Home Formel EinsF1 Formel Eins: Analyse GP von Kanada 2015 – Sparen, sparen, sparen

Formel Eins: Analyse GP von Kanada 2015 – Sparen, sparen, sparen

von DonDahlmann
6 Kommentare

Es war ein ungewöhnlich ereignisloses Rennen in Kanada. Bremsen schonen, Reifen schonen und Sprit sparen hieß die Devise, was nicht gerade für Spannung an der Spitze sorgte.

F1 Kanada 2015Nico Rosberg fasste sein Problem nach dem Rennen in ein einziges Wort zusammen: „Qualifikation“. Der Deutsche verlor das Duell am Samstag überraschend deutlich mit 0,309 Sekunden, was zwischen ihm und Hamilton schon eine kleine Welt ist. Im Rennen sah die Sache etwas enger aus, aber wie es eben ist, wenn zwei gleichwertige Fahrer in zwei gleichwertigen Fahrzeugen unterwegs sind – man kommt vielleicht ran, aber nicht vorbei, wenn der Kollege vorne keinen Fehler macht. Hamilton erlaubte sich aber, trotz leichter Probleme mit überhitzenden Bremsen, keinen wirklichen Fehler und blieb somit unangreifbar vorne.

Dabei hatte man vor dem Wochenende noch hoffen können, dass die Sache an der Spitze etwas enger werden könnte. Ferrari hatte einen neuen Motor mitgebracht, dem man unter anderem einen neuen Turbolader verpasst hatte und der nun 30 PS mehr leisten sollte. Aber Mercedes hatte ebenfalls aufgerüstet. Im Gegensatz zu Ferrari verbrauchte man für das Upgrade keine Entwicklungstokens, sondern man kam bei der FIA mit dem Argument „Haltbarkeit und besserer Verbrauch“ durch. Tatsächlich soll der Motor noch mal um rund 15 bis 20 PS zugelegt haben. Und weil Mercedes dieses Upgrade lange geplant hatte, kamen auch die Kundenteams das neue Aggregat geliefert. Wie viel das neue Update ausmachte, konnten die verblüfften Renault- und Ferrari-Fahrer in der Qualifikation sehen. Räikkönen fehlten sechs Zehntel, dem schnellsten Renault 1,6 Sekunden. Hatte man gerade gedacht, die Lücke zu Mercedes schließen zu können, wurde schnell das Gegenteil klar. Mercedes hat sie wieder vergrößert und selbst die Force India profitieren davon.

F1 Kanada 2015Sicher, Ferrari hatte Pech in der Quali, als bei Vettel das komplette Hybrid-System ausfiel und er chancenlos auf P16 landete. Und dann auch noch weiter zurückgestuft wurde, weil er unter „Rot“ einen Manor überholt hatte. Vermutlich wäre Vettel näher an die Mercedes rangekommen, aber auch nicht viel, da der Unterschied zwischen ihm und Räikkönen am Wochenende immer sehr knapp war. Mercedes konnte es sich also erlauben, das Rennen nach Belieben zu dominieren und sogar auf die vermeintlich langsamere Ein-Stopp-Strategie zu setzen. Etwas, was vor allem Ferrari nicht gefallen haben dürfte. Die „Supersoft“ galten bisher nicht gerade als die bevorzugten Reifen des Mercedes, aber am Ende stoppten beide erst in Runde 29 bzw. 30. Weit hinter allen anderen Teams.

Aber war es denn wenigstens ein Rennen an der Spitze? Nicht wirklich. Rosberg klemmte sich zwar nach dem einzigen Boxenstopp etwas knapper hinter Lewis, kam aber nicht mal in DRS-Reichweite. Hamilton berichtete später, er habe sich zu keiner Zeit unter Druck gesetzt fühlt. Was vermutlich auch stimmt, denn in Sachen Rundenzeiten hätten beide deutlich zulegen können. Beide fuhren ziemlich gemütliche Zeiten zwischen 1.17.8 und 1.18.5 min, während Vettel, der von hinten durchs Feld pflügte, deutlich häufiger die 1.18er Barriere durchbrach. Er fuhr auch die schnellste Runde des Rennen, aber damit beschäftigten sich Hamilton und Rosberg nicht mal. Von ihren Ingenieuren angewiesen, Reifen, Sprit und Bremsen zu sparen, war das Duell an der Spitze eher zahnlos. Trotzdem reichte es am Ende sogar noch für 40 Sekunden Vorsprung auf Bottas.

