Matt Kenseth beendete eine lange erfolglose Serie und holte sich im verregneten 10-Stunden-Klassiker von Bristol seinen ersten Saisonsieg. Auch andere Serien rissen, allerdings ausschließlich zum Nachteil der beteiligten Piloten. Für eine große Überraschung sorgte gleichzeitig das sehr spontane Debüt von Erik Jones im Sprint Cup.
Wer am Sonntag das Sprint-Cup-Rennen schauen wollte, der brauchte neben einer gehörigen Portion Sitzfleisch auch die eine oder andere Kanne Kaffee und einen kulanten Chef bzw. einen Tag frei oder kam vielleicht sogar ganz ohne Schlaf aus. Gute zehn Stunden zog sich der Riemen in Bristol, bis um halb 5 Uhr in der Früh endlich Matt Kenseth aus eigener Kraft in die Victory-Lane fahren konnte. Ähnlich wie an den TV-Geräten in Deutschland waren dann auch live vor Ort nur noch wenige Spektatoren anwesend. Vor gefühlten 1000 Zuschauern veranstaltete man aber ein durchweg unterhaltsames Rennen und versuchte für die Fans wirklich alles, um die komplette Renndistanz und sogar eine Green-White-Checkered-Verlängerung unterzubringen. Der NASCAR kann man jedenfalls keinen Vorwurf machen, nicht das bestmögliche aus einem verregneten Tag herausgeholt zu haben.
Am Anfang gegen 19 Uhr stellte sich die Frage, ob man überhaupt eine halbe Renndistanz in die Bücher bekommen würde – am Ende wurden es dann sogar 511 statt 500 geplanten Runden! Das erste trockene Fenster tat sich gegen 19:30 Uhr auf und sollte bis 21 oder 22 Uhr Bestand haben. Die Strecke war nach gut 45 Minuten Air-Titan-Einsatz getrocknet und zum Start bereit. Mehr als 23 Runden schafften die Cup-Piloten aber leider nicht, denn es formierte sich bereits gegen Viertel vor neun eine weitere Zwischenfront. Der Regen dauerte bis Mitternacht an, was uns eine Pause von gut vier Stunden einbrockte und den Restart auf Viertel vor ein Uhr nachts verschob. Genug Zeit für Team Penske, sich über die frühe Kollision zwischen Joey Logano und Brad Keselowski, der vermutlich auf den ersten Regentropfen übersteuernd sein Auto verlor und beiden Teamkollegen das Rennen ruinierte, Gedanken zu machen.
Ausreichend Zeit hatten auch Joe Gibbs Racing und Stewart-Haas Racing, die sich beide schnell Ersatz beschaffen mussten. Zum einen zog sich Denny Hamlin in der Anfangsphase eine Nackenzerrung zu und zum anderen bekam Crew-Chief Tony Gibson erneut Probleme mit seinen Nierensteinen, weshalb er sogar kurzfristig ins Streckenhospital zur Untersuchung musste. Während man an der #41 von Kurt Busch kurzerhand den Chef-Ingenieur John Klausmeyer und „Vice President of Competition“ Greg Zippadelli auf dem War-Waggon platzierte, musste man im Falle Hamlin etwas weiter suchen – 150 Meilen entfernt, um genau zu sein. Joe Gibbs ließ kurzerhand Nachwuchstalent Erik Jones per Helikopter aus Charlotte einfliegen und brachte diesen völlig überraschend zu seinem ersten Cup-Start. Normalerweise sieht man sich in solchen Fällen bei den „Start & Park“-Teams um, von denen es am Wochenende aber erneut keine gab.
Als es dann endlich weiterging, waren sich alle Beteiligten sicher, dass man die komplette Renndistanz in einem regenfreien Fenster bis ca. 5 Uhr morgens unterbekommen würde. Trotzdem gingen die Fahrer extrem bedacht vor und klicken bis zur Rennhalbzeit in Umlauf 250 auffällig lässig die Runden ab, ohne sich gegenseitig das Leben allzu schwer zu machen. Dazwischen lagen – für ein Shorttrack-Rennen in Bristol äußerst ungewöhnlich – nur zwei Gelbphasen: eine angesetzte Competition-Caution in Runde 60 und aus der SAFER-Barrier austretendes Restregenwasser in Umlauf 169. Berechtigt war diese Phase mit gezügeltem Temperament natürlich durchaus, denn bereits in Runde 266 begann es für eine halbe Stunde leicht zu regnen, was erneut eine Rotphase auslöste. Bis dahin dominierten Kevin Harvick und Kurt Busch das Rennen, bekamen jedoch Druck von Carl Edwards.
