Tränen der Freude und der Trauer lagen am Sonntagabend sehr nah beieinander. Während Dale Earnhardt Jr. sein Glück kaum fassen konnte, stehen einige Meisterschaftsanwärter nach dem Rennen in Martinsville bereits mit dem Rücken zur Wand.
Martinsville hielt – wie fast immer – sein Versprechen und bot einen abwechslungsreichen und turbulenten Abend und sorgte zusätzlich dafür, dass Favoriten zu Jägern und ein Jäger zum Sieger wurde. Die größte Geschichte wusste Dale Earnhardt Jr. zu schreiben, denn er konnte sich nach vielen glücklosen Versuchen den ersten Sieg seiner Karriere in Martinsville sichern. Auch wenn der Chase seit dem Rennen in Talladega für ihn gelaufen ist, unterstreicht er mit seinen vier Erfolgen in diesem Jahr, dass diese Saison eine der besten seiner ganzen Karriere war bzw. ist. Nur durch die Pechsträhne in den vorhergehenden Rennen bleibt ihm eine Chance auf den Meistertitel in seinem letzten Jahr mit Crew Chief Steve Letarte verwehrt.
Besonders heikel wird es allerdings, wenn man auf Position zwei des letzten Events in Martinsville schaut, denn dort steht mit Jeff Gordon ein Hendrick-Teamkollege und Meisterschaftsanwärter, der mit einem Sieg bereits sicher im Finale gestanden hätte. Doch Junior ließ ihn nicht vorbei und somit stellt sich die Frage, ob dies sinnvoll gewesen war? Rick Hendrick unterstrich in den letzten Jahren und auch am Sonntag wiederholt, dass alle Fahrer frei fahren dürfen. Genau das ist es doch auch, was man als Fan sehen möchte. Freies Fahren und keine Teamorder, auch wenn dies den Finaleinzug für Gordon vielleicht unnötig erschwert. Jeder Fahrer fährt schließlich in erster Linie für sich und seine Mannschaft und dann erst für das gesamte Team. Zudem möchte ich mir nicht vorstellen, was für ein Aufschrei aufgrund einer Teamorder durch die NASCAR-Gemeinde gehen würde, schließlich ist dies immer etwas, das man der einen aerodynamik-abhängigen Serie auf diesen Kursen mit Rechtskurven vorwirft.
Daher wollen wir das Thema schnell beiseitelegen und uns den eigentlichen Verlierern des Wochenendes widmen, die ganz klar Kevin Harvick und Brad Keselowski heißen. Harvick hatte mit einem 33. Startplatz eine denkbar schlechte Ausgangsposition, doch bereits bei der 200-Runden-Marke fand man die #4 schon unter den ersten Zehn wieder. Doch kaum dort angekommen gab es für Harvick ein böses Erwachen. Nach einem Restart verlor Matt Kenseth beim Anbremsen die Kontrolle über sein Fahrzeug und räumte dabei den Chevrolet von Stewart-Haas Racing ab. Während Kenseth nach ein paar Kosmetikarbeiten weiterfahren durfte, musste Harvick seinen Chevrolet mit Kühlerschaden in die Garage schleppen, um nach vielen Umläufen wieder auf die Strecke für ein paar kleinere Revanchefouls an der #20 zurückzukehren.
Brad Keselowski erwischte es ähnlich schlecht. Über weite Teile des Rennens konnte sich die #2 auf den vorderen Plätzen halten, doch knapp 70 Runden vor Schluss versagte das Getriebe seines Fords und sorgte infolgedessen für einige Auffahrunfälle und eine Red Flag. Keselowski war in langsamer Fahrt auf der Start-/Zielgeraden unterwegs und wurde dabei von Casey Mears erwischt, dem wiederum Kasey Kahne und auch Martin Truex Jr. nicht mehr ausweichen konnten. Einige Fahrzeuge mussten mühsam von der Strecke geborgen werden, während es Keselowski immerhin noch in die Garage schaffte. Trotzdem reichte es schlussendlich nur für Platz 31, immerhin zwei Positionen vor Harvick. Für beide Piloten ist das Weiterkommen realistisch gesehen nur noch über Siege möglich, da sie bereits 26 bzw. 28 Zähler Rückstand auf den auf Position vier liegenden Kenseth aufweisen.
