Home NASCAR NASCAR: Analyse Saisonfinale Homestead 2014

NASCAR: Analyse Saisonfinale Homestead 2014

von KristianStooss
8 Kommentare

In einem jederzeit spannenden NASCAR-Saisonfinale holte Kevin Harvick den Sieg und folglich seinen ersten Cup-Titel. Ryan Newman musste sich nur knapp geschlagen geben, während Denny Hamlin und Joey Logano im Finale die falschen Strategieentscheidungen trafen bzw. den Fehlerteufel persönlich kennenlernten.

NSCS_111614_Harvick_ChampionWas wurde nicht spekuliert und was gab es nicht für mögliche Szenarien für dieses entscheidende Rennen in der Meisterschaft. Am Ende bekamen wir eine drehbuchreife Vorstellung geboten, da sich alle vier Kandidaten nahezu den gesamten Abend in den Top5/10 Stoßstange an Stoßstange befanden und zu keinem Zeitpunkt ein wirklicher Favorit erkennbar war. Na gut, das gilt vielleicht nicht für Jeff Gordon, der 161 von 267 machbaren Führungsrunden absahnte und zeigte, dass er eigentlich auch in den Titelkampf gehörte. Weil man sich bei Hendrick Motorsports in der hektischen Schlussphase aber mit der Reifenstrategie verzockte, war Platz 10 das höchste der Gefühle für Gordon.

Das angesprochene Finale begann eigentlich recht spät in Runde 249, als wieder einmal Debris auf der Strecke gefunden wurde. Jeff Gordon und Denny Hamlin verzichteten an dieser Stelle komplett auf einen Boxenstopp, während gleichzeitig Ryan Newman wenigstens zwei neue Reifen nahm. Für Kevin Harvick und Joey Logano lautete die Devise „four tires and fuel“, wobei der Crew der #22 der entscheidende Fehler unterlief und das Auto vom Wagenheber fiel. Die #4 verfügte nun zwar über frisches Gummi, musste aber erstmal den verlorenen Boden auf der Strecke wieder gutmachen. Bei noch 15 zu fahrenden Runden waren somit alle beteiligen Fahrer in einer schwierigen Situation.

Jeff Gordon und Denny Hamlin wurden schnell vom besser bereiften Ryan Newman bedrängt, Kevin Harvick hatte nur wenig Zeit, zurückzuschlagen und Joey Logano war im Prinzip draußen. Die Rettung für Harvick war ein Unfall zwischen Blake Koch und JJ Yeley, da das Feld zum Restart wieder zusammengeführt werden würde. Unterdessen nutzte Gordon die Caution, um seinen Reifennachteil wettzumachen, allerdings zu Ungunsten seiner Track-Position. Dass auch Logano noch einmal kam und am Ende Rang 16 holte, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Harvick konnte nach dem Schwenken der grünen Flagge seine frischen Reifen endlich nutzen und sich in nur einer Runde mit einem 3- bis 4-wide-Manöver von Platz 6 auf 2 nach vorne schieben.

Denny Hamlin vor Kevin Harvick und Ryan Newman lautete die Reihenfolge an der Spitze nun und gerade als Harvick sieben Runden vor Schluss die Führung übernommen hatte, fiel einem Ford der Deko-Kühlergrill auf die Strecke. Beim letzten Restart musste Harvick also nur noch erneut seinen Vorteil ausspielen und konnte Newman klar auf Distanz halten, während Hamlin noch auf Rang 7 zurückfiel. Harvick sicherte sich nach 13 Jahren im Sprint Cup also seinen ersten Titel in der höchsten NASCAR-Klasse und das absolut verdient. Immerhin holte er von allen Fahrern in diesem Jahr die meisten Führungsrunden und Poles. Zwar kam er letztendlich „nur“ auf fünf Rennsiege, es hätten aber deutlich mehr sein können und müssen, weil oft der Fehlerteufel an der #4 zuschlug.

Ryan Newman verpasste den Titel nur knapp und wäre um ein Haar der erste Meister komplett ohne Saisonsieg geworden. So eine Situation könnte man nur verhindern, wenn ausschließlich Fahrer am Chase teilnehmen dürften, die im betreffenden Jahr mindestens einmal die Victory-Lane erobert haben. NASCAR-Chef Brian France schloss eine entsprechende Regeländerung aber bereits aus und kündigte an, dass man nur marginal an den Stellrädern für die Playoffs drehen werde.

