Das Sportsland Sugo ist nicht nur eine der schönsten Strecken auf dieser Welt, sondern auch immer ein Garant für packende wie auch wilde Rennen. So auch vergangenen Sonntag, als Rookie Tomoki Nojiri seinen allerersten Super-Formula-Sieg feierte sowie Honda den ersten Saisontriumph ermöglichte. Überschattet wurde der sechste Saisonlauf von einem schweren Unfall zwischen Joao Paulo de Oliveira, André Lotterer und Takuya Izawa.
Vergangene Saison war Tomoki Nojiri noch in der japanischen Formel 3 unterwegs, die er auf Gesamtrang vier beendete. Als Teil des Förderprogramms von Honda gelang ihm dieses Jahr der Aufstieg in die Super Formula sowie die GT300-Klasse der Super GT, wo er zusammen mit Yuichi Nakayama einen Honda CR-Z GT, einen Hybrid-Wagen von Mugen, pilotiert. Damit bestreitet Nojiri das übliche Doppelprogramm, bestehend aus Sport- und Formelwagen in den beiden höchsten wie auch wichtigsten Serien Japans. Bereits in den letzten Rennen machte der 25-jährige aus Ibaraki stammende Rookie auf sich aufmerksam. So startete er in Motegi erstmals von der zweiten Position. Im Rennen hatte er sogar gute Chancen auf den Sieg, wurde jedoch durch ein Problem beim Boxenstopp ausgebremst. Im Sportsland Sugo sah es sogar fast danach aus, als ob er sich die Pole-Position hätte sichern können. In letzter Sekunde verdrängte Honda-Kollege Naoki Yamamoto ihn mit seiner zweiten Pole in Folge allerdings doch noch auf den zweiten Startplatz. Im Rennen schlug dann jedoch Nojiris große Stunde.
Der bisherige Tabellenführer Joao Paulo de Oliveira erlebte auf der Naturbahn nahe Murata sowie Sendai hingegen erneut ein Wochenende zum vergessen. Bereits in der Vergangenheit war das Sportsland Sugo kein gutes Pflaster für den Brasilianer. Und nach diesem Jahr könnte man tatsächlich meinen, dass ihn die Renngötter mit irgendeinem Fluch belegt haben – selbst die Stoßgebete, die er noch wenige Tage vor dem Rennen an einem Schrein abgab, halfen nichts. In der Qualifikation wurde de Oliveira Opfer einer unglücklich gefallenen roten Flagge, als in Q2 Takashi Kogure just einen Motorschaden erlitt, als der Impul-Fahrer auf seiner schnellen Runde war. Joao Paulo de Oliveira verpasste die Überquerung der Ziellinie nur um wenige Sekunden, als die rote Flagge direkt vor seiner Nase auf der Zielgeraden ausgepackt wurde. Das Ergebnis: Seine eigentlich für den letzten Quali-Teil genügende Rundenzeit wurde gestrichen – und die verbleibende Zeit in Q2 reichte nicht mehr für einen weiteren Versuch aus. Sonderlich gefrustet verpasste der Brasilianer auf Position elf somit den Einzug in das wichtige finale Segment. An seinen Raketenstart vom vorangegangenen Rennen in der Autopolis erinnernd, konnte jedoch davon angenommen werden, dass er sich am Sonntag wieder nach vorne arbeiten würde. Doch im Rennen sollte es noch schlimmer kommen.
