Nach 250 Metern war die Sache klar. Lewis Hamilton übernahm nach dem Start die Führung im Rennen und war nie in Gefahr, sie zu verlieren. Ein bemerkenswertes Rennen war es aber dennoch.
Elf Siege, drei Mal Platz 2, zwei dritte Plätze und dazu drei Ausfälle. Das ist die Bilanz von Lewis Hamilton in dieser Saison. Es ist eine Bilanz, mit der man quasi Weltmeister werden muss und Hamilton ließ am Wochenende in Abu Dhabi auch keinen Zweifel aufkommen, dass er den Titel verdient hat. Weder ließ er sich in der Qualifikation aus der Ruhe bringen, noch im Rennen, als es zwischenzeitlich mal so aussah, als würde Felipe Massa den Sieg am Ende noch gefährden können. Der Brite behielt einen klaren Kopf, was ihm am Ende auch deswegen leichter fiel, weil Rosberg mit technischen Problemen aus den Punkten fiel.
Elfmal konnte Rosberg seinen Teamkollegen in der Qualifikation schlagen. Was ein deutliches Zeichen dafür ist, wie schnell der Deutsche ist, denn Hamilton gilt als einer, der in Q3 immer noch eine schnelle Runde aus dem Ärmel schütteln kann. Auch in Abu Dhabi hatte Nico die Nase vorne, aber wie so oft in der Saison sah Hamilton im Rennen besser aus. Am Start fiel Rosberg für einen Moment die Drehzahl etwas runter, das reichte dann für Hamilton. Und somit war sein Rennen deutlich entspannter, als mit einem zweiten Platz. So musste er nur auf Rosberg schauen und überlegen, welche Strategie er nutzen wollte. Ein zweiter Platz wäre sicher weniger entspannt gewesen, denn von hinten drohte vor allem der Williams, der in Abu Dhabi sehr gut unterwegs war. Aber mit Rosberg als Puffer und Reserven im Auto konnte er es vorne relativ ruhig angehen. Auch in Sachen Strategie musste er keine Risiken eingehen. Die „Supersoft“ fuhr er im Rahmen der Möglichkeiten, danach setzte er ganz konservativ auf die „Soft“.
Hätte Rosberg eine Chance auf den Sieg gehabt? Die Chance darauf war außerordentlich gering, selbst wenn ihn die Technik am Ende nicht im Stich gelassen hätte. Auf der Strecke ist der Rundenzeitenunterschied zwischen beiden zu klein, als dass er hätte überholen können. Zwar wäre die Möglichkeit vorhanden gewesen, mit schnellen Rundenzeiten seinen Teamkollegen unter Druck setzen zu können, aber dem reichte ja bekanntermaßen auch ein zweiter Platz für den Titel.
Mit Hamilton ist mit Sicherheit der richtige Fahrer in diesem Jahr Weltmeister geworden. Er hatte in allen Rennen einfach das bessere Händchen und sicher auch das Glück, das dazu gehört. Rosberg lieferte dem Briten einen famosen Kampf, der sicher in manchen Momenten drohte, außer Kontrolle zu geraten. Am Ende zeigte Rosberg aber wahre Größe. Obwohl er mit seinem waidwunden Auto längst aus den Punkten gefallen war, bestand er darauf, das Rennen zu Ende zu fahren. Und er gehörte auch zu den ersten, die Hamilton noch vor der Siegerehrung gratulierten. Auch in den Interviews danach zeigte er Charakter. Er beklagte sich mit keinem Satz, sondern unterstrich, dass Lewis Hamilton in diesem Jahr in bestimmten Momenten einfach der bessere Fahrer war. Nico Rosberg wird hoffen, dass Mercedes den Vorsprung auch ins nächste Jahr wird retten können, um dann eine neue Chance zu bekommen.
