Nach mehr als drei Monaten Pause geht die WEC nun in ihre vierte Runde. Eigentlich sind solch lange Pausen nicht gut, denn sie sorgen dafür, dass eine Serie gerne mal in Vergessenheit gerät. Zudem ergibt es auch wenig Sinn, danach sämtliche Rennen in Übersee abzuhalten, wo der Zuspruch mit Ausnahme von Fuji bislang eher gering ausgefallen ist.
Dafür wird man aber mit einer tollen Strecke entschädigt, welche letztes Jahr tolles Racing in allen Klassen bot und bei der Piloten, welche besonders gut im Verkehr sind, Zeit gegenüber den nicht so guten Überholern gutmachen können. Die Rede ist vom Circuit of the Americas. Diese Strecke bietet zum einen viele mittelschnelle Kurven(kombinationen), zum anderen aber auch diverse enge und sehr schnelle Ecken, wie die nachgebaute Kurve aus der Türkei. Somit ähnelt sie sehr stark der Strecke von Silverstone, was die Abstimmung der Autos nicht gerade einfach macht, zumal das Rennen am späten Nachmittag gestartet wird und erst in der Nacht zu Ende geht. Dadurch wird sich zum einen das Fahrverhalten der meisten Autos ändern, zum anderen wird aber auch das Thema Reifenstrategie eine wichtige Rolle spielen, denn bei sinkenden Temperaturen werden die Teams eher Doppelstints oder weichere Mischungen aufziehen. Zusätzlich gibt es drei prominente Starter, welche bisher im regulären Betrieb der WEC nicht aufgetaucht sind und hier durchaus für Überraschungen sorgen können.
Da wäre zum einen der Lotus LMP1, welcher nun endlich sein Debüt gibt. Geplant war jenes Debüt schon zum Saisonauftakt in Silverstone. Allerdings hatte man sich gegen Ende des letzten Jahres entschieden, den ursprünglich vorgesehenen 4l V8 aus der DTM gegen den V6-Biturbo aus dem Hause AER auszutauschen. Ein schwieriges Unterfangen, denn der 4l V8 hat einen anderen Drehsinn als der V6-Biturbo, was dazu führte, dass man sowohl Getriebe als auch Differential neu fertigen musste. Änderungen, die das ganze Fahrzeug betreffen. Dazu kommt, dass der V6 auch andere Aufnahmepunkte an das Monocoque besitzt als der V8, was hier ebenfalls massive Neukonstruktionen notwenig machte. Es kam daher wie es kommen musste und weder ein Start in Silverstone noch in Le Mans waren für das Team, hinter welchem wohl Kollin Colles verantwortlich zeichnet, möglich. Nach zwei Tests, bei denen man laut eigenen Aussagen vor allem mit der Leistung zufrieden war, wird es nun spannend zu sehen, wie weit man mit den Jungs von Rebellion Racing mithalten kann, welche zwar nicht getestet haben, aber doch einige Kilometer mehr auf dem Auto haben. Pilotiert wird das Auto von Christophe Bouchut, James Rossiter und Lucas Auer, während bei den Tests auch Pierre Kaffer und Christian Albers involviert waren.
Nach Le Mans gab es auch einen weiteren Break in der EoT für die privaten Benziner jener zwei Teams. So dürfen nun beide mit einem Mindestgewicht von 800 kg antreten, was 70 kg weniger als bei den Werksboliden wären, sowie einem maximalen Benzindurchfluss von 104,9 kg, während die Beschränkung auf die maximale Energie pro Runde aufgehoben wurde. Bei gleicher thermischer Effizienz wie die Werksautos wären somit beide Autos in der Lage, je ca. 655 PS zu entwickeln. Offizielles Ziel seitens des ACO ist es, die LMP1-L auf Augenhöhe mit den Werksboliden zu boppen. Ein grundsätzlich schwieriges Unterfangen, denn wenn man in Le Mans gesehen hat, wie die Hybridautos die Rebellions aus den engen Ecken quasi zum Frühstück verspeist haben, dann helfen gegen die Hybridsysteme auch ein paar kg/h mehr Durchfluss nur wenig. Mehr dürfte hier das verminderte Gewicht bringen, denn Austin gilt als Strecke, auf der das Gewicht eine wichtigere Rolle als in Le Mans spielt.