Etwas untergegangen ist im ganzen Trubel die Situation um Chad Knaus und das Team von Jimmie Johnson, deren Verantwortliche sich nach dem Rennen im NASCAR-Hauler zu einer Standpredigt einfinden durften. An der #48 sollte bei einem Boxenstopp ein Abstandshalter zwischen Radnabe und Rad eingefügt werden, um eine Vibration zu kurieren. Soweit ist erstmal alles ok, denn das ist auch erlaubt. Allerdings muss zuvor der dicke Mann im weißen Overall um Erlaubnis gebeten werden. Dummerweise erkannte der Offizielle den Spacer nicht als regelkonform an und verweigerte den Einsatz, was Knaus jedoch herzlich wenig interessierte. Strafen sind nach Aussage des Wettbewerbsdirektors Robin Pemberton aber keine zu erwarten, da wurde halt nur mal Klartext geredet.

Insgesamt fiel mir noch auf, dass die Fahrbahn gefühlt sehr häufig mit Trümmerteilen gespickt war, was aber nur die Ursache für fünf der insgesamt 13 Cautions war. Die anderen Gelbphasen lösten die Offiziellen nach Unfällen von Brett Moffitt, Alex Bowman, Greg Biffle, Marcos Ambrose, AJ Allmendinger und Blake Koch sowie JJ Yeley aus, wobei Allmendinger den mit Abstand heftigsten Crash einstecken musste. Aber auch Ambrose hätte sich seinen NASCAR-Abschied sicherlich anders vorgestellt. Glücklicherweise blieben jedoch wenigstens die Titelfavoriten von größeren Unfällen verschont, was die Spannung aufrechterhielt.

Ambrose ist übrigens nicht der einzige Beteiligte, für den das Abenteuer NASCAR vorerst beendet ist. Auch ESPN verabschiedete sich in Homestead nach einem TV-Vertrag über acht Jahre vom Sport und wird in Zukunft nur noch über seine Beiträge im SportsCenter beteiligt sein. In der englischen Sprache gibt es einen netten Ausdruck, der an dieser Stelle ganz gut passt: „Good riddance!“ Die Übertragungsqualität von ESPN/ABC war ja nicht ohne Grund umstritten und so können wir uns nun nach Kyle Petty (und TNT) auch von Rusty Wallace verabschieden. Ich bin wirklich gespannt, was NBC in der nächsten Saison so auf die Beine stellen kann, denn mit Steve Letarte und Jeff Burton hat man ja schon ein interessantes Experten-Duo verpflichtet.

Auch für die deutschen Fans gibt es tolle Neuigkeiten, da Motorvision TV die NASCAR-Rechte um drei weitere Jahre verlängern und sogar weiter ausweiten konnte: 2015, 2016 und 2017 zeigt der Fernsehsender ALLE Sprint-Cup-Rennen (inkl. All-Star Race, exkl. Sprint Unlimited) LIVE und bringt zusätzlich Highlights der Truck-Series. Die Nationwide bzw. XFINITY Series ist ja bereits bei MotorsTV im Programm, wobei bekanntlich leider nur die wenigstens Zuschauer in diesen Genuss kommen. Ick freu mir jedenfalls! Damit bleibt mir dann nur der temporäre Abschied für drei Monate und der Dank – auch im Namen von Co-Autor Steffen – an alle Leser und Chat-Beteiligten für das schöne NASCAR-Jahr 2014. Wir sehen uns dann spätestens in knapp 90 Tagen zu den Daytona-Speedweeks!

Das gesamte Rennergebnis kann hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal nachgeschaut werden. Es folgen die abschließende Fahrerwertung und die Owner-Punkte.

Das könnte Dir auch gefallen

8 Kommentare

Crusher75 18 November, 2014 - 12:56

Ich persönlich empfinde das neue Chaseformat als sehr unfair. Der punktbeste Fahrer der Saison verlor schon vor dem finalen Rennen durch drei zumindest diskussionswürdige Umstände jede Chance auf den Titel. Der punktbeste Fahrer im Chase seine durch einen(!) verbockten Boxenstopp. Natürlich kann man sagen, dass der Chase nun mal ein Play-Off-Format ist und dort auch kleine Fehler massiv bestraft werden. Ein 16:0 Team in der NFL kann durch einen Fehler im letzten Viertel auch mal schnell seine Träume von der Vince-Lombardi-Trophäe früh in den Play-Offs zerstören. Nur hatte das Team auch vorher drei Viertel Zeit sich einen Vorsprung zu erarbeiten, um etwaigen Fehler ausgleichen zu können. Durch die ständigen Cautions ist das in der NASCAR aber nicht möglich. Selbst ein 15 Sekunden Vorsprung vor dem entscheidenden Stopp hätte Logano ja nicht geholfen. Eine Saison über 36 Rennen und tausenden Meilen wurde am Ende durch einen Sprint über wenige Runden entschieden. Das war fast so, als müsste der FC Bayern nach dem 34. Spieltag noch ein Elfmeterschießen gegen den Zweiten der Tabelle um die Meisterschaft austragen.

