Der GP von Australien war jetzt nicht das, was man einen fulminanten Start in die neue Formel Eins-Saison nennen würde. Vorne Langeweile, hinten starben die Autos wie die Fruchtfliegen im Spätherbst und am Ende droht Red Bull der Serie mit Rückzug.
Bevor das Rennen überhaupt starten konnte, fielen die ersten Autos aus. Valtteri Bottas wurde von den FIA-Ärzten am Start gehindert, da er sich wohl eine verschobene Bandscheibe eingehandelt hatte. Ärgerlich, denn Bottas hätte den Kampf ums Podium spannend gestalten können. Als nächstes erwischte es Kevin Magnussen. Sein Honda ging auf der Fahrt zur Startaufstellung in Rauch auf. Motorschaden Nummer Eins für Honda in diesem Jahr, ob er zu retten ist, war nach dem Rennen noch unklar. Nicht viel weiter kam Daniil Kyvat im zweiten Red Bull. Erst rodelte er in Turn 3 in den Kies, kurz vor der vorletzten Kurve musste er seinen Wagen abstellen. Das Getriebe hatte sich verabschiedet. Von 20 gemeldeten Autos blieben am Start 15 Autos übrig, da Manor gar nicht erst starten konnte. Und in Runde Eins verkleinerte sich das Feld gleich noch mal um zwei Autos. Maldonado wurde in der ersten Kurve in die Reifenstapel geschickt, Grosjean vermeldete ebenfalls in der Einführungsrunde „loss of power“ und stellte den Lotus nach einer Runde ab. Da waren es nur noch 13 Autos, die sich um den Kurs verteilten. Es war kein schönes Bild.
Mercedes in einer anderen Liga
In Sachen Spannung an der Spitze gab es wenig zu melden, was allerdings auch zu erwarten war. Hamilton gewann den Run zur ersten Kurve und damit war die Sache mehr oder weniger klar. Zwar versuchte Rosberg immer wieder, den Druck aufrecht zu erhalten, aber Hamilton kontrollierte gelassen den Abstand nach hinten. Allerdings führte dies auch dazu, dass das Tempo an der Spitze hoch blieb. Mercedes bremste Rosberg nicht ein, wies ihn allerdings auf einen erhöhten Benzinverbrauch hin. So musste Rosberg immer wieder kleine Pausen einlegen, aber auch wenn er ohne Rücksicht auf den Verbrauch unterwegs war, konnte er Hamilton nicht auf die Pelle rücken. Das Katz-und-Maus Spiel an der Spitze führte allerdings dazu, dass sich die Mercedes immer weiter absetzen konnten.
Am Ende betrug der Vorsprung auf Sebastian Vettel satte 34 Sekunden. Im letzten Jahr waren 25 Sekunden Vorsprung von Rosberg auf den später disqualifizierten Ricciardo. Der Abstand von Mercedes auf den Rest der Welt ist also eher größer geworden. Und das, obwohl Ferrari wirklich bemerkenswert aufgeholt hat. Aber Vorsprung von Mercedes ist derartig enorm, dass es offenbar schon den eigenen Fahrern peinlich ist. Auf der Pressekonferenz nach dem Rennen entwickelte sich dieser Dialog:
Rosberg: I hope we can have a good fight. That would be awesome. I think the next couple of races we’re going to be leading the way for sure, and we’re going to try and keep it that way, but we know it would be good if they can come a bit closer, as long as they don’t come too close…
Vettel: Be honest. Do you really hope so? Seriously? You finished 30 seconds ahead of us and you hope it’s going to be closer? So you hope you slow down? Is that what you’re saying?
Rosberg: I hope that you can give us a challenge! Because it’s important for the sport and for the fans. And I do think about the show. Half of me – or a part of me – thinks about the show because I want to give people a great time at home watching on TV or at the track. If you do come a bit closer, that would be awesome for everybody.V
Vettel: First suggestion, if you don’t mind, I think your garage becomes public for Malaysia and everyone can have a look. No? I’m joking.
Rosberg: You can come if you want, we can invite you…
Vettel: OK, thank you for the invite, I’ll come.
Rosberg: Friday Malaysia, OK.
Vettel: Engineers’ room? Debrief, I’ll be there.
Nach der PK sagten Wolff und Lauda die Einladung wenig überraschend wieder ab.