Den Gesamtsieg werden aber trotzdem wieder die drei Werksteams von Audi, Porsche und Toyota unter sich ausmachen. Erstere treten in Austin wieder mit der Variante ihres R18 an, mit der man in Spa und Silverstone angetreten ist. War man in Silverstone noch an der Spitze dran, hatte man in Spa aufgrund des zu hohen Abtriebes und der merkwürdigen Getriebeübersetzungen kaum Chancen; in Austin sollte es wieder besser aussehen. Die Variante mit viel Abtrieb sollte zum einen für gute Zeiten in den schnellen und mittelschnellen Kurvenkombinationen gut sein, zum anderen aber auch wieder einen geringen Reifenverschleiß garantieren. Wie wichtig dieser ist, zeige ich dann weiter unten. Seitens Audi gab es auch einen kleinen Break in der Balance zwischen Benzinern und Dieseln, denn Audi darf nun einen um 0,8 kg/h höheren Durchfluss fahren, was die Spitzenleistung des Diesels um ca. 5 PS erhöht. Allerdings wurde der maximale Verbrauch über eine Runde minimal gesenkt. Eine Maßnahme die in Le Mans einen Rundenzeitenvorteil von ca. 0,2 bis 0,4 sek. bringen würde. Wie groß der Vorteil in Austin sind wird, bleibt abzuwarten, ich gehe aber nicht davon aus, dass dieser allzu groß sein wird. Auf Fahrerseite gibt es keine Veränderungen. Lediglich Loic Duval hat seine Verletzungen auskuriert und wird wieder neben Tom Kristensen und Lucas di Grassi die #1 pilotieren.
Der härteste Konkurrent der Ingolstädter durfte wohl Toyota heißen. Das Teams aus Köln will die Niederlage von der Sarthe, als man in Führung liegend ausgefallen ist, zumindest mit dem Gewinn der WEC etwas ausgleichen. In Austin tritt man wieder mit zwei Fahrzeugen an, welche aber nicht die Sprint-Konfiguration aus Silverstone haben, sondern quasi eine Hybridvariante der Sprint- und Le-Mans-Konfiguration darstellen. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um die Variante mit höherem Abtrieb, aber man fährt die geschlossene Variante über den Frontsplitter wie in Le Mans. Das Ziel ist hierbei ein etwas höherer Topspeed, um besser durch den Verkehr zu kommen. Ein Vorteil, welcher gerade im Kampf gegen Audi im Laufe des Rennens nicht zu unterschätzen ist! Eine weitere Veränderung betrifft den Fahrerkader. Mike Conway vertritt Kazuki Nakajima, welcher zum einen Verpflichtungen in Japan hat, zum anderen ist dies auch die erste Möglichkeit für den offiziellen Testfahrer Conway, das Auto einmal im Rennbetrieb zu bewegen. Grundsätzlich war ich der Meinung, dass dies auch dazu dient, eine Besatzung für einen dritten Toyota in Le Mans aufzubauen, welchen man seitens TMG so gerne hätte. Vor ein paar Tagen gab Pascal Vasselon jedoch ein Interview, in dem er nicht davon ausgeht, dass Toyota 2015 mit drei Wagen an der Sarthe aufschlagen wird, da man hierfür wohl nicht das nötige Budget bekommen würde. Eine mehr als fragwürdige Entscheidung seitens Toyota, denn die Mehrkosten eines dritten Autos sind im Vergleich zu den Gesamtkosten überschaubar und zum anderen wäre der Marketing- und PR-Wert eines Toyota mit der #9 extrem hoch gewesen. Wäre dieses Auto relativ problemlos über die Runden gekommen, hätte der Sieger der 24h von Le Mans 2014 eben nicht Audi #2 geheißen, sondern eher Toyota #9…
Ein Problem, welches Porsche sicher nicht haben wird. Hier war man besonders fleißig und hat neben diversen Fahrern wie Michael Christensen oder Fred Makowiecki auch eine Variante mit mehr Abtrieb getestet. Dies soll zum einen Zeit in den Kurven bringen, zum anderen aber auch den Reifenverschleiß bessern, denn bislang war man nicht in der Lage, in Spa oder Silverstone Doppelstints auf einem Satz Reifen zu fahren. Dies ist aber gerade in Austin besonders wichtig, denn sollten die Konkurrenten Doppelstints fahren können und Porsche nicht, so würde man drei zusätzliche Reifenwechsel einplanen müssen, was einem Defizit von satten 75 Sekunden gleichkommt. Eine schwierige Aufgabe, das wieder auf der Strecke reinzufahren, zumal man hierbei auch mehrmals im Rennen den Toyota auf der Strecke überholen müsste, was gerade aus engen Ecken kaum möglich ist, da dieser hierbei die meiste Leistung aufgrund des stärksten Hybridsystems auf den Asphalt bringen kann. Generell lohnen sich Doppelstints, sollte ein Team in der Lage sein, den Drop-off seiner Reifen im zweiten Stint eines Turns auf unter 0,8 sek. zu halten.