Im letzten Rennen des Jahres tat sich auf der Strecke verhältnismäßig wenig, was auch wieder zeigte, dass Abu Dhabi, so schön die Stimmung in der Nacht auch sein mag, nicht gerade die beste Lösung für ein WM-Finale ist. Dennoch gab es drei durchaus bemerkenswerte Teams in diesem Rennen. Natürlich war da vor allem Williams. Dem Traditionsrennstall ist es in den letzten Rennen der Saison gelungen, noch besser zu werden, was angesichts der letzten Jahre schon auffällig war. Nach der Sommerpause gelang es dem Team, sich als Nummer Zwei hinter Mercedes zu etablieren, was man in Abu Dhabi nachdrücklich unter Beweis stellte. Die Strategie, Massa lange auf dem letzten Satz der „Soft“ fahren zu lassen, war zur Abwechslung mal eine mutige Entscheidung. Es wäre interessant gewesen, ob er Rosberg hätte abfangen können, der ja auf einer ähnlichen Strategie wie Hamilton unterwegs war. Gegen den Briten hatte er allerdings keine Chance. Die „Supersoft“ hatten einen Peak für cirka sechs Runden, danach fiel die Performance ab. Der Rückstand von Massa war bei seinem Wechsel mit knapp elf Sekunden aber zu groß, zudem hatte Hamilton immer noch Reserven im Auto und konnte zwischenzeitlich reagieren. Eine echte Chance auf den Sieg hatte er nie. Sein Teamkollege Bottas hatte einen schlechten Start, er fiel auf P7 zurück, aber dank der Überlegenheit des Williams und einer guten Strategie konnte er auf P3 vorfahren.
Die zweite bemerkenswerte Teamleistung kam von Red Bull. Weil man in der Quali flexible Frontflügel eingesetzt hatte, wurden beiden Fahrer die Zeiten aberkannt und man musste aus der Boxengasse starten. Aber wie kamen Ricciardo und Vettel dann nach vorne? Das Geheimnis lag in einer verschobenen Zwei-Stopp-Strategie. Man startete auf den „Soft“, die weniger schnell abbauten, als man zunächst noch befürchtet hatte. Vettel fuhr bis Runde 21, Ricciardo sogar bis Runde 27. Genau in dem Moment, in dem man Gefahr lief, im Mittelfeld hängen zu bleiben, gingen die Konkurrenten an die Box. Dabei hatte der Australier die etwas bessere Strategie gewählt. Er kam im Verkehr etwas schneller voran als Vettel, der sich mit beiden Ferrari und McLaren rumschlagen musste. Dadurch, dass der Australier erst nach der gesamten Gruppe an die Box kam, gelang es ihm, diese hinter sich zu lassen. Vettel versuchte mit seinem früheren Stopp einen „Undercut“, der aber nicht gelang. So blieb Vettel weiter im Verkehr stecken, während sich Ricciardo auf P4 vorfahren konnte.
Das dritte Team, dem am Wochenende eine klasse Leistung gelang, war Force India. Eigentlich fehlten dem Team am Ende der Saison ein paar Zehntel auf McLaren und Ferrari, zumindest in der Qualifikation. Force India kam mit beiden Fahrern um Runde 15 und 37 an die Box. Für die „Soft“, die man zu Start drauf hatte, war das eigentlich fast etwas zu kurz, zumal Magnussen seine Reifen erst in Runde 21 wechselte. Aber Hülkenberg und Perez kamen so in einer Lücke auf die Strecke, in der sie ihre Rundenzeiten ungestört fahren konnten. Das reichte dann aus, um sowohl einen McLaren, als auch beide Ferrari hinter sich zu lassen, was schon etwas überraschend war. An Button kam man nicht heran, weil der sich zwischenzeitlich aufgrund seiner gewählten Strategie einen hübschen Vorsprung herausfahren konnte.
Bei Ferrari ging am Wochenende wenig zusammen. Weder in Sachen Taktik, noch in Sachen Performance. Auffällig war ein Überrundungsmanöver von Alonso am Caterham von Will Stevens. Der F148 kam auf der langen Geraden einfach nicht vorbei und konnte sich erst auf der Bremse durchsetzen. Besser kann man das Dilemma von Ferrari in diesem Jahr nicht beschreiben. Bei den Italienern gehen die Umbauarbeiten im Team derweil weiter. Sebastian Vettel kommt, der bisherige Teamchef Marco Mattiacci musste nach dem Rennen auch seinen Hut nehmen. Sein Nachfolger wird Maurizio Arravabene, der vorher bei Philip Morris für Sponsoring zuständig war und seit Jahren enge Verbindungen zu Ferrari, der Formel Eins und vor allem Sergio Marchionne hat. Damit hat Ferrari den dritten Teamchef in nur einem Jahr. (Mehr dazu und den Aussichten für 2015 dann in der detaillierten Ferrari-Analyse.)