Ferrari vs. Williams
Immerhin entwickelte sich hinter beiden Mercedes ein schöner Kampf um das Podium. Wie von uns schon am Freitag prognostiziert liegen Ferrari und Williams sehr eng zusammen, wobei Ferrari im Renntrimm einen Tick besser zu sein scheint. Jedenfalls in Australien, ob das auch in Malaysia der Fall sein wird, wo andere Temperaturen und Abtriebsverhältnisse herrschen, wird man sehen. Es war sichtbar, dass Vettel im ersten Stint schon hätte schneller fahren können, aber es fehlte ihm auf der Geraden die Leistung, um an Massa vorbeizugehen. Aber für Williams stellte sich ein Problem, denn man befürchtete, dass Ferrari einen Undercut versuchen würde. Also holte man Massa zum frühestmöglichen Zeitpunkt rein und setzte ihn auf die „Medium“. Dennoch kam Vettel an Massa an der Box vorbei. In den Rundenzeiten sah das so aus:
Vergleich Vettel vs. Massa
Runde | Massa | Vettel |
---|---|---|
19 | 1:33.195 | 1:33.168 |
20 | 1:33.141 | 1:33.145 |
21 | 1:51.561 (Box) | 1:32.859 |
22 | 1:38.947 | 1:32.307 |
23 | 1:34.555 | 1:32.664 |
24 | 1:32.072 | 1:51.263 (Box) |
25 | 1:33.042 | 1:38.543 |
26 | 1:32.580 | 1:32.115 |
Wie man sieht, hat Vettel an der Box und in seiner Outlap allein knapp eine Sekunde gewinnen können. Weitere 1,5 Sekunden verlor Massa in seiner zweiten Runden auf den frischen „Medium“, weil er hinter Ricciardo steckte. Danach war die Sache erledigt. Mit etwas mehr als einer Sekunde Vorsprung lag Vettel nach seinem Stopp vor Massa. Der hatte daraufhin die gleichen Probleme wie Vettel zuvor. Er kam an Vettel zwar ran, aber nicht vorbei. Der Brasilianer versuchte es zwar immer mal wieder, aber Vettel konnte kontern, ohne sich absetzen zu können. Erst als Williams die Jagd abblies, stellte sich ein etwas größerer Vorsprung ein.
Bei Räikkönen lief es nicht so gut. Am Start war er besser als Vettel, verlor im Gewühl der ersten Kurve etliche Plätze, weil sein Wagen kurz in den „Anti-Stall“ ging. Ferrari probierte daraufhin eine Zwei-Stopp-Strategie. Auf dem Papier ist die langsamer, aber da die Strecke mehr oder weniger frei war, konnte Räikkönen mit Quali-Runden den Vorteil der „Soft“ gut ausnutzen. Sein letzter Stopp war in Runde 40, er kam auf P5 wieder ins Rennen und hatte 18 Runden Zeit, die knapp 25 Sekunden auf Massa einzuholen. Das hätte vermutlich nicht geklappt, aber P5 ist Räikkönen auf jeden Fall durch die Lappen gegangen. Es war ein Schlagschrauber, der klemmte, der Finne stellte seinen Boliden ab. Zwar war das auch ein „Unsafe Release“, Ferrari konnte aber gegenüber der FIA nachweisen, dass das Überwachungssystem keinen Fehler gemeldet hatte und man nur auf Grund der Aussage des Mechanikers überhaupt von dem Vorfall wusste.
Im Rennen selber gab es zwei große Überraschungen. Die eine und sehr positive war Sauber. Nach dem Ärger um Giedo von der Garde, weswegen man sogar das gesamte 1. FT ausfallen lassen musste, zeigte sich, dass der C34 mit dem überarbeiteten Ferrari-Motor wirklich sehr schnell ist. Ein guter Start von Felipe Nasr war eine Hälfte der Miete, die andere sein konstanter Speed, der im Rennen nicht langsamer wurde. Auch Marcus Ericsson konnte nach anfänglichen Problemen zeigen, dass der Sauber dieses Jahr deutlich besser unterwegs ist, als 2014. Es wird sich zeigen, ob Sauber auch auf den anspruchsvolleren Strecken wie in Malaysia und China diesen Speed auch halten kann. Aber P5 und P8 bedeuten für das Team sehr wichtige Punkte.
Die zweite Überraschung lieferte Red Bull. Nach dem Ausfall von Kyvat hing es an Ricciardo, doch war im RB11 chancenlos. Nach den Boxenstopps beorderte Red Bull seinen Piloten auf die Jagd nach Nasr, doch der Sauber konnte die Angriffe nicht nur abwehren, er konnte sich nach und nach auch noch absetzen. Der C34 war schneller als der RB11. Auch wenn die Zeiten der Long Runs am Freitag nicht Gutes ahnen ließen – dass der Red Bull so langsam war, ist dann schon eine faustdicke Überraschung.