Überhaupt wird die das Thema Strategie in Austin extrem wichtig werden. Das Rennen ging letztes Jahr über 186 Runden. Geht das Rennen heuer über 185 Runden, eröffnet sich gerade für die Benzinerfraktion der LMP1 die Möglichkeit, die Stints von bislang 30,95 Runden auf 31 Runden zu verlängern, indem man ein Motormapping fährt, das minimal weniger Leistung bringt und somit den Spritverbrauch von 2,21 auf 2,2 Litern Benzin reduziert. Dies würde einem Rundenzeitenverlust von ca. 0,063 sek. pro Runde oder 11,65 sek. über das gesamte Rennen bedeuten. Dem gegenüber steht ein gesparrter Splash and Dash am Ende des Rennens, womit man sich ca. 31 Sekunden sparen lassen würden. Eine Rechnung, die für die Benziner bei 185 Runden Renndauer aufgehen würde. Audi müsste seine Stintlänge von 30,73 Runden auf 31 Runden verlängern, was einen Verbrauch von 1,755 Litern Diesel anstatt von 1,77 Litern bedeuten würde. Dies würde einen Rundenzeitenverlust von circa 1,8 Zehntel pro Runde und ca. 33 Sekunden über das gesamte Rennen bedeuten. Eine Rechnung, die hier also wohl nicht aufgehen wird. Bei einer Rennlänge von 186 Runden oder mehr würde aber auch das Strecken der Stintlängen seitens Toyota oder Porsche kaum Sinn ergeben, da man dann hier um den Splash and Dash so oder so nicht herumkommen würde. Die Frage ist allerdings, wie viele Runden es am Ende wirklich werden, denn dies hängt auch stark von der Anzahl der SC-Phasen sowie der Slowzones ab.
Im Gegensatz zur LMP1 hat in der LMP2 der Gastarter aus der USCC wohl gute Chancen, vorne um den Sieg mitzukämpfen. Die Rede ist von Scott Sharps ESM-Team, welches bislang in der USCC an den Start geht. Hier hat das Team einen HPD auf den WEC-Stand umgebaut, was neben weniger Gewicht und etwas kleineren Air Restriktoren auch ordentliche Reifen beinhaltet. Für das Rennen kann man nämlich die von Hoosier gefertigten Conti-Holzreifen in die Ecke stellen und auf die wesentlich besseren Dunlops zurückgreifen. Prompt war man auch bei den Tests über 4 sek. pro Runde schneller unterwegs. Ein mehr als deutlicher Fingerzeig in Richtung GrandAm / USCC, wo das eigentliche Problem bei der Angleichung zwischen P2 und DP wirklich liegt…
Mit Ed Brown, Scott Sharp und Ryan Dalziel ist man auch extrem gut besetzt und muss sich hierbei nicht mal vor den schärfsten Konkurrenten von G-Drive Racing verstecken, welche in Sachen Fahrerpaarung mit Roman Rusinov, Julien Canal und Oliver Pla die einzigen sein dürften, welche hier mithalten können. Beim Chassis vertraut man aber nicht mehr auf den Oreca 03, sondern auf den Ligier JS2, welcher sein Debüt in Le Mans hatte und dabei auf Anhieb nicht nur das schnellste Chassis darstellte, sondern auch bis kurz vor Schluss ohne Probleme lief. Da aber das Thema aerodynmaische Effizienz nicht nur bei den LMP1, sondern gerade auch bei den schwächeren LMP2 eine sehr wichtige Rolle spielt, ist das geschlossene Auto hier etwas im Vorteil im Gegensatz zu dem HPD von ESM. Die drei anderen Teams von SMP bzw. KCMG dürften kaum eine Rolle spielen, obwohl auch sie über gutes Material verfügen. Der Grund ist einfach der, dass man mit Sergey Zlobin / Nicolas Minassien / Maruizio Medanie im Falle der #27 SMP zwar noch Außenseiterchancen hat, aber mit Kirill Ladygin / Viktor Shaitar / Anton Ladygin auf dem #37 SMP ebenso wenig eine Chance hat wie Matthew Howson / Richard Bradley / Tsugio Matsuda auf dem KCMG Nissan-Oreca.
