Drei Teammanger, zwei Ferrari-Chefs, ein entlassener Motoren-Chef, ein entlassener Designer, ein kaltgestellter Chefingenieur, ein unzufriedener Top-Pilot und die erste Saison ohne Sieg seit 1980. Viel schlechter hätte die Saison von Ferrari nicht laufen können. Die Ursachen sind hausgemacht.
Vor zwei Jahren hatten wir die Gelegenheit, mit dem jetzigen Motoren-Chef von Ferrari, Mattea Binotto, zu reden. (Interview, in der Playlist bis zum Interview scrollen). Dabei ging es auch um die Motoren für 2014 und welche Faktoren aus Sicht von Ferrari für den Bau und die erste Saison wichtig sein würden. Binotto betonte mehrfach, dass es die Zuverlässigkeit sei, die über den WM-Titel entschieden würde. Die Technik sei so kompliziert, dass kein Hersteller problemlos über die Saison kommen würde. Da müsse man sich nur die ersten Saisons anschauen, die die V8 oder V10 hinter sich gebracht hätten. Es ginge nicht allein um die Leistung, auch nicht darum, jedes Rennen zu gewinnen, es würde darum gehen, möglichst oft, möglichst weit vorne zu landen.
Tatsächlich hat Ferrari in Sachen Zuverlässigkeit das Ziel erreicht. Nur zwei Ausfälle wegen technischer Probleme hatte man zu verzeichnen. Doch gleichzeitig hatte man in diesem Jahr den schwächsten Motor gebaut. Rund 35 Kilo schwerer als jener von Mercedes, ca. 50 PS weniger Leistung und durstiger war der Ferrari 059/3 Motor auch noch. Es ist schwer zu glauben, dass es Ferrari nicht gelungen ist, einen vernünftigen Motor zu bauen. Zumal der Hauptsponsor Shell ebenfalls in den Bau involviert war. Was ist das schief gelaufen?
Man hatte sich schlicht und ergreifend verkalkuliert. Mercedes und Renault gingen den Weg „Erst mal Leistung, dann haltbar machen“, Ferrari genau umgekehrt. Dabei hätte man es besser wissen müssen, denn der alte Motorsportspruch, dass man ein schnelles, unzuverlässiges Auto zuverlässig bekommt, aber ein langsames zuverlässiges nicht schnell, sollte auch in Italien bekannt sein. Man war bei der Konstruktion schlicht zu vorsichtig, hat die Systeme zu redunant und zu schwer ausgelegt. Damit stand man Ende Februar vor dem Problem, dass man den Motor in seinen Kernelementen nicht mehr anfassen konnte. Während die Probleme bei Renault in der Software und den Zusatzaggregaten lagen (die man verbessern durfte), liegt das Problem bei Ferrari im Motor selber. Nicht wenige Experten vermuten, dass man den Motor vermutlich komplett neu konstruieren muss. Was man wiederum nicht innerhalb von einem Jahr erledigen kann.
Luca di Montezemolo griff zum eisernen Besen und kehrte aus. Stefano Domenicali ging als erster, es folgte der oberste Motorenchef Luca Marmoni. Pat Fry, der nach Domenicali eine Art „Nummer 2“ im Team war, musste mit ansehen, dass James Allison, der gerade von Lotus gekommen war, immer mehr Einfluss gewann. So richtig klar wurde aber nicht, was Montezemolo da machte. Die Verpflichtung von Marco Mattiacci machte vielleicht Sinn, wenn man jemanden haben wollte, der die Strukturen des Managements neu gestalten sollte, aber als Teamchef war er eine Fehlbesetzung, weil ihm jegliche Formel-Eins-Erfahrung fehlte. Das katastrophale Jahr war aber nicht der Grund, warum dann am Ende auch Montezemolo gehen musste. Er verlor schlichtweg den Machtkampf gegen Fiat-Chef Sergio Marchionne. Der wiederum will Ferrari an die Börse bringen und die Produktionsleistung erhöhen, damit mehr Geld in die sehr leeren Kassen von Fiat gespült werden. Zusammengefasst: Der gesamte Rennstall ist im Laufe des Jahres implodiert.
