Die Strategy Group der Formel Eins hat sich in der letzten Woche getroffen und ein paar Ideen vorgeschlagen, wie man die F1 verbessern kann. Von Einsparungen war aber nicht die Rede.
Dass die Formel Eins gerade politisch nicht in ihrer besten Verfassung ist, daran besteht kaum ein Zweifel. Die kleinen Teams leiden unter den hohen Ausgaben, die Zuschauerzahlen gehen zurück und Veranstalter wie TV-Sender verlangen nach einer besseren Show. Die Strategy Group, jenes Gremium, das aus der FOM, aus fünf F1-Teams und der FIA besteht, hat sich letzten Donnerstag getroffen und ein paar mögliche Änderungen in den Raum geworfen. Doch einige Ideen sind dabei zweifelhaft.
Geschwindigkeit:
Die Formel Eins soll schneller werden, pro Runden redet man von bis zu fünf Sekunden. Erreicht werden soll dies mit leichteren und wieder breiteren Autos, dazu sollen die Hinterreifen von 360 mm auf 430 mm wachsen. Damit sollen vor allem die Kurvengeschwindigkeiten erhöht werden.
Gut, über die breiteren Hinterreifen kann man reden, sieht zumindest besser aus. Aber die Autos schneller machen? Hatten wir nicht jahrelang Diskussionen darüber, dass die F1 zu schnell sei? Dass die Kurvengeschwindigkeiten gefährlich hoch lagen? Und dass die hohen Geschwindigkeiten in der Kurve nicht dafür sorgen würden, dass man wegen der dann noch empfindlicheren Aerodynamik überhaupt nicht mehr überholen kann? War es nicht Max Mosley, der zu Recht vor steigenden Geschwindigkeiten in den Kurven gewarnt hat?
Ein Rennen und die Show wird nicht deswegen besser, weil die Rundenzeiten stetig fallen. Die Grenzen der Physik und der körperlichen Belastung sind halt endlich. Keine gute Idee.
Reifensätze:
Neben den breiteren Reifen sollen die Teams nun auch bei jedem Rennen frei wählen können, welche Reifen sie am Wochenende nutzen möchten. Ausgenommen sind Rennen, in denen Reifen ein Sicherheitsrisiko darstellen, wie zum Beispiel in Monza, wo man tunlichst nicht mit den Supersoft unterwegs sein sollte.
Auf den ersten Blick erscheint diese Idee sehr charmant. Warum nicht den kleinen Teams die Möglichkeit geben, etwas mehr Risiko bei der Reifenwahl gehen zu können. Auf den zweiten Blick ist die Idee Quatsch. Zum einen haben alle Teams die gleichen Daten, man wird genau wissen, wo man welche Reifen fahren wird. Zum anderen werden die großen Teams die Autos dann so entwickeln, dass sie möglichst oft mit den „Soft“ unterwegs sein können. Hier geht es dann einfach um die Frage, mit welchem Entwicklungsaufwand man den Reifenverschleiß in den Griff bekommt. Für alle wird die Sache sogar noch einfacher, weil man das Chassis einfach auf die „Soft“ entwickelt und die „Hard“ komplett ignoriert. Das Auto muss also nicht mehr für eine breite Spanne an Reifen entwickelt werden, sondern nur für wenige Sorten.
Pirelli ist von der Idee auch nur so mittel begeistert, weil man mehr Reifen rund um die Welt transportieren müsste.
Nachtanken:
Zugegeben eine nette Showeinlage. Aber das Nachtanken ist nur deswegen wieder auf die Agenda gerutscht, weil man die Autos leichter machen will, damit sie schneller werden. Verkleinert man den Tank um 50 Liter, hat man schon einiges gewonnen. Aber das Nachtanken ist sinnlos, weil sich an der Verbrauchsformel nichts ändert. Man kann also nicht mehr Sprit über die Distanz verbrauchen, sondern muss weiter haushalten. Es ist also eine simple Showsache, ohne jeden Sinn.
Höhere Drehzahlen & Sound:
Theoretisch könnten die V6 schon jetzt bis 15.000 U/min drehen, es macht nur keiner, weil es keinen Sinn macht. Die Turbos brauchen nicht so hohe Drehzahlen, es ist energetisch nicht sinnvoll, da höhere Drehzahlen nur die Reibungswiderstand erhöhen. Damit man überhaupt höher dreht, sollen neue 6-Gang-Getriebe eingeführt werden. Das sind dann gleich zwei neue Kostenfaktoren. Zum einen das neue Getriebe, zum anderen muss man die Motoren für höhere Drehzahlen standfester machen. Man will durch die höheren Drehzahlen den Motorsound verbessern. Wie auch immer.
Gleichzeitig will man sich den Auspuff und das Wastegate anschauen, ob man darüber nicht einen besseren Sound erreichen kann. Klingt schon eher nach einer sinnvollen Maßnahme.
