Home Formel EinsF1 Formel Eins: Analyse GP von England 2015 – Entscheidungen

Formel Eins: Analyse GP von England 2015 – Entscheidungen

von DonDahlmann
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Dass Lewis Hamilton den GP von England gewinnen konnte, ist keine Überraschung. Und doch war es lange unsicher, wer am Ende ganz oben auf dem Podest stehen würde.

F1 Silverstone 2015Was für ein Rennen. Da beschweren sich Fans und Experten über die maue Action in den bisherigen Rennen und dann braucht es nur ein wenig Regen und ein überraschend starkes Williams-Team – und schon hat man den besten Saisonlauf des Jahres. Dabei sah es eigentlich wieder nach einer „Mercedes-Show“ aus, da die Ferrari in Silverstone überraschend schwach waren und sich in der Quali sogar beiden Williams geschlagen geben mussten. Aber der Abstand der Williams auf die Mercedes betrug immerhin rund neun Zehntel, da war dann auch klar, dass nach vorne nicht viel gehen würde.

Um so überraschender dann der Start: Massa legte einen Raketenstart hin und ging ungefährdet in Führung, während sich Bottas auf Position 3 schob. Nach dem Unfall in der ersten Kurve, dem beide Lotus und der McLaren von Button zum Opfer fielen, konnte Bottas beim anschließenden Restart einem etwas übermotivierten Hamilton sogar den zweiten Platz streitig machen. Und damit begann die Phase der Williams und die Frage, was sie in Sachen Strategie machen sollten.

Massa konnte sich nicht von Bottas absetzen, der Finne hatte zumindest auf den „Medium“ das bessere Auto. Massa hatte sichtbar mit Untersteuern zu kämpfen, Bottas klebte in seinem Heck und hatte wiederum Hamilton in seinem Getriebe. Williams nahm sich zunächst zwei Runden Zeit und überlegte, was zu tun sei. Massa zurückpfeifen? Das wäre eine Option gewesen, allerdings nur unter der Prämisse, dass Massa dann Hamilton würde hinter sich halten können. Williams ist aber Williams, man ist dem klassischen Ethos des britischen Motorsports verbunden. Massa ein „Bottas is faster than you“ zu schicken, widerspricht den Überzeugungen des Teams. Also sagte man Bottas, er könne überholen, aber nur wenn beide dabei keine Zeit verlieren.

F1 Silverstone 2015Man kann argumentieren, dass das erste Fehler von Williams war. Pat Symonds wusste, dass das Problem im Verlauf des Rennens ein Undercut von Mercedes sein würde. Der Williams hat Probleme, die Reifen im Temperaturfenster zu halten, was zu einem höheren Verschleiß auf der Hinterachse und vor allem im Bereich des linken Vorderreifen führt. Es wäre also eine Möglichkeit gewesen, Bottas nach vorne zu holen, um Massa als Puffer zu verwenden. Allerdings war Williams auch klar, dass Hamilton eine Lücke in wenigen Runden würde wieder schließen können. Aber natürlich bestand die Möglichkeit, dass Bottas eine Führung von fünf bis acht Sekunden bei den Boxenstopps haben konnte, der Undercut wäre nicht möglich gewesen.

Da der Abstand aber gering blieb, konnte sich Mercedes den besten Moment für den Undercut aussuchen. Der kam in Runde 19, als man genug Abstand zu Perez hatte und stoppen konnte, ohne irgendwo hängen zu bleiben. Massa verlor alleine in der Inlap samt Boxenstopp zwei Sekunden. War es also der zweite Fehler von Williams, zumindest Bottas nicht früher reinzuholen? Man hätte ja mit Bottas einen teaminternen Undercut versuchen können, um so Mercedes eventuell auszutricksen.

Dafür hätte Bottas zwischen Runde 15 und 19 (hier stoppte Hamilton) auf die „Hard“ wechseln müssen. Doch Williams hatte Sorgen, dass der Reifensatz dann nicht bis Runde 52 durchhalten würde. Bottas wäre in Führung gegangen, Hamilton aber an Massa vorbei. Die Frage wäre dann gewesen, wie lange Bottas den Briten hätte hinter sich halten können. Vermutlich nicht lange, denn im Rennen konnte man dann sehen, dass der Wagen von Bottas mit den harten Reifen nicht mehr so gut klar kam wie zuvor mit den weichen Pirellis.

F1 Silverstone 2015Dass am Ende das Wetter das Rennen beeinflussen würde, war nicht abzusehen und zu dem Zeitpunkt war Hamilton vorne schon weit in Front. Aber war es ein dritter Fehler von Williams, zumindest einen Fahrer nicht früher auf Intermediates zu setzen? Zu entscheiden, wann man Intermediates aufzieht, ist immer schwer. Räikkönen kam in Runde 38, das war deutlich zu früh. Vettel entschied sich wie Hamilton in Runde 43 für Intermediates. In dem Moment dachten viele, dass Hamilton, der den Call entschieden hatte, das Rennen verloren habe. Immerhin war Rosberg in der gleichen Runde noch sechs Sekunden schneller als Räikkönen auf den Intermediates. Für den Deutschen schien klar, dass er das Rennen gewinnen würde, er ging davon aus, dass Hamilton die Situation komplett falsch einschätzte.

