Es war kein besonders schönes, aber doch ein spannendes Rennen – und mit dem britischen Jota Sport-Team gab es einen hochverdienten Gesamtsieger. Daran konnten auch die fünf Safety Car-Phasen und die zahlreichen Strafen, die das Rennen in allen Klassen durcheinanderwirbelten, nichts ändern.
Schon die Qualifikation war abgehackt und der Kampf um die Pole blieb gewissermaßen unvollendet. Harry Tincknell fuhr die schnellste Runde, eine Zehntel schneller als die Vorjahres-Pole und dreieinhalb Zehntel schneller als Nathanael Berthon im Murphy-Oreca 03R. Der Angriff des Thiriet by TDS-Teams auf Tincknells Bestzeit wurde durch eine rote Flagge kurz vor Ende des Trainings vereitelt: Gary Hirsch im Greaves-Gibson flog auf seiner schnellen Runde in der ersten Kurve ab und die Reifenstapel. In den verbleibenden vier Minuten fand Tristan Gommendy für Thiriet by TDS kein freies Stück Strecke und brach die Runde ab. Jota blieb vorn.
Filipe Albuquerque führte im Jota-Gibson-Nissan das Feld vom Start weg an. Zweimal fuhr er Vorspung heraus, zweimal wurde dieser durch Safety Car-Phasen in der ersten Rennstunde wieder auf Null gesetzt. Dahinter ging es gut zur Sache, doch diesmal konnte sich Mark Patterson im Murphy-Oreca nicht ganz so erfolgreich verteidigen wie in Imola und fiel im Laufe seines Stints zurück. Derweil tat sich das Eurasia-Team mit Nico Pieter de Bruijn und Pu Jun Jin hervor und konnte sogar zeitweise die Führung übernehmen, denn das Safety Car-Pech veranlasste das Jota-Team, seine Boxenstrategie zu ändern.
Doch der Eurasia-Oreca konnte sich sogar eine Zeit lang an der Spitze halten, bevor Simon Dolan für Jota die Führung zurückeroberte. Mitfavorit Thiriet by TDS kämpfte sich im Laufe der zweiten Rennstunde auf Rang 2 vor und war für den Rest des Rennens härtester Verfolger des Jota-Teams. Zur Rennmitte betrug der Rückstand fünf Sekunden. Zwei weitere, direkt aufeinander folgende Safety Car-Phasen brachten danach die Abstände wieder durcheinander. Es folgte noch eine fünfte Safety Car-Phase. Diese nutzte das Thiriet-Team für seinen letzten Boxenstopp; doch dabei machte Tristan Gommendy einen schwerwiegenden Fehler: Er verließ die Boxengasse, obwohl die Ampel Rot zeigte – die Folge: eine Durchfahrtsstrafe.
Ohne den Rotlicht-Verstoß hätte Thiriet beste Siegchancen gehabt, denn während sie ihren letzten Stop unter Gelb absolvierten, musste Tincknell etwa 25 Minuten vor Schluss unter Grün noch einmal die Jota-Box ansteuern. Dadurch verlor er zunächst die Führung – doch nach Gommendys Durchfahrtsstrafe lag das britische Team wieder vorn, wenn auch nur um wenige Sekunden. Gommendy machte Dampf – und drehte sich in der ersten Kurve beim Versuch, sich an den um den GTE-Sieg kämpfenden Ferraris vorbeizuschieben (dazu später mehr). Damit war das Rennen endgültig entschieden – zugunsten des Jota Sport-Teams mit Albuquerque/Dolan/Tincknell.
Thiriet/Badey/Gommeny wurden Zweite mit etwa einer halben Minute Rückstand. Alle weiteren Konkurrenten waren überrundet. Rang 3 ging an Aleshin/Ladygin/Ladygin im zweiten SMP-Boliden, nachdem Teamkolege Markozov sich im Schwesterauto gedreht und so für eine der Safety Car-Phasen gesorgt hatte. Doch das BR01-Chassis konnte ebenso überzeugen wie bereits in Le Mans: Mit 1’25.7 fehlte bei der schnellsten Runde noch eine Sekunde auf Jota, doch wenn man bedenkt, wie jung dieses Fahrzeugmodell noch ist, könnte 2016 Großes bevorstehen – angeblich denkt das Murphy Prototypes-Team bereits darüber nach, ein BR01-Chassis zu erwerben und im Winter damit in der AsianLMS anzutreten.