Christian Horner hatte einen Schuldigen zu Hand: Renault. Horner: „Der Motor ist unfahrbar. […] Kurveneingang, Ausgang, Reifenverschleiß, die Kontrolle über durchdrehende Reifen. Man kann das Auto nicht vernünftig fahren. Wenn man mit der Bremsbalance rumspielt, um die Dinge zu kompensieren, ist man weit vom Optimum entfernt. Man verliert die Temperatur in den Bremsen und dann arbeiten die Bremsen nicht so, wie sie sein sollten. Es ist ein Teufelskreis. […] Wir sind weiter zurück als noch in Abu Dhabi. […] Renault muss schnell eine Lösung finden.“
Doch das wird nicht so flott gehen, wie man es sich bei Red Bull wünscht. Renault twitterte zu dem Thema folgendes:
'The biggest issue has been the driveability… while it’s definitely not an easy fix, it does not require a complete redesign,' Rémi Taffin
— Renault Sport (@RenaultSport) March 15, 2015
Dr. Helmut Marko war dementsprechend sauer und sagte gegenüber „Sky Sport F1“: „Wir sind unzufrieden damit, wie die Formel 1 regiert und geführt wird. Deshalb wird bei uns auch über ein Ausstiegs-Szenario nachgedacht, wenn die Kosten/Nutzenrechnung nicht mehr aufgeht.“
Man kann Red Bull verstehen. Aber auf der anderen Seite hat Ferrari den Umschwung auch geschafft. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, dass man sich stärker in den Bau des Motors einmischt, etwas, das bei Red Bull schon länger geplant ist. Für Renault ist das alles eine Katastrophe. Man hat eh nur noch zwei Teams, die man beliefert, man verdient mit dem Bau der Motoren also auch noch weniger Geld.
Auf der anderen Seite – nur am Motor wird es bei Red Bull nicht liegen. Carlos Sainz jr. verlor pro Runde ungefähr eine Sekunde auf Ricciardo, das war im letzten Jahr dann auch deutlich mehr. Es scheint so, dass das RB11-Chassis zumindest zum Start der Saison auch nicht gerade das allerbeste ist.
Die vielen Ausfälle katapultierten Force India in die Punkte, was man zufrieden zur Kenntnis nahm. Denn in Sachen Speed liegt man hinter Sauber, Toro Rosso und Lotus. Unter normalen Umständen kommt man nicht in die Punkte.
Das gilt natürlich auch für McLaren-Honda. Dass Button ins Ziel kam, ist angesichts der bisherigen Leistungen schon ein kleiner Sieg. Vor allem, nachdem Magnussen ein paar Hundert Meter hinter der Box mit einem geplatzten Motor stehen blieb. Über die Rundenzeiten muss man nicht diskutieren, McLaren fehlen vier bis fünf Sekunden pro Runde. Sicher wird man in den nächsten Rennen größere Fortschritte machen, aber so wie es aussieht, wird das länger dauern. Es ist allerdings ein wenig enttäuschend, dass Honda so weit hinten ist. Auch wenn der Motor komplex ist, man hätte mehr erwarten können.
Insgesamt war das ein sehr schwacher Auftakt in eine Formel Eins-Saison. Ein paar unglückliche Umstände haben eine große Rolle gespielt, aber das sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass sich einige Dinge nicht verändern werden. Mercedes wird mindestens bis zum Sommer dominieren, Ferrari wird leicht aufholen, aber es wird nicht reichen. Es wird interessante Kämpfe zwischen Ferrari und Williams, Red Bull und Sauber und Lotus geben. Aber das sind dann auch schon die Highlights, die uns erwarten. Zumindest in den ersten Rennen. Es ist aber auch zu früh, jetzt zu sagen, dass die Saison langweilig wird.
Alle Daten des GP von Australien gibt es bei der FIA.
Bilder: Daimler AG, Ferrari F1, Williams F1, Sauber F1, Red Bull Mediahouse, Toro Rosso/Getty, Lotus F1, McLaren F1, Force India
7 Kommentare
Mehr als unsportlich, wie Red Bull jetzt wieder auf Renault einteufelt. Wenn man vier WM-Titel am Stück miteinander gewinnt, hält man sich mit öffentlicher Kritik zurück, wenn es mal weniger gut läuft. Und dann noch diese Drohung, beide Teams zurückzuziehen, wenn das Reglement nicht im Sinn von Red Bull geändert wird. Das ist auf dem Niveau eines trotzigen Kindes, das sich im Supermarkt laut schreiend auf dem Fußboden wälzt, weil seine Mutter keine Gummibärchen kaufen will.
Red Bulls Probleme scheinen mir, wenn ich mal so kreuzinterpretiere und -lese, im Bereich Softwaresteuerung und kinetischer Einheit zu liegen. Der Motor macht drehzahlmässig mitunter was er will (bzw. was er nicht soll), und drückt mindestens in einigen Kurveneingängen beim Anbremsen mehr nach vorne als gewünscht (ergo die Kiesbettbesuche). Dass dabei dann auch mal ein Getriebe hopps gehen kann erscheint mir nicht unlogisch.