Weniger Starthilfen:
Im Grunde startet der Pilot heute per Computer. Vorspannung der Kupplung usw. Soll wegfallen, dafür soll der Fahrer wieder mehr selber Verantwortung haben.
Kundenchassis:
Nicht ganz vom Tisch, auch wenn es nicht explizit erwähnt wird, ist die Frage nach den Kundenchassis. Kleine Teams sollen ein Roh-Chassis von einem anderen Team erwerben können. Die Weiterentwicklung läge dann bei den Teams selbst. Die Idee ist seit Jahren im Gespräch, scheiterte aber am Widerstand von Williams und Force India. Theoretisch wäre es so möglich, ein Mercedes W06-Chassis samt Motor und Getriebe zu kaufen, um dann, theoretisch, sofort um Siege zu fahren. Praktisch ist es dann schon noch so, dass hinter dem Chassis noch etwas mehr Arbeit und vor allem Geld steckt. Aber nicht wenige Teams haben Angst vor diesem Szenario, auch weil Hersteller dann „B-Teams“ gründen könnten und die kleinen Teams verdrängt werden.
Das ist nachvollziehbar. Selbst wenn die FIA sagt, dass die Weiterentwicklung eines Chassis beim einkaufenden Team liegen muss, die Möglichkeit der simplen Kopie ist immer da. Team A hat einen Frontflügel? Foto gemacht und nach gebaut, beim nächsten Rennen hat man den dann auch. Das funktioniert natürlich nicht in allen Bereich (Unterboden, Luftfluss am Heck etc.), aber die Gefahr ist durchaus gegeben. Und wer kann kontrollieren, dass Team B nicht zufällig mal einen USB-Stick auf der Toilette eines Kurses findet? Eben.
Fazit:
Die Vorschläge sind fast alle Augenwischerei und reiner Aktionismus. Kein einziger Vorschlag führt dazu, dass die Rennen besser oder die Serie günstiger wird. Im Gegenteil. Leichtere Autos, mehr Forschung in Sachen Setup, andere Getriebe, höher drehende Motoren und das Nachtanken kosten nur mehr Geld, ohne dass sich auch nur irgendwas ändert. Weil die Autos und die Hinterreifen breiter werden sollen, müssen dann auch noch komplett neue Monocoques entworfen werden, dazu kommt, dass die ganze Aerodynamik sich komplett verändert und man wieder mit einem weißen Blatt Papier anfangen muss. Wird vor allem die kleinen Teams freuen. Mit diesen Vorschlägen ändert man nichts in der Formel Eins.
Kommen die Ideen durch? Am Ende muss der Weltrat zustimmen, was aber meist ein reines Abnicken ist. Vermutlich wird man aber in den nächsten Wochen noch weiter über die Ideen nachdenken, aber es ist davon auszugehen, dass einiges dann 2017 Wirklichkeit wird.
4 Kommentare
Sehr schöne Zusammenfassung und durchdachte Bewertung.
Ich denke, dass der Weg zu mehr mechanischem Grip mit breiteren Reifen schon richtig ist.
Wenn dazu noch ein Weg gefunden wird, den Abtrieb weiter zu reduzieren, dann sollten die Kurvengeschwindigkeiten nicht steigen und gleichzeitig die Fahrbarkeit anspruchsvoller werden. Durch die breiteren Reifen steigt ja auch der Luftwiderstand, so dass die Topspeed nicht steigen sollte, selbst wenn die Antriebe stärker werden.
Ist eigentlich schon mal diskutiert worden, dass es nur noch eine Version von Front-/Heckflügel pro Saison geben darf?
Das sollte die Entwicklungskosten per Computer oder Windkanal im Laufe der Saison und auch die Herstellungskosten deutlich reduzieren. Mir ist klar, dass gerade die Frontflügel eher als Verschleißteil zu betrachten sind, aber der ganze Formenbau für geänderte Versionen sollte zumindest entfallen.
Wenn dann noch alle Arten von Fortsätzen an/auf der Karosserie oder Leitblechen außerhalb definierter Zonen von Front- und Heckflügel verboten werden, dann sollte die Aerodynamik deutlich schlechter werden und auch der Aufwand für Detailentwicklungen im Laufe der Saison entfallen.
Also keine kleinen Flügelchen unter der Nase im Bereich der Aufhängung und keinerlei Luftführungen an den Sidepods oder Monkey-Seats.
Wenn es noch weiter gehen soll, dann könnte man zum Beispiel für den Frontflügel eine Grundkonstruktion vorschreiben und/oder die Anzahl der Flügelelemente definieren.
Es müsste dann im Laufe der Saison halt mit dem vorhandenen Verstellbereich gearbeitet werden und man hätte sich dann für einen Entwicklungsschwerpunkt zu entscheiden und zum Beispiel auf einem Highspeed-Kurs einen Vorteil dafür aber auf einer Downforce-Strecke eher einen Nachteil.
Wenn man sich die Flügel aus den 80ern anschaut, dann sind die wirklich schlicht und es gab gutes Racing und echte Überholvorgänge auf der Bremse ohne DRS.