Eine Überraschung bot Caterham. Fast alle hatten damit gerechnet, dass der Rennstall nur „pro forma“ in Abu Dhabi war. Ein paar Runden im Training, das Minimum in Q1, ein paar Runden im Rennen – mehr hatte man nicht erwartet. Doch Caterham teste nicht nur ordentlich im freien Training (83 Runden für Kobayashi, genauso viel wie Magnussen), sondern man fuhr das Rennen auch sauber zu Ende. Der Japaner fiel zwar aus, Neuzugang Will Stevens kam aber ins Ziel. Und damit nicht genug. Caterham bleibt in Abu Dhabi und wird Stevens auch bei den beiden Testtagen einsetzen. Sicherlich ist das ein letztes Aufbäumen von Caterham, deren Auftritt in Abu Dhabi wohl nur deswegen zustande kam, weil Ecclestone die Transportkosten übernommen haben soll.
Der Insolvenzverwalter Finbarr O’Connell ließ verlauten, dass es Interessenten aus arabischen Ländern geben soll. Allerdings ist völlig unklar, woher die genau kommen sollen. Caterham steht in Sachen Schulden einigermaßen sauber da, die Rede ist von weniger als 30 Millionen Euro. Das gibt dem Insolvenzverwalter eine Menge Spielraum beim Verkauf. Aber die „arabischen Investoren“ werden ja immer gerne genommen. HRT, Sauber und Caterham hatten sie ja schon – angeblich. Bisher zeigte sich aber, das „arabische Investoren“ ihr Geld lieber in Teams stecken, die ihnen einen gewissen Benefit bringen. Ferrari. McLaren. Mercedes. Teams aus dem Hinterfeld haben aus der Quelle bisher nur selten ein paar Dollar gesehen. Auf der anderen Seite: Caterham steht so schlecht nicht da. Man ist für 2015 eingeschrieben, man hat einen Vertrag mit Renault und eine modern ausgestattete Fabrik in Leafield. Eine bessere Voraussetzung für einen Start in der F1 kann man kaum haben.
Das war es dann mit der Saison 2014, die deutlich anders verlaufen ist, als man sich das vor der Saison ausgerechnet hatte. Eine derartige Dominanz eines Teams und eines Motors hatte man nicht erwartet, ebenso wenig war abzusehen, dass vor allem Ferrari derartig untergehen würde. Bis auf drei Rennen konnte Mercedes alle Läufe gewinnen. Die drei Siege von Ricciardo kamen vor allem zustande, weil Mercedes technische Probleme hatte. Wenn beide Wagen ins Ziel kamen, belegte man auch die ersten beide Plätze. Der Mercedes Motor holte alle Pole Position. Gäbe es eine Wertung für die Motorhersteller, sähe das so aus:
Mercedes 1357 Punkte
Renault: 445 Punkte
Ferrari: 218 Punkte
Wie miserabel vor allem Ferrari unterwegs war wird an einem Vergleich mit Daniel Ricciardo deutlich. Der holte 238 Punkte und damit mehr, als alle Piloten von Ferrari, Sauber und Marussia zusammen. Bemerkenswert ist auch: Es war die erste Saison seit 1980, in der kein McLaren oder Ferrari einen Sieg holen konnte und die erste Saison seit 1967 (!) in der weder Williams, McLaren oder Ferrari gewinnen konnten.
Damit ist unsere Analyse der Saison 2014 aber natürlich noch nicht abgeschlossen. Wie jedes Jahr gibt es eine mehrteilige Rückschau in der wir alle Teams und Fahrer beleuchten. Wir analysieren, warum und wann Hamilton in diesem Jahr besser als Rosberg sein konnte, wieso Räikkönen so schlecht und Bottas so gut unterwegs war und was nun mit Caterham und Marussia passieren wird. Ab nächste Woche geht es los.
Bilder: Daimler AG, Mercedes F1, Red Bull/Getty, Toro Rosso/Getty, Williams F1, McLaren, Force India, Sauber F1, Caterham, Lotus F1.
3 Kommentare
Zuerst mal ein Fakt: wer so viele Rennen wie Hamilton gewinnt, gewinnt nicht durch Glück den Titel.
