Colin Turkington baute seine Meisterschaftsführung mit zwei souveränen Siegen in Rockingham weiter aus. Die schönste Geschichte des Tages schrieb derweil Rob Austin mit einem Sieg im dritten Lauf.
Im Qualifying schien Turkington zunächst nicht in der überlegenen Form zu sein, wie bei den letzten Rennen. Dagegen trumpfte der von Zusatzgewicht befreite Sam Tordoff im MG groß auf, erwischte in seinem ersten Run eine perfekte Runde und blieb bis zum Ende der Session an der Spitzenposition im Zeitentableau. Dabei distanzierte er seinen Teamkollegen Jason Plato um fast eine halbe Sekunde. Kurz vor Schluss schickte sich Turkington dann zu einem weiteren Versuch an. Die Tordoff-Zeit lag für den Meisterschaftsführenden zwar außer Reichweite, Platos Zeit konnte er jedoch um elf Tausendstelsekunden knacken und sich damit den wichtigen zweiten Startplatz sichern. Hinter dem nun auf Rang drei verwiesenen Jason Plato folgten die weiteren Meisterschaftsaspiranten Gordon Shedden und Andrew Jordan, gefolgt vom wieder einmal sehr schnellen Adam Morgan. Marc Hynes unterstrich mit Rang sieben die gute Form der MG auf dem sehr technischen Rockingham Circuit. Dahinter folgten Alan Menu, Matt Neal und Mat Jackson.
Schon beim Start zum ersten Rennen machte Colin Turkington dann aber alles klar, als er dank BMW-Heckantrieb deutlicher besser weg kam als Tordoff und als Führender in die erste Kurve einbog. Tordoff konnte in den ersten Runden und unmittelbar nach der Safety Car Phase Druck auf Turkington ausüben – letzten Endes gelang dem WSR Piloten aber ein ungefährdeter Sieg vor beiden MG. Kleine Notiz am Rande: Es gab keine Stallorder bei MG. Obwohl Jason Plato noch Chancen auf die Meisterschaft hat, lief er hinter seinem Teamkollegen auf dem dritten Platz ein.
Deutlich turbulenter als an der Spitze ging es dahinter zu. Hier sorgte vor allem Alan Menu für Unterhaltung. Nachdem er von Platz acht startend zunächst einige Positionen verloren hatte, arbeitete er sich auf der weicheren Reifenmischung Position um Position nach vorne und sicherte sich am Ende den wohlverdienten vierten Platz.
Die für mich interessanteste Geschichte des Rennens war dabei vor allem Menus Überholmanöver gegen Marc Hynes zur Rennhalbzeit. Der MG-Pilot war als einziger Fahrer in den Top Ten ebenfalls auf den weichen Reifen gestartet. Während Menu aber sichtlich von seiner Wahl profitieren konnte und – mit Ausnahme von Turkington – in der zweiten Rennhälfte das schnellste Auto im Feld hatte, knickten Hynes Reifen gleichzeitig ein. Auf völlig abgefahrenen Reifen landete dieser nach Startplatz 7 nur auf dem 22. Platz im Klassement.
Doch zurück zum Renngeschehen: Das spektakulärste Manöver gelang Menu bei seinem Ritt durchs Mittelfeld in Tarzan, als er beide Motorbase-Ford in einem Zug schnappte und diese wiederum miteinander kollidierten, weil Giovanardi eine Chance sah an seinem Teamkollegen vorbeizugehen. Der Italiener war an diesem Wochenende mit einigem Engagement unterwegs und holte sich im ersten Lauf einen guten siebten Platz hinter Andrew Jordan und dem schon im Qualifying sehr starken Adam Morgan. Hinter Giovanardi kam Gordon Shedden auf einen mäßigen achten Platz. Nach Startplatz vier blieb der Meisterschaftsdrittplatzierte zunächst an beiden MG und Turkington dran. In der vierten Runde kollidierte er jedoch leicht mit Plato und verlor einige Positionen, die er nicht mehr aufholen konnte. Dass der Honda derzeit nicht in Bestform zu sein scheint, unterstrich Matt Neal, der nach einem schon nicht gerade guten neunten Startplatz ein von Benzindruckproblemen geplagtes völlig frustrierendes Rennen auf Rang 17 beendete.