Bei sonnig angenehmen 23 Grad Außen- sowie 37 Grad Asphalttemperatur wurde das 68-Runden-Rennen um 15:00 Uhr Ortszeit eröffnet. Pole-Sitter Naoki Yamamoto erlebte wie zuletzt am Autopolis Circuit keinen sonderlich guten Start, und wurde direkt von Tomoki Nojiri überholt. Anders als vor drei Wochen fiel der Titelverteidiger aber lediglich auf den dritten Rang zurück. André Lotterer ging von Position drei ins Rennen, erlebte einen für ihn jedoch unüblichen Katastrophenstart. So fehlte es dem Tom’s-Piloten deutlich an Vordrang, wodurch er beim kurzen Sprint auf die erste Kurve bis ins Mittelfeld zurückgespült wurde. Dort nahm dann das Unheil seinen Lauf. Fast zu dritt nebeneinander schossen Lotterer in der Mitte sowie Joao Paulo de Oliveira außen auf die zweite Kurve zu. Dort berührte der gebürtige Duisburger den Brasilianer, wodurch dieser sich querstellte. Unglücklicherweise diente dessen Impul-Bolide dann als Sprungschanze, wodurch Lotterer aufstieg und direkt über die Cockpit-Öffnung von de Oliveira flog. Der Champion von 2011 berührte dabei mit seinem Hinterreifen den Helm des Brasilianers leicht, landete jedoch ohne sich zu überschlagen im Streckenaus. Der Unfall löste eine Kettenreaktion aus, weshalb als Leidtragender des Zwischenfalls Takuya Izawa nicht mehr dem Wagen de Oliveiras ausweichen konnte und ebenfalls über dessen Cockpit flog. Auch Izawa landete glimpflich. Das Debütrennen von Drago Corse war nach nur wenigen Metern aber bereits beendet. Glücklicherweise konnten alle drei Fahrer ihre Wracks eigenhändig sowie unverletzt verlassen. Wenig später beklagte sich Joao Paulo de Oliveira im Gespräch mit seinen Mechanikern jedoch über Kopfschmerzen. An seinem Helm wurden Reifenspuren gefunden, weshalb er umgehend zu Untersuchungen ins nächstliegende Krankenhaus transportiert wurde. Dort wurden glücklicherweise jedoch keine Verletzungen an Kopf oder Gehirn festgestellt. Der Start-Crash von Sugo war einer der heftigsten der letzten Jahre und zeigte leider erneut, dass der Kopf des Fahrers weiterhin die wohl am meisten ungeschützte Stelle ist. In diesem Falle ging dieser als Rennunfall im Startgetümmel einschätzbare Zwischenfall zum Glück glimpflich aus. Eventuell hätte Lotterer dem Impul-Toyota von Joao Paulo de Oliveira etwas mehr Platz lassen können. Es wirkte allerdings so, dass Lotterer noch den dritten Wagen auf seiner Innenseite vermutete. Zu zweit nebeneinander benötigt in den ersten Kurven bereits Fingerspitzengefühl, zu dritt geht es meistens schief. So leider auch dieses Mal. Aber zumindest mit Glück im Unglück.
Selbstverständlich schickte die Rennleitung umgehend das Safety-Car auf die Strecke, um die verunfallten Fahrzeuge zu bergen. Als in der fünften Runde der Restart erfolgte, verteidigte sich Tomoki Nojiri umgehend vor dem angriffslustigen James Rossiter. Dahinter befand sich Naoki Yamamoto, Kazuki Nakajima, Hiroaki Ishiura, Loic Duval, Koudai Tsukakoshi sowie Yuji Kunimoto. Während sich vorne Nojiri mit rund einer Sekunde Abstand vor Rossiter behaupten konnte, kam bereits in der neunten Runde Takashi Kogure zum Stopp. Womöglich ist der Nakajima-Racing-Pilot über Teile nach dem Startunfall gefahren, da er sich lediglich nur neue Reifen aufziehen ließ. Bereits einen Umlauf später kam Ryo Hirakawa zum Service. Der letztjährige Rookie fasste, im Gegensatz zu Kogure, nur Benzin nach. Und da diese Idee beliebt gewesen schien, kam in der elften Runde auch Narain Karthikeyan an die Box. Und da nachmachen langweilig ist, tankte dieser nicht nur auf, sondern bekam auch vier frische Pneus verpasst. Die Strategie war womöglich, dass man ohne einen weiteren Stopp durchfahren wollte. Eventuell auch mit Hilfe einer weiteren Safety-Car-Phase. Die kam auch, nur viel zu früh für Hirakawa und Karthikeyan, so dass diese von ihrem vorzeitigen Stopp nicht profitieren konnten.
