Als im Frühjahr 2014 der ehemalige Boss der WTCC, Marcello Lotti, verkündete, eine eigene neue Tourenwagenserie ins Leben zu rufen, wurde er bestimmt von vielen belächelt. Denn was er ankündigte, hörte sich zunächst nach einer eierlegenden Wollmilchsau an. Die TCR International Series soll nach seinem Wunsch nämlich die neue Basis des weltweiten Tourenwagensports werden.
Kostengünstiger Motorsport, viele nationale Meisterschaften und sogar Auftritte im Rahmen von Formel-1-Rennen wurden angekündigt. Das klang vor knapp einem Jahr noch alles zu schön, um wahr zu sein. Doch Lotti lieferte, und zwar zügig: Mittlerweile gibt es Pläne für nationale TCR-Meisterschaften in Asien, den USA, Benelux, Italien und anderen Ländern, und im Kalender der TCR International Series sind unter anderem Strecken wie Sepang, Monza oder der ehemalige GP-Kurs in Buenos Aires zu finden (aber leider auch Shanghai, Valencia und Sochi – gähn!).
Dass es tatsächlich großes Interesse an der Serie gibt, verdeutlicht auch ein Blick auf die bislang gemeldeten Teams und Fahrer. Auf der jetzigen Entry List, die (noch) 17 Starter umfasst, tauchen zum Beispiel Craft-Bamboo (WEC, WTCC), WestCoast Racing (STCC), das Team Engstler (WTCC) oder Target (Seat León Eurocup) auf, und mit Einsatzfahrern wie Jordi Gené, Gianni Morbidelli, Franz Engstler oder Michel Nykjaer ist auch Tourenwagenprominenz vertreten. Zudem stehen wohl noch weitere Teams (Paolo Coloni Racing, Onyx Race Engineering) in den Startlöchern, die am kommenden Wochenende in Malaysia noch nicht dabei sind. Die Starterliste soll allerdings auf 24 Fahrer begrenzt sein.
Doch woher kommt das Interesse an der Serie? Das liegt vor allem am technischen Reglement. Das hat man nämlich vom Seat León Eurocup übernommen, was unter anderem auch der Grund dafür ist, warum momentan noch ein Großteil des Feldes aus Seats besteht. Der größte Vorteil des Reglements sind die niedrigen Beschaffungskosten für ein Chassis. Dieses kostet samt Motor (einem 2.0l Turbo-Benziner) nämlich gerade einmal 90.000€, ohne Motor ist man schon mit 70.000€ dabei. Die Preisobergrenze soll bei 100.000€ pro Chassis liegen.
Verglichen mit anderen Tourenwagenserien sind das Peanuts. Bei den V8 Supercars zum Beispiel bezahlt man für ein einsatzbereites Fahrzeug bislang um die 650.000€, bei der BTCC insgesamt rund 282.000€, wenn man sich noch den TOCA-Motor dazu least. Den Vogel schießt aber die WTCC mit ihrem neuen „kostensparenden“ Reglement ab. Für ein fertiges, nach den neuen Vorgaben aufgebautes Chassis muss man mindestens 500.000€ auf den Tisch legen. Da wundert es dann auch keinen mehr, warum so viele (Ex)-WTCC-Teams in die TCR abwandern.
Man kann dieser Serie also eigentlich nur alles Gute wünschen und hoffen, dass sie für viele eine Alternative zur WTCC bieten kann, die einfach viel Geld verschlingt und bisher auch nicht wirklich mit guten Rennen überzeugen konnte. Doch mit den gegebenen Voraussetzungen hat die TCR sogar das Potenzial zu mehr als nur einer Ersatzserie für „kleine“ Teams.
Technical Regulations 2015 (.pdf)
Einen kleinen Vorgeschmack auf die Rennwagen bietet dieses Video von den BOP-Fahrten in Barcelona:
Format und Kalender 2015:
Das Rennformat ist wirklich das einzige Manko dieser Serie. Auf dem Programm stehen in Sepang nämlich insgesamt zwei Rennen, verteilt auf Samstag und Sonntag, und dann auch nur über je neun (!) Runden bzw. 20 Minuten. Das wären gerade einmal 50 Kilometer pro Rennen. Man fliegt also um die halbe Welt und das, um zwei mal 20 Minuten Rennen zu fahren. Zur Erinnerung: WTCC-Rennen sind 60 Kilometer lang. Warum also so kurze Rennen?