Man kann Mercedes verstehen, dass man es ruhig angehen ließ. Und es ist auch nicht die Schuld von Mercedes, dass die Regeln im Moment so sind, wie sie halt sind. Aber ehrlich gesagt: So ist es langweilig. Der Vergleich mag vielleicht etwas hinken, aber am kommenden Wochenende in Le Mans werden acht Autos 24 Stunden lang volles Rohr unterwegs sein. Kein Sprit sparen, weil der maximale Verbrauch eh festgelegt ist, Bremsen, die 24 Stunden halten und Reifen, die man 200 km prügeln kann, ohne dass die Rundenzeiten in den Keller gehen. Sicher – das Reglement in der WEC ist anders, die Rennen länger und so weiter. Aber eigentlich möchte man auch in der F1 Rennen sehen, in denen die Fahrer sich nicht um Verbrauch oder Bremsen Gedanken machen müssen, sondern auf der Strecke ausfechten, wer denn nun die Nase vorne hat.

F1 Kanada 2015Die Sache frustriert nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Fahrer. Fernando Alonso, eh chancenlos im McLaren, platzte angesichts der Anweisung, Sprit zu sparen, der Kragen. Per Funk ließ er sein Team wissen, dass er dazu keine Lust habe. Er wolle jetzt sein Rennen fahren und nicht wie ein Amateur überholt werden. Über den Sprit würde er sich später Gedanken machen. Vermutlich rechnete er damit, dass sein Wagen sowieso ausfallen würde, was dann ja auch passierte. Und Alonso ist nicht der einzige genervte Fahrer im Feld.

Immerhin sorgte Sebastian Vettel im Rennen für die nötige Unterhaltung. Seine Aufholjagd war mehr als sehenswert, auch wenn er, vor allem gegen Ende des Rennens, dann auch in Sachen Bremsverschleiß und Verbrauch etwas ausgebremst wurde. Aber zumindest lieferte er eine schöne Demonstration ab, wie es aussehen kann, wenn man mal ohne Rücksicht auf alles unterwegs ist. Sein Weg durch das Feld wurde von einer sehr guten Ferrari-Strategie unterstützt. Der erste Stopp nach sieben Runden schien ein wenig verfrüht, aber zu dem Zeitpunkt hing er hinter Massa fest, der seinerseits nicht an Ericsson vorbei kam. Ferrari entschied sich, durchaus risikoreich, für einen sehr frühen Stopp, Vettel fiel zunächst wieder weit zurück. Doch er profitierte einerseits vom schnelleren Wagen, andererseits natürlich auch davon, dass die anderen vor ihm ebenfalls stoppen mussten. Zudem konnte er so hinten ungestört schnelle Runden fahren. Den zweiten Stopp legten die Strategen von Ferrari dann ebenfalls goldrichtig. Gerade als seine Reifen abbauten, holte man ihn in Runde 35 rein, und er kam knapp vor der Red Bull/Toro Rosso-Horde wieder auf die Strecke.

Für Räikkönen lief es eigentlich auch gut. Nach vorne ging nichts, das war klar, aber er distanzierte Bottas und fuhr ein recht einsames Rennen. Dann passierte ihm der Fauxpas in der Haarnadel und der Dreher führte dazu, dass er P3 an seinen finnischen Landsmann verlor. Er gab zu Protokoll, dass das Hybridsystem schlagartig Leistung geliefert hat. Ein Fehler, den er genau ein Jahr zuvor an der gleichen Stelle schon erlebt hatte und der im dem letzten Jahr auch bei Alonso auftauchte. Am Ende lag er nur vier Sekunden vor Vettel, allerdings hatte man den Finnen auch zu einem zusätzlichen Boxenstopp reingeholt, nachdem er sich bei seinem Dreher die Reifen ruiniert hatte.

