Nach über zwei Monaten Pause ist auch – im Schatten des F1-Auftakts – die Formula E wieder am Start. Auf den Südamerika-Abstecher folgt die kompakte US-Tournee mit zwei Stationen: übermorgen, am Samstag, findet Lauf 5 in Miami statt, am 4. April Lauf 6 in Long Beach.
Der Uferbereich entlang des Biscayne Boulevard ist in den vergangenen Jahrzehnten bereits des Öfteren Schauplatz von Motorsport-Events gewesen. Von 1983 bis 1993 trat die IMSA GT Championship hier an, 1994 die Trans-Am und 1995 die CART-Serie. 2002 und 2003 sorgten CART und American Le Mans Series für ein kurzes Wiederaufleben. Über die Jahre kamen dabei unterschiedliche Streckenführungen zum Einsatz, wobei entweder der Bayfront Park oder der nördlich gelegene Museum Park durchfahren wurde.
Diesmal wird auf Grünflächen-Durchfahrten verzichtet: Der Formula E-Kurs führt den Biscayne Boulevard auf (600 m Gerade) und wieder ab (450 m Gerade). Diese beiden Geraden werden an einem Ende mit einer Runde um einen unter einer Autobahn gelegenen Parkplatz und auf der anderen Seite mit einer Runde um die American Airlines Arena verknüpft. Das ergibt einen typisch amerikanischen Straßenkurs: acht Kurven, alle mehr oder weniger rechtwinklig, ein Stadion, ein Parkplatz und ein paar Palmen. Klingt nicht sonderlich spektakulär, könnte der Formula E aber gut tun: Der Strecke mangelt es erfreulicherweise an Schikanen. Diese sind den Formula E-Boliden bei den letzten Läufen in Punta del Este und Buenos Aires nämlich zum Verhängnis geworden, denn die Radaufhängungen scheinen zu schwach konstruiert worden sein für das Rumpeln über die temporären Kerbs in den Schikanen.
Eine kurze Rückblende…
Der Lauf in Buenos Aires begann vielversprechend: Punta del Este-Sieger Sébastien Buemi hatte sich die Pole gesichert und führte zunächst auch ungefährdet, doch hinter ihm stritten sich Jaime Alguersuari, Nick Heidfeld, Lucas di Grassi und Sam Bird engagiert um die Plätze. Di Grassi arbeitete sich in der ersten Rennhälfte mit schönen Überholmanövern auf Rang 2 vor. Dann brach gegen Rennmitte die Aufhängung von Karun Chandhok; das dadurch ausgelöste Safety Car sorgte für Chaos, da die Boxenstopps anstanden. Nach einiger Verwirrung wurde klar, dass die Top 4 Buemi, di Grassi, Heidfeld und Bird lauteten.
Kurz nach dem Restart traf es dann den Führenden: Sébastien Buemi touchierte eingangs der Schikane die Mauer – Aufhängungsbruch. Lucas di Grassi übernahm die Führung – bis in Runde 26 in der Schikane auch seine Aufhängung nachgab. Sam Bird bekam derweil eine Durchfahrtsstrafe für das Missachten der roten Ampel am Ausgang der Boxengasse, Nick Heidfeld wurde für das Überschreiten des Speedlimits ebenso bestraft. So fand sich plötzlich António Félix da Costa in der Führungsposition wieder – und brachte diese auch ins Ziel, während weiter hinten Daniel Abt und Jean-Eric Vergne noch für Spektakel sorgten. Ihr Mut wurde jedoch nicht belohnt, die Plätze 2 und 3 gingen an Nicolas Prost und Nelson Piquet jr.
Leider wurden somit beide Südamerika-Läufe vor allem durch Aufhängungsbrüche, Safety Car-Phasen und Strafen für Boxengassen-Verstöße bestimmt. Sollte dieses Muster sich auch bei den USA-Läufen fortsetzen, könnte das zum Problem für die Serie werden, denn dem Rennsport sind derartige Rennentscheidungen nicht gerade zuträglich.
…und wieder zurück ins Miami der Gegenwart
Trotz des Aufhängungsbruchs geht Lucas di Grassi als Meisterschaftsführender in den fünften Lauf – zehn Punkte beträgt sein Vorsprung vor Sam Bird, 15 vor Sébastien Buemi. Dass diese drei trotz des für sie schwierigen Buenos Aires-Laufs an der Spitze stehen, zeigt ihre Qualitäten in der Formula E. Dabei ist zu bedenken, dass es in der Debütsaison der Serie je ein Streichresultat gibt – im Lichte der technischen Probleme sicherlich die richtige Entscheidung.
Das Fahrerfeld bleibt überwiegend stabil, es gibt nur zwei Veränderungen: Michael Andretti rotiert munter weiter, wenn auch diesmal unfreiwillig: Da sein Sohn Marco IndyCar-Verpflichtungen hat, wird er durch Scott Speed ersetzt, dessen einzige Open Wheel-Erfahrung seit dem Ende seiner Formel 1-Karriere ein gescheiterter Quali-Versuch für das Indy 500 im Jahr 2011 war.