Wie war eigentlich die Reifensituation in den 80ern? Es gab das zeitweise zwei Hersteller – OK, aber wurde zu jedem Rennen eine neue angepasste Mischungen mitgebracht?
Ich würde eine schlichtere Reifenstrategie von Pirelli besser finden: Bringt einen härteren Rennreifen mit, der wirklich belastbar ist und ein Rennen durchhält und dazu eine wirklich weiche Mischung als Qualifier oder „Sprintreifen“ für max. 10 Rennrunden. Den härteren Rennreifen müsste man sicher auch „managen“ und könnte nicht volles Rohr 100 % am Maximum fahren, aber er sollte nicht so erheblich den kompletten Rennverlauf bestimmen.
Sehe ich insgesamt sehr ähnlich. Vor allem die Sache mit dem Nachtanken hat mich ziemlich geschickt, als ich das erste Mal davon gehört habe. Es wurde ja nicht ohne Grund abgeschafft, sondern es gab ja sogar einige Anlassfälle, aus denen man zu der Überzeugung gekommen ist, dass das größere Gewicht der Fahrzeuge durch die größere Spritmenge ein kleineres Risiko ist, als das Nachtanken. Die jetztige Lösung hat sich aus der Perspektive der Sicherheit jedenfalls bewehrt. Daher finde ich es absolut unverständlich das wieder ändern zu wollen.
Das mit den Kundenchassis gefällt mir auch nicht weil es für mich schon irgendwie zur DNA der Formel 1 gehört, dass jedes Team sein Auto selbst baut. Da stehe ich voll auf der Seite von Williams.
Das Einzige, das mir recht gut gefällt, ist die freie Reifenwahl. Ich glaube schon, dass das die Rennen etwas verbessern könnte. Vielleicht wären dann doch unterschiedlichere Zugänge möglich, was den Rennen helfen könnte. Die Frage, ob man 1, 2 oder 3 Stopps macht, könnte dann wieder (auch ohne Nachtanken) öfter eine Rolle spielen.
In Sachen Reifen: Eine charmante Lösung wäre ja, wenn man die ersten 5 Rennen alle mit den Reifen fahren lässt, die Pirelli wählt. Ab Rennen 6 können dann alle Teams frei wählen, die schlechter als Platz 5 in der Team-WM liegen. Dann hätten die kleinen Teams einen gewissen Vorteil und das Feld würde enger zusammenrücken. Jedenfalls teilweise.
VOLLSTÄNDIGES WINDKANAL VERBOT, sowie KEINE VERÄNDERTEN AERO-KITS JE NACH RENNEN!
und jedes Team oder sonst Motoren-Hersteller muss sich eine oder vllt sogar zwei „Heimstrecken“ zum Testen aussuchen – wo man dann nach vorgegebenen Abschnitten regelmäßige Testläufe durchführen darf!
:D
das würde zumindest den „Heimrennen-Faktor“ zusätzlich spannend machen und die Autos spezialisieren!
Ferrari dann mit Superspeed in Monza !
und McLaren Honda mit unglaublichen Kurvengeschwindigkeiten in Suzuka und Silverstone
Force India lockt Tausende zu den Testfahrten in Delhi (irgendwie muss ja die Strecke genutzt werden)
Haas F1 dreht seine Runden in Texas…
Renault & Red Bull wird es dann wohl nicht mehr geben und bei Mercedes weiß ich nicht – ob die wirklich in Hockenheim…
so würden es wohl kleine jungen erträumen …
//////////////
Im Ernst sieht es doch leider so aus, als ob wir im Jahr 2017 keine andere Wahl als Kundenmotoren und Kundenchassis usw. haben werden, so wie derzeit Mercedes und Ferrari besonders hinter den Kulissen die F1 aufsaugen – dickere Reifen hin oder her – einerseits würde natürlich die glorreichen Tradition der „Eigen-Entwicklung“ aussterben, andererseits kann ich mir keinen Weg vorstellen, wie z.B. Sauber weiterhin in diesem Zirkus mithalten will, geschweige denn Sponsoren finden soll…
Wobei man ja sagen muss, dass es diese Saison ja schon recht spannend wäre, würde man einfach 6x Mercedes gegen 6x Ferrari und dazu vllt noch 4 Hondas und 2-4 „Amateur-Hersteller“ (warum nicht eine zusätzliche „2 Liga Wertung, wie in der WTCC ?)
–> so weit weg sind wir davon schließlich aktuell nicht
Ich sag mal ein Bottas, wenn nicht sogar ein Grosjean könnte im W06 auch um den Sieg mitfahren :D
Die Technik darf doch nicht 100% das Potenzial der Fahrer und den „Rahmen des Sports“ verschlingen, da macht kein Sponsor auf Dauer mit und das lockt auch keinen 8-14. Jährigen mehr vor die Glotze!
Am Ende bleiben tiefe Sorgenfalten um die F1
Comments are closed.