Just als Nojiri seinen Vorsprung auf über zwei Sekunden ausweitete und im Gegensatz Yamamoto seinen Rückstand auf den zweitplatzierten Rossiter verringerte, drehte sich Koudai Tsukakoshi in der Rainbow Corner ins Kiesbett. Der in der Autopolis vierplatzierte Japaner konnte sich jedoch eigenhändig befreien, und steuerte hinterher direkt seine Crew zum Boxenstopp an. Mit nun kalten Reifen bekam der Real-Racing-Pilot jedoch untersteuern in der langgezogenen, schnellen 110R, die Vollgas gefahren wird und bergauf auf Start- und Ziel mündet. Zwar tat Tsukakoshi sein Bestes, um einen Dreher zu vermeiden, konnte jedoch nicht den Einschlag in die Schaumstoffwürfel an der Streckenbegrenzung verhindern. So neutralisierte das Safety-Car das Feld zum zweiten und auch letzten Mal. Dies veranlasste nahezu alle Teams umgehend zum Boxenstopp. Von den bisherigen Nicht-Stoppern blieben lediglich Yuji Kunimoto, Yuichi Nakayama sowie Yuhki Nakayama draußen. Der Rest kam zum Service. Besonders Tomoki Nojiri dürfte einige Stoßgebete abgegeben haben, schließlich hatte er diese Saison bereits mehrere technische Probleme beim Boxenstopp, die wie zuletzt in Motegi zum Absterben des Motors führten. Dieses Mal lief dieser für den Dandelion-Piloten jedoch problemlos ab. Stattdessen liefen die Stopps bei James Rossiter wie auch Naoki Yamamoto nicht ganz reibungslos, wodurch beide Fahrer mehrere Plätze verloren. Als in der 22. Runde die Lampen des Sicherheitsfahrzeuges erloschen, führten die bereits erwähnten Nicht-Stopper das Rennen an. Tomoki Nojiri machte direkt beim Restart mit Yuhki Nakayama kurzen Prozess, wodurch er sich auf die dritte Position verbesserte. Nakayama schien etwas von der Rolle, weshalb er gleich von mehreren Fahrzeugen im noch gleichen Umlauf überholt wurde. So bestand die Top-8 am Ende der 23. Runde aus Yuji Kunimoto, Yuichi Nakayama, Tomoki Nojiri, Kazuki Nakajima, Loic Duval, James Rossiter, Yuhki Nakayama sowie Naoki Yamamoto. Die ersten Runden nach der zweiten SC-Phase waren wild. Leidtragender der Action war Vitantonio Liuzzi, der im Kampf um Platz zehn in der Rainbow Corner etwas zu ungestüm war und leicht Hiraoki Ishiura touchierte. Dadurch drehte sich der Italiener aufs Gras in der Innenseite der Kurve. In dem Prozess würgte er den Motor ab. Für den ehemaligen Formel-1-Piloten war es der bislang dritte Ausfall in dieser Saison.
An der Spitze zog Yuji Kunimoto dem Feld davon. In der 31. Runde vergrößerte er den Abstand auf den drittplatzierten Tomoki Nojiri auf 3,1 Sekunden. Es schien als wollte man ohne Boxenstopp durchfahren, in der Hoffnung genügend Benzin während der beiden Safety-Car-Phasen gespart zu haben. Hierfür waren Kunimotos im Schnitt tiefe 1:08er Rundenzeiten jedoch zu schnell, da auch Nojiri mitsamt Boxenstopp auf diesem Niveau unterwegs war. Eventuell hätte eine weitere Safety-Car-Phase den Cerumo-Inging-Piloten über die Distanz retten können. Diese war, insbesondere im Hinblick auf die vier Gelblichtphasen des vergangenen Jahres durchaus im Bereich des Möglichen. Fast wäre es womöglich auch zu einem weiteren Einsatz des Sicherheitsfahrzeuges gekommen, als Koki Saga den ersten Toyota-Motorschaden der Saison erlebte. Dieser stellte seinen Boliden jedoch an einer sicheren Stelle ab, weshalb das Rennen nicht erneut unterbrochen werden musste. Die Gewissheit, dass es mit dem Benzin wohl nicht reichen würde, ist dem Kommandostand vermutlich relativ schnell klar geworden, da Kunimoto im 37. Umlauf mit 1:07.792 die bis dato schnellste Rundenzeit in den Asphalt brannte. Um Runde 51 befanden sich seine Zeiten zudem konstant im 1:07er-Bereich, in der Hoffnung einen genügenden Vorsprung herauszufahren, um bei einem Splash-and-Dash kurz vor Schluss nicht zu weit zurückzufallen.
Um den Druck auf die beiden Vordermänner zu erhöhen, erhöhte Tomoki Nojiri ebenfalls seine Pace. Zu dem Zeitpunkt war klar, dass Kunimoto auf jeden Fall noch stoppen müsste. Das große Fragezeichen war hingegen der zweitplatzierte Yuichi Nakayama. Der KCMG-Pilot fuhr im Schnitt hohe 1:08er Zeiten und kam erst am Ende seines Stints, wohl aufgrund der immer leichter werdenden Wagens, an die 1:07er-Marke heran. Als Kunimoto im 58. Umlauf zum Splash-and-Dash (6,6 Sekunden Standzeit) abbog, betrug sein Vorsprung auf Nakayama 7,5 Sekunden. Letzterer versuchte auf Biegen und Brechen mit den letzten Litern die finalen zehn Runden zu absolvieren. Nojiri erhöhte derweil den Druck auf seinen Vordermann, indem er ihm sukzessive den rund zweisekündigen Abstand abknabberte. Die Mühen von KCMG sollten letztlich unbelohnt bleiben: Drei Runden vor Schluss lief Yuichi Nakayama auf der Gegengeraden trocken, konnte sich aber noch mit den letzten im Tank befindlichen Tropfen in die Box retten. Damit war der Weg für Nojiri frei, der trotz seiner im Sieger-Interview erwähnten Nervosität die Ruhe behielt und sich auch nicht von dem direkt dahinter befindlichen Kazuki Nakajima beeindrucken ließ.