Hinter Shedden komplettierten die Top Ten Mat Jackson sowie Jack Goff, der sich in den letzten Runden sehr sehenswert gegen die dahinter fahrenden Rob Collard und Rob Austin wehrte. Eine tolle Leistung zeigte außerdem Hunter Abbott, der vom letzten Platz startend bis auf Rang 14 nach vorne fuhr und dabei quasi das halbe Feld überholte.
Die größten Glückpilze des ganzen Wochenendes waren derweil Lea Wood und Warren Scott, als beide einen heftigen Unfall in Runde fünf unbeschadet überstanden. Der Jack Sears Trophy-Gewinner des vergangenen Jahres verlor beim Anbremsen zur ersten Kurve die Kontrolle über seinen Toyota Avensis, bog zur Kurveninnseite weg und erwischte dort rücklings den VW von Scott am Scheitelpunkt der Kurve. Während Wood versuchte seinen nach dem Crash komplett Kofferraum-losen Toyota zurück zur Box zu schleppen, musste der sichtlich durchgeschüttelter Warren Scott zunächst von den Streckenmarshalls betreut werden. Letzten Endes blieb aber glücklicherweise nur vehementer Blechschaden übrig, wenngleich der Renntag für Wood und Scott angesichts des Schadens frühzeitig beendet war.
Der Verlauf vom zweiten Rennen ist zumindest was die Podiumsplatzierungen angeht schnell erzählt: Colin Turkington setzte seine Pole Position in einen ungefährdeten Start-Ziel-Sieg um. Am Ende betrug sein Vorsprung vor den beiden MG mehr als acht Sekunden. Jason Plato schnappte sich seinen Teamkollegen Tordoff diesmal schon beim Start und holte sich den zweiten Platz.
Dahinter schickte sich Alan Menu an, die gute Performance aus dem ersten Rennen zu wiederholen und ging im Verlauf der ersten Runde an Tordoff vorbei. Der Traum vom Podium war aber schnell beendet, als der MG-Pilot bereits eine Runde später kontern und sich zusammen mit Plato vom Schweizer absetzen konnte. Im weiteren Rennverlauf musste sich Menu dann außerdem dem starken Andrew Jordan geschlagen geben, der auf den weichen Reifen ein ähnlich gutes Rennen fuhr, wie Menu zuvor im ersten Lauf. Kurz vor Rennende hatte Menu dann außerdem den Audi von Rob Austin formatfüllend im Rückspiegel und musste diesen in der letzten Runde auch noch passieren lassen. Damit kam der Schweizer am Ende „nur“ zu einem sechsten Rang, der gleichsam jedoch die Pole Position für den letzten Lauf bedeutete, da „Glücksfee“ Hunter Abbott ebendiese bei der Auslosung für die umgedrehte Startaufstellung zog.
Dass Menu in der letzten Runde, als Austin ihn überholte, ganze drei Sekunden langsamer fuhr als in der Runde zuvor, ließ einen direkt an alte WTCC-Zeiten denken. Hier war der Schweizer ja berühmt dafür, gegen Rennende die ein oder andere Position her zu schenken, um sich dann mit der Pole Position eine bessere Ausgangsbasis für den nächsten Lauf zu sichern. Falls Menu hier absichtlich gezockt hat, ging die Rechnung jedenfalls auf.
Mit Platz vier und fünf schrieben Jordan und Austin die Geschichte dieses Rennens. Für den Eurotech-Piloten stand endlich mal wieder ein gutes Resultat zu Buche und Austin zeigte von Startplatz 12 kommend eine großartige Leistung. Jordan war nach einem Rempler von Adam Morgan zunächst einige Plätze zurückgefallen, während Austin recht schnell Anschluss an das wie eine Perlenkette aufgereihte vordere Mittelfeld fand. Neben dem technisch bedingten Ausfall von Morgan, der beiden eine Position einbrachte, profitierten Jordan und Austin vor allem vom teaminternen Kampf der Motorbase-Ford, die nicht nur ordentlich Lack austauschten, sondern sich auch gegenseitig behinderten und die Kontrahenten somit ziehen lassen mussten.
