Justin Wilson war einer der hochtalentierten britischen Piloten, die praktisch in jeder Rennserie schnell sind. Sein Liebe galt aber immer den Monoposto.
Es gibt sie immer wieder, diese Fahrer, die nur so vor Talent strotzen, die sich in ihren jungen Jahren gegen harte Konkurrenz durchsetzen und deren Karriere dann irgendwie immer eine falsche Richtung nimmt. Wilson war so ein Fahrer. Nachdem er durch die harte britische Schule der Kart- und Formelmeisterschaften gegangen war, stürmte er Ende der 90er Jahre in die Formel 3000. Damals die Nachwuchsserie für den Einstieg in die Formel Eins. 1999 im unterfinanzierten Astromega Team war ein Lehrjahr, aber im Jahr 2000 zeigte er bei Nordic, wie groß sein Talent ist. Nach zehn Rennen belegte er Platz 5 in der Wertung, nur einen Zähler hinter Fernando Alonso. Die Saison 2001 dominierte Wilson und ließ zum Beispiel Mark Webber weit hinter sich. Nur ein Ausfall und einmal P6 in zehn Rennen. Der Rest bestand aus Podiumsplatzierungen. Logischerweise holte Wilson den Titel und damit seine Eintrittskarte in die Formel Eins.
Justin Wilson hatte nur ein Problem: seine Körpergröße. Mit 1,.91 Meter überragte er mach andere um locker 25 Zentimeter, was für die Teams aber ein Problem bei der Chassisherstellung bedeutete. Ein weiteres Problem lag in seinen Finanzen. Schon damals musste man sich in ein Cockpit einkaufen. Wilson hatte zwar anerkanntermaßen Talent, aber halt nur wenig Geld. Minardi war seine einzige Chance, seine guten Leistungen dort machten Jaguar auf ihn aufmerksam, wohin er Mitte 2003 wechselte. Und wieder Teamkollege von Mark Webber wurde. Bei den fünf Rennen, die er für Jaguar fahren konnte, holte er immerhin einen WM-Punkt. Jaguar hätte den Briten gerne behalten, aber Red Bull schob Christian Klien ins Team.
Justin Wilson zog es nach der Enttäuschung in der Formel Eins dann in die USA. Die ChampCars versprachen eine gute Lösung zu sein, immerhin dominierte dort Sebastian Bourdais, den er in seiner F3000-Zeit oft geschlagen hatte. Und die Serie war günstig. Nicht nur das – man wurde als Fahrer sogar bezahlt.
2004 lief es bei Conquest Racing schon recht gut, 2005 wechselte er zu RuSPORT. Sein erster Sieg kam in Toronto, ein zweiter am Saisonende in Mexico. Weitere gute Ergebnisse erbrachten am Ende einen dritten Platz in der Meisterschaft. Nicht schlecht für die zweite Saison. Er blieb bei seinem Team und konnte 2006 hinter Bourdais sogar P2 belegen. 2007 war ein Spiegelbild der vorherigen Saison. Wieder konnte sich Bourdais dank des besseren Materials bei Newman/Haas durchsetzen. Aber es war klar – wenn man Meister werden wollte, musste man Bourdais und Wilson schlagen.
Am Ende der Saison brach die ChampCar zusammen und es wurde die neue IndyCar Serie geformt. Wilson kam bei Newman/Haas/Lanigan unter, aber während das Team in der ChampCar dominierte, tat man sich mit dem Dallara IR4-Chassis schwer. Mehr als P11 war am Ende der Saison nicht drin. Weil sein Team Probleme mit den Sponsoren hatte und Dale Coyne als etabliertes IndyCar-Team eine gute Lösung war, wechselte Wilson dorthin. Aber wie es oft so ist – es lief nicht gut und für Wilson begann eine schwierige Zeit Nach zwei Jahren bei Dreyer & Reinbold Racing wechselte er 2012 wieder zu Dale Coyne, wo er 2013 seinen letzten Sieg (Texas) in der Serie feiern konnte. 2014 lief es wieder zäh, aber plötzlich tat sich eine Möglichkeit bei Andretti Racing auf. Obwohl kein Sponsor vorhanden war, bekam er doch seinen Platz in einem der dominierenden Teams der IndyCar, wenn auch nur für ausgewählte Rennen.
Andretti holte Wilson vor allem, weil sich herum gesprochen hatte, dass er ein sehr guter und sehr erfahrener Entwickler war. Ryan Hunter-Reay sagte noch in seinem Siegerinterview in Pocono, dass die Erfolge von Andretti Racing auch Wilson zu verdanken seien, der er die Setups für die Wagen erarbeiten würde. Für Wilson selber lief es in seiner ersten Saison bei Andretti und bei seinen sporadischen Einsätzen nicht so gut. Aber der zweite Platz beim letzten Rennen in Mid-Ohio zeigte mal wieder, wie gut der mittlerweile 37-Jährige war.
Nach mehr als zehn Jahre im US-Motorsport kannte man Wilson sehr gut. Man wusste, wie gut er war. Dario Franchitti sagte mal über den Briten: „Gott hilf uns, wenn Wilson mal in einem guten Auto sitzt.“ Er ging nie unnötige Risiken ein, schon gar nicht, nachdem zu Hause eine Familie mit zwei Kindern auf ihn wartete. Unfälle hatte er dementsprechend selten und Ärger mit den Kollegen auch nicht. Am Tag nach dem Unfall war Twitter voll mit Meldungen von Fahrerkollegen, die betonten, was für ein freundlicher, aufmerksamer und offener Mensch Wilson sei. Um noch mal Dario zu zitieren:
@justin_wilson is one of the best human beings I’ve ever met. #PrayForJustin
— Dario Franchitti (@dariofranchitti) 24. August 2015
Wilson war sich des Risikos seines Berufes bewusst. Nach dem tödlichen Unfall von Dan Wheldon 2011 erwähnte er mal in einen Interview, dass er auf bestimmten Strecken immer seine Tasche vor dem Rennen packen würde, damit dies kein anderer für ihn machen muss. Und das beschreibt seinen Charakter vielleicht auch sehr gut. Ehrlich, zurückhaltend, sich für andere einsetzend.
Die Motorsportwelt verliert mit Justin Wilson vielleicht nicht den bekanntesten Rennfahrer, aber sie verliert einen ihrer Besten. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und Freunden.
Bilder: IndyCar / LAT
4 Kommentare
Ein schöner und würdiger Nachruf auf Justin. RIP
Ein sehr guter Nachruf @Don. RIP Justin
Danke!
Ein würdiger Nachruf auf den sympathischen Briten der absolut unverschuldet sein Leben lassen musste. Traurig, wirklich traurig. Auch angesichts der Tatsache das ich selbst die Indycar Serie nach vielen hoffnungslosen Jahren erst seit dieser Saison wieder mehr verfolge und das Pocono Rennen das erste war das ich live seit wirklich ewigen Jahren verfolgte. Und dann so etwas.
R.I.P. Justin Wilson………im Himmel wirst Du viele Freunde wiedertreffen.
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