Die WEC kehrt aus ihrer viel zu langen Sommerpause zurück und stattet endlich mal wieder dem Nürburgring einen Besuch ab. Im Grunde geht die Saison jetzt erst richtig los.
Der Champagner ist lange getrocknet, die Schlacht von Le Mans besteht nur noch aus Erinnerungen. Die WEC kehrt zurück auf die Weltbühne und es wird spannend zu sehen sein, wie der Kampf zwischen Audi, Porsche und Toyota sich entwickeln wird. Verzichten müssen die Fans leider auf den Nissan GT-R LMP1. Nach dem eher mauen Auftritt in Le Mans, hat Nissan die Pause genutzt, den Wagen weiter zu testen. Man hat versucht, das Hybrid-System zum Laufen zu bekommen, man hat den gesamten Vorderbau des Wagens umgebaut. Aber die Testergebnisse waren weiter schwach, das Hybrid-System lief auch nicht.
Also hat sich Nissan dazu entschlossen, die nächsten drei Rennen ausfallen zu lassen. Und man muss kein Hellseher sein, wenn sagt, dass man das Auto vermutlich in diesem Jahr überhaupt nicht mehr sehen wird. Nissan weist zwar Gerüchte zurück, man würde das Projekt komplett einstellen, aber es ist schwer vorstellbar, dass die Truppe mit dem Auto noch mal zurückkehrt. Wäre man in Le Mans wenigstens auf Augenhöhe mit den Rebellion gewesen – vielleicht hätte dies Zuversicht gegeben. Aber so war man rund acht Sekunden langsamer, von den drei Top Teams sah man nicht mal die Rücklichter. Ob Nissan 2016 zurückkehrt und wie das Auto dann aussehen wird – es steht in den Sternen.
Mit Audi, Porsche und Toyota bleiben aber drei Marken, die weiterhin für jede Menge Spannung sorgen werden. Bei Toyota hat man die Weiterentwicklung des diesjährigen Wagens zwar eingestellt (man konzentriert sich auf 2016), aber die Strecke in der Eifel könnte dem Toyota vor allem im ersten Sektor sehr gut liegen. Im zweiten Sektor wird er einigermaßen dran bleiben, im dritten Sektor hat man kaum eine Chance. Es fehlen die harten Bremspunkte, um den Kondensator komplett aufladen zu können. Die 6MJ Hybrid Energie bestehen also nur auf dem Papier. Über die Distanz wird man sich daher schwer tun.
Zwischen Audi und Porsche wird es dagegen wieder ein enges Rennen. Der ACO hat vor ein paar Wochen die neuen EoT-Regeln bekanntgegeben, die den Audi ein bisschen helfen werden. Porsche verliert circa 14 PS Leistung und der Tankinhalt wird um einen knappen Liter reduziert. Das klingt nicht nach viel, macht über die Distanz aber schon einiges aus. Audi bekommt 5 PS mehr, muss aber auch auf einen halben Liter Diesel verzichten. Die geringere Menge an Sprit (Energie) werden die Ingenieure vermutlich kompensieren können, der Leistungsunterschied wird schon eher spürbar sein.
Der Porsche 919 hat weiter den Vorteil der 8 MJ Hybrid Energie, die ihn vor allem aus langsamen Ecken heraus einen enormen Vorteil bringen. Le Mans hat auch gezeigt, dass der 919 in schnellen Kurven dem Audi R18 durchaus ebenbürtig ist. Aber schnelle Ecken gibt es am Ring nur wenige, sodass das Match auf dem Papier ausgeglichen sein sollte. Da Vergleichswerte aus den Vorjahren von der Strecke fehlen, lässt sich kaum vorhersagen, wer die Nase vorne haben wird. Tendenziell hat der Porsche leichte Vorteile, vor allem im dritten Sektor.
In Sachen Stintlänge wird man sich ebenfalls nicht unterscheiden. 31 bis 33 Runden werden auf dem Programm stehen, abhängig ein wenig davon, wie das Wetter ist und was die Reifen machen. Der Asphalt am Ring ist nicht sehr aggressiv, da es aber heiß werden wird, dürfte es spannend werden, wer wie lange die Teams die Michelin drauf lassen. Vom Reifenvorteil des Audi war zwar in Le Mans nichts zu sehen, dennoch hat Porsche nach dem zweiten und dritten Stint eher mit abbauenden Reifen zu kämpfen. Dafür haben die Zuffenhausener Vorteile beim Stopp, der wie schon in den anderen Rennen etwas kürzer als bei den Audi ausfallen könnte.
Es ist davon auszugehen, dass das Rennen sehr lang offen sein wird. Verschobene Strategien mit einem Einsatzwagen sind sehr wahrscheinlich, um möglichst alle Eventualitäten abdecken zu können. Das gilt auch für das Wetter. Am Wochenende soll es geradezu subtropisch warm werden – jedenfalls für die Eifel. 27 bis 30 Grad sind drin, inbegriffen ist allerdings auch die Chance auf ein Gewitter in den späten Nachmittagsstunden.
In der LMP1 werden man neben den Top-Teams auch noch beide Rebellion und der chancenlose byKolles antreten.