Wo Schatten ist, ist auch Licht, und dieses fanden besonders Jeff Gordon und Ryan Newman. Gordon dominierte die Frühphase des Rennens, verabschiedete sich allerdings nach einer Strafe für zu schnelles Fahren in der Boxengasse von der Führung. Im späteren Verlauf fand er keinen Weg mehr an Dale Earnhardt Jr. vorbei und musste sich mit dem zweiten Platz begnügen. Für eine (erneute) Überraschung sorgte Ryan Newman. Zwar sah man bis zur Schlussphase nicht viel von der #31, doch dann tauchte sie plötzlich auf P3 der Endwertung auf. Wie so oft in den vergangenen Rennen hielt sich Newman geschickt aus den Tumulten heraus und münzte dies durch eine konstante und clevere Fahrweise in ein ausgezeichnetes Ergebnis um. Ist dies vielleicht eine Möglichkeit, in das Finale zu kommen? Immerhin sind die Chancen mit einem zweiten Platz in der Tabelle durchaus gut, doch die Abstände zu den Verfolgern sind marginal. Logano, Kenseth und Hamlin sitzen der #31 dicht im Nacken, wohingegen Edwards, Keselowski und Harvick sich schon in einer ungünstigen Position finden.
Abseits vom Chase sorgte das Rennen in Martinsville auch weiterhin für Zündstoff. Dieser fand zwischen Kasey Kahne und Brian Vickers rege Verwendung. Nachdem die #5 die #55 früh im Rennen in einen Dreher schickte, revanchierte sich Vickers wenig später mit einem recht offensichtlichen Foul an der #5. Doch damit war die Sache noch nicht beendet. Kahne sorgte einige Runden später erneut für ein Payback und schickte die #55 in einen Dreher. Die Rennleitung beendete anschließend die Fehde mit einer kurzen Durchsage an die Teams, doch beide Piloten waren sich auch nach dem Rennen nicht gerade positiv gesinnt. Es bleibt abzuwarten, ob sich dies bis zum Event in Texas dieses Wochenende noch ändert. Nicht erzürnt, aber zumindest enttäuscht dürfte Jamie McMurray nach dem Rennen in Martinsville gewesen sein. Nachdem er von der Pole gestartet und aussichtsreich in das Rennen gegangen war, verpasste das Team der #1 erneut die Anpassungen an die sich verändernde Strecke, und zudem gingen auch noch die letzten Boxenstopps schief. So ging ein vielversprechendes Rennen nur mit einem 16. Platz zu Ende. Ähnlich enttäuschend lief es auch für Denny Hamlin. Nachdem er sich während des Rennens oft an der Spitze zeigte, reichte es im Endresultat nur für Position acht.
Positiv sollte man noch zwei Piloten hervorheben: AJ Allmendinger und David Ragan. „Dinger“ konnte sich in der Schlussphase in den ersten Zehn etablieren und sicherte sich einen überragenden neunten Platz. Diese Leistung wurde vom eigentlichen Backmarker David Ragan noch getoppt, denn das Team der #34 spielte seine Strategie perfekt aus. Als fast alle Piloten kurz vor Schluss an ihre Box kamen, blieb die #34 draußen und startete auf Position drei in die finalen Umläufe. Zwar konnte man diesen Platz nicht ins Ziel retten, doch eine zehnte Position auf einem Speedway, der nicht Talladega oder Daytona heißt, ist für dieses Team wie ein Sechser im Lotto. Anscheinend war die historische Lackierung von Wendell Scott an diesem Wochenende ein Glücksbringer, denn Darrell Wallace Jr. konnte im gleichen Design am Tag zuvor bereits das Rennen für sich entschieden. Der auf der gleichen Strategie wie Ragan unterwegs gewesene Tony Stewart konnte sich im Sonntagsrennen des Sprint Cups noch etwas weiter vorne als die #34 platzieren und schaffte mit einem vierten Platz ein achtbares Ergebnis, das ihm hoffentlich Aufwind für die kommenden Rennen und das nächste Jahr geben wird.
Das ausführliche Ergebnis vom „Goody’s Headache Relief Shot 500“ kann unter folgendem Link abgerufen werden. Zudem lohnt ein Blick auf die aktuelle Fahrer- und Ownerwertung, bevor der NASCAR-Tross dieses Wochenende Station in Texas macht.
