Home Formel EinsF1 Formel Eins: Analyse GP Singapur 2014 – Zuverlässig unzuverlässig

Formel Eins: Analyse GP Singapur 2014 – Zuverlässig unzuverlässig

von DonDahlmann
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Es war heiß, es war eng und es war spannend. Der GP in Singapur brachte schöne Kämpfe im Mittelfeld und einen neuen WM-Spitzenreiter. Bei noch fünf Rennen in dieser Saison ist die WM so offen wie zum Start.

_R6T8220Das Rennglück ist eine launische Diva, aber in diesem Jahr scheinen Glück und Unglück zumindest bei den Mercedes-Piloten relativ gleich verteilt zu sein. In Singapur erwischte es mal Nico Rosberg. Obwohl sein Auto in der Qualifikation noch ohne Probleme lief, stellte sich schon in der Box kurz vor dem Start ein Fehler an seinem Auto ein. Wie man nach dem Ausfall feststellte, hatte sich im Inneren der Lenkstange ein Kabel gelöst. Zumindest ist es das, was Mercedes dann berichtete. Tatsächlich schien Rosberg über sein Lenkrad keine Befehle mehr ans Auto geben zu können. Das betraf nicht nur sämtliche Schalter und Regler, sondern vor allem auch die Signale ans Getriebe. Zwar konnte er schalten, aber das Getriebe übersprang teilweise ein oder zwei Gänge und ließ sich, einmal in „Neutral“ befindlich nicht mehr dazu bewegen, den ersten Gang einzulegen. Auf Sky Sport F1 (UK) bemerkte Martin Brundle zudem, dass offenbar ein ERS-System im „Speicher“-Modus feststeckte und Rosberg nur der reine Antriebsmotor zur Verfügung stand. Was auch erklären würde, warum er in den wenigen Runden, in denen er unterwegs war, hinter einem Marussia feststeckte. Selbst mit Getriebeproblemen hätte der Mercedes eigentlich schneller sein müssen.

Für Lewis Hamilton bedeutete der Ausfall von Rosberg natürlich vor allem, dass er sein Rennen komplett anders einstellen konnte. Zwar musste er weiter auf Vettel und auch auf Alonso aufpassen, doch im Rennverlauf konnte er sich schnell einen bequemen Vorsprung herausfahren. Sein Abend wäre noch ruhiger verlaufen, wenn Perez nicht seinen Frontflügel am Sauber von Sutil beschädigt und die Trümmerteile quer über die Strecke verteilt hätte. Das Safety Car musste raus und damit war der Vorsprung dahin, die Strategie von Hamilton über den Haufen geworfen.

Mercedes hatte den Briten auf eine nachvollziehbare, aber risikoreiche Strategie gesetzt, indem man die nicht die härtere Variante der Reifen, sondern weiter die „Supersoft“ aufziehen ließ. Erstaunlich waren dabei zwei Dinge: Der Mercedes konnte mit den Supersoft lange und problemlos unterwegs sein und man verließ sich auf eine gewagte Strategie. Hätte man die zweite Reifenmischung früher aufgezogen, wären die Strategieoptionen für Mercedes gegen Ende des Rennens deutlich offener gewesen. So war man gezwungen, die harte Variante am Schluss noch aufziehen zu müssen.

Das Glück von Mercedes war dann, dass Red Bull, Ferrari und Williams gar nicht darüber nachdachten, Hamilton über die Strategie anzugreifen. Red Bull hatte die Idee schon im ersten Stint verworfen und man konzentrierte sich darauf, Alonso hinter sich zu halten, der den Red Bull im Heck klebte. Dabei hätte man vielleicht mit einer aggressiveren Strategie (Vettel in den letzten zwölf bis 14 Runden auf „Supersoft“) eventuell nach vorne Druck ausüben können. Doch für diese Strategie kam das Safety Car zum falschen Zeitpunkt.

SINGAPORE 19/09/2014  © FOTO STUDIO COLOMBO X FERRARIFerrari, die an diesem Wochenende vor allem deswegen so gut waren, weil in Singapur der Motor keine allzu große Rolle spielt, versuchte alles, um Alonso vor beide Red Bull zu bringen. Das klappte mit einem klassischen Undercut im ersten Stint, doch später dann nicht mehr, weil Red Bull den Spieß umdrehte. Alonso schien zwar der schnellere Mann auf der Strecke zu sein, aber nicht schnell genug, um an den Red Bull vorbeizukommen. Das SC kam für Ferrari in einem denkbar schlechten Moment. Man musste die Möglichkeit des SC für einen Stopp nutzen, wäre aber gerne ein paar Runden länger draußen geblieben, um die Strategie mit den weichen Reifen besser ausspielen zu können. Damit blieb Ferrari mal wieder nur der vierte Platz.