Mat Jackson kam am Ende immerhin noch hinter Menu auf den siebten Rang. Giovanardi wehrte sich dagegen zur Rennmitte etwas zu vehement gegen Rob Collard, geriet dadurch neben die Ideallinie und wurde nur 11. Auf Rang acht, einen Platz hinter Jackson und einen vor Collard, überquerte Gordon Shedden die Ziellinie. Der Schotte geriet bereits in der ersten Runde in einen Quersteher und verlor dadurch einige Positionen sowie – noch wichtiger – mehr und mehr Boden in der Meisterschaft. Für seinen Teamkollegen ist diese nach dem zweiten Lauf mathematisch ohnehin bereits abgeschrieben: Matt Neal kam gerade mal auf einen mageren 14. Rang und musste sich dabei sogar von Martin Depper im vierten Honda, seines Zeichens eher der Typ engagierter Privatfahrer, bügeln lassen. Im Hatchback-Civic des Werkteams war in Rockingham definitiv der Wurm drin. „Not the best day in the office“ war der ganz passende Kommentar des technischen Leiters von Team Dynamics. Umso überraschender war die schwache Form, wenn man bedenkt, dass einige der Testfahrten vor der Saison ausgerechnet in Rockingham stattfanden.
Eine sehr schöne Leistung zeigte übrigens erneut Hunter Abbott, der sich nach seiner furiosen Fahrt im ersten Lauf um einige weitere Positionen steigern konnte sich den zehnten Platz hinter Rob Collard holte.
Im dritten Rennen platzten die Siegträume von Alan Menu bereits am Start, als er sich Rob Austin geschlagen geben musste. Der Audi-Pilot holte sich mit einer souveränen Fahrt seinen ersten Saisonsieg und wiederholte damit den Triumph aus dem Vorjahr an gleicher Stelle. Entsprechend groß war die Freude im gesamten Team. Menu konnte sich immerhin noch den zweiten Rang sichern und damit sein erstes Podium seit seiner Rückkehr in die BTCC feiern. Insgesamt also ein ziemliches gutes Wochenende für den Schweizer.
Spannender als an der Spitze ging es, wenngleich auch nicht so sehr wie in den Läufen davor, auch diesmal dahinter zu. Mit einer sehr guten Fahrt sicherte sich Andrew Jordan den letzten Platz auf dem Podium und hielt dabei fast das gesamte Rennen über eine Kette von verfolgenden Fahrzeugen in Schach. Erster in dieser Kette war Colin Turkington, der zwar immer wieder probierte den amtierenden Champion zu attackieren, letzten Endes aber keinen Weg vorbei fand. Dennoch kein schlechtes Ergebnis für Turkington, der seine Führung in der Meisterschaft noch weiter ausbauen konnte, da die Kontrahenten Plato und Shedden weniger Zähler holten. Während Plato nur auf den siebten Rang kam (die weichen Reifen auf dem MG ließen auch hier grüßen, wenngleich der Einbruch nicht annähernd so dramatisch war wie bei Marc Hynes im ersten Lauf), musste Shedden sogar den ersten Ausfall des Jahres hinnehmen. Nach einer Kollision mit Hunter Abbott in der ersten Runde stellte er seinen Civic mit Frontschaden an der Box ab.
Ein gutes Rennen zeigten dagegen Mat Jackson auf Position fünf sowie Rob Collard auf Position sechs. Hinter Plato kam dessen Teamkollege Sam Tordoff auf Rang acht, nachdem er sich lange mit Fabrizio Giovanardi duelliert hatte. Der Italiener fiel am Ende noch aus den Top Ten, als er sich einen Dreher in der vorletzten Runde leistete. Dadurch gewann Matt Neal einen weiteren Platz, der ein Wochenende zum Vergessen damit auf dem neunten Rang beendete. Dave Newsham komplettierte dahinter mit erheblichem Abstand die Top Ten.