Ferrari ist in einem kompletten Neuaufbau begriffen. Als letzter musste jetzt auch noch Nikolas Tombazis gehen, der Chefdesigner des Teams. Die bekannten Köpfe bei Ferrari sind im Moment Fry, Allison und Binotto. Es fehlt deutlich an Personal für die Führung des Teams. Marchionne hat auch noch keinen Teamchef benannt, auch wenn Maurizio Arrivabene als Nachfolger von Mattiacci benannt wurde. Arrivabene ist zwar seit vielen Jahren in der Formel Eins verankert, hat aber wiederum keine Erfahrung als Teamchef. Vermutlich sucht Marchionne noch einen Mann fürs Team. Ähnlich wie es Mercedes und McLaren gemacht haben, indem sie die wirtschaftliche/politische Führung von jener des Teams getrennt haben. Doch wer soll da kommen? Ross Brawn hat wohl abgewunken, er will die volle Kontrolle und bitte ohne Einmischung von oben. Bob Bell wird genannt, der bei Mercedes rausgeflogen ist. Doch ausgerechnet in der wichtigen Zeit des Winters scheint das Team keinen Chef mit technischem Sachverstand zu haben. Stattdessen wird die Arbeit auf Fry, Allison und Binotti verteilt. Ob das gut geht, ist dann eine andere Frage.
Fernando Alonso hat sich den Untergang von Ferrari angeschaut und seine Konsequenzen gezogen. Er war unzufrieden, dass Domenicali gehen musste, arrangierte sich aber mit Mattiacci. Als dann aber im Sommer klar wurde, dass auch Montezemolo gehen würde, war ihm das zu viel. Ein Team ohne einen richtigen Chef, das sich gerade neu aufbauen muss – Alonso ist zu erfahren und zu klug, um nicht zu wissen, was das für seine Zukunft bedeutet. Er will unbedingt noch einmal Weltmeister werden, aber in seinem Alter gehen ihm langsam die Optionen aus. Zwei weitere Jahre bei Ferrari wollte er sich nicht mehr antun.
Dabei war Alonso in diesem Jahr mal wieder der Pilot, der in jedem Rennen das absolute Maximum aus dem Ferrari rausholen konnte. Mehr als P5 war im Rennen meist nicht drin und mehr als ein zweiter Platz (Ungarn) und ein dritter (China) kam im ganzen Jahr nicht raus. Gegen Ende der Saison, nachdem Ferrari die Weiterentwicklung eingestellt hatte, kam er über P6 nicht hinaus. Das muss einen wie ihn sehr frustrieren. Auch seine Abschiedsworte machen deutlich, wie zerrüttet sein Verhältnis zur Ferrari-Führung ist. Ferrari sei seine Liebe und werde es auch bleiben, meinte er. Und machte damit deutlich, dass er nicht geht, weil es schlecht läuft, sondern weil er mit den Entscheidungen des Management nicht glücklich wird.
Auch den Stoiker Räikkönen brachte der Ferrari mehrfach kurz zu einem seiner extrem seltenen Ausbrüche. Mitte des Jahres meinte er, dass das Auto unfahrbar sei, man käme keinen Schritt weiter und es würde keinen Spaß machen. Tatsächlich waren seine Ergebnisse mehr als enttäuschend. P12 in der Fahrer-WM (hinter Perez und Hülkenberg), nur ein vierter Platz in Spa, ansonsten fuhr er um P10 herum. Was genau war da schief gelaufen? Immerhin holte er 2013 mit dem unterlegenen Lotus, der auch ab Mitte der Saison nicht mal weiterentwickelt wurde, noch reihenweise Podien. Das Fahren wird er nicht verlernt haben, aber er kämpfte mit dem Bremssystem des Ferrari. Das kaum Feedback gebende Bremspedal, dazu das Problem, dass er nicht übersteuernd in die Kurve fahren konnte – all das nervte ihn mehr als Alonso, der sowieso lieber Autos hat, die neutral liegen. Wenn es denn mal passte, dann ging es auch gut voran und er kam in der Quali bis auf ein, zwei Zehntel an Alonso ran. Aber es passte eben zu selten, im Rennen hatte er eine stumpfe Waffe. Um überholen zu können, fehlte ihm schlichtweg die Leistung. Die schlechtere Startposition führte zudem dazu, dass er meist hinter den Toro Rosso oder Force India steckte und nicht frei fahren konnte.
2015 bekommt er es mit Vettel zu tun, was interessant werden wird, weil beide ja ungefähr den gleichen Fahrstil haben. Vielleicht verhilft das dem Finnen dann auch zu besseren Ergebnissen, da die Abstimmungen nicht so weit auseinander liegen dürften. Die große Frage wird allerdings sein, ob es 2015 für Ferrari nicht noch schlechter laufen wird.
2 Kommentare
„Doch wer soll da kommen?“
Der Name Gerhard Berger geisterte ja einmal durch die Medien und ich denke er wäre eine logische Wahl. Er kennt Vettel, er kennt Ferrari, er kennt die Formel 1. Und was macht eigentlich der alte Berger-Kumpel und Ferrari Urgestein Giorgio Ascanelli?
Für das Protokoll: Ferrari hat in den Jahren 1986, 1991, 1992 und 1993 ebenfalls keine Siege eingefahren.
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