Rosberg ist für mich der Mann des Abends. Sein Verhalten zeigt wahre Grösse. Vergleicht man das mit Hamilton, der wie ein kleines Kind schmollt wenn es mal nicht klappt, und seinen „Kumpel aus alten Zeiten“ sogar im Laufe der Saison beleidigt hat (was kann Rosberg dafür dass er in Monaco aufgewachsen ist), so ist Rosberg auf jeden Fall der Reifere der Beiden.
Das Rennen zu Ende zu fahren ist auch ein Dank an die Mechaniker seines Teams, grandios.
Auch wenn Hamilton zum Schluss sicher der Schnellere im Rennen war, möchte ich dennoch an Spa erinnern. Die Art und Weise wie Lauda und Wolff sofort nach dem Rennen Stellung pro Hamilton bezogen haben, hat mich schon sehr erstaunt. Für mich entstand hier klar der Eindruck dass Hamilton bevorzugt wird. Ich bin der Meinung dass Rosberg nach diesem Rennen nicht mehr der Fighter war wie davor. Ist auszuschliessen dass diese Schelte im Hinterkopf mitgefahren ist und Rosberg deswegen wie in Austin eher zurückgesteckt hat, eventuell sogar unbewusst aber doch beeeinflusst?
Ich gehe sogar noch weiter und frage mich: ist Hamilton etwas besser international zu vermarkten? Bessere Publicity ein Weltmeister Hamilton als ein Weltmeister Rosberg. Denn letztenendes bedeutet Publicity indirekt mehr Autoverkäufe, wie der Spruch „sunday wins, monday sells“ besagt.
Für micb bleibt der bittere Beigeschmack das Mercedes ein Weltmeister Rosberg nicht so in die Karten gespielt hätte, als ein Champion Hamilton es tut.
2 Aspekte finde ich noch nicht ausreichend besprochen:
– hat der langsame Start von Rosberg etwa mit den späteren Problemen zu tun?
– wieso wollte Rosberg nach dem Rennen nichts zu den technischen Problemen sagen? weiss oder vermutet er etwas bestimmtes? Manipulation?
Manuel Xavier Maurer schrieb:
Der langsame Start kann an der Kupplung liegen. Wenn man nicht genau den Punkt findet, an dem sie „beißt“ verliert man die 50 Meter, die Rosberg auch in Abu Dhabi verloren hat. Hamilton meinte nach dem Rennen, er habe den besten Start der Saison gehabt. Das war dieses Jahr aber auch schon genau anders herum, zum Beispiel in Russland.
Manipulation – nein. Die ERS Probleme sind in diesem Jahr nicht das erste Mal aufgetreten. In Kanada ging es beiden Mercedes so, Hamilton musste sogar aufgeben. Auch dass das ERS mal temporär ausfiel ist bekannt. Zwischen dem schlechten Start und den ERS Problemen wird kein Zusammenhang bestehen.
Rosberg hat den Titel ja nicht in Abu Dhabi verloren. Interessant ist der Schwenk zu Gunsten von Hamilton nach dem Rennen in Spa schon. Das werden wir aber noch in der Nachschau nächste Woche beleuchten.
@Manuel Xavier Maurer Exakt meine Meinung. Sowohl die Hochachtung vor Rosbergs Größe als auch die Begründung für seinen Leistungsknick nach Spa.
Hinzu kommt noch, dass sich Hamilton öfters wenig teamdienlich verhalten hat und dafür von den Herren Lauda und Wolff sogar noch gelobt wurde. Ein einziges Mal hat Rosberg dem Team geschadet – und das unabsichtlich, die Folgen des Zwischenfalls in Spa waren nicht vorherzusehen und normalerweise wäre Rosberg selbst der Leidtragende gewesen –, und schon wird er gnadenlos in aller Öffentlichkeit zusammengefaltet. Da waren die Präferenzen klar. Ich schätze Rosberg als eher sensiblen Menschen ein; kein Wunder, dass das nicht spurlos an ihm vorübergegangen ist. Ja, Hamilton hat den Titel durchaus verdient, aber ein negativer Beigeschmack bleibt. Immerhin wurde die WM nicht dank der unsäglichen doppelten Punkte entschieden.
Meine Vermutung ist, dass Hamilton Laudas Liebling ist, weil er ihn ins Team geholt hat. Bei Toto Wolff kann man nur raten. Vielleicht sieht er Nico Rosberg noch als Norbert-Haug-Altlast. Man wird es wohl nie erfahren.
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