Wirklich spannend und teilweise wegen der unterschiedlichen Strategien schwer durchschaubar war der Kampf ab P6, wo Button, Räikkönen, Hülkenberg, Perez, Vergne, Magnussen und Bottas um die Punkte kämpften. Bottas hatte von allen Fahrern die ältesten Reifen auf dem Auto, konnte die Meute aber wegen seines besseren Topspeed hinter sich halten. Button verabschiedete sich mit einem Elektronikschaden, Räikkönen konnte mit dem lahmen Ferrari nicht angreifen und Vergne hatte im Rennen gefühlt alle paar Runden mit einer Strafe wegen Missachtung der Streckenbegrenzung zu tun. Aber der Franzose, der ja ab 2015 arbeitslos ist, fuhr, auch dank der Strategie von Toro Rosso, ein grandioses Rennen. Die Italiener legten einen späten Stopp ein und setzten Vergne auf die „Supersoft“. Weil Bottas den Laden vorne aufhielt, konnte Vergne die Lücke schnell zufahren und zeigte dann mit seinen neuen Reifen einen grandiosen Schlussspurt. Von P11 arbeitete er sich auf P6 vor. Zwar bekam er erneut eine 5-Sekunden-Strafe aufgebrummt, aber am Ende war er so weit vor der Konkurrenz im Ziel, dass die Strafe an seiner Platzierung nichts änderte.

Ebenfalls stark unterwegs waren beide Force India, die in Singapur zunächst einen eher schwachen Eindruck machten. Hülkenberg kämpfte sich in die Top 10 vor, Perez, der ja die SC-Phase ausgelöst hatte, profitierte von selbiger und verlor nur wenig Zeit, sodass er am Ende, ebenfalls mit frischen Reifen, noch in die Top Ten fahren konnte.

Was sonst noch auffiel:

Die McLaren gingen recht gut, was aber auf die Strecke zurückzuführen sein wird. Dennoch ist ein weiterer Aufwärtstrend zu verspüren. In Sachen neuer Fahrer werden bei McLaren Vettel und Alonso genannt.

Lotus zeigte ein minimales Lebenszeichen. Immerhin zeigte man sich zwischendurch mal auf P10. Das änderte sich zwar wieder aufgrund der Strategie, aber so weit vorne hat man die Lotus ja selten gesehen.

Bei Sauber geht es einfach nicht vorwärts. Eigentlich waren Monaco und Singapur die beiden Rennen, in denen man mit dem schwachbrüstigen Ferrari-Motor und dem schlechten Chassis eine minimale Chance auf Punkte hatte. Doch in beiden Rennen fielen beide Wagen aus. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Sauber in diesem Jahr noch einen Punkt wird holen können. Was aus dem angedachten Verkauf an den kanadischen Milliardär geworden ist, weiß man auch nicht.

Felippe Massa fuhr ein gutes und vor allem sehr einsames Rennen auf P5. Nach dem Rennen beklagte er sich darüber, dass er mit einer anderen Strategie hätte weiter vorne sein können, was aber angesichts der Abstände etwas utopisch erscheint.

Die nächste fünf Rennen entscheiden also über die WM. Suzuka ist eine Strecke, auf der weder Rosberg noch Hamilton gewonnen haben, von daher ist eine Vorhersage schwer. Zu Sotchi kann man gar nichts sagen. Austin könnte Rosberg etwas besser liegen, Sao Paulo sehe ich ausgeglichen, in Abu Dhabi sehe ich leichte Vorteile für Hamilton.

Vermutlich ist die Frage aber nicht, wer auf welcher Strecke einen minimalen Vorteil haben wird, sondern ob es Mercedes gelingt, beiden Fahrern in den letzten Rennen ein Auto hinzustellen, dass von technischen Problemen verschont bleibt.

Bilder: Daimler AG, FerrariF1, Red Bull/Getty, Toro Rosso/Getty, Force India, WilliamsF1, McLarenF1, Caterham,

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