Hier geht es zu allen Ergebnissen aus Rockingham
In der Meisterschaft konnte Colin Turkington seinen Vorsprung also einmal mehr ausbauen und führt nunmehr mit 55 Zählern vor Jason Plato und 64 vor Gordon Shedden. Es ist schwer vorstellbar, dass dem Nordiren der Titel bei sechs ausstehenden Rennen noch zu nehmen sein sollte. Gleichwohl hat es im Motorsport – und gerade in der BTCC – immer wieder Überraschungen gegeben. Schon ein oder zwei Ausfälle bei gleichzeitigen Siegen von Plato oder Shedden können die Sache noch einmal spannend machen. Hier geht es zu allen Meisterschaftsständen inklusive der Independent-Wertung, in der sich mittlerweile Mat Jackson an Andrew Jordan vorbei auf den zweiten Rang hinter Turkington geschoben hat. Und in der Herstellerwertung ist MG zwischenzeitlich an Honda vorbeigezogen.
Im Hinblick auf den Fahrertitel sollte auch festgehalten werden, dass Turkington den Titel in diesem Jahr mehr als verdient hat. Der WSR-Pilot hat großartige Leistungen im Verlauf der bisherigen Saison gezeigt und ist meist fehlerfrei unterwegs. Auf der anderen Seite hat angesichts der Vorstellungen Turkingtons die Diskussion, ob der BMW 125i nicht zu überlegen ist und vom Reglement – auch wegen des Heckantriebs – eingebremst werden sollte, schon längst begonnen. Meine Meinung dazu ist, dass es weniger der Faktor Auto ist, der Turkington so schnell macht, als vielmehr der Faktor Fahrer. Turkington kommt einfach perfekt mit dem BMW zurecht. Und dass der Nordire ohnehin zu den besten Tourenwagenfahrern weltweit gezählt werden kann, sollte ohnehin klar sein. Der 125i ist ein sehr guter ausgereifter Rennwagen, der dem Faktor Turkington die optimale Basis bietet, um Rennen zu gewinnen. Dass der BMW ganz im Gegenteil kein überlegenes Auto ist, wird im Vergleich mit Rob Collard deutlich. Der mehrfache Rennsieger gehört bekanntermaßen auch nicht gerade zu den langsamsten Piloten im Feld und verfügt über eine Menge Erfahrung mit heckgetriebenen Tourenwagen. Seine Leistungen bleiben aber deutlich hinter denen Turkingtons zurück. Wäre der Wagen tatsächlich eine überlegene Rakete, müsste man mindestens erwarten, dass Collard regelmäßig hinter Turkington als zweiter die Ziellinie kreuzt. Das ist aber nicht der Fall. Und dass Collard urplötzlich das Auto fahren verlernt hat, dürfte unwahrscheinlich sein. Unterm Strich denke ich, ist der BMW ein NGTC-Auto wie jedes andere auch, dessen realistisches Potenzial an den Leistungen Collards deutlich wird. Mit dem Faktor Turkington am Steuer wird die Kombination aus Auto und Fahrer aber erst zu dem überlegenen Gespann, das auf dem besten Weg ist, sich den BTCC-Titel 2014 zu holen.
Das nächste und damit auch vorletzte BTCC-Wochenende findet dann am 27. und 28. September in Silverstone statt. Vorzeitige Titelentscheidung denkbar.
Weitere nachgeschobene Notizen aus der BTCC:
Glynn Geddie wird im United Autorsports Team für die letzten Rennen des Jahres durch Luke Hines ersetzt. Der dreifache Rennnsieger war zuletzt 2006 in der BTCC aktiv und anschließend vor allem im GT Sport aktiv. Der Fahrerwechsel war notwendig, da Geddie seinen Führerschein abgenommen bekommen hat, da er bei einer Verkehrskontrolle in Aberdenn offenbar alkoholisiert hinterm Steuer saß. Laut TOCA-Regularien zieht ein Verlust des Führerscheins auch direkt einen Verlust der Rennlizenz nach sich.
Jason Plato ist – wenig überraschend – einer derjenigen, der am lautesten nach einer Performance-Anpassung zwischen Heck- und Fronttrieblern ruft. Pikant wird die Sache dadurch, dass der MG-Vertrag des Routiniers zum Jahresende ausläuft und das Gerücht aufgetaucht ist, dass er ausgerechnet bei West Surrey Racing im Gespräch sein soll. Platos sinngemäßer Kommentar (siehe Link): Erst muss ich abwarten, wie sich das Reglement entwickelt (–> also vor allem: Front-, Heckantrieb?), bevor ich meine Möglichkeiten für das nächste Jahr sondiere.“ Die Silly Season ist also auch in der BTCC schon on the way ;-)