F1 Kanada 2015Ebenfalls sehr gut unterwegs war Felipe Massa, der von P15 aus ins Rennen gehen musste. Das rundenlange Duell mit Ericsson war sehr sehenswert, ebenso die Art, wie sich Massa am Ende doch vorbei presste. Wobei man dem Sauber-Piloten ebenfalls die Note „1“ aussprechen muss. Massa hielt die Red Bull-Fraktion relativ problemlos hinter sich, biss bei den Lotus dann ein wenig Granit, konnte sich aber am Ende durchsetzen. Das war auch wichtig, denn die Schwäche von Red Bull bedeutete, dass Williams in der Team-WM wichtige Punkte sammeln konnte. Mit Österreich und Silverstone kommen zwei weitere Strecken, die dem Williams besser liegen sollten, in der zweiten Saisonhälfte wird das oft enger sein.

Lotus profitierte in Kanada vom Upgrade der Mercedes-Motoren und konnte sich erstmals gut in Szene setzen. Grosjean schmiss ein besseres Ergebnis weg, weil er Roberto Mehri über den Frontflügel fuhr, aber Pastor Maldonado hielt sich schadlos und kam zum ersten Mal in diesem Jahr (!) in Ziel und in die Punkte. Immerhin rettete sich Grosjean trotz einer 5-Sekunden Strafe am Ende auf P10, aber da wären mehr Punkte drin gewesen.

F1 Kanada 2015Force India erreichte ebenfalls wichtige Punkte, denn Hülkenberg gelang das Kunststück, den Wagen auf P8 zu bringen. Und das trotz eines Drehers, als er einen Unfall mit Vettel vermeiden musste, und trotz der Tatsache, dass der Force India, Mercedes hin oder her, immer noch schwächer als der Red Bull sein müsste. Mal wieder eine sehr gute Leistung des Deutschen, die irgendwie untergegangen ist. Es waren auch die ersten Punkte für den Deutschen seit dem Saisonauftakt in Australien.

Bei Red Bull nahm man das Rennen mehr oder weniger mit Humor. Ricciardo zuckte nach dem Rennen nur mit den Schultern, weil er auch nicht erklären konnte, warum er eine Sekunde pro Runden auf Kvyat verlor. Der Russe wiederum fuhr ein sehr interessantes Rennen. Er setzte sich gegen die stark drängelnden Toro Rosso durch, behielt lange die Lotus zumindest im Visier, den zweiten Force India mit Perez hinter sich und rette dem Team am Ende mit P9 immerhin noch zwei Punkte. Es ist wirklich gar nicht schlecht, was Kvyat da abliefert. Mehr ist mit dem diesjährigen Auto vermutlich eh nicht drin.

Enttäuschend lief das Rennen für Sauber. Wir haben keine Infos, ob Sauber ebenfalls die neuen Ferrari-Motoren zur Verfügung hatte, aber mal abgesehen von Auftritt von Ericsson sah man von den Saubern leider nicht sehr viel. Der Schwede konnte immerhin Max Verstappen hinter sich halten, aber eigentlich sollte bei so Rennen für Sauber mehr drin sein.

F1 Kanada 2015Immerhin kam man ins Ziel. Was mehr war, als McLaren von sich behaupten konnte. Bei der BBC ging Eddie Jordan mit dem Team hart ins Gericht. Er warf ziemlich offen Ron Dennis vor, der falsche Teamchef zu sein. Unter Martin Whitmarsh hätte das Team besser ausgesehen. Dabei vergisst Jordan allerdings, dass der momentane Niedergang von McLaren erst dann losging, als Dennis das Team verließ. Team-CEO Jonathan Neal bemühte sich, Honda aus der Schusslinie zu nehmen. Die hätten ja immerhin 2,5 Sekunden in sieben Rennen gefunden, auch wenn noch zwei Sekunden nach vorne fehlen würden. Aber die Probleme von Honda wurden in Kanada deutlich sichtbar: zu wenig Leistung, zu hoher Verbrauch und dann auch nicht standfest. Die vermutlich schlechteste Kombination, die man bei einem Motor haben kann.

Es war kein Rennen, an das man sich erinnern wird. Aber es machte klar, dass der Abstand von Mercedes auf den Rest der Welt wieder etwas angewachsen ist. Die beiden kommenden Rennen, die ja ebenfalls auf Strecken stattfinden werden, auf denen man viel Leistung benötigt, dürften ebenfalls an Mercedes gehen. Und die Deutschen haben auch noch sieben Entwicklungstokens für ihren Motor, die sie nutzen dürfen. Den Fans bleibt die Hoffnung, dass Rosberg jene Quali-Stärke wiederfindet, die er im letzten Jahr hatte. Denn nur so scheint er in der Lage zu sein, seinen Teamkollegen hinter sich lassen zu können. Sind die Postionen im Rennen einmal bezogen und leistet sich keiner einen Fehler, hat Rosberg offenbar wenig Chancen, das Punktedefizit reduzieren zu können.