Ich habe zwei Theorien: Entweder man will WTCC-Überläufer nicht direkt mit 100-Kilometer-Rennen schocken oder aber man will das – zugegeben – nicht ganz junge Fahrerfeld der TCR nicht überfordern…
Aber Spaß beiseite, vielleicht feilt man ja noch daran. Wünschenswert wäre ein Format mit einem Sprint von 50 Kilometern und einem längeren Rennen mit 80 bis 100 Kilometern und einem Reverse Grid. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Der vollständige Kalender sähe im Übrigen so aus:
Datum | Land | Strecke |
---|---|---|
29. März | Malaysia | Sepang International Circuit |
12. April | China | Shanghai International Circuit |
3, Mai | Spanien | Circuit Ricardo Tormo |
10. Mai | Portugal | Autódromo Internacional do Algarve |
24. Mai | Italien | Autodromo Nazionale Monza |
31. Mai | Österreich | Salzburgring |
21. Juni | Russland | Sochi Autodrom |
26. Juni | Argentinien | Autódromo Juan y Oscar Galvez |
20. September | Singapur | Marina Bay Street Circuit |
25. Oktober | Thailand | Chang International Circuit |
22. November | TBA | angeblich Macau |
Leider sind auch in dieser Serie keine Rennen in Deutschland geplant, wer es allerdings nicht allzu weit zum Salzburgring hat könnte der Serie ja mal einen Besuch abstatten, mit dabei ist dort der „Histo-Cup Austria„.
Außerdem wurde das Wochenende in Chile (9. August) ersatzlos gestrichen, da die Upgrades an der Anlage in Codegua bis zum Sommer wohl nicht fertig werden.
Das Punktesystem ist übrigens das gleiche wie in der Formel 1, mit dem Zusatz, dass in der Qualifikation die schnellsten fünf auch Punkte bekommen. Der Polesitter bekommt also fünf Zähler, der Zweitschnellste vier usw.
Die Teams und Fahrer für Sepang:
Team | Fahrer | Fahrzeug | ||
---|---|---|---|---|
Liqui Moly Team Engstler | #6 Franz Engstler | #7 Lorenzo Veglia | #8 Mikhail Grachev | * |
WestCoast Racing | #10 Gianni Morbidelli | #23 René Münnich | #24 Kevin Gleason | Honda Civic |
Target Competition | #17 Michel Nykjaer | #25 Stefano Comini | #33 Andrea Belicchi | Seat León |
Campos Racing | #20 Igor Skuz | #21 Jordi Oriola | Opel Astra OPC | |
Zengo Motorsport | #55 Ferenc Ficza | Seat León | ||
Proteam Racing | #72 Diego Romanini | Ford Focus ST | ||
Team Craft-Bamboo Lukoil | #74 Pepe Oriola | #77 Sergey Afanasyev | #88 Jordi Gené | Seat León |
Craft-Bamboo Racing | #99 Frank Yu | Seat León |
*= Das Team tritt zunächst mit zwei Audi TT Cup für Engstler und Grachev und einem Seat León für Veglia an, wechselt im Verlauf der Saison aber auf einen VW Golf GTI
TV-Rechte und Streams
Mit einem deutschen Sender sind noch keine Verträge geschlossen, ebenso gibt es von offizieller Seite wohl keine Livestreams. Allerdings übertragen Motors TV und BT Sport. Wer diese also empfangen kann oder sonst wie auf einen Stream des Anbieters seines Vertrauens stößt, kann sich die Rennen ansehen. Sie liegen auch nicht parallel zu den V8 Supercars, sind also der perfekte Lückenfüller bis zur Formel 1. Die genauen Startzeiten könnt ihr wie immer unserem TV-Planer entnehmen.
Eure Meinung
Und was meint ihr, hat diese Serie Zukunft? Was ist schon gut und was kann sie noch verbessern? Oder kann sie der WTCC sogar das Leben schwer machen? Schreibt eure Meinung in die Kommentare!
3 Kommentare
Ich weiß noch nicht so ganz was ich von der Sache halten soll. Die TCR ist jetzt einmal eine Bereicherung. Aber generell wäre es wohl besser eine gute weltweite Tourenwagenserie zu haben als zwei, die so vor sich hin dümpeln. Die Gefahr sehe schon sehr. Die TCR ist für die Werke aus der WTCC wohl eher uninteressant und wird sie in dem Bereich nicht ersetzen können. Somit wird es jetzt also 2 Serien mit sehr ähnlichem Format geben, eine ohne Werke, eine mit. Immerhin, da es nur Privatteams gibt, stehen die Chancen auf gute und knappe Rennen in der TCR grundsätzlich einmal besser als in der WTCC. Aber ich zweifle, dass das reichen wird um sich langfristig behaupten zu können…
Einfach das Rennformat der WTCC zu kopieren ist aus meiner Sicht jedenfalls eine klare Fehlentscheidung. Wenn man deutlich längere Rennen fahren würde, hätte man die Chance gehabt sich anzuheben und einfach mal zu zeigen wie so etwas geht. Auf TV-Partner muss man ja anders als die Konkurrenz offenbar nur wenig Rücksicht nehmen.
Die 2 kurzen Rennen sind echt lächerlich. Fühlt sich an wie ein Markenpokal und das ist er ja momentan auch fast. Das Reglement kann man begrüssen, ist es doch in ähnlicher Art in Argentinien (mit der TN Clasa 2 und 3) vertreten und bietet dort eine gute Show. Besser fände ich 3 Rennen über 2 Tage, 2 kurze, ein längeres. Momentan eher mal anschauen, was geboten wird, ansonsten hält sich mein Interesse arg in Grenzen.
Lotti soll sich vll mal die Regeln und Rennabläufe der BTCC anschauen dann wird das schon was ;)
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