Aber genau in dem Moment, in dem Vettel und Hamilton an Box waren, brach der Regen richtig los. Rosberg, Massa und Bottas kamen sofort an die Box, also rund 90 Sekunden nach Hamilton. Aber diese eine Runde reichte Hamilton und Vettel. Rosberg verlor in Runde 44 knapp acht Sekunden auf den Briten, Vettel holte gar zwölf Sekunden auf beide Williams auf, die im Regen sowieso nicht gut funktionieren. Mischverhältnisse wie in Silverstone sind immer ein Glücksspiel, Hamilton hatte richtig gezockt. Es hätte problemlos auch anders laufen können und der Weltmeister hätte sich anhören müssen, warum er so einen schlechten Call macht.

Aber noch mal zurück zu Williams: Alles falsch gemacht? Der Fehler war nicht, dass man Massa nicht angewiesen hat, Platz zu machen. Wie erwähnt – so was liegt nicht in denen Genen des Teams. Aber man hätte mit Bottas einen Undercut machen müssen, um zu sehen, was dann nach dem Stopp von Mercedes passiert. Damit hätte man dann auch gleichzeitig Mercedes unter Druck gesetzt, die dann hätten entscheiden müssen, wie man Rosberg und Hamilton gleichzeitig nach vorne bekommt. Auf der Strecke konnte man sehen, dass die 0,5 Sekunden, die die Mercedes pro Runde schneller sind, nicht zwingend ausreichen, um überholen zu können. Schaut man sich aber die Strategie von Williams genau an, sieht man, dass sie alles taten, um zumindest P2 zu retten. Was ja auch geklappt hätte, wenn der Regen nicht gekommen wäre. Auf der anderen Seite kann sich Williams durchaus mehr Risiko erlauben. In der WM liegt man auf P3, von hinten droht keine Gefahr.

F1 Silverstone 2015Warum Ferrari in Silverstone so langsam war, ist schwer zu beantworten. Die Italiener waren vor dem Rennen sehr zuversichtlich, der Abstand in der Quali war dann ernüchternd. Dass man sogar hinter die Williams fiel, war eine kleine Katastrophe. Vettel und Räikkönen beklagten beide ein schwer zu fahrendes Auto und schoben die Performance-Probleme auf die Reifen. Die „Medium“ sind dem Ferrari schon zu hart, die Temperaturen in Silverstone waren ebenfalls zu niedrig. Vettel traf am Ende mit Glück die richtige Entscheidung mit den „Intermediates“, die mutige Variante von Räikkönen ging leider nicht auf. Aus eigener Kraft war Ferrari jedenfalls nicht in der Lage, über P5 hinauszukommen.

Besser lief es für Force India. Die B-Spec-Variante des diesjährigen Autos scheint ein guter Wurf zu sein. Mehr oder weniger ungetestet kam sie in Silverstone an, aber Hülkenberg erreichte sofort Q3. Im Rennen lag er lange auf P5, fiel aber dann auch dem Undercut von Kvyat während des ersten Stints zum Opfer, der eine Runde vor ihm reingekommen war. P7 kann sich aber sehen lassen, zumal der Force India nun wieder auf Höhe der Red Bull unterwegs ist. Teamkollege Perez war etwas blasser am Wochenende, holte aber auch noch zwei Punkte.

Den letzten Punkt angelte sich Fernando Alonso. Immerhin, kann man sagen, hielt der Honda mal durch und er war gut genug für P10. Aber das ist Augenwischerei. Beide Lotus und beide Toro Rosso fielen aus, und alle vier wären schneller als der McLaren gewesen. Dazu der Red Bull von Ricciardo. Realistisch betrachtet ist die Pace weiter unterirdisch. Im Ziel fehlten Alonso trotz eines echten und einer virtuellen Safety Car-Phase und dem Regen am Schluss rund 160 Sekunden. Das entspricht einem Zeitverlust von knapp drei Sekunden pro Runde, was auch dem entspricht, was man in der Quali sieht. Man ist komplett chancenlos, selbst wenn der Motor mal hält. Zwar hat der McLaren an Speed zugelegt, aber der Rest des Feldes halt auch. Und Honda kann nicht liefern. Der Abstand sollte um diese Zeit in der Saison vielleicht bei 1,5 Sekunden liegen, damit wäre man dann mittendrin im Kampf um P7 bis P12. Bis Ende August gibt es nur noch das Rennen in Ungarn. Die Teams haben also jetzt eine Menge Zeit, sich auf die zweite Saisonhälfte vorzubereiten. Vielleicht hilft McLaren und Honda die ungewöhnlich lange Pause. Man darf aber zurecht skeptisch sein.

Es war ein wirklich gutes Rennen in Silverstone, mit vielen spannenden Momenten und Zweikämpfen. Dass Mercedes am Ende wieder gewinnen konnte, war nicht überraschend, aber immerhin mussten sie mal etwas mehr dafür tun. Hamilton hatte einerseits das Glück auf seiner Seite, andererseits merkt man ihm an, dass er ruhiger und erfahrener wird. Vor ein paar Jahren hätte er dem Team die Entscheidung überlassen, jetzt übernimmt er solche Dinge mit Selbstverständlichkeit. Hamilton ist superschnell, erfahren und sehr ruhig. Eine Kombination, die nur schwer zu schlagen sein wird.

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Bilder: Daimler AG, Ferrari, Williams F1, Red Bull/Toro Rosso/Getty, Force India, Sauber, McLaren

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