LMP2
Nach Le Mans wird das Feld der LMP2 wieder sehr ausgedünnt sein. Die ELMS-Teams, die die Rennen vor Le Mans hier und da als Test genutzt haben, sind wieder in ihrer Serie verschwunden. Bleiben aber immer noch acht Prototypen übrig. Von denen hat das KCMG-Team mit dem sensationell schnellen Oreca 05 die vermutlich besten Chancen auf den Gesamtsieg. Das Chassis ist derartig schnell, dass man die Konkurrenz locker auf Distanz halten kann. Nicht gerade geschmälert werden die Siegchancen von KCMG durch den Einsatz von Le Mans-Sieger Nick Tandy, den Porsche zwecks weiterer Erfahrungen an die Truppe aus Hongkong ausgeliehen hat. Was soll da schon schief gehen?
Aber ganz ohne Gegenwehr wird das Rennen natürlich nicht ausgehen. Vor allem die G-Drive-Mannschaft Rusinov, Canal, Bird dürfte etwas gegen einen deutlichen Sieg der Konkurrenz haben. Ebenfalls schnell ist das etwas unterschätzte Signatech-Team, das am Ring wieder mit Panciatici, Capillaire und Chatin an den Start gehen wird.
Durchaus Chancen auf das Podium hat auch das Strakka-Team. Die haben den zwar sehr schönen, leider aber langsamen Dome eingemottet und sich ein gebrauchtes Gibson/Zytek-Chassis bei Greaves besorgt. Auch wenn der Gibson nicht mehr ganz taufrisch ist – in der ELMS zeigt er, dass er weiter zu den schnellsten gehört. Die Besetzung Leventis, Watts, Kane ist jetzt auch nicht gerade langsam. Allerdings fehlen Strakka die Erfahrungs- und Abstimmungswerte mit dem Gibson. Zwar wird der Hersteller jede Menge Daten geliefert haben, aber für die Fahrer ist der Wagen halt neu.
Die beiden ESM Ligier werden wohl wieder etwas hinterher hängen. Dem US-Team ist es bisher nicht gelungen, den Wagen so richtig in Schwung zu bringen, was auch am HPD-Motor liegen kann. Dort hat man die technischen Probleme in der USCC zwar in den Griff bekommen, aber halt nur bei den kurzen Rennen. Sechs Stunden sind dann wieder eine andere Hausnummer.
Aber wenn der Oreca nicht in Probleme kommt, wird es schwer, ihn zu schlagen.
GTE-PRO
Die Corvette ist ja leider nur in Le Mans dabei, also werden sich wieder Porsche, Ferrari und drei Aston um den Sieg prügeln. Die BoP hat sich nach Le Mans kaum verändert, der Porsche darf 10 Kilo abspecken, was ihm zumindest in der USCC gut getan hat. Aber die Strecke schreibt förmlich nach dem Sieg eines Aston. Und als ersten muss man da die #99 mit Rees, McDowall, Stanaway nennen. Ein bisschen überraschend, weil es eigentlich ein „Amateur“-Team ist, aber die waren bisher bei allen Rennen immer vorne mit dabei. Ein interessanter Neuzugang bei Aston ist Jonathan Adam. Der 30-Jährige wurde bis von Aston nur sporadisch international eingesetzt, liegt aber momentan in der British GT Meisterschaft auf Platz 2. Auch wenn man den Namen nicht gut kennt, bringt er jede Menge Erfahrung mit. Er teilt sich den Wagen mit Turner/Mücke, was eine interessante Kombination ist. Vielleicht sorgt der Brite ja für eine Überraschung.
Ansonsten darf man sich wie immer auf eine enge Schlacht zwischen Werkswagen von Porsche und Ferrari freuen.
GTE-AM
Fast noch interessanter als die PRO- ist die AM-Katgorie, die das „Amateur“ auch nur noch im Namen trägt. Da sind am Ring wirklich nur große Namen am Start. Labre hat ihre Corvette C7 wieder bekommen, die sie zwischendurch mal der Werksmannschaft für die USCC ausleihen mussten, weil die kein drittes Chassis nach dem Unfall von Verstappen in Le Mans hatten. In Spa ist die Corvette in Führung liegend ausgefallen, am Ring sollte Labre wieder gute Chancen haben.
Aber auch in der AM gilt der erste Blick eigentlich den Aston. Und hier dann dem „Amateur“-Auto mit Dalla Lana, Lamy, Lauda. Die #99 ist derartig schnell, dass sie in der Quali immer in den Top 3 der Pro-Kategorie rumhängt. Mathias Lauda hat sich als brillante Entscheidung von Dave Richards herausgestellt: superschnell, zuverlässig, Silber-Kategorie. Was kann man mehr wollen.
Im Grunde kann man aber fast das gesamt Starterfeld zu Favoriten erklären. Sogar das Abu Dhabi-Proton-Team. Da Klaus Bacheler am Wochenende in der GT Masters unterwegs ist, hat man sich bei Porsche ausgerechnet Earl Bamber ausgeliehen. Einen viel schnelleren 911er-Piloten kann im Moment nur schwer finden. Dann wäre da noch die Le Mans-Sieger von SMP, der Dempsey-Porsche und, und, und… das wird ein echtes Fest in der AM.
Los geht das Rennen am Sonntag um 13:00 Uhr. Stream gibt es wieder nur gegen Bares bei der FIA, Eurosport zeigt wie immer nur winzige Auszüge des Rennens.
Bilder: WEC/ACO/Adrenalin