Somit gewann Tomoki Nojiri in seiner Rookie-Saison sein erstes Super-Formula-Rennen vor Kazuki Nakajima und Loic Duval. James Rossiter sowie Daisuke Nakajima, der ein von den Kameras unbeobachtetes, bärenstarkes Rennen fuhr, komplettierten die Top-5. Yuji Kunimoto überquerte auf Platz neun die Ziellinie. Yuichi Nakayamas Bemühungen blieben auf dem 13. Rang hingegen unbelohnt. Dennoch lässt sich festhalten, dass, freilich auch dank der sehr gewagten Strategie, er in seiner Rookie-Saison das bis dato beste Rennen für das vergleichsweise kleine Team von KCMG absolvierte. Naoki Yamamoto erlebte trotz der erneuten Pole-Position hingegen abermals ein Rennen zum vergessen, auch wenn er selbst, abgesehen von einem zum wiederholten Male schlechten Start, nicht die alleinige Schuld trägt. Stattdessen verlor er aufgrund des suboptimal verlaufenden Boxenstopps mehrere Positionen in der zweiten Safety-Car-Phase. Anders als James Rossiter konnte er sich diese jedoch nicht auf der Strecke zurückerkämpfen. So war es letztlich Rookie Tomoki Nojiri, der den ersten Saisonsieg für das Honda-Lager einfuhr und sich somit langsam zu Hondas neuen „Golden Boy“ entwickelt. Entsprechend strahlte er auch über beide Backen auf dem Podium. Auch sein Teamchef Kiyoshi Muraoka hatte nur Worte des Lobes für seinen Schützling übrig, der den ersten Sieg seit dem Saisonstart in Suzuka im Jahr 2013 für Docomo Team Dandelion Racing einfuhr. Damals obsiegte Takuya Izawa, der im Sportsland Sugo zusammen mit dem neuen Team Drago Corse sein Comeback in Japans höchster Formelserie feierte. Der diesjährige GP2-Pilot ging von Position 18 aus ins Rennen und war wie bereits anfangs erwähnt in den fürchterlichen Startunfall zwischen André Lotterer und Joao Paulo de Oliveira verwickelt. Entsprechend hielt das Comeback nur mehrere Meter an. In den Trainingseinheiten sammelte Izawa jedoch wertvolle Testkilometer für das neue Team von Ryo Michigami, dessen nächstjähriges Ziel es ist, eine Anlaufstelle für junge Piloten zu sein. Auch beim Finale in Suzuka wird Drago Corse mit Izawa am Steuer teilnehmen.
Der Double-Header auf der legendären Grand-Prix-Strecke in der Mie-Präfektur verspricht auch in diesem Jahr ein Thriller zu werden. Dank seines zweiten Platzes sowie des Startunfalls der beiden großen Titelrivalen, hat Kazuki Nakajima nun erneut die Meisterschaftsführung mit 33 Punkten vor Joao Paulo de Oliveira (29 Punkte) übernommen. Vor dem Wochenende führte letzterer noch die Tabelle mit vier Punkten Vorsprung an. André Lotterer und Loic Duval befinden sich punktgleich mit 26,5 Zählern auf dem dritten respektive vierten Rang. Hiroaki Ishiura (23 Punkte) komplettiert die Top-5. Insgesamt besitzen noch sieben Fahrer mathematische Chancen auf den Titel, allerdings erscheint es unter normalen Umständen etwas unrealistisch, dass James Rossiter (20,5 Punkte) und Yuji Kunimoto (17 Punkte) noch mal in den Titelkampf eingreifen können. Dennoch: In Suzuka ist alles möglich. Das Finale, das erstmals seit 1986 wieder den Titel „JAF Grand Prix“ trägt, wird wie in den vergangenen Jahren als Double-Header ausgetragen. Bei den zwei unterschiedlich langen Sprintläufen werden halbe Punkte vergeben, wobei die jeweiligen Sieger jeweils drei Bonuszähler erhalten. Zusammen mit den Bonuspunkten für die Pole-Positions sind somit noch insgesamt 18 Punkte zu gewinnen. Dass sich selbst ein großer Punkterückstand noch wettmachen lässt, hat im letzten Jahr Naoki Yamamoto bewiesen, als er dem durch das WEC-Rennen in China verhinderten André Lotterer die fast schon sichergeglaubte Meisterschaft doch noch strittig machte. Mit gleich sieben verbliebenden Titelaspiranten verspricht das Finale in Suzuka am 9. November 2014 somit wohl ebenfalls ein Hochspannungsthriller in zwei Akten zu werden.
Rennergebnis Sportsland Sugo
Meisterschaftsstand
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