dennis den CEO des Team gibt und Eric Boullier den de facto Team-Chef an der Strecke. Mercedes hat die Trennung auch zwischen Wolff und Paddy Lowe. Ross Brawn ist wohl auch aus dem Grund gegangen, weil er eben beide Rollen haben wollte.
Mittlerweile haben auch andere Teams das erfolgreich getrennt. Force India hat Mallya als CEO, aber Andy Stevenson als denjenigen, der die Calls macht. Red Bull Mateschitz/Marko und Horner. Williams Frank Williams und Pat Symonds, bzw. Dickie Stanford. Und überall, wo man die Organisation aufgetrennt hat, läuft es. Weil die Details in der Konstruktion einfach so komplex geworden sind, dass keiner mehr über alles die Übersicht hat.
Kann sich überhaupt eine Rennserie wie die F1 so einen m.M.n. Schwachsinn wie 3 Fahrer pro Team überhaupt erlauben, um nicht ganz als Lachnummer dazustehen?
@ Danny:
Wenn man sich es erlauben kann, im letzten Rennen doppelte Punkte zu vergeben, dann kann man sich sonst praktisch alles erlauben. Ganz früher hat es das ja auch schon gegeben…
@ Danny:
Caterham und Marussia „krebsen“ eh nur hinten rum. Lotus ist auch nicht viel besser. Wenn diese Teams verschwinden und die oben genannten starken Teams dafür ein 3. Auto ins Rennen schicken, dann dürfte das dem „Racing“ eher dienlich sein.
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