Zumindest war die Strecke immer schön leer. ;-)
Ich fand bisher die vielen Abgesang-Vorberichte auf die Formel 1 alle ein wenig übertrieben, aber nach diesem „Rennen“ halte ich das Undenkbare, nämlich dass es im nächsten Jahr keine Formel 1 mehr gibt, für gar nicht mehr so undenkbar.
Daniil Kvyat (nicht Kyvat), oder Kwjat in der korrekten deutschen Transliteration. Ist das denn so schwer?
Was mir gestern während des Rennens durch den Kopf ging (war ja Zeit genug, im Rennen passierte ja nix…):
Unabhängig von den sonstigen Problemen und Baustellen der F1, wie Verteilung des Geldes und dergleichen, finde ich es müsste deutlich leichter sein, das Feld kurz- bis mittelfristig mit zusätzlichen Autos aufzufüllen sofern Bedarf besteht oder Platz in der Startaufstellung ist. Die Gefahr ist einfach zu gross, dass kleine Teams wegbrechen und grosse Teams den Stecker ziehen. Wenn dann noch natürliche Unwägbarkeiten dazukommen, steht man schnell mit einem Lauf mit garantierten Punkten da, weil eh nur 10 Autos fahren. Das ist für die „Königsklasse des Motorsports“ schlichtweg armselig.
Natürlich braucht es längeren Vorlauf wenn ein neues Team mit eigenem hinreichend entwickelten Wagen einsteigen will, das ist wohl leider unvermeidbar. Gut wäre es aber, wenn es z.B. eine Form von Kundenregelung geben könnte, die „sehr kleinen“ Teams mit von den Grossen eingekauften Teilen die Teilnahme ermöglichte. Oder, bei aller Ablehnung der Teams für ein drittes Fahrzeug, wenn es eine Regelung gäbe, die grossen Teams auf Antrag den einmaligen oder sonstwie begrenzten Einsatz eines dritten Fahrzeugs erlaubt, sei es als Entwicklungsträger oder zur Nachwuchsförderung oder als einmalige Sitzgelegenheit für Bezahlfahrer ohne Meisterschaftspunkte oder dergleichen. Es ist auch unglücklich, wenn sich das Feld durch das Reglement selbst kanibalisiert wie am Wochenende geschehen; will sagen, es ist ja durchaus logisch, dass beim medizinisch bedingten Ausfall eines Fahrers das Auto nicht mit einem Test-/Ersatzfahrer startet, weil sich letzterer eben nicht qualifiziert hat, aber man kann durchaus darüber nachdenken, ob es nicht besser wäre, das Reglement dahingehend zu ändern, dass der Ersatzfahrer dann doch zumindest meinetwegen aus der Box nachstarten darf, vielleicht auch ausserhalb der Punktewertung. Solche oder ähnliche Ansätze sind eine Überlegung wert, denke ich. Sonst können wir bald Tumbleweeds beim Rennen um die Strecken der Welt zusehen.
@Juergen:
Möchte der Herr vielleicht sein Abo-/Eintrittsgeld zurück?
@ nona:
Naja, wenn da ein dritter Mercedes auf Rang 3 fährt der keine Punkte holen darf aber trotzdem eingreift (weil er den „echten“ Dritten auf Distanz hält) ist das auch nicht schön.
Kurzfristig mehr Autos zu beschaffen ohne albern zu werden wird schwierig sein. Ich fürchte eine Durststrecke wird unvermeidlich sein, selbst wenn ein Wunder geschieht und sich alle demnächst auf ein Reformpaket einigen das mittelfristig wieder für mehr Autos sorgt.
Man kann das Feld ja mit Formel Renault 3.5 auffüllen, den McLaren hätte der schnellste FR35 gestern bestimmt eingeholt. ;-)
Ja, dass das kompliziert sein würde, ist klar. Das sind ja auch nur dahingeworfene Gedankenfetzen von mir, keine Patentrezepte. Trotzdem denke ich, dass man über solche oder ähnliche Lösungen nachdenken muss. Und eine Durststrecke dieser Art dürfte es nicht geben, denn das Problem des schrumpfenden Starterfeldes und der bankrotten Klein-Teams zeichnet sich ja schon seit geraumen Jahren ab. Bis jetzt galt sowas ja immer als theoretische Drohkulisse, am Wochenende gab es einen ersten Vorgeschmack auf eine mögliche praktische Degenerierung. Was ist denn, wenn Manor dann doch auch noch dicht macht? Wie wird Sauber aus den juristischen Problemen rauskommen, von den finanziellen mal völlig abgesehen? Wie lange haben Honda oder Renault Lust, Ferrari und Mercedes in weitem Abstand hinterherzujuckeln? Wie sieht’s mit den tönernen Füssen von Force India aus? usw.usf…
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