Luca di Montezemolo, Ferrari-CEO und Urgestein der Formel Eins, verlässt Ferrari. Fiat-CEO Sergio Marchionne übernimmt. Doch welche Konsequenzen das hat, ist völlig unklar.
Es hatte sich seit einiger Zeit angekündigt, dass die Zeit von Luca di Montezemolo bei Ferrari abläuft. Seit Monaten kursieren Gerüchte, dass er entweder Aufgaben in der Politik oder in einem Staatskonzern übernehmen soll. Doch es war schwer vorstellbar, dass Montezemolo Ferrari verlassen würde, denn eigentlich sind Ferrari und Montezemolo Eins. Mit einer Unterbrechung in den 80ern war Montezemolo seit 1973 beim Unternehmen und angefangen hatte er als Assistent von Enzo Ferrari. Dazu kommt: Fast alle großen Fahrertitel der letzten 40 Jahre fanden unter Mitwirkung von Montezemolo statt. In den 70ern, als er Leiter aller Rennsportaktivitäten bei Ferrari war, gewann Lauda zwei WM-Titel, dann folgte ein weiterer mit Scheckter (ohne Montezemolo). 1991, drei Jahre nach dem Tod von Enzo, kam er wieder, ordnete die fast bankrotte Firma neu und baute das F1-Team komplett neu auf. Er holte Schumacher und Todt und 1997 dann Ross Brawn – der Rest ist Geschichte. Aber es macht klar, was für eine Figur Montezemolo in Italien und für Ferrari ist. Und welches Erdbeben seine Ablösung für Ferrari bedeutet.
Dazu kommt, dass man Montezemolo wirtschaftlich nichts vorwerfen kann. Ferrari hat ein Rekordjahr nach dem anderen. Seine Politik, die Produktion auf 7.000 Fahrzeuge im Jahr zu beschränken, damit die Exklusivität der Marke gewahrt bleibt, gleichzeitig die Preise aber massiv zu erhöhen, hat sich ausgezahlt. Ohne die Einnahmen von Ferrari würde Fiat deutlich schlechter dastehen. Warum also die Ablösung?
Man kann hier nur spekulieren, es wird nicht alleine um die Misserfolge der letzten Jahren gegangen sein. Der letzte Titel stammt aus dem Jahr 2008, der letzte wirkliche Titelversuch aus dem Jahr 2010, als man wegen des dummen Strategie-Calls in Abu Dhabi gegen Red Bull verlor. Sechs Jahre ohne Titel – das ist eine Sache. Eine andere ist, dass sich nichts bewegt hat.
Dieses Jahr war und ist eine Katastrophe für Ferrari. Konnte man in den letzten Jahren die Misserfolge auf die Aerodynamik, den kaputten Windtunnel und Inkompetenzen schieben, ist es in diesem Jahr das Herz des Autos: der Motor. Ein Ferrari, dessen Motor zu schwach ist? Der sich Mercedes geschlagen geben muss? Oder gar Renault? Das berührt den Kern der Marke, hier wird die Luft dann wirklich dünn. Es sind nicht die Misserfolge an sich, die Montezemolo seinen Job gekostet haben, es ist die Summe der Fehlentscheidungen der letzten Jahre im Team. Und seine Art, immer mehr Entscheidungen an sich zu reißen, statt seinem Team zu vertrauen.
Die Frage ist nun, was bei Ferrari passiert. Sergio Marchionne, CEO von Fiat und nicht immer der beste Freund von Luca di Montezemolo, wird zunächst den CEO-Posten übernehmen. In Italien rätselt man derweil, was dass nun wieder bedeutet. Ferrari ist zu wichtig, um den Laden zwischen Chrysler, Fiat und anderen Bereichen der Gruppe zu managen. Einige sehen Marco Mattiacci als neuen starken Mann. Immerhin hat der Ferrari Asia und Nordamerika geleitet, zwei der Kernmärkte von Ferrari. Nicht wenige meinen nun, Marchionne habe Mattiacci im Frühjahr bei Ferrari geparkt, damit dieser in Zukunft höhere Aufgaben erledigen kann. Doch wer soll das Team führen?
Zwei Namen schwirren da gerade durch die Gazetten. Nummer Eins ist klar Ross Brawn. Der Brite ist arbeitslos, kennt Ferrari und die perfekte Besetzung für Ferrari. Im Mai war Brawn auch mal in Maranello – ein Privatbesuch, hieß es damals. Der zweiten Name kommt auch von Mercedes: Bob Bell. Der im Zuge der Restrukturierung des Teams entlassene Bell ist frei, hat jede Menge Erfahrung, aber ob er der richtige für eine Firma wie Ferrari ist, sei mal dahin gestellt. Um Ferrari zu führen, braucht man eine sehr starke Persönlichkeit. Jean Todt hatte die. Montezemolo. Brawn. Oder Leute wie Ron Dennis. Man darf auch nicht vergessen, dass Montezemolo die Formel Eins und ihre Protagonisten seit 1973 kannte. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Das Problem für Marchionne ist jetzt, dass er nicht viel Zeit hat. Ausgerechnet jetzt ist die heiße Zeit, in der das Chassis für 2015 gebaut wird. Ausgerechnet jetzt kann man für 2015 den Motor ändern. Und ausgerechnet jetzt arbeitet Ron Dennis daran, Fernando Alonso abzuwerben. Erschwerend kommt hinzu, dass Emilio Botin in der letzten Nacht verstorben ist. Der Gründer der spanischen Santander Bank war bekanntermaßen ein großer Freund des Motorsports, von Ferrari und von Fernando Alonso. Seine Tochter soll nun die Geschäfte übernehmen, doch was sein Tod für die F1 und Ferrari bedeuten wird, bleibt abzuwarten.
Für Marchionne stehen schwierige Aufgaben an. Er muss zeigen, dass der komplette Rauswurf von Montezemolo gerechtfertigt war, er muss schnellstmöglich einen neuen, großen Namen im Team installieren, er muss schauen, das Fernando Alonso nicht wegläuft. Und dann muss Ferrari auch wieder erfolgreich werden.
1 Kommentare
Überrascht in dem Schlagzeilenkonzert der letzten Wochen hat mich zuletzt auch so ein wenig die aufkeimenden kritischen Untertöne in Richtung Mattiacci. Als er kam, hiess es unisono, er sei eine langfristige Besetzung, dessen hoffentlich positiven Auswirkungen sich frühestens nächstes Jahr zeigen könnten anstatt kurzfristig wirksam sein zu können. Er sei als Verkaufsmensch talentiert was Analyse und Optimierung von Abläufen und Systemen angeht, damit all das im F1-Team gefixt wird, was zuletzt den langsamen Abstieg befördert hat. Das scheint so langsam alles vergessen zu sein; neuerdings mehren sich Stimmen, von wegen (1) nichts wird besser, und (2) er hat keine Ahnung von Motosport. Schon komisch.
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