Der GP von England steht vor der Tür und damit ein Rennen, das meist viel Abwechslung bietet. Für Mercedes könnte es in Silverstone tatsächlich etwas enger werden.
In diesem Jahr hat man mehrfach gesehen, dass Ferrari genau dann stark ist, wenn die Temperaturen hoch sind. Und genau das erwartet die Formel Eins am Wochenende in England. Mit für britischen Verhältnisse geradezu subtropischen 30 Grad soll es ein sehr heißes Rennwochenende werden und das wird Mercedes nicht gerne hören. Ausgerechnet beim Heimrennen von Lewis Hamilton besteht durchaus die Gefahr, dass die Ferrari bei der Vergabe des Sieges ein Wörtchen mitreden können.
Allerdings muss man auch sagen, dass die Italiener in Silverstone vermutlich nicht schneller als die Mercedes sein werden. Der Abstand im Rennen betrug bei allen Läufen bisher, Malaysia ausgenommen, immer rund vier bis sieben Zehntel pro Runde, mit der Tendenz, dass es seit dem Motoren-Upgrade der Mercedes in Kanada sogar etwas mehr geworden ist. Dazu kommt, dass dem W06 die Strecke in Silverstone liegen sollte. Die Kombination aus schnellen Kurven und langen Geraden ist genau das, was der Wagen gut beherrscht, wie man zum Beispiel auch in Spanien gesehen hat. Aber zumindest Vettel könnte die deutsche Mannschaft vor allem in der Qualifikation nachhaltig ärgern. Sollte es ihm gelingen die erste Startreihe zu erreichen, könnte das Rennen einen interessanten Verlauf nehmen.
Doch die Chancen, dass es wieder zu einer reinen Auseinandersetzung zwischen Rosberg und Hamilton wird, sind durchaus hoch. Rosberg hat in den letzten vier Rennen drei Siege erobert, auch wenn der erste Platz in Monaco geschenkt war. Aber vor allem in Österreich hat er Hamilton zum ersten Mal seit langer Zeit auf der Strecke schlagen können, was seinem Selbstbewusstsein sicher gut getan hat. Hamilton konnte auf seiner Heimstrecke im letzten Jahr gewinnen, im Jahr davor war es allerdings Rosberg, der in Silverstone siegen konnte. Doch in diesem Jahr sind die Karten etwas anders verteilt. Der amtierende Weltmeister hat Rosberg vor allem in der Qualifikation klar im Griff. 7:1 lautet das Ergebnis gegen seinen Teamkollegen, was schon mehr als deutlich ist. Rosberg konnte nur in Österreich von P2 gewinnen (Ausnahme wieder: Monaco). Von daher sind die Chancen für einen Sieg des Briten in Silverstone durchaus hoch.
Die Ferrari werden, wenn sie wie beschrieben nicht in die erste Reihe kommen, wieder mal die Plätze hinter Mercedes belegen. Es wäre schön, wenn man das Rennen zumindest spannend gestalten könnte, was nicht ausgeschlossen ist. Da der Ferrari mit hohen Streckentemperaturen besser zurechtkommt und die Mercedes etwas konservativer mit den Reifen umgehen müssen, um nicht über die Strategie ausgekontert zu werden, könnte der Abstand dieses Mal im Rennen überschaubar bleiben. Das eröffnet Ferrari vielleicht sogar die Möglichkeit eines Undercuts, wenn man auf eine Zwei-Stopp-Strategie setzt. Aber das ist, siehe unten, auch noch nicht ausgemacht.
Die Williams werden, auch wie immer, ihr eigenes Rennen fahren. Mit heißem Asphalt kam man bisher aber nicht gut klar, vor allem die Hinterreifen machten im Frühjahr Probleme. Aber es ist eher unwahrscheinlich, dass Force India oder Lotus den doch erheblichen Rückstand aufholen können.
Es wird ein interessantes und kompaktes Mittelfeld geben, bestehend aus Force India, Lotus, Toro Rosso und auch Red Bull. Immerhin sind es acht Autos, die sich um die vier verbliebenen Punkteplätze streiten werden. Eine schöne Ausgangslage für ein spannendes Rennen. Überholen ist in Silverstone aber so eine Sache. Die Aerodynamik sorgt dafür, dass man vor Einfahrt auf die Hangar Straight in Maggotts, Becketts und Chapel oft viel Boden verliert. Spart sich jemand seine Hybrid-Energie für die lange Gerade auf, wird es noch schwieriger. Eine bessere Stelle ist erste enge Kurve in der „Arena“ und Brooklands, wo man ja zwei Linien fahren kann. Es ist aber damit zu rechnen, dass es viele schöne enge Zweikämpfe geben wird.