Deutlich spannender dürfte es in der „wir haben pro Saison fast doppelt so viele BoP-Veränderungen wie Rennen“, äh GTE-Pro sein. Wenn ich mich nicht verzählt habe, dann war die BoP-Änderung von Anfang September nun die sechste in diesem Jahr, wobei erst drei Rennen absolviert worden sind. Das schafft auch nicht jeder, zumal der ACO 2010 noch hämisch in Richtung GT3 und SRO meinte, dass man sicher nicht vor jedem Rennen die BoP anpassen würde. Tut man auch nicht, denn man ändert sie sowohl vor als auch nach jedem Rennen… In diesem Falle dürfen die Porsche wieder 10 kg ausladen und erhalten einen etwas größeren Air Restriktor. Die 10 kg weniger bekommt auch der Aston Martin zugestanden, während die Corvette ihre zwei Air Restriktoren um satte 1,2 mm vergrößern darf. Oben drauf müssen die DI-Einspritzer bei Corvette und Ferrari aber ihren Tank von 90 auf 85 Liter wieder verringern, nachdem man allen Autos in Le Mans noch 95 Liter zugestanden hatte… Noch nicht genug? Vor ein paar Tagen kam eben noch eine aktualisierte Version raus, bei der die Durchflussrestriktoren beim Tankeen angepasst wurden. Die von Porsche sind nun 0,8 mm größer, während Aston Martin gleich um 1,7 mm aufbohren darf, während Ferrari und Corvette bei 28.0 mm bleiben. Der geneigte WEC-Gucker wird sich hier fragen, warum mehrmals Corvette auftaucht. Der Grund ist ein einfacher, aber erfreulicher.
Corvette Racing hat das Testchassis #01 für die WEC aufgebaut und fährt hier einen Gaststart, da das Team eh einen Einsatz bei der USCC am gleichen WE absolviert. Als Fahrer hat man sich für ein „All-American Team“ entschieden und schickt Tommy Millner sowie die beiden Brüder Jordan und Ricky Taylor ins Rennen, während der Einsatz von Konica Minolta und Michelin finanziert wird. Ähnlich wie ESM traue ich dem Team durchaus den Klassensieg zu, denn neben der sehr guten Einstufung seitens des ACO, der damit das Team wohl für die WEC 2015 gewinnen will, hat die Corvette bislang aufgezeigt, dass sie gerade auf kurvigen Strecken sehr gut zurecht kommt. Die schärfsten Konkurrenten dürften die beiden AF Corse Ferraris sein, welche in ihren Stammbesatzungen mit Bruni / Vilander sowie Calado / Rigon antreten. Gerade auch dem Ferrari sollte die Strecke als Mittelmotor sehr gut liegen, denn obendrein verfügt das Auto über die beste Aerodynamik und einen sehr guten Reifenverschleiß. Außenseiterchancen räume ich noch dem Aston Martin mit Stefan Mücke und Darren Turner ein, während die beiden Manthey-Porsche gerade auf dieser Strecke immer noch mit den im Vergleich zu Silverstone zusätzlichen 15 kg zu kämpfen haben werden. Hierbei hat es auch ein paar kleine Umbesetzungen gegeben, denn der bisherige Stammfahrer Marco Holzer soll sich zunehmend um seine Aufgaben als Test- und Entwicklungsfahrer kümmern. Für welche Projekte genau wurde nicht verlautbart, aber wenn man sich seine Vita so ansieht, würde es micht nicht wundern, wenn wir ihn nächstes Jahr im 919 hybrid sehen würden. Ersetzt wird er von Patrick Pilet, welcher zu Fred Makowiecki in die #92 rückt, während eigentlich Richard Lietz die #91 zusammen mit Jörg Bergmeister hätte fahren sollen. Allerdings hat sich Richard Lietz von seinem Armbruch, den er sich beim letzten USCC-Lauf in Virgina zugezogen hat, noch nicht komplett erholt – was zur Folge hat, dass er hier von Nick Tandy vertreten werden muss.
Einen Zweikampf zwischen Ferrari und Aston Martin dürfte es auch diesmal wieder in der GTE-Am geben, wobei hier aber Aston Martin der Favorit ist. Das liegt aber nicht an der BoP, sondern daran, dass die #98 von Paul Dalla Lana / Pedro Lamy und Christoffer Nygaard pilotiert wird. Nominell muss auf einem GTE-AM-Auto ein Bronze- sowie ein Siberfahrer genannt werden. Welcher von den drei Herren hier aber sowohl der Bronze- als auch der Silberfahrer ist, ist nur schwer zu erkennen. Selbiges gilt auch für die #95, welche von Kristian Poulsen / David Heinemeier Hansson sowie Richie Stanaway pilotiert wird. Hier kann nur noch der AF Corse Ferrari mit der #81 und der Besatzung Stephen Wyatt / Michele Rugolo / Andrea Bertolini mithalten. Der Proton-Porsche dürfte kaum eine Chance haben, da die fahrerische Qualität nicht ganz so hoch ist wie bei den drei anderen Teams, zumal hier der Porsche wie auch in der GTE-Pro unter dem zusätzlichen Gewicht, welches man seit Silverstone im Auto hat, leiden wird.
Zu sehen gibts diesmal das ganze Rennen ab Sonntag 0:00 Uhr MESZ komplett live auf Eurosport 1. Dazu gibts auch den mittlerweile bekannten WEC-Stream sowie RLM. Den Spotterguide gibt es hier zum downloaden.