4 Kommentare
Steffen,
danke für die Analyse, wie immer kompetent und „locker“ geschrieben.
Ich sehe die Situation „Earnhardt vs. Gordon“ genauso wie du – jeder Fahrer bei HMS fährt „auf eigene Rechnung“, und wenn sogar Rick, der Chef, persönlich freies Fahren erlaubt, ist am Verhalten von Junior nix auszusetzen, auch wenn es Jeff das Finale kosten sollte. Im Chat ging es kurz nach dem Zieleinlauf ja hoch her… (sinngemäß „blöd gemacht“ – „dumm gelaufen“ – „hallo Teamorder“ usw), aber NASCAR ist eben – trotz „biggest business“ – immer noch mehr Motorsport als eine „aerodynamik-abhängige Serie auf diesen Kursen mit Rechtskurven“ . (diese Definition solltest du dir patentieren lassen….sonst macht es Bernd E. ;-) )
Ich hoffe, das bleibt auch so.
Auf nach Texas! :-)
Danke für die Blumen, Reinhard. Die Sache mit einer eventuellen Teamorder muss man auch zwangsläufig aus der Sponsorensicht sehen. Während bei den Rechtskurvenrasern teamintern die gleichen Lackierungen und Sponsoren gefahren werden, hat in der NASCAR jedes Fahrzeug in der Regel seine eigenen Unterstützer. Was würde also National Guard dazu sagen, wenn Junior plötzlich Gordon vorbei gelassen hätte? Höchstwahrscheinlich wäre man darüber nicht gerade erfreut gewesen und da Sponsoren in der aktuellen Zeit schwer zu finden sind, wird sich wohl jeder Fahrer bemühen, seine aktuellen Supporter zufriedenzustellen. Somit wäre eine Teamorder auch nicht ohne weiteres möglich, da sich Rick Hendrick sonst vielleicht auch weiteren Ärger eingehandelt hätte. Ein Sieg ist schließlich auch aus Sponsorensicht etwas ganz besonderes. Wie du es schon richtig geschrieben hattest, jeder Fahrer fährt auf eigene Rechnung.
Teamorder? Geht’s noch? Wenn ich Forderungen nach Teamorder lese, könnte ich mich tierisch aufregen.
Wer so was ernsthaft fordert der hat nicht verstanden, worum es bei Autorennen geht. Der schnellste gewinnt.
Und man stelle sich mal den Imageverlust vor. Die Earnhardt-Fans wären total sauer. Und Gordon müßte sich sagen lassen, daß er wohl schon ne Teamorder braucht um noch zu gewinnen. Und auch die NASCAR selbst würde danach komisch angeguckt werden.
Davon abgesehen: Gordon hat bereits 4 Titel und 92 Siege, davon 8 in Martinsville. Für Earnhardt ist es der erste Martinsville Sieg. Er hat selbst gesagt, daß ihm dieser Sieg sehr viel bedeutet. Warum sollte er so was einfach verschenken? Es reicht doch, daß er nicht mehr Meister werden kann, in dem Jahr.
Mal sehen ob die NASCAR die Regeln für den Chase wieder ändern – immerhin ist der „most popular driver“ der NASCAR nicht mehr im Chase dabei – trotz 4 Siege. Umgekehrt sind Fahrer ohne Sieg wie Ryan Newman und Matt Kenseth im Chase. Wie hieß es zu Saisonbeginn? Das wichtigste wäre ein Rennsieg, es würde nicht reichen, nur vorne mitzufahren …
Dass die NASCAR den Chase gleich wieder auf den Kopf stellt, halte ich für unwahrscheinlich. Junior und Jimmie wären auch im alten Format schon längst weg vom Fenster, im neuen Format hatten sie Dank der Siegesregel sogar trotz zwei missglückter Rennen noch Chancen auf das Weiterkommen. Die konstanten aber sieglosen Fahrer wird man nie komplett aus den Meisterschaftskampf ausschließen können und das ist auch gut so, schließlich ist das konstante Einfahren von guten Ergebnissen auch ein Auszeichnungsmerkmal, das mit dem aktuelle Chase-Format leider schon wesentlich kürzer kommt.
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