Mit den 25 Punkten für den Sieg und einem zusätzlichen für die Pole hat Jota nun auch die Meisterschaftsführung von Thiriet by TDS übernommen. Doch es bleibt denkbar knapp: Aus vier Zählern Rückstand sind zwei Vorsprung geworden. Greaves hält trotz des schwierigen Rennens mit P4 den Anschluss (zehn Punkte Rückstand auf Jota); alle anderen sind schon deutlich abgeschlagen und haben bei noch zwei verbleibenden Rennen keine realistische Chance mehr auf den Titel.
In der LM GTE-Klasse ging es durchgehend heiß zur Sache: Sechs der acht angetretenen Fahrzeuge konnten im Laufe des Rennens Führungsrunden sammeln. Die meisten davon gingen auf das Konto des AF Corse-Ferrari #55 von Matt Griffin, Duncan Cameron und Aaron Scott, die vom letzten Startplatz aus ins Rennen gegangen waren (die Quali-Zeit war gestrichen worden, da im Tank noch Reste des GT Open-Sprits aus der Vorwoche gefunden worden waren). Sie führten in der Schlussphase des Rennens, doch dann kam die letzte Runde.
Eingangs dieser führte Matt Griffin, Mikkel Mac hing direkt in seinem Getriebe und Matteo Cressoni lag in Lauerstellung auf Rang 3. In Kurve 1 versuchte Tristan Gommendy im LMP2-Oreca, diese Gruppe zu überrunden – und scheiterte: Es kam zum Lackaustausch mit den Führenden und Gommendy drehte sich. Doch auch Matt Griffin im AF Corse-Ferrari war dadurch kurzzeitig so beeinträchtigt, dass sich Mikkel Mac im Formula Racing-458 Italia auf dem folgenden Bergaufstück vorbeischieben konnte. Er hielt die Führung für den Rest der Runde und überquerte die Ziellinie 0,7 Sekunden vor Griffin und 1,5 Sekunden vor Cressoni.
Zwei weitere Ferraris hatten im Laufe des Rennens ebenfalls Führungsrunden gesammelt. Der des JMW-Teams von Jim McWhirter wurde jedoch durch eine Strafe zurückgeworfen, und das in der Meisterschaft vor dem Rennen führende AT Racing Team fiel nach einem Ausrutscher von Alexander Talkanitsa jr. und danach folgenden weiteren Fehlern ebenfalls aus der Führungsrunde. Auch die Porsches von Proton Racing und Gulf Racing UK lagen zeitweise in Führung, fielen jedoch zurück, das Gulf-Team mit technischen Problemen.
Formula Racing hat mit seinem ersten Saisonsieg die Spitze in der ebenso eng umkämpften LM GTE-Klasse übernommen; der AF Corse-Ferrari #55 (Scott/Cameron/Griffin) rückt auf Rang 2 vor. Gulf Racing UK und das AT Racing-Team aus Österreich haben dagegen mit dem schlechten Ergebnis Plätze einbüßen müssen. Bei dem kurzen Kalender wiegt eben jedes einzelne Ergebnis umso schwerer.
Die LMP3 mit nur vier Autos war eine klare Sache für Sir Chris Hoy und Charlie Robertson im LNT-Ginetta. Fünf Runden Vorsprung vor dem zweitplatzierten Villorba Corse-Team fuhren die beiden im Rennen heraus, weitere drei Runden kamen hinzu, weil das Villorba-Team und der zweite LNT-Wagen nachträglich mit Strafen von drei Runden (!) für Fahrzeit-Verstöße belegt wurden.
In der GTC war es etwas enger, doch auch hier betrug der Vorsprung von Castellacci/Flohr/Hall am Ende zwei Runden. In der frühen Rennphase hatten noch der Aston Martin von Massive Motorsport und der BMW Z4 von TDS Racing vorn gelegen; für diese beiden blieb nach Problemen (u.a. ein Ausrutscher für den TDS-BMW)jedoch nur der Kampf um Rang 2, den Massive Motorsport mit Perera/Lunardi/Dermont um weniger als zwei Zehntelsekunden für sich entschied. TDS Racing konnte allerdings die Meisterschaftsführung behaupten, doch mit dem zweiten Sieg in Folge kommen Castellacci/Hall im #62 AF Corse-Ferrari auf nur noch fünf Punkte heran.
Der nächste ELMS-Lauf wird am ersten September-Wochenende auf dem Circuit Paul Ricard bei Le Castellet ausgetragen.