Es begann die lange, spannende und turbulente Schlussphase des Rennens – auch zweite Halbzeit genannt – weil ja niemand wusste, ob es schlagartig wieder regnen würde. Bei Chip Ganassi Racing ging man sogar außerhalb der Sequenz, um Kyle Larson in Führung zu bekommen, als sich weitere dunkle Wolken der Strecke näherten. Leider ging diese Taktik nicht auf und nach zwei (!) ausgelassenen Reifenstopps musste die #42 dann aber wirklich zum Nachtanken an die Box. Larson übernahm die Führung direkt vom Trio Harvick/Busch/Edwards in Runde 347 und übergab die Fackel in Umlauf 443 an den späteren Sieger Matt Kenseth. Soweit also die übersichtliche Situation an der Spitze. Dahinter setzte in dieser beschriebenen zweiten Rennhälfte jedoch ein wahres Favoritensterben ein.
Sechs größere Unfälle in 250 Runden bestätigten die Hektik im Kampf um Track-Position und ruinierten unter anderem den folgenden Piloten das Rennen:
– Kurt Busch & Jimmie Johnson (Kollision in Runde 279)
– Kevin Harvick & David Ragan (unverschuldet in Kontakt zwischen Jeb Burton & Jimmie Johnson verwickelt in Umlauf 312)
– Kasey Kahne, Casey Mears, AJ Allmendinger & Martin Truex Jr. (Kleiner Big-One in Runde 484)
– Sam Hornish Jr. & Carl Edwards (Unfall auf der Gegengerade)
Der zuletzt erwähnte Zwischenfall ereignete sich in Runde 495 nur fünf Umläufe vor dem Ende und sorgte in der Folge für einige hochgezogene Augenbrauen. Die NASCAR-Offiziellen setzten tatsächlich noch eine Green-White-Checkered-Verlängerung an und ließen sich die Zeit, diese auch durchzubringen. Zwischenzeitlich nieselte es und für einen kurzen Moment dachte ich, was wäre, wenn man trotz Nieselregen einen IndyCar-Restart hinlegte? Es kam aber folgerichtig zur dritten und letzten roten Flagge, während die Zuschauer eine weitere halbe Stunde für ein Finish über zwei Runden ausharrten. Die Anspannung war wirklich zu spüren, immerhin zogen sich die Runden hinter dem Pacecar ewig in die Länge und einigen Fahrern drohte sogar, noch der Sprit auszugehen.
Das konnte sich wirklich keiner ausdenken, dass dann Austin Dillon auf Platz 3 liegend noch einmal zum Tanken kommen musste, die Kollegen Matt Kenseth und Jeff Gordon aber genügend Benzin für gut fünf weitere Runden und Sieger-Donuts hatten, obwohl sie zuvor alle in derselben Runde zuletzt gestoppt hatten. Jedenfalls brachte die GWC-Verlängerung keine Änderung mehr im großen Bild, denn Kenseth erwischte einen grandiosen Restart und ließ Gordon und Jimmie Johnson hinter sich zurück. Ein paar Runden mehr noch und Johnson hätte die #20 wohl tatsächlich bekommen, aber wir waren mittlerweile auch echt müde!
Hinter Matt Kenseth, der eine lange sieglose Serie zum Ende brachte, und Jimmie Johnson klassifizierten sich Jeff Gordon, Ricky Stenhouse Jr. und Ryan Newman in den Top 5, während Tony Stewart, Kyle Larson, Justin Allgaier, Danica Patrick und Austin Dillon die Top 10 komplettierten. Man ahnt bei dieser Reihenfolge schon, wie groß das Favoritensterben gewesen sein muss, allerdings haben Stenhouse, Allgaier, Patrick und Co. sich diese Platzierungen fair und bärenstark selbst erfahren, indem sie die goldene Regel der Shorttracks beherzigt haben und sich nicht in einen der zahlreichen Zwischenfälle verwickeln ließen.
Vielen Dank an dieser Stelle an NASCAR, dass man das Rennen nie aufgegeben hat und somit eine der besten Rennveranstaltungen der letzten Zeit abgeliefert hat, an Motorvision TV für die ewig lange Übertragungszeit und den tollen Kommentar von Pete & Mario und an meinen Arbeitgeber, der mittags ein Erbarmen zeigte und mich im Tausch gegen einen halben Tag Urlaub nach Hause ins Bett geschickt hat!
Das gesamte Rennergebnis kann bei Jayski inklusive weiterer Statistiken noch einmal nachgeschaut werden. Es folgen wie gewohnt die Fahrerwertung und die Owner-Punkte. Ein kleiner Nachtrag noch: Leider rissen an diesem Wochenende alle Top-10-Serien von Kevin Harvick, Joey Logano und Martin Truex Jr..