F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015F1 Kanada 2015

Bilder: Daimler AG, Ferrari, Williams F1, Lotus F1, Red Bull Mediahouse, Sauber AG, Force India. 

Das könnte Dir auch gefallen

6 Kommentare

nona 8 Juni, 2015 - 08:22

Das exakt gleiche Bild wie in Monaco (und anderen vorherigen Stationen) – Rennen quasi nach der Qualifikation entschieden, weil der Zweitplatzierte im Zweifelsfall aus teampolitischen Gründen eh nichts machen darf. Der Hinterherfahrende kommt bei ähnlich gutem Material dann sowieso aerodynamisch bedingt „ran aber nicht vorbei“ wie das halt mitunter so ist. Und Mercedes fährt ansonsten mit derart gedämpftem Schaum, dass sie bei Bedarf locker ein bis zwei Sekunden bessere Zeiten aus dem Ärmel schütteln können. Die fahren in einer völlig anderen Liga. Kein Wunder dass man sich veralbert fühlt. So werden die PR-Probleme der F1 nicht gefixt, sondern gefördert.

Speedwriter33 8 Juni, 2015 - 10:28

Am Wochenende gab es Rennen der WTCC und F4, die deutlich mehr Spaß gemacht haben. Die F1 bewegt sich immer mehr ins Abseits; aus diversen Gründen, weshalb auch kein Rumdoktern an Symptomen helfen würde. Ein Neustart muss her, wobei man auch aus der Vergangenheit lernen könnte. Eines aber sollte man nicht vergessen: Es gab auch in der sogenannten guten alten Zeit der F1 extrem langweilige Rennen und sehr unspannende Jahre.

Was mich gestern aber am meisten genervt hat, war die mal wieder krass einseitige Bevorzugung von Lewis Hamilton durch das Team. Er bekam Infos über Rosbergs Auto, umgekehrt wurde Rosberg das verwehrt. Das hat wohl den Ausgang des Rennens nicht beeinflusst, aber das ist nicht der Punkt. Natürlich würden die Herren Lauda und Wolff niemals zugeben, dass Hamilton ihr Liebling ist. Aber diese Heuchelei macht es nur noch schlimmer.

floehde 8 Juni, 2015 - 18:33

Es ist schon einigermaßen albern,wenn in der selbsternannten Königsklasse Benzin gespart werden muss. Von den Mickey Mouse Motoren ganz zu schweigen. Keine Frage, die Motoren sind ingenieuretechnische Meisterleistungen. Aber sicher nicht königlich.

xeniC 9 Juni, 2015 - 13:15

@Speedwriter: Bevor du Mercedes eine Bevorzugung Hamiltons vorwirfst, solltest du alle Fakten kennen. Es ist seit geraumer Zeit verboten, Infos über Kontrahenten per Funk zu übermitteln. Ergo: Die Info an Hamilton über Rosberg war demnach verboten. Nicht umsonst sagte man Richtung Rosberg „we cant comment this“. Vermutlich weil die FIA eine Verwarnung gen Mercedes aussprach. Ansonsten hätte Rosberg ebenfalls Infos erhalten.

Speedwriter33 9 Juni, 2015 - 23:14

@xeniC: Mit Verlaub, ich kenne die Fakten durchaus. Das war nicht das allererste Rennen, das ich gesehen habe. Es fällt halt auf, dass sich Mercedes im Fall von Hamilton über das Verbot hinwegsetzt, im Fall von Rosberg nicht, und das passt gut zur bisherigen Ungleichbehandlung. Kann man mit einer Verwarnung erklären, wenn man es gut mit Lauda und Wolff meint oder Hamilton-Fan ist, muss man aber nicht.

xeniC 10 Juni, 2015 - 10:34

Ich bin also Hamilton-Lauda-Wolff-Fan. Gut zu wissen :).

Comments are closed.