Insgesamt war es Sonntag in meinen Augen zu sehr Glücksspiel und zu wenig Sport. Passiert der Fehler Loganos Crew beim ersten Stopp, wäre es kein großes Problem gewesen. Ohne die letzten beiden Cautions hätte es für Harvick sehr eng werden können, obwohl er der dominierende Chaser in Homestead war.

Ja es war am Ende sehr spannend. Aber ich weiß noch nicht, ob ich den Sprint-Cup auch im nächsten Jahr so intensiv verfolgen werde. Es gingen einfach unzählige Stunden mit endlos zähen Rennen drauf, die am Ende auch noch absolut keinen Einfluss auf die Meisterschaft hatten. Nein Danke.

DonDahlmann 18 November, 2014 - 16:12

Harvick ist ein sehr würdiger Champion, den Titel hat er sich mehr als verdient. Ich hätte es Newman auch gegönnt, so als Underdog, aber am Ende war Harvick ja in allen Belangen besser als Newman in diesem Jahr.

Was das Format angeht: die Playoffs und das man eher mit einem Sieg als über Punkte reinkommt, haben sehr gut funktioniert. Was das Finale angeht: da bin ich mir nicht so sicher. Wie man bei Logano gesehen hat, können Kleinigkeiten dann entscheiden.

Erik 18 November, 2014 - 16:17

Glückwunsch Harvick!

Hätte ich vor 2 Monaten mal Geld gesetzt…

Generell gebe ich Crusher75 recht.
Bin auch kein Fan von Playoff-Formaten im Motorsport.
In der Nascar kannte ich es zwar nicht anders, aber die diesjährige, verschärfte Form hat mir nicht so gut gefallen.
Es mag ja sein, dass der gemeine Amerikaner voll auf Playoffs abfährt, aber gerade in der Nascar als Ausdauerrennsport ist das fehl am Platze.
Und den Quoten hilft das doch auch nur in den letzten Rennen.
Die hab ich auch so, wenn es spannend in der Meisterschaft ist.
Aber dieses künstliche Eingreifen in eine fast ganzjährige Meisterschaft zum Schluss, ich finde es einfach schade, das der Weg mehr zum Entertainment und weg vom ehrlichen Racing geht.
Aber damit ist Nascar ja nicht alleine.

Montoya12 18 November, 2014 - 21:28

Jeff Gordon und Titelkandidat das ich nicht lache. Mit der Boxencrew und den Rennstrategien niemals. Gott sei Dank war er in Homestead nicht mehr unter den besten 4 so haben sie nur den Rennsieg weggeschmissen. Wenn ich mir vorstelle da wär der Titel flöten gegangen,das wär die Lachnummer des Jahres geworden.

KristianStooss 19 November, 2014 - 16:31

@ Montoya12:
Wasser auf deine Mühlen: http://www.mrn.com/Race-Series/NASCAR-Sprint-Cup/News/Articles/2014/11/Alan-Gustafson-Says-His-Mistake-Cost-Jeff-Gordon-Chance-At-Win.aspx
Alan Gustafson hat sich für den Strategiefehler bei Jeff Gordon entschuldigt! ;)

deion 22 November, 2014 - 05:36

Ich bin seit 2 Monaten auf einem Road Trip durch den Osten der USA und habe den Sprint-Cup zum ersten Mal aus dieser Perspektive erlebt. Beim Chase-Rennen in Dover war ich vor Ort, den Rest am TV. Man kann über das Chase-Format denken was man will, aber hier in den USA, wird es als großer Erfolg gesehen. Die Einschaltquoten sind hervorragend und sowohl in den Zeitungen als auch in den wichtigen Sportradios findet NASCAR statt, was wohl in den letzten Jahren nicht der Fall war.
Einen Wermutstropfen gibt es aber, ich fürchte die Luftpumpe Kyle Petty bleibt uns in den kommenden Jahren nicht erspart. Vor einigen Tag saß er mit Jeff Burton bei NBC SN im Studio und „analysierte“ das Homestead-Rennen. Sieht so aus, als hätte der Mann, der selbstverständlich nicht aufgrund seines Namens in der Szene sein Geld verdient, sondern wegen seiner Kompetenz, einen neuen Arbeitgeber gefunden hat.

deion 22 November, 2014 - 05:38

Zur Ergänzung hier ein Link zur NBC-Sendung mit Petty:
http://motorsportstalk.nbcsports.com/2014/11/21/nascar-america-a-well-deserved-title-for-kevin-harvick-video/
Ich hoffe aus Deutschland sichtbar.

KristianStooss 22 November, 2014 - 12:38

@ deion:
Nooooooooooooooooooooooooooooooo! Alleine die ersten 15 Sekunden bringen mich um!

Comments are closed.