Sauber hatte in den letzten Rennen etwas den Anschluss verloren. Komischerweise läuft es in der Quali meist gut, aber im Rennen nicht, wobei man der Mannschaft keinen Vorwurf in Sachen Strategie machen kann. Es macht den Eindruck, als würde der Sauber mit vollem Tank einfach nicht gut ausbalanciert sein, jedenfalls verlieren Nasr und Ericsson immer im ersten Renndrittel wichtige Positionen.
Für die britischen McLaren-Fans wird es ein eher hartes Wochenende. Nach dem Desaster vom Red Bull Ring wird es in England vermutlich nicht wahnsinnig viel besser laufen. Die schlechten Ergebnisse der letzten Rennen übertünchen aber den Fortschritt, den Honda durchaus gemacht hat. In Sachen Quali-Speed ist man jetzt im Mittelfeld angekommen, durchaus mit leichten Chancen auf Q3. Das Problem ist und bleibt die Zuverlässigkeit des Honda-Motors. Honda hinkt selbst wenn man es wohlwollend betrachten will, dem Zeitplan weit hinter her. Ich bin davon ausgegangen, dass die Japaner so ab Juli im Bereich der Top 12 liegen würden und vor allem regelmäßig das Ziel erreichen können. Davon ist man noch ein gutes Stück entfernt, was schlichtweg enttäuschend ist. Für die zweite Saisonhälfte hatte ich regelmäßig Punkte (so um P8, P9) prognostiziert, aber auch das ist im Moment nicht zu sehen. Für McLaren wird dann auch langsam die Zeit knapp. Normalerweise könnte man sich auf den Wagen für 2016 konzentrieren, aber das geht nicht, weil weiter der MP4/30 entwickelt werden muss, damit der besser mit dem Motor harmoniert. Die Techniker sind also blockiert und können sich nicht um 2016 kümmern. Aber die schmale Hoffnung bleibt ja, dass zumindest mal beide McLaren in vernünftigen Positionen ins Ziel kommen.
Strategie:
Pirelli hat „Medium/Hard“ im Gepäck. Für kühle Verhältnisse wäre das eine klare Ein-Stopp-Strategie gewesen, aber die hohen Temperaturen ändern das nun etwas. Im letzten Jahr setzten von den Top-Piloten nur der spätere Sieger Hamilton und Vettel auf eine Zwei-Stopp-Strategie, alle anderen wechselten nur einmal die Reifen. Allerdings war es im letzten Jahr kühler, was den „Medium“ entgegen kam. Die Reifen sind in diesem Jahr aber schon eine ganze Note härter geworden. Im Grunde hätte man für Silverstone auch „Soft“ und „Medium“ nehmen können, aber nach dem Desaster von 2013, als die Pirelli reihenweise platzten, ist man halt etwas vorsichtiger geworden.
Also: Ein- oder Zwei-Stopps? Ferrari könnte sich an einer Ein-Stopp-Strategie versuchen, dafür müssten sie die „Medium“ aber bis ungefähr Runde 22 bis 25 schleppen, was aber kein Problem sein sollte. Die „Hard“ kann man dann völlig problemlos über die restliche Distanz pushen.
Eine ähnliche Strategie wird Mercedes versuchen. Nach den Erfahrungen der letzten Rennen, insbesondere Kanada, sollte Mercedes ebenfalls auf einen Stopp setzen können. Mit der leichten Unsicherheit, ob die „Medium“ dann am Ende ihrer Laufzeit nicht eher einbrechen als bei den Ferrari. Eine mögliches Szenario sieht so aus, dass ein Mercedes mit einem Abstand von ca. drei Sekunden vor dem zweiten fährt, der wiederum versucht, den dahinter liegenden Ferrari auf weitere drei Sekunden zu distanzieren. So könnte man dann Runde 23 erreichen und auf die „Hard“ wechseln.
Das eröffnet Vettel allerdings die Chance auf einen Undercut, wenn er schon in Runde 18, 19 oder 20 reinkommt. Mit frischen „Hard“ könnte er versuchen, die Lücke zu schließen, allerdings hat Mercedes dann die Möglichkeit, schnell zu reagieren. Eine eher unwahrscheinliche Variante wäre ein Stopp in Runde 10 oder 12, um noch mal neue Medium zu nehmen, die Vettel dann bis Runde 30 bis 35 fahren könnte. Der Undercut müsste in dem Fall funktionieren, aber es ist unwahrscheinlich, dass Vettel seinen Vorsprung auf über 20 Sekunden ausbauen kann, zumal er wegen des frühen Stopps in umkämpfte Mittelfeld fallen würde.