Interessanter wird die Frage sein, wie sich der 2013er Le Mans-Sieger Loic Duval schlägt, der bei Dragon Racing Oriol Servia ersetzt. Duval hat zudem frischere Monoposto-Erfahrung als Speed, da er seit Jahren recht erfolgreich in der Formula Nippon bzw. Super Formula antritt. Servia wird vom Fahrer zum Mitbesitzer und Managing Director des Dragon-Teams neben Jay Penske „befördert“.
Zwar scheint sich langsam eine Rangfolge der Top-Piloten in der Formula E herauszukristallisieren – die Grassi, Bird, Buemi und Prost stehen nicht grundlos bei je ein, zwei Ausfällen an der Spitze – doch insgesamt ist das Bild noch recht ausgeglichen und das Ergebnis an jedem Rennwochenende wieder offen: Die beiden deutschen Piloten Daniel Abt und Nick Heidfeld haben durch Pech und Fehler immer wieder gute Positionen verspielt und warten noch auf den Durchbruch. Ebenso waren die ersten zwei Läufe des Späteinsteigers Vergne vielversprechend, aber punktearm. Auch Senna, Piquet jr. und Alguersuari haben Potential aufblitzen lassen.
Es dürfte also wieder ein spannendes Rennen bevorstehen, diesmal hoffentlich ohne Aufhängungsbrüche und rennentscheidende Strafen. Bei unter 2,2 km Streckenlänge werden in Miami 39 Runden zu fahren sein. Start ist um 21 Uhr deutscher Zeit. Sky überträgt ab 20:45 Uhr live.
News
Die Neuigkeiten, die seit dem letzten Lauf bekanntgegeben wurden, betreffen vor allem die letzten drei Rennen im Kalender.
Berlin ePrix
Nach langer Wartezeit ist die Streckenführung für das Rennen auf dem Vorfeld des Flughafens Tempelhof veröffentlicht worden. Die weitläufige Betonfläche lässt beim Layout mehr Freiraum als Stadtstraßen und diesen Freiraum haben sich die Planer zunutze gemacht. Auf knapp 2,5 km werden drei Geraden mittlerer Länge mit Haarnadeln und Kurven verschiedener Radien kombiniert; kurz vor Ende der Runde wurde eine hakelige, mutmaßlich technisch herausfordernde Passage aus sechs dicht aufeinanderfolgenden Kurven eingefügt.
Die Strecke kommt den Stärken und Schwächen der Formula E-Boliden entgegen: keine zu langen Geraden (mangelnde Höchstgeschwindigkeit), viele enge Kurven (Beschleunigung), einige sich schließende oder öffnende Kurvenradien (Reifen, Drifts) sollten die Fahrer gut fordern und den Zuschauern ein sehenswertes Spektakel bieten.
Tickets sind nun auch erhältlich; Kostenfaktor: ab 10 €. Mit DHL hat sich zudem ein Titelsponsor für den Deutschland-Lauf gefunden.
Moscow ePrix
Etwas überraschend wuchs der Kalender noch um ein neues Event. Ganz unerwartet war dies allerdings nicht, denn der Kalender sollte zehn Rennen umfassen und für das Anfang 2014 gestrichene Rennen in Rio de Janeiro wurde noch ein Ersatz gesucht. Mit Moskau wurde dieser Ersatz nun gefunden. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Kreml und zum Roten Platz wurde dort zwischen Moskwa und Basilius-Kathedrale ein Kurs abgesteckt. Zwei Wochen nach dem Berlin ePrix soll am 6. Juni vor der Haustür Wladimir Putins gefahren werden.
London ePrix
Noch überraschender wurde die Saison sogar um ein elftes Rennen ergänzt: Der London ePrix, das Saisonfinale, wird auf zwei Rennen ausgedehnt, eines am Samstag, dem 27., eines am Sonntag, dem 28. Juni. Leider musste der ursprünglich erfrischend flüssige Streckenentwurf durch den Battersea-Park noch um einige Schikanen (fünf, um genau zu sein) ergänzt werden; andernfalls wäre die Sicherheit auf der engen Parkdurchfahrt wohl nicht gewährleistet gewesen. Dass enge Schikanen den Formula E-Boliden nicht sonderlich gut tun, haben die letzten Läufe gezeigt…
Neuer Investor
Auf der wirtschaftlichen Seite kann die Serie durch den Einstieg des US-amerikanischen Medienmoguls John Malone mit seinen Unternehmen Liberty Global (dazu gehören u.a. Virgin Media und auch der deutsche Kabelnetz-Betreiber Unitymedia Kabel BW) und Discovery Communications als Teilhaber gestärkt in die Zukunft blicken.
Neue Hersteller
Ab der kommenden Saison soll in der Einheitsserie nach und nach die Möglichkeit zur technischen Entwicklung für die teilnehmenden Hersteller eröffnet werden – aus Kostengründen nur schrittweise. 2015/16 darf der Antriebsstrang mit den Elementen E-Motor, Wechselrichter, Getriebe und Kühlsystem durch eine Eigenentwicklung ersetzt werden. Dafür hat die FIA nach einer Bewerbungsphase acht „Hersteller“ ausgewählt: ABT Sportsline, Andretti, Mahindra, Motomatica, NEXTEV TCR, Renault Sport, Venturi Automobiles und Virgin Racing Engineering. Fünf davon sind bereits heute als Teams in der Serie vertreten; zudem ist Renault bereits jetzt Technik-Partner und war am Bau der Fahrzeuge beteiligt.
(Bilder: Formula E Media)